Abbygails Abenteuer von yazumi-chan (Road to Lavandia) ================================================================================ Kapitel 69: Konfrontation (Funkstille) -------------------------------------- „Erzählt? Wie, erzählt?“, frage ich, als ich ihr nach draußen folge. „Kann er reden?“ „Ich verstehe ihn gut, auch ohne Worte“, sagt Rose. „Kennst du das nicht?“ Ich zögere. „Doch.“ „Ich war zuerst sehr wütend, um ehrlich zu sein“, fährt sie fort, während wir Richtung Norden gehen, wo wir Louis und Gina vermuten. „Er wirkte bei unserem Picknick sehr nett, deswegen war ich schockiert, als ich von den Girafarig erfahren habe und dass er so viele andere Pokémon ohne Sinn und Verstand gefangen hat.“ Ich nicke betreten. „Aber als ich gestern die Fangdaten überprüft habe, hatte er fast alle Pokémon wieder freigelassen und Holger sagte, eins der Kleinstein habe sich ihm sogar freiwillig angeschlossen. Also wollte ich ihm noch eine Chance geben und bin heute Morgen angereist, um zwischen ihm und Gina zu vermitteln. Ich hoffe, ich habe euer Date nicht gestört.“ „Was? Nein, nein, alles in Ordnung“, stammele ich. Rose wirft mir ein unterdrücktes Grinsen zu. „Du wirst rot“, sagt sie und ich bedecke meine Wangen. „Tut mir leid.“ Sie kichert. Plötzlich stutze ich. „Moment Mal, wie früh bist du denn losgegangen, wenn du erst heute Morgen zurückgekommen bist?“ Louis und ich waren fast einen ganzen Tag unterwegs, um die Safari-Zone zu erreichen. „Holger hat mich auf seinem Golbat hergeflogen.“ Ich bleibe stehen. „Er hatte noch eine Stunde bis zu seiner Schicht und… alles okay bei dir?“ Sie dreht sich zu mir um. Ich schüttele den Kopf und zwinge mich zu einem Lächeln. „Ja. Ja, alles gut.“ Rose wirft mir einen kritischen Blick zu, geht dann aber weiter. Ich folge mit schnellen Schritten. Ein Golbat. Ein Nidoking. „Sag mal… kann ich dich was fragen?“ Rose lacht. „Ist es so schlimm, dass du dafür erst eine Einwilligung brauchst?“, fragt sie belustigt. „Vielleicht“, sage ich. „Es kommt drauf an.“ Sie bleibt stehen. „Worum geht es?“ „Ist dir an Holger jemals etwas verdächtig vorgekommen? Komische Telefonate oder Geheimnistuerei?“ Sie runzelt die Stirn. „Nie. Warum fragst du?“ „Es ist nur…“ Verdammt, ich will sie nicht fragen. Sie scheint Holger sehr zu mögen. Was, wenn ich falsch liege? Aber Gott war aggressiver als sonst. Und wenn ich jetzt darüber nachdenke… Damals, auf dem Indigo Plateau hat er Schwester Joy angeknurrt. Schwester Joy, die sich als Eliza von Team Rocket in Verkleidung herausgestellt hat. Sku, die mich vor den Bikern warnen wollte, habe ich auch ignoriert und bin daraufhin geradewegs in ihre Falle getappt. Vielleicht wird es Zeit, dass ich meinen Pokémon mehr vertraue. Sie kennen Team Rocket. Sie wissen, wonach sie suchen. Ich hole tief Luft. „Ich habe ein Telefonat von ihm überhört. Es klang ziemlich verdächtig. Und mein Igelavar hat sehr negativ auf ihn reagiert.“ „Dein Igelavar?“, fragt Rose. „Holger sagte mir, dass es ihn angeknurrt hat. Meintest du nicht, es wäre immer so angriffslustig?“ „Ja, ist es, aber… bei Holger war es noch aggressiver als sonst.“ „Tut mir leid, Abby, aber das klingt sehr an den Haaren herbeigezogen“, sagt Rose. „Ich kenne Holger seit zwei Jahren und er ist niemandem jemals negativ aufgefallen.“ „Team Rocket ist auch vor zwei Jahren zurückgekehrt“, kontere ich. „Und er hat ein Golbat und ein Nidoking, beides typische Pokémon.“ „Das willst du ihm unterstellen?“ Rose schaut mich entsetzt an. „Dass er ein Mitglied von diesen Verbrechern ist? Wie kannst du so etwas sagen?!“ „Ich habe Erfahrung mit ihnen“, sage ich. „Genauso wie meine Pokémon. Wenn sie sagen, mit ihm stimmt etwas nicht, dann glaube ich ihnen.“ „Mr. Bickle vertraut ihm“, sagt Rose eisern. „Mr. Bickle hat auch noch nie die Safari-Zone verlassen!“, sage ich wütend. „Woher soll er wissen, was Team Rocket ist und was sie machen? Er ist ihnen doch noch nie begegnet!“ „Ich kann nicht fassen, dass ich darüber diskutieren muss!“, sagt Rose wütend und dreht sich um. „Und dass du ihn wegen seiner Pokémon verdächtigst, ist absolut ekelhaft.“ „Ich verdächtige ihn nicht deswegen!“, verteidige ich mich und laufe Rose hinterher. „Aber es ist verdächtig, siehst du das nicht?“ „Ich sehe gar nichts!“ Sie dreht sich abrupt um. „Ich will davon nichts mehr hören! Holger war immer gut zu mir! Er ist der einzige Freund, den ich in diesem Gefängnis dort oben habe, also hör auf, ihm so etwas zu unterstellen!“ „Hör mir doch wenigstens zu, verdammt!“, schreie ich. „Er will eine Nachtlieferung aus der Savanne heraus durchführen. Am zwölften Dezember, um Mitternacht. Und es scheint nicht das erste Mal zu sein. Ich weiß nicht, was er da macht, aber ich muss wenigstens versuchen, ihn aufzuhalten!“ „Du willst ihm nachspionieren?“, fragt Rose kühl. „Tut mir leid, aber das geht zu weit. Ich fand dich wirklich sehr sympathisch, aber wenn du mir gegenüber noch ein Wort bezüglich dieses Themas erwähnst, dann sorge ich dafür, dass du nie wieder einen Fuß in die Safari-Zone setzt.“ Ich öffne den Mund, schließe ihn dann aber wieder und presse meine Lippen zusammen. Es bringt nichts, jetzt noch weiter zu diskutieren. Rose wird ihre Meinung nicht ändern. Sie schaut mich noch einen Moment prüfend an, dann atmet sie aus, dreht sich um und geht mit raschen Schritten weiter. Ich folge langsam. Bis zu der Übergabe sind es noch acht Tage. Genug Zeit, um mir einen Plan zu überlegen. Als wir Louis schließlich auf einem der Strandabschnitte mit wilden Krabby entdecken, ist die Stimmung eisig. Rose hat kein Wort mehr mit mir gewechselt und ich weigere mich, eine Entschuldigung zu fälschen. Rose hat selbst gesagt, dass sie die Insel lange nicht mehr verlassen hat und dass Holger ihr einziger Freund unter den anderen Rangern ist. Ich dagegen bin seit Monaten unterwegs und habe mehr von Team Rocket und seinen Plänen mitbekommen, als gut für mich ist. Meine Pokémon haben ein Gespür dafür entwickelt, Gefahr zu wittern. Und ich auch. Louis steht mit etwas Abstand zu Gina, die Arme erhoben, während das Psychopokémon ihm den Hintern zuwendet und der schwarze Schwanz nach ihm schnappt, wenn er ihr zu nahe kommt. „Das sieht nicht gut aus“, sagt Rose und Louis dreht sich zu uns um. Als er Rose entdeckt, zeichnet sich tiefe Erleichterung auf seinem Gesicht ab. Als er mich sieht, verdunkelt sich sein Blick sofort wieder. Ich schüttele den Kopf und ringe mir ein ermutigendes Lächeln ab, was ihn nicht überzeugt, aber er zuckt die Schultern und wendet sich wieder Rose zu. „Kannst du mir helfen?“, fragt er. „Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll.“ Rose lächelt und kommt zu ihm. „Geh ein paar Schritte zurück.“ Louis tut, wie ihm geheißen und gesellt sich zu mir, während Rose langsam eine Hand auf Girafarigs Flanke legt, dann damit den Hals hinauf wandert und schließlich den Kopf des Pokémon berührt, bevor sie leise auf Gina einredet. „Was ist passiert?“, flüstert Louis. „Habt ihr euch gestritten?“ „Könnte man so sagen“, erwidere ich und schaue Rose dabei zu, wie sie mit Gina diskutiert. „Ich habe Holger verdächtigt, ein Mitglied von Team Rocket zu sein.“ „Du hast was?“, zischt Louis, zu laut und zuckt zusammen, als Rose ihren Kopf hebt und in unsere Richtung schaut. „Warum das?“, flüstert er. „Erinnerst du dich an vorgestern Nacht, als ich mit Gott auf der Brücke saß?“ Er nickt und ich berichte ihm von Gotts Verhalten und meinem persönlichen Verdacht. Als ich durchblitzen lasse, dass Holger ein Golbat besitzt, schluckt Louis schwer. „Das ist sehr vage, Abby, da muss ich Rose Recht geben.“ „Ich weiß“, stimme ich zu. „Aber Gott hat schon einmal richtig gelegen. Wenn ich damals früher auf sein Verhalten geachtet hätte, wäre ein Pokécenter verschont geblieben und viele Trainer hätten jetzt ihre noch ihre Pokémon.“ Louis schaut zu Boden. „Ich mag Holger“, sagt er leise. Dann schaut er zu mir. „Aber wenn du glaubst, er führt etwas im Schilde, dann glaube ich dir. Also, was ist der Plan?“ „Ich weiß es noch nicht“, gestehe ich und schaue zurück zu Rose. „Aber es wird höchstwahrscheinlich illegal.“   Schließlich winkt Rose Louis zu sich. Ich folge, halte aber angemessenen Abstand. „Ich habe sie ein wenig beruhigt“, erklärt sie und legt Louis´ Hand vorsichtig auf Ginas Hals. „Sie wird dir eine Chance geben, also kümmere dich gut um sie.“ Louis schluckt und streicht sanft über ihren Hals. „Was ist mit dem?“, fragt er dann und deutet auf Ginas schwarzen Schwanz, der sich bedrohlich aufgerichtet hat und jetzt nach ihm schnappt. Louis reißt seine Hand weg. „Er hat sein eigenes Gehirn und ist nur instinktgesteuert“, sagt Rose. „Bis er dich in Ruhe lässt, wird es eine Weile dauern.“ „Das habe ich wohl verdient“, murmelt Louis. Gina schnaubt zustimmend und scharrt mit den Hufen.“ „Ich verabschiede mich“, sagt Rose und wirft mir einen letzten, misstrauischen Blick zu, dann dreht sie sich um und verschwindet in Richtung Stadt. „Oh Mann.“ Louis kratzt sich an der Nase und ruft Gina zurück. „Es ist ja nicht so, dass ich schon genug mit dem normalen Training zu tun hätte.“ „Es wird eine ganze Weile dauern, bis du die Orden erkämpfen kannst“, stimme ich zu. „Drei deiner Pokémon müssen mindestens 15 Level steigen und der Rest 7.“ „Wem sagst du das...“ Er seufzt. „Ich kann mindestens vier Monate Training einplanen.“ „Du schaffst das schon, Champ“, sage ich und hake mich bei ihm unter, Arm um seine Taille geschlungen. Er legt seinen Arm um meine Schultern und so schlendern wir zurück zum Pokécenter. Als wir die Stadt fast erreicht haben, rufe ich Gott, der bei Louis Anblick zum ersten Mal nicht knurrt und stattdessen an meiner anderen Seite entlang läuft. Ich lächele und als wir an einem Mülleimer vorbeikommen, krame ich den Maulkorb mit meiner freien Hand aus meinem Rucksack und werfe ihn kurzerhand hinein.   Wünsch mir Glück. Ich halte mein Handy mit der offenen SMS fest umklammert, während der Fernseher mit den ungewöhnlichen Lichtverhältnissen und Kameraeinstellungen der Unlichtarena zu kämpfen hat. Raphael kämpft seit über einer Stunde und hat gerade seinen dritten Vortrainer besiegt. Es ist das erste Mal, dass ich auch diese Kämpfe sehe und ich kann nicht umhin, ihn zu bewundern. Vorkämpfe sind immer leichter als der Kampf gegen den Arenaleiter und dienen dazu, den Kontrahenten zu testen. Wer einen Vortrainer nicht besiegen kann, hat beim Arenaleiter nichts zu suchen. Gleichzeitig kann ein schnelles Siegen über die Vortrainer nicht als Garantie für einen Arenasieg gewertet werden. Das hat Louis´ Niederlage gegen Jens bewiesen. Bei der achten Arena scheint leichter aber ein sehr relativer Begriff zu sein. Jeder der Trainer kämpft mit drei oder vier Pokémon und scheint vom Niveau her gleichauf mit so manchem Arenaleiter zu sein. Trotzdem besiegt Raphael sie, einen nach dem anderen, konzentriert und ohne seine Pokémon zu überanstrengen. Nach dem fünften Vorkampf ist sein Team aber so geschwächt, dass er das Pokécenter besuchen muss, eine Unterbrechung, die Alfred nutzt, um die spannendsten Momente der Kämpfe Revue passieren zu lassen und sie zusammen mit Jessy, die im Studio sitzt, zu analysieren. Louis kann schon seit fast zehn Minuten nicht mehr hinsehen. „Ich schaffe das nie“, jammert er. „Keine Chance. Niemals.“ „Jetzt mach mal halblang“, lache ich. „Raphael hat auch klein angefangen. Außerdem erwartet niemand von dir, ein Favorit zu werden.“ „Ich weiß überhaupt nicht, was ich von mir selbst erwarte“, sagt Louis und lässt den Kopf nach hinten sacken. „Will ich alle Orden gewinnen oder an der PCS teilnehmen oder Champion werden? Ich habe keine Ahnung mehr.“ „Einen Schritt nach dem anderen“, sage ich und lehne mich etwas mehr an ihn. „Erst musst du deinen fünften Orden ergattern, danach wird es schon irgendwie weitergehen.“ „Du hast gut reden…“ Er dreht seinen Kopf in meine Richtung. „Du hast ja auch nicht den Arenastress.“ „Nein, ich habe Storystress“, sage ich. „Eigentlich sollte ich mich auf die Suche nach einer guten Einstiegsstory machen, mit der ich in Lavandia punkten kann, stattdessen muss ich mich mit Team Rocket, Bikern, Geistern und misstrauischen Polizisten rumschlagen.“ „Naja, aber du gibst dir auch nicht unbedingt Mühe, den Problemen aus dem Weg zu gehen“, meint Louis grinsend. „Das kommt eben davon, wenn man sich in solche Sachen einmischt.“ „Wie soll ich sonst an eine gute Story kommen?“, frage ich lachend. Louis schüttelt fassungslos den Kopf. Die Kampfanalyse neigt sich dem Ende zu und als Raphael mit einem erfrischten Team die nachtschwarze Arena betritt, um den sechsten Trainer herauszufordern, lege ich meinen Kopf auf Louis´ Schulter und das Programm geht weiter.   Um es kurz zu machen: Er gewinnt. Wie schon gegen Genevieve startet Claire den Kampf mit ihrem Kleoparda, das zwar schnell ist, aber nichts gegen Pennys sehr effektiven Himmelhieb ausrichten kann. Danach kommt alles Schlag auf Schlag. Hundemon besiegt Penny, Murphy gewinnt gegen Hundemon und wird schließlich von Tengulist ausgekontert, das wiederum nichts gegen Raphaels Vulnona ausrichten kann. Raphaels Züge bleiben stets kontrolliert, seine Präsenz cool und zuversichtlich und Alfred scheint vor Begeisterung in sein Mikro beißen zu wollen. Als Claire schließlich besiegt in die Hände klatscht und Schwarzlichtlampen an der Decke aufflackern, ruft Raphael Mandy zurück, die dank ihres hohen Levels die meisten Attacken gut überstanden hat und nimmt von der Arenaleiterin den Schattenorden entgegen. Alfreds Image mag nach Zachs Verrat gelitten haben, aber dass alle drei Favoriten, die er entdeckt hat, als erste die stärkste Arenaleiterin Kantos im ersten Versuch besiegen, lässt ihn vor Freude weinen. Diesen Triumph kann ihnen niemand nehmen. Ich bleibe mit Louis auch nach dem Kampf im Mediaraum sitzen, um das anschließende Interview mit Raphael zu gucken, doch merkwürdigerweise bleibt es aus. Nicht mal einen Kommentar nach Verlassen der Arena gibt es. Raphael ist kamerascheu, aber so schnell würde er nicht abhauen, nicht nach diesem Sieg, auf den er zweieinhalb harte Jahre hingearbeitet hat. Du hast es geschafft! :D Glückwunsch!!! Ich drücke auf Senden und mache mich mit Louis auf den Weg nach draußen zu der windgeschützten Strandhütte, die wir bei unserer Rückkehr von der Safari-Zone gefunden und beansprucht haben. Ich liege lange wach, denke über meine Diskussion mit Rose und das morgen anstehende Date nach und warte auf Raphaels Antwort. Sie kommt nicht.   Als ich nach meinem morgendlichen Schwimmtraining pünktlich um 12:00 Uhr vor dem Café auftauche, wartet Percy bereits auf mich. Ich fühle mich augenblicklich schlecht, in meiner grasbefleckten und silbern abgesteppten Wanderhose und Hoodie aufzutauchen, denn er hat sich wirklich herausgeputzt. Er trägt ein langärmliges Hemd und eine schwarze Hose und als ich auf ihn zugehe, verbeugt er sich und reicht mir eine einzelne blutrote Rose, um deren Stiel er ein goldenes Band gewickelt hat. „Das wäre nicht nötig gewesen“, murmele ich, ein wenig überrumpelt. Percy schüttelt den Kopf und nimmt meinen Arm. „Möchtest du etwas essen?“ Wie auf Kommando gibt mein Magen ein gewaltiges Knurren von sich und keine zehn Minuten später sitzen wir mit zwei großen Stück Beerentorte und Getränken an einem der Tische und unterhalten uns. „Wie geht es deiner Hand?“, fragt er nach einer kurzen Gesprächspause. Ich schaue auf die gerötete, leicht vernarbte Haut. „Gut, dank dir“, sage ich. „Ich wollte mich nochmal für deine schnelle Hilfe bedanken. Du bist uns zwar gefolgt, aber ohne dich sähe meine Hand jetzt eine ganze Ecke schlimmer aus. Also danke.“ Er schaut verlegen zur Seite. „Ich komme aus einer Apothekerfamilie, da wächst man mit so etwas auf“, sagt er schließlich und es ist das erste Mal, dass er mir… echt vorkommt. „Bis zum Festland und zum nächsten Krankenhaus ist es eine ganz schöne Strecke, deswegen übernehmen wir manchmal auch die Rolle von Ärzten.“ „Besitzt dein Corasonn deshalb Heilattacken?“, frage ich. Er nickt. „Jedes Familienmitglied besitzt eins. Die Corasonn sind seit drei Generationen Teil unserer Familie. Sie können nicht jede Verletzung heilen, aber wie bei dir beschleunigen sie oft den Heilprozess oder vermindern den Gewebeschaden.“ Je länger wir uns unterhalten, desto leichter fällt es mir, das Gespräch aufrecht zu halten und schon bald berichte ich ihm von einigen meiner Erlebnisse der letzten Monate. Nachdem wir fertig gegessen haben, bezahlt Percy unsere Rechnung und wir machen einen Spaziergang über den Strand. Eigentlich ist er gar nicht so übel, denke ich gerade noch, als er plötzlich meine Hand nimmt und mich zu einem Stein zieht, der aus dem Wasser hervorragt. Sein Corasonn sitzt darauf, direkt neben seinem Gitarrenkasten. „Ich habe etwas vorbereitet, liebste Abby“, sagt er und ich rolle die Augen, als er mich ans Wasser zieht, mir dann zuzwinkert und auf den Stein hinauf klettert. Er stimmt seine Gitarre und beginnt, zu spielen. Die Melodie ist triefend süß und hört sich an wie eine mit Rosenblättern bestreute Lichtung im Mondschein, aber wie schon bei seiner nächtlichen Musikeinlage für Ashley passt der Songtext nicht ganz so gut. Irgendwo bei Rettung aus der tiefsten Depression und Lächeln wie ein Diamant entscheide ich mich, einzugreifen. Charly, sein Corasonn, sitzt neben ihm und schaut peinlich berührt in die andere Richtung. Weiter südlich erkenne ich ein einzelnes Mädchen, das langsam den Strand entlang schlendert, ein Zubat auf ihrem Kopf, das fiepende Geräusche von sich gibt. Zeit für meinen Abgang.  „Au!“, rufe ich und packe mir an den Fuß. Wie erwartet schießt Percy zu meiner Rettung herab und hält mich fest, als ich mich langsam zu Boden sinken lassen und meinen Fuß halte. „Was ist, Geliebte? Hast du dich verletzt?“ „Ich muss auf einen spitzen Stein getreten sein, aber es ist halb so wild“, lüge ich und halte ihn mit einer Hand fest, damit er mir nicht den Schuh auszieht, um meine tödliche Wunde zu überprüfen. Das Mädchen ist inzwischen in Hörweite. „Percy, ich danke dir sehr für dieses Date, aber ich bin eigentlich bereits mit jemandem zusammen. So halb, zumindest.“ Er schaut mich fragend an. „Aber“, füge ich hinzu, „das Mädchen dort hinten hat eben zu dir geschaut.“ Ich deute unauffällig in ihre Richtung. Sie merkt es trotzdem und wird langsamer. „Ich glaube, ich habe sie schon früher gesehen. Sie muss eine heimliche Verehrerin sein.“ Percy lugt an mir vorbei, seine Wangen in Vorfreude gerötet. „Meint du wirklich?“ „Frauen haben für so etwas ein Gespür“, sage ich. „Ich sollte sie aus den Qualen der Unsicherheit erlösen…“ Er schaut zu meiner Hand, die sein Handgelenk umklammert hält. „Geht es deinem Fuß wirklich gut?“ „Halb so wild“, sage ich grinsend. „Sag mal, erinnerst du dich noch an unsere Vereinbarung?“   „Lass mich das nochmal klarstellen“, sagt Louis, als wir am Abend vor unserer Hütte sitzen, in Jacken und Decken eingewickelt und mit Sandwiches in den Händen. „Hartwigs Frau verteilt die VM Fliegen an Trainer, die ihr Mann mag und um von Hartwig gemocht zu werden, muss ich seinem Dojo beitreten und dort mit meinem Kampfpokémon trainieren?“ „Scheint so“, sage ich. „Aber du musst dich anstrengen und gut anstellen, sonst schmeißt er dich raus.“ „Ich weiß nicht, ob mir die VM das wert ist“, murmelt Louis. „Ich habe nur das Kramurx, und das ist nicht Mal Teil meines Kernteams.“ „Aber stell dir vor, wie praktisch es wäre“, erwidere ich sofort. „Du könntest deine Eltern besuchen, wann immer du willst, ohne tagelang unterwegs zu sein. Und Kramurx kannst du zusätzlich trainieren. Noah besitzt zwölf Teampokémon, aber selbst sieben könnten dir einen echten Vorteil gegen manche Trainer verleihen.“ „Wenn du meinst…“ Er starrt nachdenklich aufs Meer hinaus. Dann lacht er und schüttelt den Kopf. „Ich sehe schon, ich werde hier Wurzeln schlagen.“ Ich grinse und schaue ebenfalls Richtung Meer. Die Wellen rollen seicht auf den Strand zu und die untergehende Sonne verleiht ihnen einen letzten Hauch orangerot. „Es gibt schlimmere Orte.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)