Abbygails Abenteuer von yazumi-chan (Road to Lavandia) ================================================================================ Kapitel 55: Bindung (Verrückte Herausforderung) ----------------------------------------------- Ich laufe den Gang entlang und die Treppenstufen hinunter, bis ich in der Eingangshalle ankomme. Das einzige Licht kommt aus der Küche und ich renne hinein. Frieda sitzt alleine am Tisch und brütet über Papierstapeln, eine Tasse dampfender Flüssigkeit neben ihr. Als sie mich hört, schaut sie überrascht auf. "Hast du Durst?", fragt sie. Ich schüttele den Kopf. "Eins von den Elezeba ist ausgebrochen", sage ich schnell. "Ich habe es vom Dachboden aus auf der Weide gesehen. "Diese verdammten…", murmelt Frieda, nimmt einen letzten Schluck aus ihrer Tasse und steht auf. "Wenn er noch nicht zu weit weg gelaufen ist, sollten wir ihn zu zweit einfangen können. Würdest du mir helfen?" "Natürlich." Gemeinsam laufen wir nach draußen in den strömenden Regen. Susan, das Zebritz, steht seelenruhig auf der Weide, an einen langen Strick angebunden und betrachtet interessiert ihren kleinen Artgenossen, der freudig durch die Gegend springt. Als er uns sieht, nimmt er reiß aus. "Das ist Jay, dieser hinterhältige…", flucht Frieda und rennt in Richtung der Stallungen. "Wenn er ein oder zwei Blitze abkriegt, ist das kein Problem, aber ich will nicht herausfinden, wie viele er maximal verträgt. Hier, nimm die." Direkt hinter der Stalltür hängen die isolierenden Handschuhe, die Cora zuvor getragen hat und die Frieda mir jetzt in die Hände drückt. Dann zieht sie eine große, metallisch glänzende Decke von einem Strohballen und wirft sie sich über die Schulter. "Bis die anderen hier sind, ist Jay über alle Berge", sagt sie, während wir auf die Weide laufen und uns dabei die Handschuhe anziehen. "Wofür ist die Decke?", frage ich und blinzele den Regen aus meinen Augen. Matsch spritzt unsere Beine empor. "Wenn er bewusstlos ist, können wir ihn damit zurück tragen", erklärt Frieda. "Du willst kein überladenes Elektropokémon mit bloßen Händen anfassen, glaub mir." Susan schnaubt, als wir an ihr vorbei laufen. Jay ist nirgends zu sehen. "Er muss schon beim Silo sein", ruft Frieda, als sie vorläuft. Im nächsten Moment erhellt ein gewaltiger Blitz die Nacht und schlägt krachend etwa zweihundert Meter von uns hinter dem Abhang ein. "Da. Komm!" Es ist in Momenten wie diesen, da ich spüre, dass meine Ausdauer sich verbessert hat. Ich lege einen Zahn zu und hole fast zu Frieda auf, bevor ein zweiter Blitz vor uns einschlägt, gefolgt von einem dritten und vierten in kurzer Folge. Frieda flucht und sprintet los. Sie ist schon am Rand des Weidenhangs ankommen, als ein Stein unter ihrem Fuß nachgibt, sie umknickt und den Abhang hinunter fällt. Ihr kurzer Schrei geht in dem tosenden Donner unter, der den nächsten Blitz begleitet. "Frieda!" Ich renne auf den Abhang zu und rutsche zu ihr hinunter. Sie liegt im Matsch und hält sich mit schmerzverzerrtem Gesicht ihren Knöchel. Als sie mich sieht, winkt sie ab. "Mir geht´s gut. Bring Jay hier weg, er hält nicht mehr lange durch…" Sie beißt sich auf die Lippen und lässt sich wieder auf die Seite sacken, Hände um ihren Knöcheln geschlungen. Ich nehme die Decke, die neben ihr zu Boden gefallen ist und nähere mich vorsichtig Jay, der etwa fünfzig Meter entfernt im Schlamm liegt. Kleine Blitze entladen sich von seinem aufgestellten Fell in die Luft und er zuckt unkontrolliert, seine Augen drehen sich panisch hin und her. "Alles gut", murmele ich und laufe auf ihn zu. Der Gedanke, jeden Moment von einem Blitz erschlagen zu werden, ist nicht neu, aber ziemlich unpraktisch und so schiebe ich ihn bei Seite und erreiche Jay nur wenige Sekunden später. Ich breite die Decke neben seinem Körper auf und packe seinen Kopf mit meinen behandschuhten Händen. "Hör mir zu, Jayjay", sage ich und schaue ihm in die ängstlichen Augen. "Ich bringe dich hier weg, also arbeite mit mir, okay?" Ein Blitz schlägt weiter entfernt beim Anwesen in Susy ein und gibt mir das Zeichen, mich zu beeilen. Ich rolle Jay so gut es geht auf die isolierende Plane, dann packe ich den Griff, der an allen vier Seiten angebracht ist und beginne mit dem Ziehen. Mein erster Gedanke ist der Stall, aber die Idee erweist sich schnell als nicht umsetzbar. Egal, wie sehr ich mich anstrenge, ich kann Jay nicht den Hang hinauf ziehen. Zweimal rollt er fast von der Plane herunter, bevor ich das Vorhaben aufgebe. Ich bin nicht mal sicher, ob ich alleine wieder hochkommen würde. Verzweifelt schaue ich mich um und entdecke das Silo, das nahe des Waldes westlich der Weide steht. "Ist das Silo offen?", schreie ich über den prasselnden Regen in Friedas Richtung, die an den Hang gerobbt ist, um sich dort ein wenig vor dem Unwetter zu schützen. "Ja!", ruft sie zurück. "Tritt kräftig gegen die Tür, wenn sie nicht aufgeht!" Ich nicke und beginne, Jay in Richtung Silo zu schleifen. Der nächste Blitz schlägt direkt in ihn ein und ich unterdrücke einen Schrei. Ich muss Jay hier weg bringen, egal wie. Als wir das Silo erreichen, rüttele ich am Türgriff und trete schließlich, wie Frieda empfohlen hat, mit aller Kraft gegen das rostige Metall. Die Tür springt auf und ich ziehe Jay mühsam hinein. Als ich sicher bin, dass er weit genug von dem offenen Unwetter entfernt ist, laufe ich nach draußen und helfe Frieda, die schon auf halbem Wege zu uns ist und sichtlich humpelt. Sie stützt sich dankbar auf meine Schulter und gemeinsam gehen wir ins Silo. Die Tür hinter uns zu schlagend lasse ich mich erleichtert neben Jay und Frieda auf den Boden sinken. Der innere Teil des Silos besteht aus einem Metallkäfig, verstärkt mit Backsteinen und Beton. Die hintere Hälfte des runden Gebäudes liegt höher und ist mit Treppen erreichbar und beherbergt eine Kurbeln und Knöpfe, um das eigentliche Silo darüber zu öffnen oder zu schließen, das wie ein gewaltiger Metalltrichter über uns hängt. "Er sieht nicht gut aus", murmelt Frieda und streicht mit behandschuhten Händen über Jays Kopf. Der arme Kerl zittert wie verrückt und sein Fell knistert und entlädt sich sekündlich. "Wir müssen ihn entladen", sage ich. Frieda nickt. "Wir hätten die drei besser trainieren sollen… Verdammt." "Wir kriegen das schon hin", sage ich. "Schon deinen Knöchel, ich mache das schon." "Wie willst du das schaffen?", fragt Frieda skeptisch, aber ihr Gesicht ist angespannt, so als würde sie ziemliche Schmerzen unterdrücken. "Ich bin Trainer, mir fällt schon was ein", sage ich. Leichter gesagt als getan. Ich habe zwar meine Pokémon dabei, aber keins von ihnen ist ein Erdtyp. Das wäre vielleicht hilfreich gewesen. Aber man kann schließlich nicht alles haben. "Hey, Jayjay", flüstere ich und gehe neben ihm auf die Knie. Das kleine Elezeba zittert und seine Augen rollen panisch in ihren Höhlen. "Alles wird gut, okay? Ich bin immer noch hier." Das Zittern bleibt, aber meine Stimme scheint ihn etwas zu beruhigen. Ich rufe Gott, der bei gleich zwei Fremden sofort laut knurrt. "Das sind Freunde", sage ich streng. "Dreh dein Feuer ein bisschen auf, bitte. Wir sind völlig durchgeweicht." Gott schaut mich skeptisch an, dann macht er es sich zwischen mir und Frieda gemütlich, rollt sich ein und lässt das Feuer auf seinem Rücken heiß auflodern. "Oh, das ist praktisch", sagt Frieda mit brüchiger Stimme und zieht ihre Schuhe und nassen Klamotten aus. Ich tue es ihr gleich. Mit nassen Sachen neben einem überladenen Elektropokémon zu sitzen, ist vielleicht nicht die beste Idee. In Unterwäsche und mit den Handschuhen bewaffnet ziehe ich Jay auf der Decke zu den Metallstreben, die das gesamte Gebäude von innen stabilisieren. Ich sehe mich ein letztes Mal um, überprüfe, dass das Metall nicht auf den Boden geleitet werden kann, dann ziehe ich Jay das letzte Stück, bis sein Bein den Stahl berührt. Wie erwartet springt die Elektrizität sofort auf den Stahl über. Jay schnaubt hysterisch und reißt seinen Huf weg, aber ich packe sein Bein mit meiner rechten und seinen Kopf mit meiner linken Hand und halte ihn fest in der Position, während ich beruhigend auf ihn einrede. Draußen tost das Gewitter weiter wie bisher und mir ist furchtbar kalt, so weit von Gott entfernt bringt seine Flamme nicht viel, aber ich reiße mich zusammen und halte Jay weiterhin fest. "Ich bin hier", murmele ich, immer wieder, wie ein Mantra. "Ich bin hier, Jayjay, alles wird gut. Ich bin hier." Als ich mich nach einer Weile zu Frieda umdrehe, ist sie zur Seite gesackt, eine Hand immer noch um ihren Knöchel gelegt. Sie schläft. "Wenigstens einer von uns…", murmele ich erschöpft und streiche beruhigend über Jays Hals. Er ist inzwischen ruhiger geworden, sein Körper hat sich entspannt und er versucht schon seit einer Weile nicht mehr, sich loszureißen. "Hey, Jayjay", sage ich und warte, bis seine Augen sich auf mich richten. "Probier mal deine Schockwelle." Jay macht ein unglückliches Gesicht, presst aber sein Bein gegen das Metall und ein Stoß Elektrizität setzt den gesamten Silokäfig unter Strom. "Nochmal", sage ich. Jay wiederholt die Attacke auf meine Anweisung wieder und wieder. Allmählich entspannt sich sein Körper und schließlich lässt er erleichtert den Kopf zur Seite sacken. Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, aber der Donner hat schon vor einer ganzen Weile aufgehört und auch der Regen lässt langsam nach. Dem Gefühl meiner Augenlider nach zu urteilen ist es inzwischen schon früher Morgen. Erschöpft und ausgelaugt ziehe ich Jay von dem Metall weg und lasse mich neben ihm auf den Boden fallen, wo ich mich in Gotts Nähe zusammenrolle. Der schläft inzwischen selbst, sein Rückenfeuer ist zu einer sachten Glut abgesunken, aber aus dieser Nähe reicht mir die Wärme. Ich bin schon fast eingeschlafen, da spüre ich das Stupsen einer weichen Pokémonnase in meinem Nacken. Ich öffne ein Auge und schaue nach oben. Jays Gesicht schaut dankbar zu mir herab und er tänzelt ein wenig vor und zurück, bevor er sich hinter mir einrollt und seinen Kopf auf meine Taille bettet. Froh, zu sehen, dass er die Nacht überstanden hat, murmele ich ein leises Gute Nacht und schlafe fast augenblicklich ein.   Licht strömt in das Silo und ich stöhne, als die Sonnenstrahlen direkt in mein Gesicht fallen. Gott zischt, angestachelt durch meine Unwilligkeit und ich rufe ihn zurück, bevor er irgendjemanden angreifen kann. Ursache meines Erwachens ist Frieda, die humpelnd von der offenen Silotür zurückkommt und sich an ein Treppengeländer stützt. "Wir müssen meinen Eltern Bescheid sagen", sagt sie und verzieht ihr Gesicht, als ihr Knöchel sich wieder bemerkbar macht. "Es ist schon morgen, sie sind bestimmt krank vor Sorge." "Ich hole sie", sage ich. "Du schaffst den Weg nicht, es ist zu rutschig draußen und du solltest deinen Fuß schonen." Sie nickt, wenn auch unzufrieden. "Ich bin wirklich begeistert", sagt sie dann. "Warum?" Sie deutet nach draußen. Ich schatte meine Augen ab und gehe vorsichtig auf die Weide. Jay tobt und sprintet und schlittert über die matschige Weide, wirft den Kopf vor und zurück und freut sich allem Anschein nach seines Lebens. Als er mich sieht, hält er inne und läuft zu mir. Er hat mich kaum erreicht, da reckt er seinen Kopf und leckt mir über den Hals, was mir einen Schlag verpasst. Ich zucke zusammen, tätschele aber seinen Hals. Jay wiehert und drückt seinen Kopf in meine Armbeuge. "Du hast dir einen Freund für´s Leben gemacht", sagt Frieda von drinnen. "Ich habe ihn noch nie so zutraulich oder gehorsam gesehen." "Wir haben auch einiges durchgemacht gestern Nacht, was, Jayjay?", frage ich grinsend und das Elezeba schnaubt zustimmend, dann springt er zweimal in die Höhe und stellt sich seitlich zu mir. "Oh je", lacht Frieda. "Was?", frage ich, verwirrt. "Er will, dass du ihn reitest." Ich schaue entsetzt zu ihr, dann zurück zu Jayjay, der fröhlich nickt und mich anwiehert. "Aber… er ist so klein!" Seine Schulterhöhe liegt ungefähr auf meiner Hüfte, vielleicht etwas höher. "Für die kurze Strecke sollte es gehen", sagt Frieda. Dann wirft sie mir die isolierende Decke zu. "Nimm die als Sattel. Ganz statikfrei ist der Gute vermutlich nicht. Und steig erst auf, wenn ihr über den Abhang seid, den schafft er sonst nicht." "Klar…", murmele ich, die Decke in Händen. "Willst du wirklich, dass ich mich auf dich setze?", frage ich vorsichtshalber. "Ich bin nicht gerade leicht." Jayjay schnaubt belustigt und wackelt mit dem gestreiften Hinterteil. "Oh je…", sage ich, dann falte ich die Decke, sodass sie besser auf Elezebas Rücken passt und setze mich vorsichtig auf seinen Rücken. Jay wiehert glücklich und trabt los. Er ist nicht besonders schnell, aber er scheint mein Gewicht gut tragen zu können, zumindest auf kurze Distanz. Ich steige ab und führe ihn zu dem Abhang, der rutschig und voller Matsch ist. "Da kommen wir nicht ohne Hilfe hoch", sage ich leise und rufe Hunter, der sich über uns in der Luft materialisiert. Eigentlich wäre ich mit ihm zurück zur Farm geflogen, aber ich kann Jayjays Angebot schlecht ablehnen, wenn er mich so drängt. Hunter landet auf meinen Schultern und krächzt freudig, dann fällt sein Blick auf Jay. Er klappert aufgeregt mit dem Schnabel, hebt flügelschlagend von meinen Schultern ab und landet stattdessen auf Jayjays Rücken. Jay schnaubt, dann macht er einen kleinen Sprung in die Höhe, von dem Hunter sich wenig beeindruckt zeigt. Er reißt den Kopf hin und her, dann läuft er los, sprintet, springt, wälzt sich und schafft es doch nicht, von Hunter loszukommen, der fröhlich krächzend auf seinem Rücken sitzen bleibt und gelegentlich in die Höhe fliegt, nur um Sekunden später wieder auf ihm zu landen. Als Jay schließlich aufgibt, reibt Hunter seinen fedrigen kopf an Jayjays Wange. Ich beobachte die beiden belustigt und Frieda kichert hinter mir im Silo. "Jungs", sage ich schließlich, "wir haben zu tun. Hunter, trag mich den Abhang da hoch, Jayjay, du musst dich da irgendwie selbst hochkämpfen." Jay nickt, nimmt Anlauf und sprintet auf den matschigen Hang zu. Er bewältigt die ersten Meter problemlos, wird dann langsamer und kämpft auf dem letzten Meter mit seinen rutschenden Hufen, findet aber schließlich Halt und erklimmt die Kante. "Jetzt wir", sage ich und schwinge mich auf Hunters Rücken, der krächzt und losflattert. Keine zwei Sekunden später sind wir auf dem oberen Teil der Weide angekommen und ich steige ab. "Also dann, Jayjay, wir reiten zur Farm und holen… Frieda!" "Ja?" "Wir müssen keine Hilfe holen, du kannst einfach auf Hunter reiten!" Sie taucht im Siloeingang auf, ihr verletztes Bein angehoben. "Wirklich?" "Klar. Los Hunter, hol sie ab." Hunter krächzt und flattert zu Frieda hinunter, die vorsichtig auf seinen Rücken steigt. Als er abhebt, gibt sie einen kurzen, erstickten Schrei von sich und schon landen die beiden neben uns. Ich bin in der Zwischenzeit auf Jayjays Rücken gestiegen und bemühe mich, seine Größe zu ignorieren. Auf seinem Rücken muss ich wie ein plumper Idiot aussehen. "Na dann, auf geht´s. Zur Farm!" Jayjay galoppiert los, merkt schnell, dass ich dafür zu schwer bin und verlangsamt zu einem holprigen Trab. Meine Oberschenkel sind fest um seinen Bauch geklammert und ich halte mich so gut es geht an seiner weißen Mähne fest. Neben mir fliegt Hunter und krächzt entzückt, als er Jayjay überholt. Schließlich dreht er eine scharfe Kurve, fliegt hinter uns und überholt uns erneut. Jayjay schnaubt und beschleunigt seine Schritte wieder zu einem Galopp. Wir sind schon fast bei der Farm und die letzten hundert Meter laufen und fliegen die beiden Kopf an Kopf. Als wir die Farm erreichen, ist Hunter der einzig entspannte. Frieda klettert mit zittrigen Händen von seinem Rücken herunter und hält sich eine Hand vor den Mund. Ich gebe zu, die ein oder andere scharfe Kurve hätte Hunter sich sparen können. Ich selbst habe Probleme, normal zu gehen, so verkrampft sind meine Beine und Jayjay schnaubt und hechelt erschöpft. Hysterische Stimmen dringen aus dem Haus und plötzlich wird die Tür aufgerissen und Elsa stürzt heraus und in Friedas Arme. "Ich dachte, euch wäre etwas Schlimmes passiert!", flucht sie und umarmt und küsst ihre jüngste Tochter, bis diese sie peinlich berührt wegschiebt. Als sie ihren Fuß aufsetzt, zuckt sie zusammen. "Bist du verletzt?" "Nur ein umgeknickter Knöchel, es ist halb so wild." "Frieda!" Cora taucht hinter den Ställen auf und rennt zu ihrer Schwester, während Toby, Julian und die anderen Elsa nach draußen folgen und zu mir laufen. "Was ist passiert?", fragt Toby, der als erstes bei mir ist. "Das möchte ich auch wissen", sagt Elsa, nun wütend. "Was habt ihr bei dem Wetter draußen gemacht?" "Jay ist ausgebüxt", erklärt Frieda und stützt sich auf ihre Schwester. "Ich hab mir den Fuß verstaucht, Jay ist kollabiert und der Matsch war zu rutschig, als dass wir hätten zurück gehen können. Wir haben die Nacht im Silo verbracht und Abby hat Jay die ganze Nacht über entladen. Nur dank ihr hat er das Gewitter überlebt." "Wirklich?" Elsa dreht sich zu mir um. "Vielen Dank, Abby. Aber jetzt kommt erst Mal rein, ihr müsst hungrig sein." Das Frühstück entpuppt sich als Festmahl. Pfannkuchen, Rührei, warmes Brot mit selbstgemachten Käse- und Marmeladensorten, Saft, Tee, Kaffee und Reste des Eintopfs von gestern Abend. Frisch gestärkt können Frieda und ich nun die offenen Fragen der anderen beantworten und schließlich trifft auch Werner ein, der bereits die Strecke bis nach Oliviana City mit seinem Traktor abgefahren ist. Als er Frieda sieht, hebt er sie kurzerhand in die Höhe und verarztet danach ihren Fuß mit Kühlsalbe und Verbandszeug. Anschließend entschuldigen wir uns, nehmen ein Bad und holen dann in unseren jeweiligen Räumen dringend nötigen Schlaf nach. Als ich später aufwache, steht die Sonne schon tief. Es muss früher Nachmittag sein. Ich flechte mir einen Zopf, dann gehe ich die Stufen hinunter und finde die restlichen Qs samt Werner und Cora in der Küche beim Kartenspiel vor. Als Cora mich sieht, steht sie auf. "Können wir uns kurz unterhalten?", fragt sie. Ich nicke und wir verlassen die Küche, um uns im Wohnzimmer auf das Sofa zu setzen. "Du hast ja von Mama erfahren, dass Frieda und ich uns um die Ponita kümmern, oder?", fragt sie dann. Ich nicke. "Wir haben beide viel auf der Farm zu tun, aber ich habe mit Mama gesprochen und wir sind beide der Meinung, dass die Elezeba in ihrem jetzigen Zustand zu gefährdet sind. Wir können sie nicht hundertprozentig vor den Gewittern schützen, deswegen müssen wir sie zusätzlich zu den Ponita trainieren, damit sie auch bei Gewittern nicht in Gefahr sind. Dass du gestern Jay vom Dachboden aus entdeckt hast, war ein Glücksfall. Darauf können wir nicht immer hoffen." "Aber ihr habt doch keine Zeit, oder?", frage ich. "Du musst Sättel entwerfen und Frieda kümmert sich sicher auch um irgendetwas." "Die Finanzen", stimmt Cora zu. "Sie wird die Farmleitung übernehmen, wenn es unseren Eltern zu viel wird. Aber die Sicherheit der Pokémon geht vor." Sie schmunzelt. "Natürlich würde es uns die Arbeit erleichtern, wenn jede von uns sich nur um ein Elezeba kümmern müsste." "Meinst du…" Ich schaue sie an. "Wenn du willst, und Jay, natürlich, würden wir ihn dir gerne schenken", sagt Cora. "Ohne dich hätten wir ihn ohnehin verloren und ich glaube, nach deiner Rettungsaktion letzte Nacht wird er nicht von deiner Seite weichen wollen. Zebritz sind sehr störrisch, sie lassen sich nur von ausgewählten Menschen reiten und meist muss die Bindung bereits als Elezeba geknüpft worden sein. Und so, wie du auf Jay angaloppiert gekommen bist, scheint die bei euch zu existieren." "Das… ich weiß nicht, was ich sagen soll." "Du musst ihn natürlich nicht nehmen!", wirft Cora schnell ein. "Du und deine Freunde sind Trainer, deshalb dachte ich…" "Nein, nein, ich meine, ich würde ihn gerne nehmen, wenn ich darf", bringe ich hervor. "Gut, dann wäre das geklärt", sagt Cora und steht auf. "Wir haben keinen Pokéball, du musst ihn selber fangen." "Klar, kein Problem." Immer noch perplex folge ich Cora nach draußen, wo ich Hunter auf Jayjays Rücken vorfinde. Er krächzt freudig und flattert mit den Flügeln, bleibt aber, wo er ist. Jayjay bäumt sich freudig auf und galoppiert in meine Richtung und Hunters Gesicht nimmt einen träumerischen Ausdruck an, als er durch die Gegend getragen wird. "Hey, Kleiner", begrüße ich ihn. Er leckt über meine Wange. "Uh, lecker. Danke auch." Ich ziehe einen leeren Pokéball aus meiner Tasche und halte ihn vor mich. "Möchtest du-", beginne ich, doch Jay wiehert bereits fröhlich und presst seine Schnauze gegen den Ball. Ein rotes Licht umhüllt ihn und im nächsten Moment muss Hunter in die Höhe fliegen, um nicht zu Boden zu fallen. Er krächzt empört. Viermal vibriert der Pokéball, dann ist er still und ich halte mein viertes Pokémon in der Hand. "Jetzt hast du einen Spielkameraden, der genauso verrückt ist, wie du", sage ich an Hunter gewandt. Er flattert begeistert mit den Flügeln, landet auf meinen Schultern und stochert mit seinem Schnabel durch meinen frisch geflochtenen Zopf. Ich seufze. Zwei von der Sorte wird eine Herausforderung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)