Abbygails Abenteuer von yazumi-chan (Road to Lavandia) ================================================================================ Kapitel 89: Der S-Com (Vertraust du mir?) ----------------------------------------- Am nächsten Morgen hat der Sturm nachgelassen. Eine weiße Schneedecke hat sich auf den Straßen gebildet, ist jedoch zu großen Teilen von Fußspuren durchzogen, einige von ihnen die meinen, als ich mich auf den Rückweg zum Hauptquartier mache. Vor meiner Abreise habe ich Günther einen Zettel auf dem Küchentisch hinterlassen, mit einer Einladung zu Cornelias Teestube. Ihn zu wecken erschien mir eindeutig zu riskant. Priss hatte es sich in meinem Anorak gemütlich gemacht, aber nur ein Blick auf den Schnee hat sie panisch zurück in die Wohnung flüchten lassen. Jetzt ist sie wieder in ihrem Pokéball und ich trage meinen zerrissenen Rucksack über der rechten Schulter, um meinen Arm so wenig wie möglich zu belasten. Etwa zwanzig Minuten später erreiche ich die Spielhalle. Ich bringe meinen Rucksack in das Zimmer, das ich mir derzeit mit Chris und Jayden teile, entledige mich meiner Winterjacke und mache mich dann auf den Weg hinunter in den Gemeinschaftsraum. Außer Dark, der vor dem kleinen Fernseher sitzt, den wir uns angeschafft haben, ist niemand dort. Als Hundemon mich seht, spitzt es die Ohren und lenkt Darks Aufmerksamkeit auf mich, der seinen Blick kurz über mich gleiten lässt, den Fernseher stumm schaltet und mich fasziniert mustert. „Auf die Geschichte bin ich gespannt“, sagt er. „Ich dachte nicht, dass ich deine selbstzerstörerischen Fähigkeiten so früh zu Gesicht bekommen würde.“ Ich strecke ihm die Zunge heraus, bevor ich mich neben ihn auf das Sofa setze. „Was heißt hier früh“, meine ich und gähne. „Ich habe mir fast zwei Wochen Zeit gelassen. Mehr Zurückhaltung kannst du wirklich nicht von mir erwarten.“ Hundemon schnaubt und hebt den Kopf, damit Dark seine Stirn kraulen kann. „Scherz bei Seite“, sagt Dark etwas ernster. „Was ist passiert?“ Ich berichte ihm von meiner Begegnung mit den fünf Trainern und bin nicht überrascht, als Dark wütend auf den Fernseher starrt. Inzwischen kenne ich ihn gut genug, um zu wissen, was ihn wirklich auf die Palme bringt. „Es wird Zeit, dass wir schnelle Kommunikation bekommen“, sagt er schließlich. „So etwas wie gestern darf nicht nochmal passieren.“ „Wird es nicht“, sage ich. „Die wären schön doof, wenn sie in der Stadt bleiben. Joy hat Erika kontaktiert. Den Orden werden sie nicht so leicht bekommen.“ „Mir war der Sinn von Orden immer suspekt“, sagt Dark. „Wenn das die einzige Bestrafung ist, die sie bekommen, wundert es mich nicht, dass Trainer außer Kontrolle geraten.“ „Die fünf haben wohl schon früher Ärger gemacht“, erkläre ich und lehne den Kopf gegen die Sofalehne. „Aber jetzt werden sie aus Prismania verschwinden müssen. Ich musste mich schon früher mit solchen Unruhestiftern rumschlagen, das ist wirklich nichts Neues für mich.“ Dark seufzt. „Du bist mir ein Rätsel.“ Ich grinse. „Danke.“ „Das war kein Kompliment.“ Hundemon knurrt zustimmend und winselt, als Dark seine Hand vom Kopf des Pokémon nimmt und den Fernseher ausschaltet. „Du bringst dich willentlich in Gefahr. Und wofür?“ „Für Gerechtigkeit.“ Dark lacht humorlos auf. „Was?“, frage ich gereizt. „Das ist genau das, wofür Team Shadow steht, oder nicht? Ihr wollt die Schwachen beschützen. Diejenigen, die von Tyrannen unterdrückt werden. Von Leuten wie diesen Trainern! Das ist Gerechtigkeit, oder nicht?“ „Vielleicht. Aber Gerechtigkeit ist subjektiv. Deine Ansicht mag für dich gerecht sein, aber diese fünf Trainer, die wegen dir nun die Möglichkeit auf einen Orden verlieren, was ist mit ihnen? Glaubst du, sie denken, dass das Schicksal sie gerecht behandelt hat? Sie werden ihre eigene Gerechtigkeit suchen, und so wie die Dinge stehen, werden sie die ohne große Probleme finden.“ „Was meinst du?“ Dark wirft mir einen kurzen Blick zu. „Woher glaubst du, kommen Team Rocket oder die Biker? Sie sind nicht plötzlich da. Das sind Gruppen, die voll von selbstgerechten Verbrechern sind, die sich von der Gesellschaft ungerecht behandelt fühlen. Wieso dürfen sie die Schwachen nicht ausbeuten? Wieso dürfen sie nicht stehlen, was sie brauchen? Wie ungerecht von dir, sie daran hindern zu wollen.“ Er wippt mit den Beinen auf und ab und schaut an die Decke. „Die Biker walten, wie es ihnen gefällt, Trainer, die nicht diszipliniert werden, schließen sich ihnen an. Team Rockets Einfluss wächst täglich und niemand kann sie aufhalten.“ „Doch“, sage ich. „Wir.“ Dark schweigt. „Du weißt, dass es die richtige Entscheidung ist“, sage ich eindringlich. „Du tust vielleicht so, als wärst du gefährlich und unnahbar und all das, aber du willst das Richtige tun. Du sagst, dass du Schwäche hasst, aber das tust du überhaupt nicht. Du verachtest nur diejenigen, die Schwäche ausnutzen.“ „Und seit wann kennst du mich besser als ich mich selbst?“, fragt Dark mit hochgezogenen Augenbrauen. „Tu ich nicht“, sage ich grinsend. „Aber liege ich falsch?“   Als Jayden und Chris später am Abend von dem Vorfall erfahren, muss ich sie gewaltsam davon abhalten, die Trainer persönlich aus der Stadt zu jagen. So sehr mich ihre Entrüstung rührt, möchte ich den vorläufigen Frieden in Prismania doch nicht gefährden. Die größten Unruhestifter sind nun aus dem Weg geräumt und als Quasimitglied bringe ich Team Shadow zumindest eine Art Krüppelbonus bei den anderen Trainern ein. Dienstag mache ich mich etwas früher als gewöhnlich auf den Weg zu Cornelias Teestube, damit sie entscheiden kann, wie mit mir zu verfahren ist und bin nicht milde überrascht, Günther an einem der Tische vorzufinden, wo er in ein Gespräch mit Cornelia vertieft ist. Gut, ich hatte ihn eingeladen, aber ich habe nicht wirklich damit gerechnet, dass er das Angebot wahrnimmt. „Abby“, ruft Cornelia, als sie mich entdeckt. „Warum bist du so früh?“ Ich wedele mit meinem Gips und zucke leicht zusammen, als die Bewegung durch meinen gesamten Arm zieht. „Ich wollte dich vorwarnen, dass du ab jetzt wieder alleine bist.“ „Papperlapapp.“ Sie kommt zu mir, packt mein Kinn und begutachtet mein Gesicht von allen Seiten, schnaubt und wirft einen kurzen Blick auf meinen Arm. „So ein kleiner Rückschlag wird dich wohl nicht davon abhalten, mir zur Hand zu gehen. Du kannst Tee aufbrühen, wenn dir das Bedienen zu anstrengend ist.“ Ich nicke begeistert. Soweit habe ich gar nicht gedacht. „Und übrigens…“ Sie lehnt sich näher zu mir und schielt in Richtung Günther. „Wo hast du diesen ausdrucksstarken Herren aufgetrieben?“ Ich unterdrücke ein Prusten. Ausdrucksstark kann man es wohl auch nennen. „Er ist ja genau mein Typ“, fährt Cornelia ungerührt fort. „Eine schroffe Fassade mit einem weichen Kern, und schlecht sieht er auch nicht aus. Den Tee ziehe ich trotzdem von deinem Gehalt ab, du schuldest ihm etwas, nachdem er dich mitten in der Nacht aufgenommen hat.“ Sie lässt mich sprachlos an der Tür stehen und setzt sich zurück zu Günther an den Tisch.   Später am Abend kehre ich erschöpft ins Hauptquartier zurück, nur um schon im ersten Untergeschoss von Dark abgefangen zu werden, der neben Hundemon auf seinen Fußballen hockt und sein Pokémon an der Kehle krault. Als er mich sieht, erhebt er sich und nickt in Richtung eines leeren Raumes. Skeptisch folge ich und lasse mich dort auf einem Stuhl nieder, während Dark die Tür hinter uns schließt, auf den Fersen auf und ab wippt, seufzt und dann die Arme verschränkt. Ich hebe eine Augenbraue. „Und was ist dir über die Leber gelaufen?“, frage ich. „Die S-Coms sind fertig“, sagt Dark und Hundemon bellt einmal freudig, bevor es sich zu Füßen seines Trainers hinlegt und den Kopf auf seine Pfoten bettet. „Das heißt, dass wir ab jetzt getrennte Wege gehen können.“ „Ist doch super“, meine ich grinsend. „Darauf warten wir schließlich schon die ganze Zeit.“ „Richtig. Das gibt dir aber noch mehr Möglichkeiten, in Schwierigkeiten zu geraten.“ „Oh bitte.“ Ich lehne mich zurück. „Ich bin fünf Monate ohne euch zu Recht gekommen, also mach dir jetzt nicht plötzlich Sorgen um meine Sicherheit, wenn du mir vor einer Woche noch damit gedroht hast, mich umzubringen.“ „Genau darum geht es.“ Er wippt etwas heftiger auf seinen Fersen und hält dann inne. „Du bist die einzige, die meine Hintergründe kennt. Ich habe Skrupel, dich so frei agieren zu lassen.“ „Was soll das denn heißen?“, frage ich und lehne mich vor. „Ich habe deine Identität schon geheim gehalten, bevor ich überhaupt wusste, dass du dich auf unsere Seite schlagen würdest, ich habe engen Kontakt mit der Polizei und von denen hat auch noch keiner hier geklingelt, oder? Bisher habe ich niemandem von dir erzählt, warum sollte ich das gerade jetzt ändern, wo du mir deine Hilfe versprochen hast?“ „Du hast es niemandem gesagt?“, fragt Dark. „Auch nicht deinem Freund?“ „Ich…“ „Wenn du willst, dass ich dir vertraue, solltest du vielleicht aufhören, mir stetig ins Gesicht zu lügen.“ Ich verziehe das Gesicht. „Ich habe ihm und meinem besten Freund von dir erzählt. Aber sonst niemandem. Und sie werden nichts sagen.“ Hundemon grollt. „Werden sie nicht!“, rufe ich und springe auf. „Ich schwöre es dir, Dark. Wehe, du tust den beiden etwas!“ „Fang von vorne an, Abby. Wer sind sie, und wo kann ich sie finden.“ „Wenn du auch nur daran denkst, ihnen-“ „Vertraust du mir oder vertraust du mir nicht?“ Wütend mache ich einen Schritt auf ihn zu, was Hundemon aufspringen lässt, Zähne gebleckt. „Ich bedrohe deine Freunde ja auch nicht!“ „Du bedrohst mich.“ Wir starren einander an, bevor ich ihn zur Seite stoße und zur Tür gehe, aber Dark packt mein Handgelenk und hält mich fest. Ich werfe ihm einen herausfordernden Blick zu. „Lass. Mich. Los.“ „Wenn wir ein Team bilden, wenn wir einen Deal machen wollen, dann müssen wir uns zumindest ein bisschen vertrauen. Waren das nur leere Worte?“ Sein Blick hat etwas Flehendes. „Nein“, sage ich lese. „Waren es nicht. Aber du machst es mir verdammt schwer.“ „Du mir auch.“ Er lässt meine Hand los, aber ich mache keine Anstalten mehr, hinaus zugehen, sondern lasse die Schultern hängen und atme einmal tief durch, bevor ich mich zu ihm wende. „Raphael Berni ist mein bester Freund, einer der Favoriten. Er ist wahrscheinlich in Fuchsania City, um die Safari-Zone zu besuchen. Louis Kale ist mein Freund. Er ist… er ist in Anemonia City.“ Ich sehe ihn eindringlich ein. „Sie werden nichts sagen. Tu ihnen nichts. Bitte.“ Dark lacht leise. „Du bist so naiv.“ Mein Blut gefriert mir in den Adern und ich greife automatisch nach meinen Pokébällen. Ist mir egal, ob ich eine Chance habe, aber ich werde ihn notfalls mit meinem Gips bewusstlos prügeln, bevor er Louis oder Raphael etwas antun kann. Dark schaut mich einen Moment lang an, dann lächelt er schwach und sieht weg. „Aber vielleicht muss man naiv sein, um vertrauen zu können.“   Jayden, Chris und ein sehr hibbeliger Ryan warten bereits in der Schaltzentrale im dritten Untergeschoss, als Dark und ich auftauchen. „Wo wart ihr noch so lange?“, fragt Jayden und wirft sich ein Bonbon in den Mund, auf dem er augenblicklich zu kauen beginnt. „Ich will endlich dieses Wunderhandy kriegen.“ „Geschäftliches“, sagt Dark ausdruckslos und stellt sich zu den anderen beiden. Ich folge seinem Beispiel und lasse den Blick über die acht Geräte gleiten, die Ryan liebevoll auf dem Tisch vor uns angeordnet hat. Sie sehen ein bisschen aus wie ein schwarzer Pokédex, den jemand in ein Handy integriert hat. „Da wir nun vollzählig sind, kann ich ja beginnen“, sagt er, aber die typische Schärfe ist aus seinen Worten gewichen. Er rückt seine Stahlbrille zu Recht und hebt dann eins der schwarzen Telefone in die Höhe, um es uns zu präsentieren. „Ich darf vorstellen: Der S-Com, an dem ich seit zwei Wochen arbeite. Dark hat mir die Problematik von Handys dargelegt, weil wir als Elitetrainer oft an Orten sind, die weder Empfang noch ein Pokécenter in der Nähe haben. „Der S-Com ist wasserfest, besitzt eine schützende Außenhülle, damit er bei Stürzen nicht kaputt geht und ist bis zu Temperaturen von 200°C hitzeresistent. Er läuft mit Akku, den ihr im Notfall mit der Statik eurer eigenen Elektropokémon aufladen könnt, seid aber vorsichtig, dass ihr den Akku nicht überladet. Keine Elektroattacken, schon gar nicht von einem Zapdos.“ Er schaut Dark eindringlich ein, der nickt und ihm damit das Signal gibt, weiter zu reden. „Er besitzt seine eigene Netzabdeckung, in anderen Worten, selbst in Höhlen, auf Bergen oder an sonstigen abgelegenen Orten sollte er in der Lage sein, eine Verbindung zu unserem Computernetzwerk und den anderen S-Coms herzustellen. Solltest ihr wirklich einmal abgeschnitten sein, gibt es einen Notknopf, der sein internes Netz für einige Minuten drastisch verstärkt. Das kostet einen Großteil der Akkuenergie, benutzt ihn also nur in Notfällen.“ Ich betrachte den S-Com mit neugefundener Begeisterung. Dieses kleine Gerät hätte mir mein Leben in einigen Situationen ziemlich erleichtert. Auch als Nicht-Elitetrainer bin ich oft genug in Höhlen unterwegs. „Was ist mit Kommunikation?“, fragt Dark. „Dazu komme ich jetzt.“ Ryan reicht jedem von uns einen der S-Coms und zeigt uns, wie wir die Geräte anschalten können. „Wie ihr seht, erscheint jetzt eine Profileingabe. Gebt eure Trainer-ID und euren vollständigen Namen ein, danach seid ihr die authentifizierten Benutzer. Euer S-Com ist mit meinen Servern verbunden, jede Nachricht, die ihr verschickt, geht durch meine Schaltzentrale und kann zu euch zurückverfolgt werden.“ „Du kannst unsere Position sehen?“, fragt Jayden und mustert das Gerät. „Das kann ich, aber um ehrlich mit dir zu sein, Jayden: Außer in einem Ernstfall, interessiert es mich kein Stück, wo du dich gerade herumtreibst. Ich habe Besseres zu tun, als euch dabei zuzugucken, wie ihr durch die Weltgeschichte reist.“ Jayden zuckt mit den Achseln. „Weiter.“ Er rückt seine Brille zu Recht. „Dark hat vorgeschlagen, euch wöchentlich eure Aufgaben zu übermitteln. Ihr werdet daher jede Sonntagnacht eine Systemnachricht erhalten, die euren Kalender beinhaltet. Dazu kommen Eilnachrichten, sollte sich einer von euch in Schwierigkeiten befinden und Hilfe brauchen oder euer Zeitplan sich kurzfristig ändern. Gibt es bis hierhin Fragen?“ „Abgesehen von dem verbesserten Empfang“, beginne ich, „wie erleichtert uns der Com das Nachrichtenschreiben?“ „Das wäre mein nächster Punkt gewesen“, erklärt Ryan und deutet auf seinen eigenen S-Com. „Wie ihr sehen könnt, gibt es diverse Knöpfe in der oberen Hälfte, die es auf Telefonen nicht gibt. Das sind eure Kurzwahlen. Es gibt eine SOS-Taste, die automatisch eure Koordinaten als Eilnachricht an die Schaltzentrale und an alle anderen S-Coms sendet. Wer immer gerade in der Nähe ist, kann mit einer einzigen Tasteneingabe bestätigen, sich um den Notfall zu kümmern, was ebenfalls als Nachricht an alle Geräte geht, damit nicht alle Teammitglieder zu Hilfe kommen. „Weitere Kurzwahlen könnt ihr selbstständig einstellen, damit sie auf Druck automatisch einen vorgefertigten Text an einige bestimme oder alle S-Coms schicken. Eure Adminpasswörter für den Aufzug und den Eingang ins HQ werden euch ebenfalls wöchentlich als Systemnachricht zugesendet. Und natürlich gibt es Kurzwahltasten für das jeweils nächste Krankenhaus, Pokécenter und die Polizeistation. „Zum Schluss noch der rote Knopf hier am Rand: Die Rocket-Taste. Wenn ihr Team Rocket seht, könnt ihr diese Kurzwahl aktivieren, die sich automatisch in das Polizeisystem einhackt und dort einen automatisierten Anruf hinterlässt, der die Koordinaten von Team Rocket durchgibt. Zusätzlich werden wie bei der SOS-Taste alle anderen Mitglieder kontaktiert, die ihre Zusage für den Fall bestätigen können.“ Wir betrachten lange schweigend die technischen Wunder in unseren Händen. Ich habe fast Angst, meinen S-Com anzufassen, auch wenn ich weiß, dass er wahrscheinlich mehr aushält als ich. Schließlich hebt Jayden die Hand. „Bitte?“, fragt Ryan, sichtlich nervös. Er scheint keine weiteren Offenbarungen für uns zu haben. „Nur eine Frage noch.“ Jayden grinst. „Kann man mit diesen Dingern auch normal telefonieren?“   Mittwochmorgen stehe ich frierend auf der Wiese südlich von Prismania City. Das gefrorene Gras knirscht unter meinen Füßen, während ich vor und zurück tänzele, um mich warm zu halten. Jayden sitzt bereits auf Gluraks Rücken, während Chris und Dark gegenseitig ihre Legendären mustern. So ein Zusammenkommen erlebt man nicht alle Tage. Zapdos ist beträchtlich kleiner als Ho-Oh, strahlt aber eine Intensität aus, bei der ich automatisch einen Schritt zurück machen möchte. Kleine Blitze entladen sich stetig an seinen Flügeln und seine schiere Anwesenheit scheint die Luft um es herum schwerer zu machen. Ho-Ohs regenbogenfarbenes Gefieder leuchtet in der Dunkelheit und die Hitze seines Körpers hinterlässt einen wässrigen Flecken geschmolzenen Eises unter seinen Krallen. „W-wann kommt ihr wieder?“, bibbere ich und mache mich so klein wie möglich. Jayden und Chris und werfen einander unsichere Blicke zu. „Wir werden eine ganze Weile am Silberberg bleiben“, erklärt Jayden schließlich und tätschelt Gluraks Hals, als es ungeduldig einige Flammen auf den Boden spuckt. „Wir haben verdammt viel nachzuholen. Aber du kannst uns mit dem Superhandy kontaktieren, wenn du Sehnsucht kriegst.“ „Was ist mit dir?“, frage ich Dark. Er ist der Anführer. Wird er auch einfach verschwinden? „Ich habe einige Dinge zu erledigen“, sagt er und schwingt sich auf Zapdos´ Rücken. „Aber ich werde nächste Woche zurück sein.“ Ohne ein weiteres Wort katapultiert sich Zapdos in die Lüfte, während kleine Blitze über den Himmel zucken. „Klar, lasst mich mit dem Computerfreak alleine“, murmele ich. Chris, wie immer nur in Shorts, tätschelt abwesend meine Schulter und steigt dann auf ihr Pokémon. „Auf“, flüstert sie und Ho-Oh erhebt sich mit schweren Flügelschlägen, bis es hoch über unseren Köpfen ist. „Das war mein Startzeichen“, sagt Jayden grinsend, wirft sich ein Bonbon in den Moment und schießt im nächsten Moment mit Glurak in die Höhe. Beide Feuerpokémon erfüllen den Himmel mit orangerotem Leuchten, als sie in Richtung Westen davon rasen. Nur wenige Sekunden später sind sie nichts als kleine Lichtflecke am dämmernden Himmel. „Und weg sind sie“, sage ich und schaue zu Sku hinunter, deren Augen in der Dunkelheit aufleuchten. „Zurück ins Warme?“ Sie maunzt und läuft davon.   ooo                           Ende der Woche erreicht mich eine SMS von Valentin, in der er mir von seinem Training auf den Eilanden berichtet und dass er am 20. Februar zurückkommt. Ich versichere ihm, in Saffronia zu sein, wenn er dort ankommt, um ihm das Dojo zu zeigen. Sku brummt leise und ich mache mich wieder daran, ihren Bauch zu kraulen, den sie mir gierig darbietet. Priss hat sich auf Chris Bett an der gegenüberliegenden Wand zusammen gerollt und beobachtet misstrauisch Gott, dem sie nicht über den Weg traut und der auf meiner anderen Seite leise knurrt, wann immer sie den Blickkontakt zu lange hält. Es wundert mich, dass sie nicht mit ihm auskommt, schließlich ist Hundemon ebenfalls ein Feuerpokémon und weit stärker. Ich grinse. Liegt da Liebe in der Luft? Bei dem Gedanken wird mir mulmig zu Mute. Valentinstag ist nur noch eine Woche entfernt und ich habe mich seit Tagen nicht mehr bei Louis gemeldet. Mir schwirren so viele Gedanken durch den Kopf, dass ich ihn nur vermissen kann, wenn ich gerade mal eine ruhige Minute habe und nicht mit dem Schicksal der Regionen jonglieren muss. Ich seufze und Sku krabbelt auf meinen Schoß, wo sie sich aufstellt und ihre Vorderpfoten gegen meine Schultern drückt. Sie reibt ihren Kopf an meinen und ich umarme sie fest. Wenn ihr etwas passieren würde, wenn irgendeinem von meinen Pokémon etwas passieren würde… Ich atme zittrig durch. Dann klingelt mein Handy. Ich zucke zusammen, taste, blind von violettem Fell, nach dem kleinen Gerät und nehme schließlich ab. „Hallo?“, frage ich und schiebe Sku zurück in meinen Schoß, wo sie sich zusammen rollt und Gott anschnurrt, der faucht und mit eingefahrenen Krallen nach ihr schlägt. „Abby, hier ist Holly“, erklingt es aus den Lautsprechern und ich bin mit einem Mal hellwach. „Ich habe mit Rocky gesprochen. Deine Forderungen haben uns allen großes Kopfzerbrechen bereitet, aber letztlich haben wir keine große Wahl. Wir werden Richard aber erst freilassen, nachdem die Übergabe stattgefunden hat und wenn wir erfolgreich waren. Wenn dort also niemand ist, kein Team Rocket oder nur ein sehr geringer Rang, ist der Deal geplatzt.“ Ich zögere. Es gefällt mir nicht, dass meine Forderungen so ausgehebelt werden, aber was soll ich schon machen. Das ist meine einzige und beste Chance, Richard freizubekommen. „In Ordnung“, stimme ich zu. „Was ist mit meinem anderen Vorschlag? „Wir sind geneigt, zuzustimmen“, fährt Holly fort. „Allerdings möchten wir ein repräsentatives Mitglied dieser Spezialeinheit gerne persönlich kennen lernen. Er oder sie soll zusammen mit dir zum Übergabeplatz kommen.“ „Kein Problem.“ „Und eins noch, Abby.“ Sie macht eine kurze Pause. „Wenn deine Informationen sich als falsch herausstellen, habe ich Befehl, dich festzunehmen. Also denk kurz darüber nach und dann gibst du mir deine Informationen.“ Ich schlucke, ermahne mich aber sofort zur Ruhe. Gott fängt bereits an, nervös zu werden. „Die Übergabe findet in der Unterführung zwischen Saffronia City und Prismania City statt, in der Nähe des Eingangs auf Route 8. Drei Uhr morgens, in der Nacht zum 1. März.“ „Endlich. Vielen Dank, Abby.“ „Oh, und eins noch“, sage ich und lehne mich an die Wand hinter mir. „Unsere Spezialeinheit hat einen Namen.“ Holly schnaubt. „Und welchen?“, fragt sie unbeeindruckt. Ich grinse. „Team Shadow.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)