Abbygails Abenteuer von yazumi-chan (Road to Lavandia) ================================================================================ Kapitel 97: Überlebensstrategien (Alles umsonst?) ------------------------------------------------- Gott und Venuflibis beginnen, sich langsam zu umkreisen und ich nutze die Gelegenheit, meine Taktik zu durchdenken. Hunter hat Venuflibis schon einmal ausgetrickst, es wird ihm kein zweites Mal gelingen, zumindest nicht auf dem herkömmlichen Weg. Wenn ich unsere Pokébälle wieder haben möchte, brauche ich eine Ablenkung. Gotts Fauchen ist laut, durchdringend, als er einen Angriff antäuscht, aber Venuflibis grinst nur unentwegt und an der Art, wie Gotts Schultern sich anspannen, weiß ich, dass er kurz vor der Explosion steht. „Starte mit Rauchwolke", befehle ich. „Wenn die Ranken dich erwischen, ist es aus. Hunter, Areo-Ass, wann immer du eine Möglichkeit siehst, aber geh kein Risiko ein. Ich brauche dich noch." „Du denkst wirklich, du hättest eine Chance, oder?", fragt Lambda, halb amüsiert, halb gereizt. „Nur der Typenvorteil wird nicht ausreichen", murmelt Dark mit flacher Stimme. „Lambda ist Teil des Vorstands. Seine Pokémon sind im Level sechziger Bereich." Ich lächle eisern. „Dann dürfen wir uns eben nicht erwischen lassen." Ein zustimmendes Grollen ertönt aus Gotts Kehle, dicht gefolgt von einem freudigen Zischen, als der erste halbherzige Rankenangriff auf ihn zuschießt. Er wirft sich zur Seite, um auszuweichen und füllt die Luft noch im Sprung mit dichten, schwarzen Rauchschwaden. Hunter verschwindet mit einigen kräftigen Flügelschlägen und ein empörtes Kreischen bestätigt meine Vermutung, dass er mit einem Aero-Ass begonnen hat. „Blattgeißel!", ertönt Lambdas Befehl aus dem Rauch. Ranken durchschneiden die Luft mit lautem Zischen und einem gelegentlichen Knall, wenn sie auf Hindernisse stoßen. Ohne seinen Gegner sehen zu können, ist Venuflibis´ Treffsicherheit drastisch eingeschränkt. Trotzdem erklingt kurze Zeit später Gotts schmerzliches Zischen und das Geräusch lässt mein Herz einen Moment stillstehen, doch dann taucht er aus dem Rauch auf und kommt schlitternd neben mir zum Stehen. Ein Streifen abgerissener Schuppen an seiner rechten Flanke gibt den Blick auf Blut frei, das aus dem freigelegten Fleisch an die Oberfläche sickert und im Feuerschein tiefrot glänzt. Die Ranken können ihn nur gestreift haben, trotzdem haben sie eine solche Wunde gerissen. Ich will gar nicht daran denken, wie es Sku geht, aber ich habe ihren Pokéball nicht bei mir und keine Gelegenheit, zu ihr zu gehen. Ich kann nur darauf hoffen, dass sie die Attacke unbeschadet überstanden hat. „Nochmal Rauchwolke", befehle ich Gott, woraufhin dieser frustriert winselt. Ich nehme Augenkontakt zu ihm auf. "Ich halte dich nicht zurück", sage ich eindringlich. „Aber Venuflibis ist stärker als du." Ich ignoriere sein wütendes Zischen und das Peitschen der Blattgeißel, die auf der Suche nach Gott durch den Rauch tobt und kreischend unterbrochen wird, als Skus Toxin und Hunters Luftangriffe Venuflibis weiter schwächen. „Es ist stärker", beteuere ich. „Und deshalb bist du der einzige, dem ich diesen Kampf anvertraue. Sorg für Rauch, wo immer du bist, frustriere Venuflibis, bis es unachtsam wird. Greif mit Flammenrad an, wann immer du kannst. Und bitte, lass dich nicht treffen. Ich kümmere mich um den Rest." Gott beobachtet mich mit wachsamen, roten Augen, dann gibt er ein zustimmendes Knurren von sich. Ich nicke und richte mich wieder auf. „Los jetzt!" Er setzt er sich auf, leckt mit seiner rauen Zunge über meinen Handrücken und stürzt sich zurück in den Rauch, der einige Sekunden später so dicht und schwarz wird, dass ich husten muss. Darks Finger krallen sich in meine Schulter, als er mit seiner Atmung kämpft. Auch mir ist inzwischen schwindelig, aber solange Gott und Hunter dort draußen sind und alles für mich riskieren, werde ich mich davon nicht beirren lassen. Gina tänzelt nervös an meiner Seite. Selbst ihr beißfreudiges Hinterteil hat seine Lieblingsbeschäftigung für den Moment vergessen. „Ich hoffe, du weißt, was du tust", murmelt Dark. Seine heisere Stimme wird begleitet von dem roten Aufleuchten, das regelmäßig in den Tiefen des Rauchs zu erkennen ist, wenn Gott mit seinem Flammenrad attackiert, bevor er davonflitzt und den immer wahlloser um sich schlagenden Blattgeißeln ausweicht. „Venuflibis ist über 25 Level stärker als Igelavar. Seine Attacken können ihm massiven Schaden zufügen.“ „Ich weiß“, sage ich leise. „Aber ich vertraue ihm. Und ich werde dafür sorgen, dass wir diesen Kampf gewinnen.“ Gotts Schemen rast wie ein flammender Blitz durch die Rauchschwaden. Mal nimmt er eine schlitternde Kurve nach links, springt hektisch nach rechts, hechtet vor oder presst sich flach gegen den Boden, um einer Ranke auszuweichen, die dicht über seinem Kopf entlangschießt. Ich beiße mir auf die Lippen, folge dem Schauspiel seines Feuers und zucke jedes Mal zusammen, wenn ein kurzer Aufschrei bestätigt, dass eine der Blattgeißeln ihn gestreift hat. Ich weiß nicht, wie lange er dieses Tempo noch durchhält. Hunters Krächzen wird laut, gefolgt von Zischen, als er mit seinem Aero-Ass auf seinen Gegner herabstürzt und zufrieden wieder in die Lüfte aufsteigt, während eine der Ranken ihm hinterherjagt, nur um kurz vor ihrem Ziel zurückgerissen zu werden. Ich grinse. Sie sind eben nicht unendlich lang. „Heh“, ertönt Lambdas Stimme hinter der Rauchwand. „Du bist gar nicht so schlecht, wie ich dachte, Abby. Ich kann verstehen, wie du Mel so oft entwischt bist. Aber du glaubst hoffentlich nicht, dass das schon alles war. Venus, Verwurzler! Hol dir deine Energie zurück.“ Ich kann nicht sehen, wie Venuflibis zu Boden sinkt und ihren Unterleib im Boden vergräbt, um Nährstoffe aus der Erde zu ziehen, aber das Beben der Erde unter mir spricht für sich. Wurzeln brechen den Untergrund auf, lassen mich taumeln und Dark halb zu Boden stürzen und ich kann aus dem Augenwinkel erkennen, wie Gina in eine der frischen Spalten tritt und sich um Haaresbreite den Knöchel bricht. Nur Gott, der ohnehin im Ausweichfieber ist, scheint von der Änderung des Schlachtfelds unbeeindruckt. Langsam lichtet sich der Rauch und ich ahne, dass Gott sein Limit erreicht hat. Mit etwas Glück sollten die Restschwaden in der Luft ausreichen, um Venuflibis´ Sicht zu verdecken und von der Asche, die den grünen Körper dicht bedeckt, ist klar, dass seine Genauigkeit für den Rest des Kampfes eingeschränkt bleiben wird. Das ändert leider nichts daran, dass Verwurzler ihm neue Energie beschafft und auch wenn es wenig ist, gefällt mir diese neue Wendung ganz und gar nicht. Hunter bemüht sich um einen weiteren Angriff, dieses Mal Fliegen, wenn ich seine Bewegungen richtig deute, aber Venuflibis bemerkt ihn und reißt schützend seine Ranken in die Höhe, sodass Hunter frustriert krächzend abschwenken muss, um nicht getroffen zu werden. „Sehr gut“, ruft Lambda, sichtlich erheitert. „Und jetzt legen wir richtig los. Schwerttanz, Venus, dann schnapp ihn dir mit Klammergriff.“ Gott kommt hechelnd zum Stillstand, um nach Atem zu schnappen. Die Ausweichjagd hat ihn erschöpft, aber ohne den Rauch, der meine Sicht verdeckt, erkenne ich ebenfalls Anzeichen der Müdigkeit in Venuflibis. Der Kampf kann kaum fünf Minuten gedauert haben, auch wenn mir jede Sekunde wie eine Ewigkeit vorkommt, aber Skus Toxin entfacht allmählich seine verheerende Wirkung. Venuflibis hebt seine Ranken und beginnt, von innen heraus zu leuchten, bis es den Eindruck macht, als wäre es gewachsen und ich fühle mich an Teals Sengo zurück erinnert, das mit drei Schwertänzen die Alph-Ruinen zum Einsturz gebracht hat. Es ist eine der Statusattacken, mit denen nicht zu spaßen ist. Ich kann nicht anders. Ein lautes Lachen bricht aus meiner Kehle. Venuflibis hat sich gerade sein eigenes Grab geschaufelt. Ich ignoriere Dark, der verwirrt zischt, Lambda, der überrascht in meine Richtung schaut, sogar Gott, der zustimmend faucht und sich zu mir umdreht, seine Augen trotz Gefahr leuchtend wie sonst nie. Venuflibis nutzt die Gelegenheit für ihren Klammergriff und obwohl ich eine Warnung rufe, wickeln sich die biegsamen Ranken fest um Gotts Körper und beginnen, ihn zu zerquetschen. Gotts Schrei verklingt zu einem tonlosen Fiepen, als seine Rippen zusammengedrückt werden und die Luft aus seinen Lungen weicht. Ich habe keine Zeit mehr. „Letzter Angriff, Hunter!“, schreie ich zu ihm in die Lüfte, bevor mein Blick zu Gina wandert. Ich lächle. Zeit, Gotts Vertrauen in mich zu bestätigen. „Kräftetausch.“ Gina galoppiert vor, bis sie gerade weit genug entfernt ist, um nicht von den Ranken erwischt zu werden. Die Luft um ihren Kopf kräuselt sich, rast auf Venuflibis zu, entzieht ihm den Angriffsboost, den Schwerttanz ihm verliehen hat und überträgt ihn auf Gott. Hunter schießt aus dem Himmel herab und sein Aero-Ass trifft das Pflanzenpokémon mitten in den Rücken, was dieses violettes Gift spucken lässt, das seit Skus Angriff ungehindert durch den Pflanzenkörper gewandert ist und für einen kurzen, wertvollen Moment, lockert sich der Klammergriff um Gott. Ich öffne meinen Mund, um sein Kommando zu rufen, aber er weiß, was ich sagen will, holt einmal so tief Luft, dass sein Brustkorb zu platzen scheint, und speit ein gewaltiges, von dem gestohlenen Schwerttanz unterstütztes Flammenrad auf Venuflibis, das dank des Klammergriffs keine Zeit mehr hat, auszuweichen. Ein gequältes Winseln ertönt, als das Feuer die Ranken entlang rast, das Pokémon frontal trifft und mit der Macht einer verzweifelten Feuerattacke durch die Verteidigung der Pflanzenhaut brennt. Einige Sekunden lang ist nur das Knistern und Zischen und Kreischen zu hören, dann fallen die Ranken, die Gott umklammert halten, verkohlt und kraftlos von ihm ab und Venuflibis sackt bewusstlos in sich zusammen. Die Pokégürtel, die bis dahin fest von den Ranken umklammert waren, liegen unbewacht im aufgerissenen Erdboden, zumindest, bis Hunter herabschnellt, beide mit seinen Krallen aufklaubt und über uns fallen lässt. Ich packe Skus Pokéball und rufe sie sofort zurück, bevor ich erleichtert schwanke und mich bei der hastigen Bewegung zischend daran erinnere, dass mein rechter Arm auch einiges abbekommen hat. Aber als Gott schwer atmend den Kopf dreht, zu mir schaut und mit tiefster Zufriedenheit in seinem Blick in meine Richtung springt, trotz diverser Wunden an Beinen, Rücken und Flanke, fange ich ihn ohne Murren auf und presse ihn fest an mich, ungeachtet der Hitze, die weiterhin von seinem Schuppenpanzer abstrahlt. „Du warst unglaublich“, flüstere ich. Er schmiegt seinen Kopf gegen meine Halskuhle und gibt ein zustimmendes Grollen von sich. „Ruh dich jetzt aus“, sage ich leise und rufe ihn in seinen Finsterball zurück, bevor er die Gelegenheit hat, zu protestieren. Dann schaue ich zu Lambda auf, der auf sein besiegtes Pokémon starrt. Langsam, ganz langsam, hebt er den Kopf und lässt den Blick über das Schlachtfeld gleiten. Ich folge seinem Beispiel und nehme die Verwüstung in mich auf, die wir in unserem Kampf gegen Team Rocket verursacht haben. Der gesamte Boden ist aufgebrochen, verkohlt, aufgeweicht oder von Rissen durchzogen und die schwelenden und teilweise noch brennenden Bäume ragen wie Mahnmale in die Höhe, während die  Flammen dem rauchverhangenen Himmel entgegen lecken. George und Martin sind Richtung Unterführung zurückgewichen, Hände über dem Kopf erhoben, während zwei der Rockets mit Pistolen auf sie zukommen. Rechts von mir gibt Ethan ein siegreiches Brüllen von sich und ich bin sicher, dass zumindest Louis seinen Kampf gewonnen hat, aber es sind noch zu viele Rockets kampffähig. Dark greift, endlich, nach seinen Pokébällen. Ein weiteres Mal in dieser Nacht füllt gleißend rotes Licht mein Sichtfeld. Dann wird es kalt. Hagelkörner, dick wie Murmeln, prasseln mit ohrenbetäubendem Klackern zu Boden, dicht gefolgt von einem Blizzard, der sich um uns herum aufbaut und Eisplitter mit sich trägt, die um unsere Köpfe rasen, begleitet von noch mehr Hagel und dichtem, weißem Schnee. Das Unwetter zentriert sich um Darks Frosdedje, die mit irrem Blick und ausgebreiteten Armen inmitten des tosenden Schneesturms schwebt, ihr Lachen so melodisch wie klirrendes Glas. Dark schnalzt mit der Zunge. Frosdedje lacht lauter und der Blizzard breitet sich lawinenartig in Richtung unserer Gegner aus. Meine emporgerissenen Arme schützen mich vor der Pulverschneewolke, die uns nun entgegengedrückt wird, während die Wand aus Eis und Hagel vorwärts rast und alles, was sie trifft, in heulenden Wind und unerbittlichem Frost hüllt. Ich kann mein Zähneklappern kaum über dem tosenden Blizzard hören, oder den erstickten Schreien, die von allen Seiten erschallen. Lambda scheint sich gerade rechtzeitig zu Boden geworfen zu haben, denn obwohl eine dicke Schicht aus Schnee und Eis seinen Rücken bedeckt, hebt er den Kopf, kaum dass der Schneesturm an ihm vorbeigerast ist und auf den Rest der Rockets zurollt. Frosdedjes Lachen klingt klar über das Dröhnen und Tosen hinweg und von der Art, wie sie ihren Blizzard anfeuert, scheint sie eine neue Eiszeit einleiten zu wollen. Ihr Lachen erinnert mich an Mel in den Tiefen ihres Wahnsinns und eine Gänsehaut, die nicht von der Attacke des Eispokémons stammt, läuft über meinen Rücken. Einige der Rockets schaffen es gerade noch, ihre Pokémon zurückzurufen, bevor der Blizzard sie erreicht, aber der Großteil erstarrt in Momenten zu Eis oder wird von den Eiswinden, Hagelkörnern und dem dichten Schnee zurückgedrängt und darunter begraben. Zwei weitere rote Lichtblitze explodieren von Darks Gürtel und im nächsten Moment materialisieren sich ein Kapilz und ein Lucario neben ihm, die einander abschätzige Blicke zuwerfen und stur die Arme verschränken. „Räumt hier auf“, befiehlt Dark den beiden. „Wer die meisten Siege hat, bevor ich fertig bin, gewinnt.“ Die Kampfpokémon nicken, strafen sich gegenseitig mit angewiderten Blicken und sprinten davon über das Schlachtfeld, das inzwischen einer Eiswüste gleicht, wären da nicht die eindeutig verkohlten Bäume, deren angeschwärzte Äste unter Schnee und Eis begraben liegen. Dark schnalzt ein zweites Mal mit der Zunge und Frosdedje, die bis dahin ihren Blizzard unentwegt kichernd beobachtet hat, verstummt, Augen auf ihren Trainer gerichtet. Ein raues Gurren ertönt aus den Tiefen ihrer Kehle, sie wird für einen Moment unsichtbar und erscheint im nächsten direkt über Darks linker Schulter, ein freudiges Glimmen in ihrem Blick. Was immer er ihr mitgeteilt hat, sie scheint mehr als nur zufrieden mit ihrer neuen Aufgabe. Lambda befreit sich fluchend aus dem Schnee und kommt langsam auf die Füße. Er dreht den Kopf und schaut zu seinen Mitstreitern, die zusammen mit ihren Pokémon von Darks Rivalenduo auseinandergenommen werden. Frosdedje gibt ein zweites, eisiges Lachen von. Lambda stolpert einen Schritt zurück. Dann macht er auf dem Absatz kehrt, ruft seine beiden übrigen Pokémon und sprintet davon. Dark und ich nehmen augenblicklich die Verfolgung auf, während Lambda sich auf den Rücken seines Staraptors zieht, ein Smogmog dicht hinter ihm, und mit seinem Flugpokémon in die Höhe schießt. Ich pfeife, Dark aktiviert seinen Tempoball und im nächsten Moment fliegen Hunter und Zapdos an unserer Seite. Die Luft knistert von Zapdos´ Entladungen und Hunter gibt ein ermutigendes Krächzen von sich. Dark springt auf den Rücken seines Legendären, ohne seinen Blick von Lambda zu nehmen, der in Smogmogs Dunkelnebel verschwindet und nur noch als formloses Schemen zu erkennen ist. Ich sprinte weiter. Bisher hat Hunter sich immer stillgehalten, wenn ich aufsteigen wollte, aber dafür habe ich jetzt keine Zeit. Ich hole tief Luft und strecke eine Hand nach Hunter aus, der schräg vor mir fliegt und seine Geschwindigkeit einige Sekunden lang drosselt. Mit einem gewaltigen Satz stoße ich mich aus dem Sprint ab und lande mehr oder weniger sicher auf seinem Rücken. Es fühlt sich an, als würden meine Organe durch meine Kniekehlen sacken, so plötzlich und steil fliegt er in die Höhe, um Zapdos und Dark nicht zu verlieren, die der grauen Nebelwand folgen. Trotz des Windes, der mir die Tränen aus den Augenwinkeln treibt, zwinge ich mich, meine Augen offen zu halten und klammere mich verzweifelt mit meinem rechten Arm an Hunters Brustkorb fest, bevor er den Steilflug abbricht und sich Zapdos in der Waagerechten anschließt, was mir die Möglichkeit gibt, meine Position zu korrigieren. Als ich sicher sitze, lässt Hunter sich in einen tieferen Luftstrom fallen und fliegt geradewegs unter Zapdos hindurch. Wir tauchen auf der anderen Seite wieder auf und ich spüre augenblicklich die Kälte, die mir in die Kleider kriecht und meine kurzen Haarsträhnen gefrieren lässt. Frosdedje wird in dem Eiswind sichtbar und kichert klirrend, bevor sie einmal um Dark herum schwirrt und im Wind verschwindet. „Macht sie das öfters?“, schreie ich zu Dark empor, dessen Oberkörper flach an das knisternde Gefieder seines Pokémons gepresst ist. Er antwortet, ohne den Blick von der Nebelbank zu nehmen, in der ich jetzt Lambdas Umriss erkennen kann. „Wann immer sie kann.“ Ich nicke, obwohl er das nicht sieht. Der Dunkelnebel zieht leicht nach rechts und ohne sich absprechen zu müssen, lassen Zapdos und Hunter sich in die Schräglage kippen, fliegen über- und untereinander her und kommen wieder auf perfekt korrigiertem Flugkurs aus. „Schneller?“, rufe ich, dieses Mal nach links unten, wo Dark nach dem kleinen Flugmanöver mit Zapdos ausgekommen ist. Ich kann sein Gesicht nicht sehen, aber das Bild von Hundemons entschlossenem Knurren kommt mir sofort in den Sinn, als seine Stimme ertönt.  „Schneller.“  „Dann los…“, murmele ich und presse meine Oberschenkel fest gegen Hunters Flanken. Er gibt ein freudiges Krächzen von sich und wir preschen davon, dicht gefolgt von Zapdos und Dark, die uns nach einigen Sekunden mit lautem Knistern überholen und der eiskalte Rückenwind, der uns voran treibt und Lambda immer näher bringt, war vor wenigen Momenten noch nicht da. Ich kann nicht anders. Ich muss grinsen, als der Wind in meinen Ohren rauscht und alle anderen Geräusche ausblendet, als meine Finger steif und meine Lippen spröde werden. In meinem Hinterkopf weiß ich, dass Sku und Gott möglichst schnell in ein Pokécenter müssen, dass Zach gerade mit Rocky, Holly und Jack kämpft und dass wir Lambda möglicherweise nicht rechtzeitig einholen werden, aber das Gefühl, über der Welt zu schweben, in die Freiheit zu fliegen, vertreibt alle negativen Gedanken. Dann schließt sich schon der aschgraue Dunkelnebel um uns und ich entdecke Lambda, der sein Staraptor verzweifelt antreibt, während Smogmog von ihm mitgezogen wird und den Nebel aufrecht hält. Je tiefer wir vordringen, desto dunkler wird es, bis ich zu der Erkenntnis komme, dass Smogmog den Dunkelnebel wohl mit einer Rauchwolke unterfüttert haben muss. Ich atme flacher, versuche, nicht zu viel von den giftigen Ausdünstungen abzubekommen, die ohne Zweifel in dem Rauch vorhanden sind. Als es jedoch immer dunkler wird, schaue ich nach links zu Dark und dann hinauf in den Himmel. Zapdos´ schiere Anwesenheit hat Gewitterwolken aufziehen lassen, die sich dunkelviolett über unseren Köpfen zusammenbrauen und knisternd entladen. Staraptor, aufgeschreckt von dem aufkommenden Donnergrollen und dem Regen, der mit einem Schlag einsetzt und auf uns niederprasselt, wirft einen kurzen Blick in unsere Richtung, schlägt panisch mit den Flügeln und wird schneller. Ich gebe Hunter das Signal, ebenfalls einen Zahn zuzulegen. Neben mir tut Dark das gleiche. Während Hunter sich an Zapdos´ Flugmanöver anpasst, nach unten sacken lässt, gegen den Regen in die Höhe drückt oder zur Seite abkippt, verlasse ich mich ganz auf meine Instinkte, um nicht von seinem Rücken zu fallen. Es ist nicht mein erster Flug und auch, wenn ich noch nie so mit Hunter geflogen bin, weiß mein Körper doch, was er tun muss, wenn Hunter sich spiralförmig in den Himmel katapultiert, einen Looping macht, oder einfach für mehrere Sekunden so weit in Schräglage fliegt, dass mir das Blut in den Kopf steigt. Der rationale Teil meines Gehirns verfällt trotzdem in Panik – und nicht zu knapp. Staraptor, das genau wie wir eine unmögliche Flugfigur nach der anderen vollführt, um uns abzuhängen, verliert in den diversen Richtungswechseln fast Smogmog, das noch immer für schlechte Sicht sorgt. Aber das Vogelpokémon merkt, dass es uns so nicht abschütteln kann. Es wird schneller, schneller, und dieses Mal fällt Smogmog zurück, dreht sich in unsere Richtung und sieht uns mit resignierten Augen an. Ich jauchze, sicher, dass wir Lambda jetzt kriegen werden und ziehe mit Hunter an Zapdos vorbei, das unter uns fliegt. Wir schießen auf Smogmog zu. Seine kraterförmigen Poren schließen sich und es bläht sich auf. „Abby!“ Zu spät bringe ich den Warnschrei hinter mir mit dem Bild vor mir in Verbindung. Es wird kälter. Dann rasen wir schon über Smogmog davon und werden von der Explosion getroffen, die aus dem angestauten Druck und den brennbaren Gasen in Smogmogs Körper resultiert. Der Knall ist ohrenbetäubend, aber nicht zu vergleichen mit der Schockwelle, die uns steil nach oben katapultiert und so wehtut, dass ich nicht mal mehr schreien kann, auch nicht, als Hunter und ich in der Luft zum Stillstand kommen und dann wie Steine zurück Richtung Boden stürzen. Mit einem lauten Piepen in den Ohren und halbblind von der Schnelligkeit unseres Falls und den Tränen, die der Wind mir in die Augen bläst, ruht mein Blick auf Hunter, dessen Brustkorb, samt den Unterseiten seiner Flügel, halb zerfetzt ist. Blut durchsickert das zerzauste, angekohlte Federkleid und seine Augen sind fest zusammengekniffen. Zwei Dinge haben uns gerettet, denke ich, als ich mich im Fall mehrfach überschlage, blind nach Hunters Pokéball taste und ihn zurückrufe. Wir waren zu schnell, deswegen konnte Smogmog nicht den perfekten Moment abpassen. Und der Wind hat uns in letzter Sekunde nach oben abgetrieben, sodass unsere Distanz zu der Explosion größer wurde. Schnelligkeit und Frosdedjes Eingreifen haben Hunter und mir das Leben gerettet. Der Eiswind zieht plötzlich an mir, verlangsamt meinen Sturz, der nur ein paar Sekunden gedauert haben kann, dann packt Zapdos mich mit seinen Krallen aus der Luft, schleudert mich in die Höhe und taucht unter mir entlang, sodass ich vor Dark auf den elektrisch geladenen Federn lande. „Geht es dir gut?“, fragt Dark, von dessen Kontrolle über seine Emotionen dieses Mal nichts zu spüren ist. „Kannst du mich hören? Hast du Schmerzen?“ Mein Kopf und meine Ohren dröhnen, aber immerhin ist das Piepen etwas leiser geworden, sodass ich Darks Stimme ausmachen kann, auch wenn es klingt, als wäre eine dicke Glaswand zwischen uns. Ich nicke und lasse meinen Kopf zur Seite sacken, um einen Blick an Zapdos vorbei in die Tiefe zu werfen. Während unserer Verfolgungsjagd habe ich die Orientierung verloren, aber dem dichten Wald nach zu urteilen, müssen wir südöstlich von Route 8 ausgekommen sein. Wir sind dem Boden näher als zuvor, aber Zapdos schlägt bereits kräftiger mit den Flügeln, um zu Staraptor und Lambda aufzuschließen, die dank der Explosion einen Vorsprung gewonnen haben. Allerdings fehlt ihnen der Dunkelnebel und selbst in dem Regenschauer, den Zapdos hervorgerufen hat, kann ich sie im Nachthimmel gut erkennen. Das Wetterleuchten in den Wolken hilft nicht unwesentlich, denn Staraptor ist eine pechschwarze Silhouette vor der violetten Wolkenfront. „Du hast wirklich ein Talent darin, dein Leben zu riskieren“, murmelt Dark unwirsch, atmet tief durch und spricht dann in gewohnt kühler Manier weiter. „Halt dich gut fest. Lambda ist Teil des Vorstands. Wenn die Polizei ihn festnehmen kann, wird das meinem Vater sehr schwächen.“ „Was ist mit Zach?“, frage ich und drehe den Kopf, um zu Dark hinaufzuschauen, aber sein Gesicht ist weiterhin hinter der Zwottroninmaske verborgen. Mein Magen überschlägt sich, als Zapdos weiter Geschwindigkeit aufnimmt und Staraptor wie ein Blitz hinterherjagt. „Wenn Lambda wusste, dass es eine Falle ist, warum haben sie Zach dann in den Untergrund geschickt?“ Dark schweigt. „Zacharias war bei seinem Eintritt allen ein Rätsel“, sagt er schließlich. „Er war stark genug, um schnell zu Rang 1 aufzusteigen, aber er kam aus dem Nichts. Er hatte keine Gründe, seinen Ruf zu riskieren und das hat viele misstrauisch gemacht, aber letztlich hat er sich nie etwas zu Schulden kommen lassen.“ Ich denke an Mels Zweifel auf dem Indigo Plateau zurück und nicke. „Ich habe Team Rocket verlassen, bevor sich daran etwas änderte“, fährt Dark fort und lehnt sich etwas nach rechts, um Zapdos in eine sanfte Kurve zu leiten, die uns Staraptor ein kleines bisschen näher bringt. „Aber wenn Atlas Zacharias als eine Bedrohung wahrgenommen hat, würde er ihn als Lockvogel vorschicken. Wäre alles nach Plan gelaufen, hätte er die Polizei in einem Hinterhalt beseitigt und Zacharias zurückgelassen.“ „Aber er hat nicht mit uns gerechnet“, sage ich leise und setze mich, mit Darks Hilfe, etwas aufrechter hin. Mein Blick folgt Lambda, der durch die Dunkelheit jagt und noch immer glaubt, er könne uns entkommen. Mein Lächeln wird grimmig. Sku, Gott, Hunter… Sie alle haben für mich gekämpft und Verletzungen davongetragen. Jetzt werden Dark und ich diese Nacht zu Ende bringen. Und zwar siegreich. „Gut festhalten“, murmelt Dark und schlingt einen Arm um meine Taille. Seine Flugerfahrung übersteigt meine bei weitem und als Zapdos noch eine Spur schneller wird und der Wind um uns herum kälter, bin ich dankbar, mich nicht selbst festhalten zu müssen. Meine Beine fühlen sich an wie Gummi. Dark schnalzt mit der Zunge und Frosdedje wird auf sein Kommando hin neben uns sichtbar. Ich dachte nicht, dass sie mit Zapdos´ derzeitiger Geschwindigkeit mithalten könnte, aber sie scheint sich seit Beginn unseres Fluges in einen kleinen Blizzard gehüllt und von dem eisigen Wind mitgetragen lassen zu haben. Ihr klirrendes Lachen ertönt zwischen zwei Donnergrollen, als sie neben uns entlang schwirrt und den niederprasselnden Regen zu Hagel gefriert. Ich weiß nicht, ob ich das Signal zum Angriff verpasst habe oder ob die Kommunikation zwischen Dark und seinen Pokémon so perfekt ist, dass sie nicht miteinander reden müssen. Tatsache ist, dass Zapdos plötzlich einem letzten Spurt startet, kleine Zickzack-Manöver fliegt und einen Donnerblitz auf Staraptor niederfahren lässt, dem das Vogelpokémon nur durch einen scharfen Schwenk zur Seite ausweicht. Dort wartet bereits Frosdedje. Ihr Eisstrahl schießt knackend auf Staraptor zu und verfehlt es um wenige Zentimeter. Lambda schreit seinem Pokémon etwas zu, aber ich kann die Worte nicht verstehen. Staraptor schlägt wie wild mit den Flügeln, dreht sich halb in der Luft und schraubt sich über uns empor. Plötzlich wird der Wind stärker, reißt Frosdedje von ihrer Position und zieht sie mit sich und zwingt Zapdos, seinen zweiten Donnerblitz zu unterbrechen, um nicht selbst vom Kurs geblasen zu werden. Der Wirbelwind bombardiert uns mit Hagel, Regen und nimmt mir die Luft. Darks Griff um meinen Bauch festigt sich und wir klammern unsere Beine enger um Zapdos Körper, als das Legendäre von dem immer stärker werdenden Wind erfasst wird und in Schräglage gerät. „Plan B?“, presse ich hervor und kralle meine Finger dabei so tief in Zapdos´ Gefieder, dass sie zu kribbeln beginnen. Dark antwortet nicht. Stattdessen lässt er sich seitlich kippen, während er Zapdos weiterhin mit seinen Beinen umklammert. Zapdos widersteht nur einen Sekundenbruchteil, dann legt es die Flügel an und lässt sich fallen. Zunächst reißt der Wirbelwind uns im freien Fall mit sich und wir drehen uns so rasant um die eigene Achse, dass ich nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Kurz bevor ich das Gefühl habe, mich übergeben zu müssen, verlieren die Winde jedoch an Kraft und wir fallen nur noch in die Tiefe, was mir bewusst macht, dass Dark und ich kopfüber hängen. „Toller Plan!“, schreie ich und versuche dabei nicht mal, die Angst aus meiner Stimme zu halten. „Wirklich wahnsinnig toll!“ Zapdos gibt ein Geräusch von sich, dass ich mit viel Fantasie als Zustimmung deute, dann breitet es die Flügel aus, dreht sich ein paar Mal in der Luft und kommt schließlich wieder in Normallage aus, von wo es Geschwindigkeit aufnimmt und senkrecht in den Himmel schießt. Erst jetzt sehe ich, dass wir unter dem Wirbelwind hindurchgefallen sind und nun im windstillen Auge wieder auftauchen – direkt unter Staraptor. „Nochmal Donnerblitz“, befiehlt Dark und aus dem Himmel schießt ein Blitz herab, der wenige Zentimeter neben Staraptor niedergeht. Der Vogel gibt ein erschrockenes Kreischen von sich und schaut zu uns herab, während wir weiter in seine Richtung rasen. Der Wirbelwind legt sich und an der Art, wie es die Flügel zu einem Sturzflug anlegt, bin ich sicher, dass es jetzt in die Offensive gehen wird. Frosdedjes Eisstrahl trifft es genau in diesem Moment in den Rücken. Eine Eisschicht breitet sich über dem Flugpokémon aus und immobilisiert Lambda, dessen Mund mitten in seinem Schrei gefriert. Sie stürzen herab und geradewegs an uns vorbei in die Tiefe. Zapdos legt die Flügel an und rast hinterher, greift Lambda von Staraptors Rücken und schleudert ihn, wie zuvor mich, auf seinen Rücken. Drei Personen sollten auch für ein Legendäres problematisch sein, aber dann erklingt Frosdedjes Lachen hinter uns und ich meine, den kühlen Aufwind zu spüren, der Zapdos in seinem Flug unterstützt. Ich schnappe mir den einzig unbesetzten Pokéball an Lambdas Gürtel und rufe Staraptor zurück, bevor es in seinen Tod stürzen kann, dann atme ich erleichtert aus und lehne mich nach hinten gegen Dark. „Wir sollten schnell zurück“, murmele ich erschöpft, obwohl Zapdos schon längst die Richtung geändert und Kurs auf Route 8 genommen hat. „Er wird nicht ewig bewusstlos bleiben.“ „Lange genug, um ihn an Rocky übergeben zu können“, erwidert Dark, gerade laut genug, dass ich ihn trotz Windrauschen verstehen kann. „Wir müssen dich und deine Pokémon in ein Pokécenter bringen. Die Explosion und Venuflibis´ Angriffe haben euch viel Schaden zugefügt.“ Ich nicke nur, zwinge mich, die Augen offen zu halten. Der Wind, Darks Oberkörper, das sanfte Knistern unter meinen Fingern… Plötzlich kann ich mir keinen besseren Ort für ein Nickerchen vorstellen. „Nicht schlafen“, sagt Dark leise. Ich kann sein Gesicht nicht sehen, aber ich könnte wetten, dass er sich ein Lächeln verkneift. Am Einschlafen hindert mich diese Erkenntnis jedoch nicht.   Wir landen etwa fünfzehn Minuten später vor der Unterführung, zumindest laut Dark. Ich war zwischenzeitlich im Land der Träume und steige jetzt mit wackligen Beinen von Zapdos´ Rücken. Louis´ Arme, die mich umschließen, kaum dass ich einen Fuß auf den verwüsteten Untergrund setze, kommen mir gerade recht und ich lasse mich in seine Umarmung sinken. Mein aufgerissener Arm, den ich während des Gefechts fast vergessen habe, pocht und brennt nun wieder schmerzlich, aber ich besitze trotzdem noch die Geistesgegenwart, Louis zu mustern. Außer einem Schnitt an der Wange und einer kleinen Verätzung an seinem Unterarm scheint er unversehrt. „Du siehst halbtot aus“, murmelt er in mein Ohr und ich gluckse, bevor ich mich schweren Herzens von ihm löse, um Dark dabei zu beobachten, wie er Frosdedje zurückruft und einen Streit zwischen seinen beiden Kampfpokémon schlichtet, bevor er Lambda in Lucarios Obhut gibt, der das langsam erwachende Vorstandsmitglied mit stählernem Griff festhält. Kapilz schmollt und wird zusammen mit Zapdos zurückgerufen. „Habt ihr die Rockets schon festgenommen?“, frage ich, während ich mich an Louis lehne, der die Nähe sehr zu genießen scheint. „Darks Pokémon haben ganze Arbeit geleistet“, erklärt Louis grinsend. „George und Martin mussten sie davon abhalten, jeden Rocket doppelt KO zu schlagen.“ Ich schlucke. „Was ist mit Rocky?“ Louis schüttelt den Kopf. „Noch nicht aus der Unterführung raus. Wir wollten eben runter, um ihr und Holly zu helfen, aber die Tür ist blockiert und an den Rändern mit der Wand verschmolzen. Wir sind nicht reingekommen. Aber wenn sie gegen Zach kämpfen, wird die Unterführung das natürlich nicht einfach so wegstecken. Die Tunnelgänge sind nicht für solche Kämpfe gemacht.“ Ich will zu einer Antwort ansetzen, da ertönt ein lautes Klong aus Richtung der Unterführung. Louis legt einen Arm um meine Taille und hilft mir, dem Geräusch entgegenzugehen. Als wir näher kommen, entdecke ich das gute Dutzend Rockets, das mit Handschellen versehen bewusstlos neben einem großen Felsen liegt. George und Martin stehen selbstgefällig daneben, heben aber nun die Köpfe. Holly tritt hinaus ins Freie und atmet einmal tief ein und aus, dann tritt sie zur Seite und macht Platz für den Rest. Ein sehr mitgenommen aussehendes Arkani kommt durch die Tür, schüttelt sich Staub und Sand aus dem getigerten Fell und dreht den Kopf nach hinten. Dann folgen Rocky, Jack, zwei Polizisten, die ich nicht kenne – und Zach. Mein Herz zieht sich bei seinem Anblick schmerzhaft zusammen. Der schwarze Mantel ist zerrissen und angesengt, sein Haar hängt ihm tief ins Gesicht und seine Hände sind hinter seinem Rücken zusammengekettet. Sein Gürtel mit den Pokébällen liegt sicher in Jacks Händen, der sich sein siegreiches Grinsen nicht verkneifen kann. Als er mich entdeckt, zwinkert er mir zu. Dann entgleist sein Gesichtsausdruck. „Abby?“, fragt Louis besorgt und streicht eine Träne von meiner Wange. „Alles in Ordnung? Sie haben ihn. Alles ist gut.“ Ich schüttele den Kopf, schließe die Augen. Sie haben Zach. Und es ist meine Schuld. Meine Schuld, dass er als Verräter gebrandmarkt wurde. Meine Schuld, dass er von der Polizei festgenommen wurde. Meine Schuld. „Abby-“ „Später“, flüstere ich und öffne meine Augen. Zach hebt den Kopf, als er meine Stimme hört und schaut mich an. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Wut, vielleicht. Enttäuschung. Nicht Müdigkeit. Nicht Leere. Ich wende den Blick ab und vergrabe mein Gesicht in Louis Schulter. Mein frustrierter Schrei verklingt im Stoff seiner Jacke. Aus den Bergen erschallt Absols Wehklagen.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)