Abbygails Abenteuer von yazumi-chan (Road to Lavandia) ================================================================================ Kapitel 110: Auge um Auge (Finale Entscheidung) ----------------------------------------------- Absols Heulen reißt mich aus dem Schlaf, gerade rechtzeitig, um dem Jagdmesser auszuweichen, das auf meinen Kopf zurast. Ich spüre den Biss der Klinge, als sie durch die Haut meiner linken Wange ratscht und blutig aus dem Kissen gezogen wird. Mels unversehrtes Auge betrachtet mich mit unverhohlener Gier. "Hallo, Abby." Regen prasselt auf mein Gesicht und vermischt sich mit dem Blut, das meine Wange herunter tropft. Mit klopfendem Herzen beobachte ich, wie Mel mein Blut von der Klinge leckt. Mein Blick huscht zu den Pokébällen, die außer Reichweite auf meinem Schreibtisch liegen. "Hun-" Mels Hand schnellt auf meinen Mund und erstickt den Ruf, noch während sie ihr Messer an meine Kehle presst. "Shh…", flüstert sie und nickt hinter sich. Arboks Silhouette ist nur spärlich erkennbar, bis ein Blitz mein Zimmer mit gleißendem Licht flutet und die violette Kobra sichtbar macht, die zusammengerollt vor meinem Schrank liegt, Kopf und Hals emporgereckt. Meine Hände, die ich bereits zu Fäusten geballt hatte, erstarren, als ich das quiekende Bündel Fell in ihren Fängen entdecke. Priss. "So sehen wir uns also wieder", zischt Mel und zieht damit meine Aufmerksamkeit auf sich. Das Messer drückt schmerzlich gegen meine Kehle. "Ich habe lange auf diesen Moment gewartet, Abby. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich meiner Rache entgegengefiebert habe." Sie schüttelt sich, so als jage allein der Gedanke ihr einen wohligen Schauer über den Rücken. Ihre prominente Nase trieft Regenwasser, das ungehindert durch mein Fenster auf uns herabströmt. Ich schiele flüchtig hoch und entdecke ein kreisrundes Loch im Glas. Das erklärt, wie sie ohne einen Laut in mein Zimmer gelangt ist. "Wie hast du mich gefunden?", frage ich vorsichtig, um meinen Hals nicht weiter gegen die Messerklinge zu drücken. Kaum verlassen die Worte meine Lippen, kenne ich bereits die Antwort. Sie lächelt mitleidig. "Ein dummer Junge im Fernsehen war so freundlich, deine Adresse im gesamten Netz zu verbreiten", sagt Mel und streicht sanft über mein Gesicht, bevor sie die Finger zu Krallen formt und mit ihren Fingernägeln lange rote Striemen in meine Haut ratscht. Priss winselt, ein Laut, der im nächsten Moment durch Arboks feste Umklammerung verstummt. Ich presse meine Lippen zusammen, um keinen Laut von mir zu geben. Nachdem ich Julius´ als Gefahr für Zach ausgeschaltet hatte, erschien mir die Bedrohung durch ihn zerstört, aber natürlich habe ich mir in dem Gefecht mit ihm eine Blöße gegeben. Ich hatte nicht damit gerechnet, Mel nach so langer Zeit hier wiederzutreffen, aber so wie ich sie kenne, ist sie mir seit Wochen auf den Fersen und hat nur auf eine Gelegenheit gewartet, mich verletzlich und alleine vorzufinden. "Und jetzt?", frage ich bemüht ruhig, aber ich kann nicht verhindern, dass ein leichtes Zittern in meine Stimme schleicht. "Wirst du mich töten? Atlas wird das gar nicht gefallen." "Rede nicht so, als verstündest du etwas von seinen Plänen", faucht Mel tonlos. "Ich werde dich nicht töten. Noch nicht. Du wirst dich jetzt sehr langsam erheben und mit mir das Haus verlassen. Ein Wort, und Arbok beißt deinem Evoli den Kopf ab. So schwach, wie es aussieht, wird es ihren Knirscher nicht überleben." Ich schaue schnell zurück zu Priss, die in Arboks Fängen festgehalten wird. Mel hat Recht. Die Leveldiffernz liegt bei fast 40 und Arboks lange, gifttriefende Fänge werden Priss schneller ausschalten, als Hilfe mich erreichen kann. Selbst Hunter wird nicht rechtzeitig zur Stelle sein, sollte ich ihn rufen. Mir bleibt nur, Mels Anweisungen zu folgen und zu hoffen, dass ich draußen meine Chance bekomme. Langsam erhebe ich mich, Mels Messer stets an meiner Kehle. Ich setze mich auf, fühle mich plötzlich noch verwundbarer als ohnehin, als ich meinen alten Pokéballschlafanzug mit Mels schwarzem Kapuzenpullover und den enganliegenden schwarzen Stiefeln vergleiche. Schlammspritzer reichen bis über ihre Knie. Erst, als ich stehe, schlingt sie einen Arm in meinen linken Ellenbogen und hält mich in einem Polizeigriff, der meine Schulter an die Grenze ihrer Belastbarkeit bringt. Mit dem anderen Arm zieht sie mich eng an ihren Körper, Messer stets an meiner Kehle. Tränen schießen mir in die Augen, aber ich halte mich unter Kontrolle, schaue nur zu Priss, die mit angsterfüllten Augen zu mir blickt. Sie zittert am ganzen Leib. Mel schiebt mich vorwärts durch die Tür und hinaus in den pechschwarzen Flur. Jeder Schritt, den ich mache, lässt mein Herz heftiger schlagen. Es gibt Holzdielen und Treppenstufen, die knarzen oder quietschen, wenn man nicht vorsichtig ist und ich habe das ungute Gefühl, dass Mel sich nicht darum schert, wie ein Geräusch zustande kommt, wenn wir dadurch entdeckt werden. Langsam lasse ich mich von ihr den Gang entlang und die Treppen hinunter führen. Mel folgt meinen Schritten mit gespenstischer Präzision und Arbok schlittert geräuschlos hinter uns über die Stufen. Priss atmet nicht mal, bis wir das Erdgeschoss erreicht haben. Erst, als Mel an mir vorbeigreift und die Eingangstür aufstößt, gibt sie ein panisches Fiepen von sich, zu leise, um durch die Türen der Schlafzimmer zu dringen, aber laut genug, um Mel herumfahren zu lassen. Arbok verstärkt instinktiv seine Umklammerung und schnürt Priss weiter Blut- und Luftzufuhr ab, aber das hält mein jüngstes Teammitglied nicht davon ab, in Angesicht des Platzregens mit den Beinchen zu strampeln. "Sie hat Angst vor Wasser", flehe ich, werde aber durch einen heftigen Ruck an meinem Arm daran erinnert, dass Mel sich einen Dreck darum schert. Gewaltsam schiebt sie mich hinaus in den tosenden Sturm. Regen durchnässt mich in Sekundenschnelle bis auf die Haut und eiskalter Wind peitscht mein Haar und meinen Schlafanzug gnadenlos umher. Kalter Schlamm quillt durch meine Zehen. Wir sind kaum zwei Schritte durch den Matsch gestapft, da klappere ich schon hilflos mit den Zähnen. Jeder Schritt, den ich mache, ist begleitet von dem Geräusch eines feuchten Saugnapfes, der sich löst. Arbok schlängelt sich mühelos durch den Regen, Priss pitschnass und zitternd in seinem Maul. Mein Herz zieht sich bei ihrem Anblick zusammen. Mel schiebt mich weiter vor, tritt mir in die Kniekehle, als ich mit meinem Fuß im Schlamm stecken bleibe und lacht hysterisch, als ich vorwärts stolpere und der Schmerz in meiner Schulter sich ins Unerträgliche steigert. Der Regen legt sich wie ein grauer Vorhang vor meine Augen. Es dauert einige Minuten, bevor ich verstehe, wohin sie mich bringt. Östlich unseres Hauses, hinter dem Steg, der zur Anlegestelle der Schiffe führt, ist ein schmaler Streifen steiniger Strand, der nur bedingt zum Schwimmen oder Angeln geeignet und daher selbst tagsüber meist verlassen ist. Schlamm weicht Kieseln, Sand und kleinen Felsen, die mir in die Fußsohlen schneiden. Schweratmend und mit gesenktem Kopf schiele ich zurück. Der Regen wäscht mein Blut fort, sobald ich den nächsten Schritt mache, aber ich spüre, wie sich einige der scharfen Kanten in meine Fußunterseite bohren. Ein Blitz erhellt kurzzeitig den Himmel und einige Sekunden später übertönt Donner Priss´ verzweifeltes Winseln, die beim Angesicht des Strandes mit den aufschäumenden Wellen Geräusche von sich gibt, die mir alle Haare zu Berge stehen lassen. Ich zische, als Salzwasser über meine Füße schwappt. Mel stößt mich ins Wasser, wo ich mich spuckend und prustend auf den Rücken drehe, nur um ihr in das verbliebene Auge zu sehen, während sie über mir steht. "Wir werden eine Menge Spaß zusammen haben, Abby", sagt sie, nimmt die Messerklinge in den Mund und geht über mir in die Knie. Meine Ellenbogen protestieren gegen das Gewicht, das ich auf sie stütze, aber auch so schwemmt das Wasser erbarmungslos über mich. Aufspritzende Gischt trifft auf den Schnitt in meiner Wange und das Salz beißt höllisch. Mel legt andächtig ihre Hände an meine Kehle, ihre Fingernägel in meinen Nacken gekrallt. Ich bocke unter ihr, versuche, mich zu befreien, aber Arboks bohrender Blick trifft meinen, als es die Fänge um Priss´ Hals aufblitzen lässt. Meine Gegenwehr kommt zum Erliegen. Mel lächelt süffisant und drückt mich unter Wasser. Mein erster Instinkt ist, um mich zu schlagen und meine Augen zusammenzukneifen, aber umgeben von Meerwasser fehlt mir die Kraft und Mels Finger drücken zusätzlich so fest auf meine Luftröhre, dass ich das Gefühl habe, doppelt zu ersticken. Ich zwinge meine Augen offen, beobachte das helle Schemen über mir, die verschwommenen Hände, die durch die Meeresoberfläche tauchen. Salzwasser brennt in dem Schnitt auf meiner Wange, meinen Füßen, den Kratzern an meinem Nacken, meinen Augen. Spitze Steine bohren sich in meinen Rücken. Während meine Sicht schummrig wird, meine Lungen brennen, das Bedürfnis zu atmen immer größer wird, taste ich mit den Fingern über den Untergrund. Sand. Steine. Meine Hand umschließt ein rundes Exemplar, klammert sich an die kalte, glatte Oberfläche, um nicht das Bewusstsein zu verlieren. Mels Griff lockert sich und sie reißt mich aus dem Wasser, erlaubt mir einige hustende Atemzüge, bevor sie mich wieder nach unten drückt. Meine Lunge brennt, als sie mich noch länger unten lässt. Meine Augen sind geöffnet, aber schwarze Flecken wabern am Rand meines Sichtfelds. Sie zerrt mich empor. Halb bewusstlos spucke ich Wasser, atme, bis ich nur noch kraftlos in ihrem Griff hänge, Hand immer noch wie festgefroren um den Stein geklammert. "Süße, komm her", ruft Mel Arbok zu, das sich gehorsam in Bewegung setzt und neben uns im seichten Meerwasser zum Stillstand kommt. Mit einer einzigen, fließenden Bewegung öffnet Arbok seine Kiefer, lässt Priss ohne Umschweife ins schäumende Wasser fallen und schlingt sich im nächsten Augenblick um mich. Priss kreischt, prescht davon und kommt zitternd am Ufer zum Stehen. Arbok verschiebt seinen muskulösen Körper, bis ich in halb aufrechter Position vor Mel gefesselt bin. Regen prasselt auf uns alle herab. Auf Mel, deren blonde Strähnen sich aus dem Dutt befreit haben und platt an ihrem Kiefer kleben. Auf mich. Auf Priss, die sich flach auf den Boden presst und mit angsterfüllten Augen von mir zu Mel schaut. Ich nehme Augenkontakt auf, Stein noch immer in meiner Hand. Arbok fixiert mich, fest genug, dass ich meine Arme nicht heben kann. Flehend schaue ich Priss an. Sie nimmt Reißaus und stürzt davon. "Erinnerst du dich noch an unsere erste Begegnung?", fragt Mel, nimmt das Messer wieder in den Mund und macht sich mit beiden Händen an ihrem Hinterkopf zu schaffen. Ich beobachte sie wachsam, wage nicht zu sprechen, aus Angst, einige Sekunden des unbeschwerten Atmens zu verpassen. "Du hast mir das hier vermacht", flüstert sie an dem Metall vorbei und lässt ihre Augenbinde sinken. Die leere Höhle ihres rechten Auges, das unsauber zusammengewachsene Narbengewebe, lässt mich innerlich zusammenzucken. Nach außen gebe ich keine Reaktion preis. Sie lässt die Binde ins Wasser fallen, greift nach dem Messer und gibt Arbok ein stummes Zeichen. Die Kobra spannt alle Muskeln an und hält mich so fest, dass ich keinen Finger mehr rühren kann. Ich schließe die Augen, zwinge mich, nicht hinzusehen, bei was auch immer Mel mit mir vorhat. Plötzlich spüre ich zusätzlich zur kalten Nacht die beißende Klinge von Mels Messer, die meinen Wangenknochen entlang streift. Ich reiße die Augen auf. Mel lächelt und lässt die Waffe höher wandern, bis die Spitze direkt unter meinem rechten Augapfel zum Stillstand kommt. "Auge um Auge", murmelt sie und baut zaghaft Druck auf. Mein Herz springt mir förmlich aus der Brust, während ich versuche, mich so weit wie möglich in Arboks Griff nach hinten zu manövrieren. Ich habe mit vielen Dingen gerechnet, gebrochene Knochen, Narben, aber nicht damit, mein Auge zu verlieren. Die Vorstellung zischt in Rekordtempo durch meinen Kopf. Mel, die mit dem Messer meine Haut durchsticht, mein Auge heraushebelt, als wäre er der Kern einer reifen Frucht. Der Schmerz. Ich schreie. Ein Fauchen ertönt und Mel reißt den Kopf herum, mein Auge für den Moment vergessen. Durch den Regenschleier halb verdeckt stürzen drei Pokémon über den Steinstrand in unsere Richtung. Ich schluchze auf, als ich Sku erkenne, deren rote Augen in der Nacht leuchten, über ihr Hunter mit weit ausgebreiteten Flügeln, sein Schnabel zum Angriff leicht geöffnet. Angeführt wird die Gruppe von Priss. Türkisblaue Schuppen bedecken ihren ganzen Körper, abgespreizte Schwimmhäute beben im tosenden Sturm und die lange Flosse ist aggressiv über ihrem Körper emporgehoben. Priss katapultiert sich vorwärts und springt in einem verzweifelten Tackle auf Mel zu. Arbok löst sich, schießt vor, um Priss mit seinen gebleckten Fängen aus der Luft zu packen, doch Hunter kommt ihm zuvor, greift Aquana mit seinen Krallen aus der Luft und zerrt es im letzten Moment aus der Angriffslinie. Mel wendet sich fauchend wieder in meine Richtung. Mein Stein trifft sie mit voller Wucht in die Schläfe. Schwer atmend beobachte ich, wie Mels Auge in seiner Höhle nach hinten kippt, bis nur noch das Weiße zu sehen ist. Tonlos fällt sie in sich zusammen und landet im Wasser. Arbok gibt ein verzweifeltes Zischen von sich und macht Kehrt, um mich anzugreifen. Ich springe zur Seite, weiche seinem Biss aus und umklammere meinen Stein, bereit, ihn auch gegen Mels Pokémon zu verwenden. "Priss, unterstütz die anderen mit Rechter Hand!", schreie ich gegen den tobenden Sturm. "Hunter, Sku, Offensive, Schlitzer und Fliegen!" Arbok reißt den Kopf aus dem Meerwasser, aber in seiner Verfolgung ist es weit vom Strand abgekommen und droht nun, den Halt zu verlieren. Es schlängelt sich mit den Wellen zurück zum Strand, wo es Mel umschlingt und seine Trainerin zurück an den Strand zerrt, sodass sie nicht Gefahr läuft, zu ertrinken. Ich will schon aufatmen, da schaut es sich um und sein Giftblick trifft mich bis ins Mark. Die Paralyse ergreift meinen gesamten Körper und plötzlich fällt es mir sehr schwer, nicht selbst unterzugehen. Prustend und spuckend lege ich meinen Kopf in den Nacken, zwinge mich, meinen Mund an der Luft zu halten, auch wenn der Regen mein Vorhaben erschwert. Priss jault und springt ins Wasser, als sie sieht, wie ich mit den Wellen kämpfe, die meinen tauben Körper unter Wasser drücken wollen. Agil wie ein Fisch taucht sie in meine Richtung, kommt unter meinem Arm zum Stillstand und stützt mich so gegen den brausenden Ozean. Sie gibt einige schrille Rufe von sich, die Hunter und Sku voller Elan erwidern. Sie motivieren sich gegenseitig, denke ich noch, da schießt Hunter schon in die Lüfte, lässt sich vom Wind tragen, nur um im Sturzflug auf Arbok niederzupreschen, das versucht, Skus fingerlange Krallen mit seiner Schlammbombe fernzuhalten. Die erste streift Sku nur an der Flanke, die zweite verfehlt völlig, aber die dritte trifft sie mitten ins Gesicht und Sku wird zurückgeschleudert, die supereffektive Bodenattacke selbst für sie problematisch. "Bleib dran!", rufe ich ihr zu, während Arboks vierte Schlammbombe von Hunters Flugangriff unterbrochen wird. Die Kobra wird ins Wasser geworfen, ihre zahlreichen Kratzer und Wunden färben die Meeresoberfläche kurzzeitig rot, bevor das Blut sich in der schäumenden Gischt verliert. Sku rappelt sich mühsam wieder auf, Fell verklebt mit dem schwarzbraunen Schlick, den Arbok auf sie gespuckt hat. Priss` ganzer Körper ist angespannt. Ihre Ablenkung hat mir die Möglichkeit gegeben, Mel niederzuschlagen, die immer noch bewusstlos auf den Steinen liegt, während ihr Körper von den Wellen aufgeschwemmt wird. Ich bin erleichtert, dass Arbok sie aus dem Wasser gehievt hat. Sie mag meine bitterste Feindin sein, aber töten will ich sie nicht. Arbok bricht durch die Oberfläche und schleudert sich Sku entgegen, die der Schlammbombe nur um Haaresbreite entkommt. "Hunter, feuer zurück mit Spiegeltrick!", befehle ich und beobachte durch den peitschende Regen, wie er Arboks Attacke imitiert, durch den aufgeweichten Boden pflügt und das Giftpokémon mit einer improvisierten Schlammbombe überrascht. Arbok zischt frustriert, als die Bodenattacke seine Augen trifft und die Giftporen zwischen seinen Schuppen verstopft. Skus Schlitzer durchbricht seine Verteidigung und fügt der Kobra einen langen Schnitt zu, der die gesamte Körperlänge abdeckt. Der schwere, fast vier Meter lange Schlangenkörper schlägt auf den Steinen auf, nicht unweit von Mel entfernt, die noch immer blutend und bewusstlos am Strand liegt. Während die Paralyse langsam an Wirkung verliert und ich mit Priss´ Hilfe zurück zum Ufer wate, fliegt Hunter mit einem liebevollen Krächzen zurück zu unserem Haus. Die drei müssen so schnell sie konnten hergekommen sein und hatten wohl kaum Zeit, meinen S-Com zu suchen oder jemanden auf mein Verschwinden aufmerksam zu machen, auch wenn ich bezweifle, dass sie geräuschlos das Haus verlassen haben. Erst, als ich schon halb aus dem Wasser gestiegen bin, wird mir bewusst, dass ich meinen Stein weiterhin fest umklammert halte. Im eiskalten Meerwasser sind meine Finger steifgefroren, aber ich zwinge meine Hand, sich zu öffnen. Mit einem Platschen versinkt er im Meer. Ich wische das Blut von meiner Wange, das dank des Regens mein Kinn herabtrieft und betaste vorsichtig die Wunde. Mels Klinge hat tiefer geschnitten, als ich dachte. Mein Blick gleitet zu dem Rocket-Mitglied, das Ruth und mich im Flegmonbrunnen fast umgebracht hat. Jetzt liegt sie hilflos zu meinen Füßen. Mit der linken Hand packe ich die Kapuze ihres vollgesogenen Pullovers und ziehe sie hinter mir an Land. Arbok gibt ein verzweifeltes Zischen von sich, als seine Trainerin von ihm weggezerrt wird, rafft sich auf und schlängelt halb bewusstlos hinter uns her. Kaum, dass ich Mel am Ufer loslasse, rollt es sich beschützend um seine Trainerin, zieht sich einige Male zusammen, bis Mel etwas Meerwasser aus dem Mund läuft und schließt endlich besiegt die Augen. Erschöpft sinke ich in die Hocke. Sku und Priss schmiegen sich sofort an mich. "Danke für die Rettung", flüstere ich und streiche den beiden über den Kopf. "Ihr wart großartig. Vor allem du, Priss. Du bist ein wundervolles Aquana. Hundemon wird deine Entwicklung lieben." Peinlich berührt, aber hochzufrieden, leckt Priss sich über die die Brustschuppen und legt ihre Flosse ordentlich um ihre Hinterläufe. Gerade habe ich mich wieder aufgerichtet, um Mel in Augenschein zu nehmen, da erklingen Rufe vom Haus aus. Meine ganze Familie kämpft sich durch den Regen, Arme schützend vor ihre Gesichter gehoben, Schlafanzughosen und Nachthemden schlammbespritzt. Über ihnen rauscht Hunter durch den Sturm und landet mit etwas Mühe vor mir im Kies. Louis springt von seinem Rücken und zieht mich augenblicklich in eine Umarmung. Lächelnd erwidere ich die Geste und lasse mir von ihm über den Rücken und durch die Haare streichen. Lousi löst sich und sein Blick fällt auf den Schnitt an meiner Wange und weiter hinunter zu meinem Hals, der den ein oder anderen Bluterguss und Kratzer abbekommen haben muss. Er knirscht mit den Zähnen und wirft Mel einen angewiderten Blick zu. „Sie gibt nie auf, oder?“, fragt er bitter. „Ist alles okay? Geht es dir gut?“ Ich denke kurz über seine Frage nach und schaue meinerseits zu Mel, deren Augenlider flackern, so als würde sie jeden Moment erwachen. Noch liegt sie jedoch am Boden, umwickelt von vier Metern Schlange. „Es geht mir gut“, erwidere ich schließlich, überrascht, wie wahr es ist. „Ich bin einfach nur erleichtert, dass es vorbei ist, glaube ich. Alle Rockets haben mir mit Mels Rache gedroht und jetzt ist sie hier und es ist vorbei.“ Ich grinse breit. „Was kann jetzt noch groß passieren?“ „Du bist unfassbar“, lacht Louis, bevor Mama mich ihm förmlich aus den Armen reißt, mich schluchzend umarmt und mein Gesicht betastet. „Abby, Gott sei Dank geht es dir gut. Was ist passiert? Und was ist−“ Sie schaut zu Mel, die in dem Moment benommen ihre Augen öffnet und hustet. Sie gibt einen erschrockenen Laut von sich. Ich löse mich abrupt und stelle mich beschützend vor sie, Sku und Priss fauchend an meiner Seite, während Hunter nur von einem Fuß auf den anderen hopst, froh, endlich wieder mit von der Partie zu sein. „Louis, hast du meinen S-Com?“ Er wirft mir das Gerät zu. „Holly und Rocky sind schon informiert“, sagt er und greift nach einem seiner Pokébälle. Im nächsten Moment materialisiert sich sein Sarzenia Harley und fesselt Mel auf sein Zeichen hin mit ihren Ranken. Ich nicke und schreibe eine kurze Nachricht an die anderen Team Shadow Mitglieder, damit nicht versehentlich alle neun vor meiner Haustür auftauchen. Während ich von Papa und Tarik umarmt, beruhigt und kritisch begutachtet werde, erklingt in schnellen Abständen das Pling von eingehenden Nachrichten.   Von: Dark_01 An: Abbygail_Hampton_04 »Gute Arbeit.   Von: Amy_Heartoline_08 An: Abbygail_Hampton_04 »Es tut mir so leid!!! >o< »Ich hätte die Nacht über Wache halten sollen… »Ich komme sofort und weiche euch nicht mehr von der Seite!!! ^-^   Von: Melissa_Border_09 An: Abbygail_Hampton_04 »Sag bloß, es ist dir gelungen, ganz alleine einen anderen Trainer zu besiegen. »Das muss ein großer Moment für dich sein. »Soll ich ein Blumenbouquet für deine glorreiche Rückkehr arrangieren?   Melissas Nachricht hätte lustig sein können. Wenn ich sie gemocht hätte, zum Beispiel. Wie die Dinge stehen, presse ich frustriert meine Lippen aufeinander. Sie soll sich erstmal selbst gegen Team Rocket beweisen, bevor sie große Reden schwingt. Unwirsch will ich meinen S-Com an meinem Gürtel befestigen, merke zum wiederholten Mal, dass ich in einem pitschnassen Schlafanzug am Strand stehe und mir verdammt kalt ist und werfe das Gerät stattdessen Louis zu, der es grinsend fängt. Papa betastet mit beunruhigtem Gesichtsausdruck meine Wange. „Das muss genäht werden“, stellt er fest und lässt von mir ab. Resigniert nicke ich. Noch eine Narbe mehr macht jetzt auch keinen Unterschied mehr. Das Bild von Mels Jagdmesser unter meinem Auge flimmert in meinen Gedanken auf und ich schüttele rasch den Kopf, um es zu vertreiben. Es hätte wesentlich schlimmer enden können. Louis verspricht, Mel im Auge zu behalten, bis Amy und die Polizei eintreffen und gibt mir die Möglichkeit, zum Pokécenter zu fliegen. Papa will mich begleiten, aber auf Hunters Rücken zu steigen, ist ihm dann doch nicht geheuer und so ist es Mama, die in einem Anflug ungeahnter Willensstärke ihr Nachthemd an den Säumen aufrafft und hinter mir auf mein Pokémon steigt. Bis zum Center sind es nur wenige Minuten Flug, wenn auch ein holpriger, denn der Sturm lässt nicht nach und als wir schließlich landen, bin ich so durchgefroren, dass Joy uns ohne Umschweife in dicke Decken wickelt, bevor sie mich ins Behandlungszimmer scheucht. „Du meine Güte“, sagt sie und reibt sich die rot unterlaufenen Augen. „Kaum bist du wieder unter uns, ist meine Nachtruhe dahin“, scherzt sie und betastet vorsichtig meine Wange. „Ah ja“, nickt sie. „Muss es genäht werden?“ „Nur ein paar Stiche, keine Sorge“, beruhigt sie mich. „Das haben wir gleich geschafft.“ Als ich etwas später zusammen mit ihr und meiner frisch genähten und betäubten Wange in den Hauptraum trete, entdecke ich Holly, die in einer angeheizten Diskussion mit Mama zu stecken scheint. Jack, der es sich mit einer dampfenden Tasse unbekannter Flüssigkeit an einem der Tische gemütlich gemacht hat, trinkt und schweigt. „-immer in Schwierigkeiten“, fährt Holly mit kalter Ruhe fort. „Wir können ihr Verhalten nicht mehr länger dulden.“ „Wenn die Polizei sich nicht auf Kinder verlassen müsste, um ihre Arbeit zu machen, würden sie das nicht müssen“, erwidert Mama hitzig. Jack rutscht tiefer in seinen Sitz und schielt zu Holly hoch, die kreidebleib geworden ist. Ihr Blick fällt auf mich und verdüstert sich, doch statt etwas zu sagen, dreht sie ohne ein Wort um und lässt uns mit Jack alleine zurück. „Ah, haha, das tut mir leid“, lacht er und kratzt sich verlegen am Hinterkopf. „Sie steht unter Stress, so wie wir alle. Abby, gut dich wieder zu sehen. Was macht deine Verletzung?“ „Nichts Wildes“, erwidere ich grinsend und schlage in seine dargebotene Hand ein. „Wir werden morgen wegen der Verhöre wiederkommen“, erklärt er, trinkt seine Tasse aus und erhebt sich. „Du willst sicher erstmal schlafen. Besonders erholsam war die Nacht sicher nicht.“ „Was du nichts sagst“, meine ich lachend und lasse mich von ihm und Mama nach draußen begleiten. Der Sturm ist ein wenig abgeflaut, aber der Regen hört und hört nicht auf. „Mel nehmen wir in Gewahrsam“, fährt er fort. „Es ist zwar ein halbes Jahr her, aber es wird einen guten Eindruck machen, dass einer der Verbrecher aus Azalea City endlich gefasst wurde. Zumal ihr damaliges Opfer für die Festnahme verantwortlich ist. Wie sieht es im Übrigen aus, Abby? Rocky wird dich morgen persönlich fragen, aber es schadet nichts, wenn du dir schon mal Gedanken darüber machst. Sollen wir deine Beteiligung an der ganzen Sache vertuschen? Du hast sicher genug Aufmerksamkeit von Team Rocket und euer Superhelden-Team hält sich schließlich auch seit Wochen bedeckt.“ „Ich halte das für klug“, sagt Mama sofort. „Diese… diese Mel, sie ist nur hier, weil Abbys Identität bekannt wurde und sie uns so finden konnte. Sie ist in das Zimmer meiner Tochter eingedrungen! Wenn die Polizei die Verantwortung für die Verhaftung übernehmen würde, wären wir sehr dankbar.“ Sie schaut zu mir und fragt, etwas verspätet, „Nicht wahr, Abby?“ „Eigentlich“, beginne ich und genieße die Überraschung in den Gesichtern der beiden, „hatte ich eine anderen Idee.“ Jacks Augen blitzen. „Dein Blick gefällt mir.“ Ich schaue hinauf in den schwarzen Himmel, wo ich Amys und Brutalandas Silhouette am silbrigen Horizont ausmachen kann. „Wir haben lange genug Verstecken gespielt“, sage ich und fange Jacks Blick auf. Ein wölfisches Grinsen schleicht sich auf meine Züge „Ab jetzt mache ich Ernst.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)