Abbygails Abenteuer von yazumi-chan (Road to Lavandia) ================================================================================ Kapitel 104: Entführt (Schlimmster Albtraum) -------------------------------------------- Panik macht sich in meinem Brustkorb breit und ein bitterer Geschmack füllt meinen Mund. Mik. Auch wenn es dunkel ist, auch wenn meine Augen sofort verdeckt wurden, ist der Anblick seines in Schatten gehüllten Gesichts auf meine Netzhaut gebrannt. Sein Partner zieht mich gewaltsam mit sich, während ich vergebens den Kopf hin und herreiße, um meinen Mund für einen Schrei freizubekommen. Louis ist hier. Wenn ich es nur schaffe, ein Geräusch zu machen, wenn ich laut genug bin… Blind und so gut wie stumm strampele ich mit meinen Beinen, verliere aber nur den Halt und werde für wenige Sekunden von den kräftigen Armen in der Schwebe gehalten. Verzweifelt finden meine Füße wieder zur Erde und ich lasse mich von dem Mann vorwärtsschleifen. Sie werden mich bewusstlos schlagen, denke ich und erinnere mich an meine letzte Begegnung mit Mik zurück, als man genau das mit uns gemacht hat, um uns zu dem Bikerversteck in Teak City zu bringen. Wenn ich will, dass man mich findet, muss ich irgendetwas tun, und zwar jetzt. Ich kralle mich fester in die Unterarme meines Angreifers. Ich habe eine Chance, bevor sie auch meine Arme fixieren. Meine Hand schießt zu meinem Gürtel, vorbei an den Pokébällen und geradewegs auf den S-Com zu, dessen am Rand liegende SOS-Taste ich mit einem einzigen, festen Druck aktiviere. Ein Zischen, dann wird mein Handgelenk gepackt und zur Seite gedreht, bis mir die Tränen kommen. Der Schlag auf meinen Kopf trifft mich und ich sacke bewusstlos im Griff des Mannes zusammen.   Ich erwache mit höllischen Kopfschmerzen und pelziger Zunge in einem feucht riechenden Raum. Zunächst glaube ich, dass man mir die Augen verbunden hat, so dunkel ist es, aber als ich mehrfach blinzele und noch immer keinen Stoff wahrnehmen kann, muss ich einsehen, dass es einfach nur stockduster ist. Ein Bewegungstest meiner Arme und Beine bestätigt, dass ein an der Decke fixiertes Seil meine Handgelenke schmerzhaft zusammenhält, meine Füße aber frei sind. Dass ich auf Zehenspitzen stehen muss, um nicht in der Luft zu hängen, dämpft meine Euphorie jedoch schlagartig. Die einzige Lichtquelle ist ein Türschlitz, durch den kaltes Licht auf ein kleines Stück Fliesenboden fällt. Nicht genug, um mir Informationen über den Ort meiner Gefangennahme zu geben, aber der wichtigste Fakt ist mir schon bekannt, seit ich mich das erste Mal bewegt habe. Mein Gürtel fehlt, Pokébälle und S-Com miteingeschlossen. Resigniert lasse ich den Kopf nach hinten sacken, nur um bei dem schmerzhaften Pochen sofort zusammenzuzucken. Super Idee, Abby. In Gedanken spiele ich den Moment meiner Gefangennahme noch einmal durch. Ich hätte Gott oder Sku rufen und kämpfen können. Vielleicht hätte wir nicht gegen Mik und seinen Begleiter gewonnen, aber der Aufruhr hätte mir Zeit verschafft. Louis wäre zu Hilfe gekommen. Und die Polizei stände wieder nur mit zwei Gefangennahmen da. Vielleicht war es die falsche Entscheidung. Vielleicht war es wieder einer meiner typischen Risikoaktionen. Aber in dem Moment, als es darauf ankam, habe ich lieber um Hilfe gerufen und mich entführen lassen. Absols Prophezeiung kommt mir wieder in den Sinn. Bevorstehendes Übel? Abgehakt. Entscheidungen, die ich falsch treffen kann? Check. Ich weiß nicht, was die richtige Wahl war, aber eins weiß ich. Wenn Louis oder jemand anderes mich hier findet, dann finden sie die gesamte Bikergang. Und das wird uns weiter bringen, als ein paar vereinzelte Verhaftungen. Jetzt heißt es also nur noch abwarten. Und hoffen, dass nicht Mel vorher auftaucht, um mich für ihre Rachepläne abzuholen. Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an, die ich in dem Keller hänge. Meine Kopfschmerzen verebben allmählich, dafür melden sich aber meine trockene Kehle und gefesselten Handgelenke, in die das Seil einschneidet und meine Finger taub werden lässt. Zumindest die Dunkelheit hat ein Gutes. Je länger ich alleine und blind vor mich hinhänge, desto besser finden sich meine anderen Sinne zurecht. Die Modrigkeit in der Luft ist einfach nur unangenehm, aber die Geräusche, die in unregelmäßigen Abständen von draußen ertönen, werden immer deutlicher. Gespräche, zu leise, um die Worte auszumachen. Das quietschende Schrammen von Möbeln über Holzdielen. Eine Tür, die schwer ins Schloss fällt. Wassertropfen, die unermüdlich in eine Pfütze platschen. Schritte, die lauter werden, lauter, lauter… Die Tür schwingt knarzend auf und ich kneife erschrocken meine Augen zusammen, als Licht mich blendet. "Schön geschlafen, Prinzessin?", erklingt Miks Stimme mit gespielter Besorgnis. Ich öffne vorsichtig ein Auge. Er schließt die Tür hinter sich, verriegelt das alt aussehende Schloss und betätigt einen freiliegenden Lichtschalter. Weiße Kabel führen die verschimmelte Wand hinauf und zu einer flackernden Glühbirne, die meine Augen mit ihrem Licht schonungslos strapaziert. "Was willst du?", erwidere ich und erschrecke beim Klang meiner brüchigen Stimme. Kaum sind die Worte heraus, muss ich husten. "Na, na." Mik kommt näher, bleibt aber außer Reichweite etwaiger Tritte. "Hast du Durst? Möchtest du etwas trinken?" Ich schiele zu ihm herab. "Als wenn du mir etwas geben würdest", bringe ich hervor. Er schnalzt mit der Zunge. "Leider wahr. Allerdings würde ich mich durchaus überreden lassen, wenn du mir ein paar Fragen beantwortest." "Vergiss es", antworte ich sofort. "Ich werde euch nicht helfen." "Du hast doch die Frage noch gar nicht gehört, Abby", sagt Mik mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Ich möchte lediglich wissen, wo dein guter Freund Dark sich aufhält. Alina und ich haben sehr interessante Geschichten über euch beide gehört. Möchtest du uns nicht helfen, ihn zu finden?" "Fahr zur Hölle", fauche ich. "Ich werde nichts sagen." Er zuckt die Achseln. "Wie du willst." Bei seinem Lächeln läuft es mir kalt den Rücken herunter. "Vielleicht bist du später in besserer Stimmung." Ich denke einen Moment, dass er nur blufft, dass er weiter versuchen wird, die Antwort aus mir herauszuquetschen. Aber er macht kehrt, schaltet das Licht aus und lässt mich erneut in feuchter, einsamer Dunkelheit zurück. So schuldig ich mich fühle, so hoffe ich nach einer Weile doch, dass er zurückkommt, denn mein Durst macht sich immer stärker bemerkbar. Notfalls kann ich ihm schließlich eine Lüge auftischen. Zwar sammle ich inzwischen den Speichel in meinem Mund, um irgendwie an Feuchtigkeit zu kommen, aber nützen tut das selbstverständlich wenig. Plötzlich ertönt von draußen ein lautes Poltern. Meine verschärften Sinne orten die Geräusche weit über mir, etwas zu meiner Linken. Geschrei bricht los, gefolgt von dem Brüllen und Fauchen einiger Pokémon. Der Kampf dauert jedoch nur wenige Sekunden. Die Stille, die folgt, lässt mir alle Haare zu Berge stehen. "Hallo?", rufe ich und beginne sofort wieder zu husten. Meine Kehle brennt, ich schlucke und schlucke, aber es hilft nichts. Ohne Informationen, was passiert ist, werde ich unruhig. War es ein Streit zwischen den Bikern? Oder war es… Ich schüttele den Kopf und schließe verzweifelt meine Augen. Nicht darüber nachdenken, Abby, denke ich krampfhaft und öffne meine Augen wieder. Es macht keinen Unterschied. Alles ist schwarz, bis auf den Lichtstreifen auf dem Boden. Im Nachhinein glaube ich, dass Mik mich absichtlich mit meinen Gedanken alleine gelassen hat, denn als er schließlich die Tür öffnet und das Licht anmacht, schwirren alle möglichen grausamen Szenarien durch meinen Hinterkopf. Meine Nerven liegen blank und als ich das zufriedene Lächeln auf seinem Gesicht entdecke, bestätigen sich meine schlimmsten Vermutungen. Ich weiß schon, was er sagen wird, bevor er überhaupt den Mund öffnet. "Damit habe selbst ich nicht gerechnet", beginnt er und mir entgeht nicht, dass er die Tür offen lässt. "Aber umso besser. Dein Freund hat sich zu uns gesellt, Abby. Keine Sorge, die anderen leisten ihm Gesellschaft, nachdem er so ungestüm hier hereingeplatzt ist." „Lasst Louis gehen", drohe ich mit brüchiger Stimme. „Oder was?“, fragt Mik belustigt. Wirst du mich böse anschauen? Mir schlottern schon die Knie.“ „Er hat nichts damit zu tun“, versuche ich es erneut und unterdrücke den Hustenreiz, der sich wieder in meinem Hals ankündigt. „Lasst ihn gehen. Bitte.“ Mik lächelt unentwegt. Ich kann förmlich sehen, wie sehr er diese Situation genießt. „Ich glaube, du wolltest mir eine Frage beantworten", sagt er gelassen. Ich schüttele den Kopf. "Ich… Ich weiß nicht, wo Dark ist", flüstere ich heiser. "Er wollte der Polizei helfen, aber ich habe keine Ahnung, wo er ist." "Oh?" Er hebt eine Augenbraue. "Schade." Er wendet sich ab und geht zur offenen Tür. "Ich weiß es wirklich nicht!", wiederhole ich und reiße an meinen Fesseln. "Lasst Louis in Ruhe, bitte!" "Vielleicht hilft dir das hier auf die Sprünge", sagt Mik, bevor er sich an den Türrahmen und in den Gang dahinter lehnt, aus dem die feuchten Steintreppen nach oben führen. Er lächelt mich entschuldigend an, dann erhebt er die Stimme. "Fangt an!" Einige Sekunden geschieht nichts. Dann erfüllt rotes Leuchten das Treppenhaus, reflektiert an den feuchten Steinwänden und in den Wasserpfützen und zwingt mich, geblendet meine Augen zusammenzukneifen. Wenige Momente später zerreißt ein markerschütternder Schrei die Stille. "NEIN! LOUIS!" Mein Hals brennt bei den Worten, aber die Schmerzensschreie von oben werden nicht weniger, klingen nur immer grotesker und ich spüre, wie hemmungslose Tränen meine Wangen herunterfließen, als ich Louis´ dabei zuhören muss, wie er auf welche Art auch immer gefoltert wird. "Lass ihn in Ruhe, Mik, ich flehe dich an! LOUIS! Hörst du mich?!" Mik lächelt nur unentwegt und lauscht scheinbar andächtig den Schreien, die abbrechen, nur um sofort wieder zu erklingen. Alles in mir zieht sich zusammen. "Ich weiß es nicht!", kreische ich. "Ich weiß es nicht, ich habe keine Ahnung, wo Dark ist! Ich sage dir alles, was du willst, nur bitte, lass Louis in Ruhe! BITTE!" "Pause!", ruft Mik nach oben und das Schreien bricht augenblicklich ab. Ich kann kaum sehen, so verschmiert sind meine Augen mit Tränen. Mein Herz klopft so stark, dass ich glaube, es muss jeden Moment meine Rippen sprengen. "Louis?", rufe ich. Keine Antwort. Ich kann nur vermuten, wie mitgenommen er sein muss, dass er nicht mal mehr antworten kann. "Du wolltest mir eine Antwort geben", sagt Mik und nickt in meine Richtung. "Oder sollen wir von vorne beginnen?" "Ich weiß nicht, wo Dark ist, aber ich kann es herausfinden", sage ich kraftlos und starre auf den Boden. Der Tränenschleier lichtet sich langsam, aber meine Stimme zittert weiterhin. "Ich brauche nur mein Handy, oder meinen S-Com, dann finde ich es für euch heraus." "Siehst du", sagt Mik. "War doch gar nicht so schwer. Jetzt sag mir alles über diese Trainer, die überall aufgetaucht sind und mit Dark zusammenarbeiten. Wer sie sind, wo man sie finden kann, was immer dir einfällt. Ich hoffe für deinen armen Freund, dass mir deine Antwort gefällt. Er hat wegen dir wahrlich genug leiden müssen." Resigniert schließe ich die Augen, während der echoende Klang weiterer Schritte auf der Treppe ertönt. Ich bin im Inbegriff, alle Geheimnisse von Team Shadow zu verraten. Ich weiß es. Aber allein der Gedanke an was auch immer sie Louis dort oben antun… ich werde nicht zulassen, dass sie es wiederholen. Immer noch mit zu Boden gerichtetem Blick beginne ich, zu reden. "Sie nennen sich-" "Lauter", unterbricht Mik mich unwirsch. Ich schlucke, huste und beginne von vorne. "Sie nennen sich Team Shadow", wiederhole ich. "Es sind Elitetrainer, die von Dark organisiert werden und über beide Regionen verteilt gegen Team Rocket vorgehen und der Polizei helfen." "Wo findet man sie?" "Unterschiedlich. Ihr Hauptquartier ist in…" Ich stocke. "Weiter." Ich zucke zusammen, denke an Louis, der dort oben ist. Ich habe keine Wahl. Egal, was für Folgen es für uns hat, ich muss antworten. "…in Prismania City. In der Spielhalle, im alten Rocket Hauptquartier." "Warum dauert das so lange?", erklingt eine zweite Stimme und ich hebe den Kopf. Alina steht im Türrahmen, tätowierte Arme vor der Brust verschränkt. Ihr Nasenpiercing blinkt im flackernden Lampenschein. "Wir sind gerade fertig geworden", erwidert Mik mit gleichgültiger Stimme. "Wenn wir ihren S-Com benutzen, können wir alle Mitglieder ausfindig machen." "Das wird Craig gefallen", sinniert Alina. "Mel wird sie bald abholen." "Hörst du, Abby?", fragt Mik spöttisch und schaut zu mir. "Deine alte Freundin kann bald sehr viel Zeit mit dir verbringen. Freust du dich nicht?" Ich kann nicht mal mehr antworten. Alle Energie, alle Gefühle, sind aus mir herausgesaugt worden. Ich konnte Louis nicht beschützen, habe die falsche Entscheidung getroffen, habe Team Shadow und Dark verraten. Meine Finger krallen sich ins Fleisch meiner Handinnenseite, bis mir wieder die Tränen kommen. Es ist vorbei. Ich bin am Ende. Zumindest glaube ich das, bis Miks Stimme erneut ertönt. "Genieß den Rest deines Aufenthalts. Weiter!" Die erneut ertönenden Schreie durchbrechen die Reste meiner Selbstbeherrschung und statt wie zuvor ebenfalls zu schreien, schließe ich nur noch die Augen, flehe still, dass es aufhört, dass ich taub werde, dass die Schreie aufhören mögen… Es funktioniert. Ein lautes Donnern, dann ein Brüllen, wie ich es bisher nur von einem einzigen Pokémon gehört habe. Ethan. Ethan ist hier. Aber das heißt… "ABBY! WO BIST DU?!" "LOUIS!" Verzweifelt werfe ich mich gegen die Fesseln, schreie und tobe und versuche, mich mit aller Macht loszureißen. "Abby, wir holen dich da raus!" Die Erleichterung, die sich bei seiner Stimme in mir breit macht, ist unvergleichlich. Ich nehme Miks und Alinas fassungslose Blicke nur nebenbei wahr, stattdessen reiße und reiße ich an den Fesseln, bis Louis´ Armband mit zerbrochenem Verschluss zu Boden klirrt und die obersten Hautschichten meiner Handgelenke sich ablösen. Louis ist wohlauf. Ethan ist noch nicht geschlagen. Ich weiß nicht, was dort oben vor sich geht, aber die Hoffnung wäscht über mich hinweg und hinterlässt nur eiserne Entschlossenheit. Rotes Licht erfüllt das Treppenhaus in unregelmäßigen Abständen, während ich von oben ähnliche Geräusche wie schon zuvor wahrnehme, als ich glaubte, Louis wäre alleine herein gestürmt und gefangen genommen worden. Der Lärm ist nicht mal vergleichbar mit dem, was jetzt vor sich geht. Von dem Krachen, dem Knirschen und den Erschütterungen, scheint Ethan mit seinem Fuchtler die gesamte Einrichtung zertrümmern zu wollen. Fast erwarte ich, dass er das ganze Gebäude zum Einsturz bringen wird. Alina und Mik werfen sich einen schnellen Blick zu, dann nicken sie und laufen Richtung Tür. "Abby!" Louis´ Schrei ertönt näher als noch zuvor, gefolgt von lautem Fluchen und einem dumpfen Knall. "Gottverdammte… bist du allein?!" Alina schaut kurz hinaus ins Treppenhaus, dann macht sie kehrt und zieht Mik mit sich zum anderen Ende des Kellerraums, wo sie einen Hebel betätigt, der mir bis dahin nicht aufgefallen ist. Die beiden verschwinden hinter einer Geheimtür, die sich nahtlos in die Wand einfügt. "Jetzt schon!", schreie ich zurück. "Mik und Alina hauen ab, Louis! Ich brauche meine Pokémon!" "Expresslieferung, kommt sofort!" Es dauert nicht lange, da preschen Sku und Gott Seite an Seite die steinernen Treppen herunter, meinen Pokégürtel samt S-Com im Maul. Gott zerschlitzt meine Fesseln mit einem präzisen Sternschauer und ich falle die letzten Zentimeter zurück auf meine Füße, bevor ich einknicke und auf die Knie gehe. Umringt von Sku und Gott, die mich umkreisen, schnurrend und knurrend und bereit, sich jeden Moment in den Kampf zu stürzen, rufe ich Priss, die, erschrocken ob der unbekannten Umgebung, auf meinen Kopf springt und in mein Ohr beißt. "Besorgst du mir… etwas zu trinken?", frage ich leise und huste sofort wieder. Ohne zu zögern hopst sie von meinem Kopf und huscht aus dem Kellerraum und die Treppen hinauf. "Wir halten hier oben die Stellung!", schreit Louis mir zu, dicht gefolgt von einem weiteren dumpfen Laut und dem Schmerzensschrei eines Mannes. "Es sind verdammt viele, aber die Polizei ist unterwegs! Halte Mik und Alina auf, bevor sie entkommen!" Geht klar, denke ich grimmig, kraule einmal beruhigend über Skus und Gotts Kopf und erhebe mich, gerade, als Priss die Treppen mit einer Flasche Wasser im Maul herabschlittert. Ich nehme einige große Schlucke, dann schnalle ich mir den Gürtel wieder um und laufe zu dem Geheimschalter. Der Hebel lässt sich leicht betätigen, er scheint häufig in Gebrauch zu sein und regelmäßig geölt zu werden. Die versteckte Tür öffnet sich einen Spalt und ich trete in den feuchten Steingang dahinter, der nur von Gotts Rückenfeuer erleuchtet wird. Der Tunnel ist so schmal, dass ich kaum einen Arm zur Seite ausstrecken kann und ich bin plötzlich erleichtert, dass Louis nicht auch hier unten ist. Er würde darauf bestehen, mich zu begleiten, trotz seiner Platzangst. "Los", befehle ich und laufe voran, Sku und Gott dicht hinter mir. Priss rufe ich zurück, sobald das Ende des Tunnels in Sicht kommt. Sie würde in einem Kampf nur unnötig in Gefahr geraten. Der Ausgang ist gut sichtbar, trotzdem brauche ich eine Weile, bevor ich den richtigen Stein gefunden habe, dessen Druck die Tür einen Spalt öffnet. Schließlich jedoch sinkt eine der kalten Oberflächen unter meinen Händen tiefer in die Wand und ich presse mich gegen den Ausgang, bis er nachgibt und wir hinaus ins Freie kommen. Oder besser gesagt, in den Abstellraum. Zuerst bin ich unsicher, wo genau wir gelandet sind, aber dann fallen mir die zahlreichen Ersatzreifen, Hupen, Sättel und Luftpumpen auf und ich ziehe die einzig logische Schlussfolgerung. Der Bikertreffpunkt ist über einen Geheimgang mit dem Fahrradverleih verbunden. Kein Wunder, dass Gerard und Jack die Biker nicht finden konnten. Sie müssen ihre Verfolger bemerkt und sich im Tunnel versteckt haben. Ich stolpere durch das Gerümpel und hinaus in den Verkaufsraum, der zu dieser Uhrzeit wie erwartet geschlossen ist. Von draußen höre ich ein lautes Knattern, gefolgt von dem Dröhnen zweier Motoren. "Mist!", fluche ich und sprinte durch den Ausgang nach draußen. Mik und Alina sind bereits auf zwei gestohlenen Bikes halb den Hügel hinauf und werden jeden Moment die Straße erreichen. Ich habe keine Zeit zu verlieren. Gott und Sku landen für´s erste wieder in ihren Bällen, stattdessen rufe ich Jayjay, auf dessen Rücken ich steige, bevor ich ihn zum Galopp antreibe. "So schnell du kannst", beschwöre ich ihn und er gibt ein erfreutes Wiehern von sich, bevor er losprescht. Innerhalb von Sekunden ist der Gegenwind so stark, dass ich mich flach an Jayjays Rücken pressen möchte, aber seine Starkstrommähne treibt mir das Bedürfnis schnell wieder aus. Die Handschuhe trage ich dieses Mal natürlich auch nicht, daher muss ich fast ohne Hilfe meiner Hände im Sattel bleiben. Hätte ich nicht genau das auf Hunters Rücken durchgemacht, bevor wir von der Explosion getroffen wurden, wäre ich vielleicht bei der ersten Richtungsänderung von Jayjays Rücken gestürzt. So wie die Dinge stehen, schaffe ich es aber, mich im Sattel zu halten, auch wenn meine Oberschenkel bei der ungewohnten Anstrengung protestieren. Einige Minuten verfolgen wir die beiden Bikes über den vorgegebenen Pfad, aber als ich merke, dass wir sie so niemals einholen werden, lenke ich Jayjay querfeldein nach rechts. Der Weg wird bald eine Rechtskurve zum Fahrradweg machen, wenn wir es schaffen, sie bis dahin abzuschneiden… Es ist knapp, aber wir schaffen es. Der Donner von Jayjays Hufen grollt noch in meinen Ohren nach, als wir über einige hochgewachsene Büsche hechten und den Beginn des Fahrradwegs vor den beiden Geschwistern erreichen. Ich springe von Jayjays Rücken, während ich gleichzeitig Skus Pokéball und Gotts Finsterball aktiviere. Zusammen mit meinen drei Pokémon erwarte ich Mik und Alina, die mich im Glauben gelassen haben, Louis wäre gefoltert worden, weil ich nicht schnell genug geantwortet habe. Sie wissen, wo Team Shadows Hauptquartier ist. Ich darf sie nicht durchlassen. Die Motorräder nähern sich und kommen schlitternd einige Meter vor uns zum Stillstand. Alina betrachtet mich nur irritiert, während Mik belustigt den Kopf schüttelt. "Du willst dich duellieren?", fragt er und setzt einen Fuß auf dem Boden auf. Seine Hand greift nach seinen Pokébällen. Alina tut es ihm gleich. "Ihr werdet bereuen, euch mit Team Rocket eingelassen zu haben", sage ich und beobachte, wie Mik Flunkifer und sein inzwischen entwickeltes Lucario ruft, denen Bojelin, Gladiantri und Lin-Fu von Alina folgen. Die Pokémon bauen sich bedrohlich vor ihren Trainern auf. Gotts Feuer brennt so heiß, dass ich einen Schritt zurück machen muss, Jayjay stampft mit den Hufen auf und entlädt einige Blitze durch seine Mähne an die Luft, sichtlich bereit, Hunter zu rächen, egal wie. Sku wirft mir einen kurzen Blick zu. Ihre rotunterlaufenen Augen leuchten voller Zuversicht in der Dunkelheit. Verlass dich auf uns, scheint sie zu sagen. Wir machen sie fertig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)