Abbygails Abenteuer von yazumi-chan (Road to Lavandia) ================================================================================ Kapitel 29: Unerwartetes Wiedersehen (Augenklappe) -------------------------------------------------- „Alle Mann aufstehen!“, rufe ich erfrischt in die Runde und grinse meine Mitreisenden breit an, die wie Raupys in ihren Schlafsäcken eingerollt sind und mich blinzelnd ansehen. Louis stöhnt und verkriecht sich tiefer in seinem Schlafsack, während Maisy ausgiebig gähnt und dann aus ihrem eigenen herausklettert. Sku schnurrt leise und reibt sich an meinem Bein. Ich kraule sie ausgiebig am Kopf, bevor ich sie in ihren Pokéball zurückrufe. Nachdem wir gestern die restliche Route hinter uns gebracht haben, haben wir unser Schlaflager nahe dem Durchgangshäuschen aufgeschlagen, das Route 32 mit den Ruinen verbindet. Heute steht Sight-Seeing auf dem Plan. Während Lous und Maisy ihre Schuhe anziehen und ihre Schlafsäcke einrollen, baue ich die Feuerstelle ab. Als ich mir danach meine Hände an meiner in Azalea City erworbenen Wald-und-Wiesen-Hose abwische, fallen mir die unzähligen Flecken auf, die bereits auf dem dicken braunen Stoff sind. Ich seufze und untersuche den Rest meiner Klamotten. Alles neu, alles ruiniert. Das harte Leben eines Trainers auf Reisen. Ich schnuppere und verziehe das Gesicht. Ein Bad könnte ich auch gebrauchen. „Wie spät ist es…“, murmelt Louis, als ich neben ihm in die Hocke gehe und seinen Schlafsack zur Seite ziehe. „Spät genug“, sage ich fröhlich und ziehe ihn an seinen Schultern aus dem Schlafsack. Louis flucht und reißt sich los. „Ich mach ja schon…“, murrt er und ich richte mich zufrieden auf. Dann helfe ich Maisy, unser Lager abzubauen. Als alles eingepackt ist, läuft Maisy vor. „C´mon, wir sind fast da!“, ruft sie und Louis und ich folgen ihr. Wenige Minuten später erreichen wir einen kleinen Erdhang, den Louis mühelos hinunterrutscht. Maisy folgt ohne mit der Wimper zu zucken, aber ich bleibe vorsichtshalber Stehen. Der Abhang sieht rutschig aus und es geht mindestens drei Meter nach unten. „Na komm Abby!“, ruft Louis mir breit grinsend zu. „Wenn du fällst, fangen wir dich auf.“ „Angeber!“, rufe ich zurück, dann setze ich vorsichtig einen Fuß auf den Abhang. Ich rutsche augenblicklich hinunter und unterdrücke ein Kreischen, als ich auf den Grund zu schlittere. Wie versprochen fängt Louis mich ab und als sich nichts mehr unter mir bewegt, atme ich erleichtert aus. Als ich aufschaue, ist Louis Gesicht direkt vor meinem. Knallrot. Maisy lacht laut und geht an uns vorbei dem Ende der Route entgegen. Ich löse mich hastig von Louis und folge ihr. Bis zum Ende der Route ist es nicht mehr weit. Wir brauchen knapp eine Stunde, aber der Weg ist eben und mit dichtem Gras bewachsen und es ist angenehm warm, deshalb vergeht die Zeit wie im Flug. Als wir das Durchgangshäuschen erreichen, ist niemand dort. „Warum ist hier niemand?“, frage ich und schaue mich um. Es ist kleiner als die anderen Häuschen, die ich kenne und die Theke an der rechten Seite ist unbesetzt. „Wahrscheinlich kommen hier nicht genug Leute durch“, sagt Louis. „True.“ Maisy verschränkt die Hände hinter ihrem Kopf und folgt ihm. „Hier lohnt es sich nicht.“ Gemeinsam durchqueren wir das kleine Gebäude und finden uns anschließend vor einer gigantischen Felsansammlung wieder. „Wahnsinn…“, flüstere ich und mache vorsichtig einen Schritt nach vorne. Das Gras ist verschwunden, stattdessen besteht der Untergrund aus festgetretener Erde und zahllosen kleinen Ausgrabungsstätten, die mit gelbem Absperrband umzäunt sind. Die Ruinen selbst ragen zwischen den Felsen und den dichten Laubwäldern in die Höhe und scheinen in die Steinformationen hineingebaut zu sein. In die sandfarbenen Ruinen sind tausende Zeichen eingraviert, die ich aus der Ferne nicht erkennen kann. „Sick shit“, stimmt Maisy mir zu. Louis starrt die Ruinen mit offenem Mund an, den Kopf in den Nacken gelegt und als er weiter geht, fällt er fast in eins der Löcher. Er schreit auf, fängt sich aber im letzten Moment wieder. „Puh, das war knapp“, sagt er und reibt sich mit dem Daumen über die Nase. „Ihr solltet aufpassen, wo ihr hintretet“, ertönt eine Stimme hinter uns und wir drehen uns um. Ein Forscher in weißem Kittel steht am Eingang des kleinen Häuschens, das ich völlig übersehen habe und das etwas abseits von den Ruinen gebaut ist. Sein blondes Haar ist dicht an seinen Schädel gegelt und seine Augen sind- Moment mal. „Ah, sie sind das!“, ruft Maisy und winkt dem Mann zu. „Wir haben sie gestern getroffen, erinnern sie sich?“ „Natürlich.“ Er kommt auf uns zu. „Ihr habt mir sehr geholfen. Vielen Dank.“ Louis schaut mich ratlos an und ich zucke die Schultern. „Sie arbeiten also hier?“, frage ich und schaue an ihm vorbei zu dem kleinen Haus. „Warum hatten sie gestern denn nicht ihren Kittel an?“ „Wie ein jeder Forscher dir sagen kann, ist der Kittel nur während wissenschaftlicher Arbeit zu tragen.“ Er lächelt. „Eigentlich sollte ich so nicht einmal aus dem Haus gehen, aber ich möchte meine Arbeit weiterführen, sobald ihr in den Ruinen seid.“ Er schaut zu mir. „Deshalb seid ihr doch hier, oder?“ „Yep!“ Maisy grinst und zurrt ihren Gitarrenkasten etwas höher auf ihre Schulter. „Wir würden uns die Ruinen gerne von innen ansehen. Ist das okay?“ „Natürlich.“ Der Mann nickt. „Ich bin Professor Stein. Und bevor ihr lacht, ich habe mir den Namen nicht ausgesucht.“ Ich grinse breit. Der Professor mag gruselig aussehen, aber er wirkt ziemlich nett. „Folgt mir, ihr könnt euer Gepäck in meinem Haus abstellen, bis ihr fertig seid. Da unten gibt es einige Leitern und enge Durchgänge.“ Louis erbleicht. „Wie eng?“, fragt er dann und als Prof. Stein sein Gesicht sieht, lenkt er schnell ein. „Keine Sorge, nur die Durchgänge sind schmal. Die Hallen sind sehr weiträumig und hoch. Wer immer diese Ruinen erbaut hat, verstand sein Handwerk.“ Er betrachtet die Ruinen mit einem intensiven Blick. „Und ich werde herausfinden, wer es war.“ Als er unsere Blicke spürt, kratzt er sich hastig am Kopf. „Das habe ich zumindest vor, aber bisher sind meine Forschungen noch nicht sehr weit gekommen“, gibt er zu und dreht sich um. „Kommt mit.“ Wir folgen Prof. Stein in das kleine Haus und staunen nicht schlecht, als wir das Innere sehen. Der Raum ist durch eine kleine Trennwand in zwei Teile aufgeteilt. Links ist eine kleine Küche mit Ecktisch und ein Fernseher mit Bett aufgestellt, im rechten und weit größeren Teil stehen mehrere Regale voller Artefakte, Münzen, Scherben, Steinplatten und Fossile, sowie einige größere Gerätschaften und ein Labortisch, auf dem mehrere Glas- und Plastikflaschen und jede Menge Reagenzgläser stehen. „Stellt eure Sachen einfach hier unter den Tisch“, sagt Prof. Stein. Nachdem wir alle Rucksäcke und die Gitarre abgestellt haben, sind wir nur noch mit unseren Itemtaschen beladen. Maisys PokéCom habe ich, natürlich, dabei. Ich will die Mittagsshow nicht verpassen. „Oh, das habe ich vergessen, tut mir Leid“, sagt der Professor plötzlich und schaut uns entschuldigend an. „Eure Pokémon müsst ihr hier lassen.“ Wir schauen uns an. „Ist das wirklich nötig?“ fragt Louis schließlich und ich nicke. Ich kenne diesen Professor überhaupt nicht. Was, wenn er unsere Pokémon klaut? „Macht euch keine Sorgen.“ Er verschwindet in seinem Labor und taucht einige Momente später mit einem kleinen Tresor zurück. Dann reicht er uns drei Schlüssel. „Tut eure Pokémon hier rein, dann kann ihnen nichts passieren.“ Ich betrachte den Tresor argwöhnisch. Dann wiederum… Wenn der Professor Pokémon stehlen würde, hätten Trainer bestimmt bereits Anzeige erhoben. Er kann schlecht jeden ausrauben, ohne aufzufallen. „Ist das ihre Tochter?“, fragt Maisy, die in die Küche gewandert ist und dort vor einem kleinen Foto steht. „Ja, das ist sie.“ Prof. Stein kratzt sich am Kopf. „Sie ist gerade bei ihrer Mutter.“ „Sie leben getrennt?“, frage ich und er schüttelt den Kopf. „Nein. Aber hier ist nicht genug Platz für die Beiden, deswegen arbeite ich die Woche über hier und verbringe das Wochenende mit meiner Familie. Ich sehe zurück zu dem Tresor. „Warum können wir unsere Pokémon nicht mitnehmen?“, frage ich dann und Prof. Stein lehnt sich an den Tisch. „Die Ruinen sind ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Ich kann dort keine Pokémonkämpfe erlauben.“ „Und wenn wir versprechen, dass wir nicht kämpfen werden?“, frage ich vorsichtig, aber Stein schüttelt den Kopf. „Bitte versteht, dass ich nichts Böses im Sinn habe“, sagt er dann. „Ich möchte lediglich die Ruinen vor weiterem Schaden beschützen. Hier sind schon früher Trainer gewesen, die Unruhe gestiftet und Teile der Wandtafeln zerstört haben. Ich gehe kein Risiko mehr ein.“ Da ist wohl was dran. „Sind in den Ruinen denn auch keine Pokémon, die uns angreifen könnten?“, fragt Louis schließlich und Prof. Stein lacht herzlich. „Wenn du die Icognito meinst, die sind absolut harmlos. Wenn sie euch zu Nahe kommen, wedelt mit der Hand in ihre Richtung und sie fliehen sofort. Manchmal verläuft sich ein wildes Pokémon dort unten, aber das ist sehr selten.“ „Na gut“, meint Maisy schließlich und holt drei Pokébälle aus ihrer Tasche, die sie dann in den Tresor legt. „Ich vertraue ihnen, also passen sie gut auf meine Pokémon auf.“ „Keine Sorge, ihnen wird nichts geschehen.“ Louis und ich folgen ihrem Beispiel. Dann schließen wir ab und verstauen die Tresorschlüssel sicher in unseren Taschen. „Ich habe kleine Schilder in den Ruinen aufgehängt, damit ihr euch nicht verlauft“, sagt Prof. Stein zum Abschied. „Folgt ihnen und ihr findet den Weg ganz leicht wieder zurück.“ „Schilder?“, murmele ich, als wir uns auf den Weg zu einer der Ruinen machen. „Ich hab genug von Schildern und Orten, an denen man sich verlaufen kann.“ „Stimmt, ihr zwei seid doch im Wald verloren gegangen, oder?“, fragt Maisy, die zu uns ausschließt. Sie ist auf dem Weg etwas zurück gefallen. „Genau die.“ Louis schaudert. „Aber ich vertraue darauf, dass wir dieses Mal keinem Hypno begegnen.“ „Hoffen wir´s“, erwidere ich. „Was hast du hinten auf dem Boden gesucht, Maisy? Ist dir was runter gefallen?“ „Nope. Ich hab nur ein paar kleine Fußspuren entdeckt.“ „Wahrscheinlich von einem Pokémon“, vermutet Louis. „Yeah, sah so aus.“ Wir gehen weiter, schlängeln uns zwischen den Ausgrabungslöchern und den Absperrungen hindurch und bleiben schließlich ehrfürchtig vor dem Ruineneingang stehen. Er ist quadratisch und führt tief in den Fels hinein. Der Weg ist dunkel, aber am anderen Ende kann ich tänzelndes Licht erkennen. Die Wände sind voller Zeichen. Bevor ich hineingehen kann, hält Louis mich jedoch am Arm fest. „Schau mal.“ Ich folge seinem Blick, der auf den Boden gerichtet ist. „Ja, genau die!“, ruft Maisy und geht neben den Fußspuren in die Hocke. „Was denkt ihr?“ Ich beuge mich nach unten und betrachte die Abdrücke, die das Pokémon im staubigen Boden hinterlassen hat. Sie sind annähernd tropfenförmig, hinten rund, vorne spitz zulaufend und kaum so lang wie mein kleiner Finger. „Keine Ahnung“, gestehe ich. „Aber groß kann es nicht sein.“ „Dann sollten wir kein Problem haben“, meint Louis  grinsend. „Kleine Pokémon werden uns in Ruhe lassen.“ „Hoffentlich.“ Die Ruinen sind von innen noch viel eindrucksvoller, als ich erwartet habe. Die Räume sind hoch, aber Wände und versteckte Gänge machen aus der Ruine ein einziges Labyrinth. Alle Wege sehen gleich aus, Pokémonstatuen zieren den Boden in regelmäßigen Abständen und flackernde Feuer in den Wänden erhellen die düsteren Gänge. In manchen Kammern sind Leitern in den Boden gelassen und nachdem wir die Ersten hinunter gestiegen sind, führen einige auch wieder nach oben. Wären Prof. Steins kleine Schilder nicht so gut sichtbar, wären wir vielleicht umgekehrt, aber so sind die Wege perfekt ausgeschildert. „Kann einer von euch die Zeichen lesen?“, fragt Louis, der vor einer der Steinplatten mit eingravierten Punkten steht, die in einer Art Schrift angeordnet sind. „Natürlich, Louis“, erwidere ich. „Wir wurden schon als kleine Kinder in vergessenen Pokémon-Schriften unterrichtet.“ „Echt?“ „Das war ein Scherz.“ Sein Grinsen gefriert. „Oh.“ Ich kann nicht anders, ich muss lachen. „Wir können später den Professor fragen“, schlage ich vor und er nickt. „Schaut mal“, sagt Maisy plötzlich und wir drehen uns zu ihr um. Sie ist bereits in den nächsten Raum vorgegangen und winkt uns jetzt zu sich rüber. Als wir sie erreichen, sehe ich, was sie meint. „Das meinte Prof. Stein wohl“, sagt Louis und starrt die riesige Steintafel an, die an der Wand hängt. Auf ihr ist ein uraltes Pokémon abgebildet. Zumindest vermute ich das. Die Hälfte der Tafel liegt in einem Schutthaufen auf dem Boden. „Langsam verstehe ich, warum er hier unten keine Pokémon haben will“, sage ich und schaue an die Decke. Die Icognito schweben über uns, aber außer dem ein oder anderem neugierigen Exemplar meiden sie uns. „Wirklich gebraucht haben wir sie ja wirklich nicht.“ „Nox hätte es hier bestimmt gefallen“, meint Maisy und vergräbt die Hände in ihren Hosentaschen. „Hier drin ist alles genauso staubig und alt wie sie.“ Louis gluckst. „Was für Pokémon hast du eigentlich, Maisy?“, frage ich sie, als wir den kleinen Schildern weiter folgen. Vor uns liegt ein langer, abschüssiger Gang, der am anderen Ende düsterer wirkt als hier bei uns. „Hmm.“ Sie grinst. „Nox, ein Flegmon, so wie quasi jeder im Dorf und ein Teddiursa, das Gold mir gefangen hat, als ich klein war.“ „Oh Mann!“, murre ich und trete einen kleinen Stein in den Gang vor uns. „Warum hat Gold mir kein Pokémon gefangen? Warum kennst du ihn so gut?“ „Ach, kennen ist übertrieben“, versichert Maisy mir schnell. „Er war Stammkunde und hat meinem Großvater ab und zu einen Gefallen getan. Wahrscheinlich erkennt er mich nicht mal mehr, wenn er uns das nächste Mal besucht.“ „Wenn hier jemand maulen darf, dann ich“, schaltet sich Louis ein und schaut mich vorwurfsvoll an. „Hier scheinen ja alle außer mir irgendwelche berühmten Freunde zu haben.“ „Da fällt mir ein, Raphael besucht mich im Oktober“, sage ich und Louis´ Lächeln gefriert, bevor er sich wieder fängt. „Wenn wir dann noch gemeinsam reisen, triffst du ihn auch mal.“ „Wenn?“ Louis zieht eine Augenbraue hoch. „Naja, du musst nach Dukatia City“, sage ich. „Ich werde mich wahrscheinlich in Richtung Teak City aufmachen.“ „Also trennen wir uns nach Viola City?“ Louis Stimme ist plötzlich viel zu kühl. „Ich dachte, das wäre-“ „Guys, ich will euch nicht unterbrechen, aber schaut mal bitte.“ Wir drehen uns zu Maisy um, die vorgegangen ist und am Ende des dunklen Ganges steht. Als wir zu ihr aufschließen, schlucke ich. Vor uns geht es steil nach unten, nur eine dünne Leiter trennt unseren Gang von dem mehrere Meter entfernten Boden unter uns und sie reicht kaum bis nach ganz unten. Aber das ist nicht das Beunruhigenste. Keine der Fackeln ist erleuchtet. Und Schilder sehe ich auch keine mehr. „Wir sollten umdrehen“, sage ich und schaue zu Louis, der energisch nickt. „Aber warum denn?“, erklingt eine weibliche Stimme hinter uns. „Bisher lief doch alles nach Plan.“ Ich drehe mich langsam um. Mel sieht gefährlicher aus, als ich sie in Erinnerung habe und das, obwohl ihr halbes Gesicht mit Verbänden, Gips und Augenklappe bedeckt ist. Aber aus ihrem verbliebenen Auge strahlt mir purer Hass entgegen und ich mache automatisch einen Schritt zurück. Teal fährt sich durch sein pechschwarzes Haar, dann zieht er eine Pistole aus seinem schwarzen Gürtel und richtet sie auf uns. „Warum überdenkt ihr euren Trip nicht und klettert die Leiter runter, die dort so einladend hängt“, sagt er, seine Stimme eisig. „Was wollt ihr von uns?“, frage ich mit zittriger Stimme, während ich vorsichtig noch einen Schritt zurück mache. „Ich will nur was von dir, Abby“, zischt Mel, dann zuckt sie zusammen, während sie mit der Hand nach ihrer Nase greift, aber auf halbem Wege inne hält. „Du und die rote Schlampe haben mein Gesicht ruiniert. Das hier ist meine persönliche Rache.“ „Ruth ist nicht hier“, sage ich und setze meinen Fuß noch ein Stück nach hinten. Ich fühle die Kante. Louis neben mir zittert. „Ich bin nicht blind“, erwidert Mel kühl. „Wenn ich mit dir fertig bin, ist sie die nächste auf meiner Abschussliste.“ „Na los“, sagt Teal und kratzt sich am Kopf. „Runter da.“ Maisy klettert als Erstes, dann Louis, dann ich. Als wir unten ankommen, ist es mit einem Mal stockduster, ich kann kaum die Hand vor Augen sehen. Nur das bisschen Licht aus dem oberen Gang lässt mich Mels Gesicht ausmachen, die an der Steinkante hockt und ihr Jagdmesser zieht, mit dem sie die Strickleiter anschneidet und dann abreißt. Das Strickbündel fällt mit einem dumpfen Geräusch vor unsere Füße. „Woher wusstet ihr, dass wir hier sind?“, rufe ich hoch und unterdrücke die Angst, die sich in mir aufbaut. Nicht den Kopf verlieren. Nicht den Kopf verlieren. „Eigentlich spreche ich nicht gerne mit meinen Opfern, aber ich mache dieses Mal eine Ausnahme, weil es so viel zufriedenstellender sein wird, wenn du es weißt“, erwidert Mel, dann steckt sie ihr Jagdmesser wieder ein und steht auf. „Team Rocket ist eine Verbrecherorganisation der Extraklasse. Wenn ich Informationen will, dann kriege ich Information. Und euer Ziel habt ihr im Pokécenter ja laut genug angekündigt.“ „Kurz vor Viola City links.“ sagt Louis und deutet auf die Stelle, wo die Alph-Ruinen auf der Karte markiert sind. „Übermorgen sollten wir dort sein.“ Nein. „Dann haben wir unseren guten Freund Professor Stein davon überzeugt, mit uns zusammen zu arbeiten.“ „Ich muss mich mit jemandem im Pokécenter nahe dem Einheitstunnel treffen.“ Das kann nicht sein. „Unsere Argumente waren sehr überzeugend, oder, Teal?“ „Familienbande sind etwas Schönes“, stimmt er ihr zu. „Ist das ihre Tochter?“ Hat man uns… „Ich hätte die Sache ja am liebsten letzte Nacht erledigt, aber dein Pokémon war so argwöhnisch“, murrt Mel und zurrt ihren blonden Zopf zu Recht. „Vielleicht besser so, so können wir das Ganze als Unfall tarnen.“ Einige Male höre ich ein Rascheln im hohen Gras, aber Skus leises Fauchen verjagt, was auch immer in der Dunkelheit lauert. …die ganze Zeit beobachtet? „Also mussten wir unsere Pokémon gar nicht abgeben?“, fragt Louis mit einem Zittern in der Stimme. „Natürlich nicht“, lacht Mel und zischt dann, als die Bewegung durch ihre Nase geht. „Das war alles Teil des Plans.“ „Warum erschießt ihr mich nicht einfach?“, frage ich, während Panik in mir aufsteigt. „Dieses Mal habt ihr schließlich eure Waffen dabei.“ „Wir sind in privater Angelegenheit unterwegs“, erwidert sie und wendet sich ab. „Kein Grund, sich unnötig die Hände schmutzig zu machen. Teal?“ „Jo.“ Er kratzt sich genervt am Kopf, dann zieht er einen Pokéball, während er mit der anderen weiterhin die Pistole auf uns richtet. Ein roter Lichtblitz strahlt zu uns herunter und als er sich verflüchtig, entdecke ich Teals Sengo, das an der Kante steht und zu uns hinunter schaut. „Dreimal Schwerttanz, Sengo, ich brauche dich auf voller Power.“ Sengo seufzt, dann breitet es seine klauenbewehrten Arme aus und starrt an die Decke. Es dauert einen Moment, dann beginnt es am ganzen Körper zu zittern. Als es die Arme nach einiger Zeit sinken lässt, kann ich jeden seiner Muskeln unter dem dichten weißen Fell erkennen. Seine roten Augen leuchten in der Dunkelheit zu uns hinab. Teal zeigt mit der Pistole in unsere Richtung. „Geht ein paar Meter zurück in den nächsten Gang.“ Wir folgen seiner Anweisung und tasten uns vorsichtig vor, bis wir eine Wand mit eingebrochenem Durchgang erreichen. Vorerst vor Teals Pistole in Sicherheit, atmen wir erleichtert aus. So schlimm ist es nicht, versuche ich mir einzureden. Niemand ist verletzt und sowohl Maisy als auch Louis können die Kante hochklettern und Hilfe holen. Wir müssen nur warten, bis die beiden Rockets weg sind. „Sengo, Trugschlag gegen die Decke.“ Teals Stimme klingt weit entfernt, aber ich kann ihn trotzdem deutlich hören. Mir läuft ein eiskalter Schauer über den Rücken. Er wird doch nicht- Ich hechte zum Durchgang und starre hinauf zu Sengo, das tief in die Knie gegangen ist und jetzt katapultartig Richtung Decke springt. Es holt aus und seine zur Faust geballte Pranke schlägt mit unglaublicher Wucht in den Stein. Dann fällt es zu Boden, wird jedoch von Teal zurück gerufen, bevor es auf dem Boden aufschlägt. „Viel Spaß“, ruft Teal uns zu, dann dreht er sich um und verschwindet. In höre noch Mels Lachen, dann herrscht Stille. Louis und Maisy tauchen neben mir auf und schauen mit mir zur Decke. Kleine Steinsplitter hageln zu Boden, gefolgt von einigen größeren Brocken und der ein oder anderen Bodenplatte. Dann bricht die Decke ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)