Abbygails Abenteuer von yazumi-chan (Road to Lavandia) ================================================================================ Kapitel 28: Merkwürdiger Fremder (Gehaltene Versprechen) -------------------------------------------------------- "Was haltet ihr davon, wenn wir ein paar Stunden Training einschieben?", frage ich die anderen Beiden, während wir unsere Schlafsäcke einrollen und die Feuerstelle abbauen. "Wäre eigentlich keine schlechte Idee", ächzt Louis, der auf seinem Schlafsack kniet und verzweifelt versucht, ihn zurück in die Hülle zu quetschen - ohne Erfolg. "Und du, Maisy?" "Kein Ding." Sie wirft mir ein strahlendes Lächeln zu, ihre Zahnspange blitzt in der Morgensonne. "Ich habe Zeit. Und Nox könnte wirklich etwas Training vertragen, sonst staubt sie noch ein." "Nox?", frage ich, verwirrt. "Mein Noctuh." Nox. Natürlich. "Vielleicht sollten wir uns aufteilen", meint Louis und setzt sich auf den Stoffhaufen, der sein Schlafsack ist. "Ethan kann im Meer trainieren und wenn ihr den Hang da hoch klettert, habt ihr ein paar Stunden Schatten hinter den Bäumen." "Gut mitgedacht", sage ich und schmeiße die Steine, die wir für das Lagerfeuer benutzt haben, ins Gebüsch. "Ich werde zwar Hunter trainieren, aber für Nox ist ein bisschen Schatten auf jeden Fall hilfreich." Ich schaue auf mein Handy. Es ist noch früher Morgen. "Treffen wir uns gegen Mittag am Ende des Stegs", schlage ich vor. Maisy nickt enthusiastisch. "Von hier aus immer nach Norden, das solltet ihr hinkriegen", sagt sie grinsend und vergräbt ihre Hände in ihren weiten Hosentaschen.   "Sind hier keine Aprikokobäume in der Nähe?", frage ich sie, als wir unsere Lagerstätte verlassen und Louis nachsehen, der bereits in Richtung Steg unterwegs ist. Gemeinsam kraxeln wir den steilen Erdhang hinauf. "Nope, erst am Ende der Route", erwidert sie. "Und dann kurz vor Teak City, auf der Route 37." "Danach gehst du wieder zurück?" "Yep." Sie greift weit nach oben und zieht sich an einem Stein nach oben, der aus der Erde ragt. Ich folge ihrem Beispiel, wenn auch weit weniger grazil. "Ich mache wahrscheinlich zwei Tage in Teak City Pause, dann kann ich auf der Rückreise die Aprikokos nochmal abernten." "Wachsen die so schnell nach?", frage ich überrascht. Maisy erreicht das Hangende und reicht mir ihre Hand. Ich greife dankbar danach und lasse mich von ihr hochziehen. "Das nicht, aber wir können nur die sehr reifen Früchte gebrauchen", erklärt sie mir. Ihre Augen leuchten. "Und die Aprikokos an den Bäumen reifen nicht alle gleichzeitig, deswegen müssen wir die Runde während der Erntezeit fast jede Woche machen." "Muss mühsam sein", überlege ich laut, aber Maisy zuckt nur die Achseln. "Es ist unser Job." Wir folgen dem Weg ein kleines Stück und schauen immer wieder zu Louis hinunter, der außer Hörweite von uns auf dem Steg steht, sein Garados vor ihm im Wasser. Ethans Schwanz peitscht hin und her und etwas Orangerotes fliegt durch die Luft, bevor es mit einem großen Platscher wieder ins Wasser fällt. Dann erreichen wir das kleine Waldstück, das sich zu unserer rechten in den Hang krallt und schattige Kühle umfängt uns. "Wo sind eigentlich deine Eltern?", frage ich Maisy, während wir unsere Flugpokémon rufen und sie auf die nächstbesten wilden Pokémon loslassen. "Oh man..." Maisys Gesicht nimmt einen abwesenden Ausdruck an. "Sie haben mich bei Großvater gelassen, seit ich ganz klein bin. Ich kann mich kaum an ihre Gesichter erinnern." "Das tut mir Leid." "Ach was." Der nachdenkliche Ausdruck verschwindet und sie lächelt mich breit an. "Ich bin froh, bei Kurt zu wohnen. Meine Eltern stellen Pokébälle für die Silph Co her, aber hier kann ich das alte Handwerk lernen. Es ist faszinierend." "Möchtest du Kurts Laden später übernehmen?", frage ich sie, während Hunter zufrieden ein besiegtes Knofensa vor meine Füße fallen lässt und mich liebevoll ankrächzt. Dann landet er auf meinen Schultern und schmiegt seinen fedrigen Kopf an meine Wange. Maisy lacht, dann gibt sie Nox ein paar Befehle, bevor sie meine Frage beantwortet. Ich schicke Hunter ebenfalls wieder in den Kampf. Für Kuscheln ist später noch genug Zeit. "Auf jeden Fall", sagt sie und schaut in den Himmel, ein verträumtes Lächeln auf den Lippen. "Ich kann mir nichts Besseres vorstellen." "Und was ist damit?", frage ich und deute auf den Gitarrenkasten, der über ihrer Schulter hängt. "Ein Hobby." Sie zieht eine Grimasse. "Ich wäre gerne besser, aber meistens fehlt mir die Zeit zum Üben. Vielleicht kann ich heute Abend ein paar Stunden einschieben." "Auf jeden Fall", stimme ich ihr zu und wende mich danach wieder Hunters Training zu.   Gegen elf Uhr sind Hunter und Nox je zwei Level gestiegen und ich fühle mich sehr an meine Zeit in Dukatia City erinnert, als ich den gesamten Tag lang Carolines Pinsir trainiert habe. Verdammt, ich wollte mich noch bei ihr melden. "Ich rufe mal kurz jemanden an, okay?", sage ich und schaue zu Maisy hinüber, die einige Meter von mir entfernt im hohen Gras steht. "Klar!" Maisy grinst breit und lässt sich dann im Schneidersitz auf den Boden sinken, während Nox weiter an den Rand der Bäume in den Schatten tapst und dort die Augen schließt. Ich entferne mich ein wenig und hole mein Handy aus meiner Tasche, dann wähle ich CarolineZug und lasse mich ins Gras sinken. Es klingelt dreimal, dann nimmt Caro ab. "Schön, dass du dich auch mal meldest." "Sorry." Ich grinse verlegen. "Es ist ziemlich viel passiert, ich hab´s total verpennt." "Hat er dich doch ausgeraubt?" "Louis?" Ich erinnere mich an unsere Unterhaltung und lache laut. "Nein, nein, hat er nicht. Er ist ein bisschen perverser als ich dachte, aber das ist okay." Ich kann Caros hoch gezogene Augenbraue förmlich sehen. "Was ist passiert?" Ich informiere sie knapp über die letzte Woche und als am anderen Ende der Leitung nur Schweigen folgt, werde ich unruhig. "Caro?" "Ihr seid beide entführt worden. Von unterschiedlichen Parteien. In derselben Woche." Ich verziehe das Gesicht. "Scheint so." "Organisationstalent my ass... Immerhin geht es euch gut. Was macht dein Vogel?" "Hunter?" Ich werfe ihm einen Blick zu. Er flattert keckernd durchs Gras und pickt nach einem der wilden Pokémon. Als er meinen Blick spürt, krächzt er fröhlich. "Dem geht´s super.“ „Wo bist du?“ „Wir sind gestern Richtung Viola City aufgebrochen“, erkläre ich. „Route 32.“ „Dann habt ihr es nicht mehr weit.“ „Wir wollen vorher noch in die Alph-Ruinen.“ Ich höre, wie Caro den Rauch ihrer Zigarette einatmet. „Verlauft euch nicht“, sagt sie schließlich. „Keine Sorge, wir haben doch unseren Guide.“ „Maisy? Ich würde mich nicht auf sie verlassen.“ „Du würdest dich auf niemanden verlassen.“ Sie zieht wieder an ihrer Zigarette. „Sie kennt die Route, die sie immer abläuft“, sagt Caro dann. „Ich würde nicht darauf hoffen, dass sie sich auch in den Ruinen auskennt.“ Da ist sogar was dran. „Wir werden vorsichtig sein“, verspreche ich. „Gut.“ Sie schweigt. „Soll ich Karin Grüße ausrichten?“ „Ja, bitte!“ „In Ordnung. Pass auf dich auf, Abby.“ Sie legt auf. Ich lasse meine Handy sinken und bleibe einen Moment länger im Gras sitzen. Ich vermisse Caro, aber weit weniger, als ich erwartet hätte. Der Gedanke an Karin tut schon eher weh, aber wenn ich nicht über die Beiden nachdenke… Ich schüttele den Kopf und stehe auf. Dann schreibe ich Karin eine kleine SMS und geselle mich anschließend wieder zu Maisy und unseren Pokémon. „Mit wem hast du telefoniert?“, fragt sie, als wir ein Stück weiter nach Norden gehen. Die Sonne steht hoch am Himmel. „Einer Freundin, die ich in Dukatia City kennen gelernt habe“, erkläre ich und winke Hunter zu mir, der freudig krächzt und sich dann auf meinen Schultern niederlässt. Er ist verdammt schwer, aber ich lasse ihn. Ich habe meine Pokémon ein wenig vernachlässigt während der letzten Woche. Ich schaue wieder in den Himmel. Der Wind wird stärker. Er riecht nach Salz. „Hoffentlich geht es Louis gut", murmele ich und schaue nach rechts, obwohl ich weiß, dass ich nicht durch das dichte Gebüsch des Waldstreifens durchschauen kann. „Sure.“ Maisy reckt sich und krault Noctuhs Kopf, das müde neben ihr her geht. „Er hat doch ein Garados, oder? Dann kann ihm am Meer nichts passieren.“ „Wenn du meinst…“ Ich schaue wieder nach rechts. „Hey ihr zwei!“ Ich hebe erschrocken den Kopf und entdecke einen Mann, der hinter dem kleinen Waldstück auftaucht. Der Wind weht seinen schwarzen Mantel  um seine Beine und ein roter Schal schaut aus seinem Kragen heraus und bedeckt seinen gesamten Hals. Sein blondes Haar ist starr an seinen Schädel gegelt. Er winkt uns zu. „Hallo!“, ruft Maisy zurück und winkt ebenfalls. „Kennst du den etwa auch?“, frage ich und verziehe das Gesicht. Je näher wir kommen, desto genauer kann ich seine eingefallenen Augen und Wangen erkennen. „Nope.“ „Er sieht nicht gerade vertrauenserweckend aus", flüstere ich Maisy zu, die nur die Achseln zuckt und dem Mann weiter entgegen kommt. „Können wir Ihnen helfen?“, fragt sie höflich, als wir ihn auf halbem Wege treffen. Der Mann schaut uns verlegen an. „Ich muss mich mit jemandem im Pokécenter nahe des Einheitstunnels treffen“, sagt er dann und zupft seinen Schal zu Recht. „Bin ich auf dem richtigen Weg? Ich wusste nicht, ob ich den Steg entlang muss, oder…“ „Das ist egal“, sagt Maisy fröhlich und deutet hinter uns. „Beide Wege führen zum Pokécenter. Sie können sich nicht verlaufen.“ „Oh, das ist gut, sehr gut.“ Er reibt sich die Hände. „Vielen Dank.“ „No problem.“ Er nickt dankbar, dann stapft er hastig an uns vorbei und verschwindet im Gras. „Was war das denn für einer?“, frage ich laut, als wir außer Hörweite sind und den Waldstreifen hinter uns gelassen haben. Zu unserer Rechten kann ich endlich wieder den Steg erkennen. Louis ist etwas hinter uns und scheint sich gerade mit einem der Angler zu duellieren. „No idea“, erwidert Maisy und verschränkt die Hände hinter ihrem Kopf. „Aber er war ziemlich nervös und hatte es eilig.“ „Stimmt, jetzt wo du´s sagst…“ Ich drehe mich nochmal um, aber der Mann ist schon verschwunden. „Wir sollten weiter“, sagt Maisy fröhlich und geht beschwingten Schrittes voran. Ich folge ihr, aber trotzdem schaue ich mich immer wieder um.   „Maaaannn, diese Angler…“, stöhnt Louis und lässt sich am Lagerfeuer auf seinen Schlafsack fallen, den er sich als Sitzkissen ausgerollt hat. „Zuerst beschweren sie sich, dass ich ihre Fische mit Ethans Kämpfen vertreibe, dann fordern sie mich heraus. Das soll mal jemand begreifen.“ Er setzt sich schwungvoll wieder auf und grinst mich mit seinem Zahnlückengrinsen an. „Wollte gegen euch niemand kämpfen?“ „Nö“, verkünde ich fröhlich und beiße in meine Kartoffel. „Unfair! Nur weil ihr Mädchen seid.“ „Bitte?“, hake ich nach und schaue Louis gespielt böse an. „Willst du ein Duell? Noch schafft Sku Ethan bei strahlendem Sonnenschein.“ „Ich meine ja nur“, verteidigt Louis sich und nimmt seine eigene Kartoffel von Maisy entgegen, die er von einer Hand in die andere fallen lässt. „Warum muss ich gegen jeden dahergelaufenen Trainer kämpfen und ihr könnt einen lauen Spätsommerspaziergang genießen?“ „Weil, lieber Louis, wir uns durch Gestrüpp und hohes Gras voller wilder Pokémon durchschlagen mussten, während du bequem über den Steg spazieren konntest“, sagt Maisy fröhlich, die ihre Gitarre auspackt und vorsichtig stimmt. „Und du das Training brauchst“, füge ich schmunzelnd hinzu. „Immerhin willst du Bianka herausfordern.“ „Bianka…“, stöhnt Louis und lässt sich wieder nach hinten fallen. „Ihr Miltank wird mich in der Luft zerreißen.“ „Dich vielleicht, aber Ethan nicht“, lache ich und stecke mir den Rest der Kartoffel in den Mund. „Das wird schon, mach dir keine Sorgen.“ Ein Akkord erklingt. Louis und ich schauen gleichzeitig zu Maisy, die konzentriert auf ihre Finger blickt und vorsichtig den nächsten Akkord anschlägt. Und noch einen. Und noch einen. Dann atmet sie tief durch und beginnt eine einfache Melodie. Lange Zeit erfüllt nur Maisys Musik die abendliche Stille, gepaart mit dem Rascheln der Blätter im Wind und Skus Schnurren, die es sich inzwischen auf meinem Schoß gemütlich gemacht hat. Louis hat Winry gerufen und benutzt sie jetzt als gigantisches Kissen, an das er sich lehnen kann und Maisys Noctuh starrt mit wachen, roten Augen in die Nacht. Ihr dunkelbraunes Gefieder verschmilzt mit der Dunkelheit. Schließlich verklingen die Akkorde und Maisy lässt ihre Gitarre sinken. Sie reibt sich die Finger. „Ich muss mehr üben…“, murmelt sie und grinst uns verlegen an. „Das war super“, sagt Louis und lächelt sie aufrichtig an. „Mehr oder weniger“, erwidert Maisy, aber ihre Wangen glühen. „Was hörst du eigentlich so für Musik?“, frage ich sie und deute auf die gelben Kopfhörer, die immer um ihren Hals hängen. „Alles Punkige und Rockige würde ich sagen“, sagt sie grinsend. „Manchmal Radio.“ „Du hast Radioempfang?“, frage ich begeistert und lehne mich nach vorne, was Sku mir mit dem Ausfahren ihrer Krallen in meine Beine heimzahlt. „Yep“, sagt Maisy fröhlich. „Willst du?“ „Das wäre super!“ Sie nimmt die Kopfhörer ab und reicht sie mir, zusammen mit ihrem PokéCom. „Ich brauche auch so ein Ding…“, murmele ich anerkennend, als ich die Kopfhörer anschließe und mir auf den Kopf setze. Ich kann noch Louis´ Schnauben und einen Kommentar der Art Wenn du mal nicht mehr pleite bist hören, dann schalte ich das Gerät ein und stelle es auf den PCN-Radiokanal ein.   „-Azalea City gesichtet worden. Augenzeugen berichten, dass es sich dabei um drei Mitglieder der Verbrecherorganisation handelte, zwei Männer und eine Frau. Steckbriefe hängen in allen Städten Johtos aus und Sichtungen können an jeder Polizeistation mitgeteilt werden. Sowohl Gold als auch Noah haben der Polizei ihre uneingeschränkte Hilfe zugesichert, damit es nicht zu einer Wiederholung von vor neun Jahren kommt. Doch auch Positives tut sich in der Welt! Die diesjährige Pokéchampionship steht vor der Tür und startet wie jedes Jahr am 1. Oktober im Indigostadion. Tickets sind weiterhin erhältlich und wir bei PCN verlosen zwei Tickets für Block A Sitze samt Backstage-Erlaubnis! Lassen sie sich diese Möglichkeit nicht entgehen und nehmen sie an unserem Gewinnspiel teil, um die Favoriten und den Champ höchstpersönlich kennen zu lernen! Gold bestätigte, ebenfalls unter den Zuschauern zu sein, ob er jedoch einen Platz gebucht oder von dem Rücken seines legendären Lugias zuschaut, bleibt-“   „Irgendwas Interessantes?“ fragt Louis. „SHH!“   „-zuletzt mehrfache Übergriffe durch Biker auf Trainer und Passanten, allerdings ohne Verletzte. Das war es für heute mit den Abendnachrichten. Bria, übernimmst du das Wetter?“   „Mit dem größten Vergnügen, Daniel. Johtos Hitzewelle ist endgültig vorbei, die nächsten Tage wird es noch sonnig, aber danach müssen wir mit bewölkten und regnerischen Tagen rechnen. Zum Oktober hin wird der Himmel aber noch einmal aufklaren, also keine Sorge, Turnierfreunde!“   Es erschallt klimpernde Musik. Ich schalte den PokéCom wieder aus und nehme die Kopfhörer ab. Dann reiche ich sie Maisy. „Vielen Dank.“ „Behalt es, wenn du möchtest“, sagt sie grinsend. „Bis wir uns trennen, zumindest. Du scheinst ja richtig auf Radio zu stehen.“ „Naja…“ „Machst du Witze?“, fragt Louis und lacht. „Abby ist der größte Medienfreak, den ich kenne.“ „Und woher willst du das wissen?“, frage ich. „Ich habe in Azalea City kein einziges Radio angerührt.“ „Nein, aber du hast deine Schwester nach Neuigkeiten gelöchert und in jedem Laden gewartet, bis die Nachrichten kamen.“ Ich verziehe das Gesicht, lache dann aber ebenfalls. „Erwischt“, gestehe ich und Maisy lacht herzhaft. „Behalt es bis Viola City, Abby, kein Problem.“ „Das ist super, danke.“ „Oh, da fällt mir ein…“, sagt Louis und schnürt das Päckchen von seinem Rucksack, das Joy ihm vor unserer Abreise gegeben hat. „Ich hab noch was für dich, Abby.“ „Wird das Geheimnis endlich gelüftet?“ Ich schaue ihm dabei zu, wie er das rote Tuch entfernt und eine kleine Holzbox zum Vorschein kommt, die er bedächtig öffnet. Dann schnuppert er am Inhalt und verzieht das Gesicht. „Abby, was für einen kranken Geschmack hast du eigentlich?“, fragt er dann und reicht mir die Box. „Du hast die Kiste doch bestellt“, verteidige ich mich und nehme die Box entgegen. „Stimmt, aber du hast den Inhalt ausgesucht.“ „Wie soll ich- Oh.“ Die Kiste ist gefüllt mit einem kleinen Teekännchen, zwei winzigen Tassen und einem Beutel. „Das ist nicht dein Ernst“, sage ich, aber Louis grinst nur. „Tamottee, wie bestellt. Zwar keine Tonne, aber…“ Ich stelle die Kiste bei Seite, krabbele zu Louis und umarme ihn so fest ich kann. „Du bist der beste“, flüstere ich, dann gebe ich ihm einen Kuss auf die Wange und grinse ihn danach breit an. Louis ist knallrot. „Kei- keine Ursache“, stammelt er, als ich mich löse und beginne, die Box auszupacken. „Zucker oder Milch hast du nicht zufällig?“, frage ich, nachdem ich die Teekanne mit den getrockneten und zerriebenen Tamotbeeren und Wasser gefüllt habe und das ganze jetzt über dem Feuer kocht. „Nein.“ Louis Laune sinkt augenblicklich. „Braucht man das?“ „Nicht unbedingt“, beruhige ich ihn. „Ich wollte Tamottee schon immer mal pur trinken.“ Maisy krabbelt zum Feuer und schaut in die kleine Teekanne. Als sie den aufsteigenden Dampf einatmet, beginnt sie mit einem Mal zu husten. „Holy Fuck“, sagt sie, als sie sich beruhigt hat. „Das willst du ernsthaft trinken?“ „Ich mag scharf“, verteidige ich mich, aber Maisy schüttelt nur fassungslos den Kopf. Einige Minuten später ist der Tee fertig und ich fülle die beiden Tassen, eine bis zum Rand, die andere nur zur Hälfte. Louis und Maisy haben sich bereit erklärt, zusammen mit mir den Tee zu probieren. Doch jetzt, wo sie die orangerote Flüssigkeit vor sich haben und ihnen der brennend scharfe Geruch in die Nase steigt, sehen sie nicht mehr so entschlossen aus. „Auf drei“, sage ich grinsend und hebe meine Tasse. Louis tut es mir gleich. „Eins. Zwei. Drei.“ Ich lege meine Lippen an den Tassenrand und nippe vorsichtig an dem Tee. Der feurige Geschmack verbrennt mir sofort die Zunge, zieht durch meinen gesamten Mundraum und verursacht ein unerträgliches Kribbeln in meinem Rachen. Ich atme langsam durch die Nase aus und versuche, das Brennen in meinem Mund unter Kontrolle zu halten. Ohne Milch ist Tamot wirklich nichts für Anfänger. Apropos Anfänger. Louis Gesicht ist tiefrot und mit einem feinen Schweißfilm bedeckt, er hält sich den Hals und hechelt, was das Zeug hält. „Wasser… Wasser…“, winselt er und Maisy muss sich ein Lachen verkneifen. Dann reicht sie ihm ein Stück Kartoffel. „Das wirkt besser“, sagt sie und Louis stopft sich das Stück ganz in den Mund. Ein erleichtertes Aufseufzen geht von ihm aus und ich nehme einen weiteren Schluck. Das Brennen in meinem Rachen flammt erneut auf, aber dieses Mal bin ich vorbereitet. Und irgendwie gibt mir die Schärfe einen Kick. Vielleicht steige ich tatsächlich auf puren Tamottee um. „Was ist mit dir?“, frage ich Maisy und ignoriere das Brennen meiner Mundhöhle bei dem Luftkontakt. Sie kratzt sich verlegen am Kopf. „Ich glaube, ich passe.“   In dieser Nacht schlafe ich mit Sku in meinem Arm. Es ist kälter geworden, aber mit ihr zusammen im Schlafsack ist es angenehm warm. Einige Male höre ich ein Rascheln im hohen Gras, aber Skus leises Fauchen verjagt, was auch immer in der Dunkelheit lauert und ich bleibe in einem angenehmen Halbschlaf stecken, in dem Realität und Traum miteinander verschmelzen. Solange ich Sku bei mir habe, kann mir nichts passieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)