Abbygails Abenteuer von yazumi-chan (Road to Lavandia) ================================================================================ Kapitel 26: Vertrauensbeweis (Der Guide) ---------------------------------------- Louis´ Schrei erstickt, als er auf dem Sicherheitsnetz landet und der Aufprall ihm die Luft aus den Lungen presst. Ethan schnaubt zufrieden, dann wendet er den Kopf ab und rollt sich wieder ein. Ich laufe zu der Stelle, an der ich Louis vermute und schaue über die Kante nach unten. Louis liegt auf dem Rücken, alle Viere von sich gestreckt und schaut mit großen Augen zu mir auf. Ich gehe auf die Knie. „Schuld beglichen“, sage ich grinsend und reiche ihm meine Hand. „Na komm, du hast noch einen Vortrainer zu besiegen.“ „Kann ich hier bleiben?“, fragt Louis, setzt sich aber trotzdem vorsichtig auf. Als er aufsteht, wackelt er gefährlich, denn das Sicherheitsnetz ist recht grobmaschig und er muss auf den einzelnen Tausträngen balancieren, um meine Hand zu erreichen. Er stößt sich ab und zieht sich hoch, fast ohne mein Zutun. Als er wieder heil neben mir auf der Plattform steht, dreht Garados knurrend den Kopf in unsere Richtung. Louis zuckt zusammen, aber das scheint Ethan schon zu reichen, denn er schnaubt und wendet sich wieder ab. „Er hasst mich“, sagt Louis und seufzt niedergeschlagen. „Ach was.“ Ich klopfe ihm auf den Rücken. „Sobald ihr etwas mehr Zeit miteinander verbracht habt, wird sich das schon geben.“ „Das sagst du so leicht…“ „Jetzt blas hier keine Trübsal, wir haben zu tun.“ „Wir? Du meinst Ich.“ „Yep. Also los!“ Ich schiebe ihn schwungvoll in Richtung Ethan und als Louis fast gegen sein Pokémon stolpert, weicht er hastig zur Seite aus. Ich lache leise und folge ihm, mit etwas Abstand. Katrina ist inzwischen aufgestanden und begutachtet das Garados. Als Louis neben ihr steht, schaut sie ihn mit leuchtenden Augen an. „Es ist ein Prachtexemplar!“, sagt sie und streichelt sanft über die blauen Schuppen. „Ehm. Danke.“ „Joshua ist dein letzter Gegner“, sagt sie dann und deutet auf die nächste Plattform, an deren Ende Kai schon auf uns wartet. Dann beugt sie sich zu Louis nach vorne und flüstert ihm etwas ins Ohr. Louis nickt, dann klopft er Ethan vorsichtig auf den Körper. Er zischt und Louis zuckt zurück. Ich schließe zu ihm auf und gemeinsam machen wir uns auf den nächsten Balanceakt gefasst. Garados ruft Louis solange zurück. „Was hat Katrina zu dir gesagt?“, frage ich ihn, während ich vorsichtig einen Fuß auf den ersten Holzbalken stelle. Er ist sogar noch schmaler als die anderen. „Sie meinte, Joshua hat nur ein Pokémon, aber dass er nicht leicht zu besiegen ist“, meint Louis zerknirscht und folgt meinem Beispiel. Gemeinsam balancieren wir über den Abgrund. Als wir die gegenüberliegende Seite erreichen, wirkt sie größer, als noch von Anfang der Arena. Die Bäume stehen an den Wänden dichter zusammen und der Baumstumpf, auf dem Kai sitzt, ist fast wie ein Thron geformt. Der Boden ist mit weicher Erde bedeckt und hier und da wachsen sogar ein paar Blumen. Wir schauen uns um, aber außer Kai ist niemand da. Der kratzt sich verlegen am Kopf und steht auf. „Tut mir unendlich Leid. Joshua hat eine lästige Angewohnheit, zu spät zu seinen Schichten zu erscheinen.“ Ich schlage Louis gutmütig mit der Faust gegen die Schulter und grinse ihn an. „Da hast du ja nochmal Glück gehabt.“ Er nickt. „Dann sollten wir vielleicht noch einmal zum Pokécenter gehen, bevor ich-“ „Moooooment.“ Erschrocken drehe ich mich um und entdecke einen Jungen, der spielerisch über die Balken zu uns rüber hüpft. Er wechselt mühelos zwischen den nebeneinander verlaufenden Streben, ohne auch nur auf seine Füße zu achten und kommt schlitternd und in Welteroberungshaltung hinter uns zum Stillstand. „Joshua der Große ist schon zur Stelle“, sagt er und reckt eine Faust in die Höhe. „Auf geht´s, wen darf ich heute besiegen?“ Kai schüttelt peinlich berührt den Kopf und lässt sich wieder auf seinen Baumthron sinken. „Louis ist dein Herausforderer, aber unterschätze ihn nicht, Joshua. Es könnte übel für dich enden.“ Joshua, der sich bereits mir zugewendet hat, lässt enttäuscht den Kopf zur Seite sacken. „Och Manno, warum muss ich immer gegen die Jungs kämpfen?“ „Du hast gegen Ruth gekämpft, schon vergessen?“, ruft Katrina ihm von der anderen Plattform zu und Joshua verzieht das Gesicht. „Die ging wohl kaum als Mädchen durch…“, murmelt er, dann strafft er die Schultern, geht an mir und Louis vorbei und nimmt vor Kai Aufstellung. Als ich einen Blick zu Louis werfe, bin ich überrascht, so etwas wie echten Kampfgeist in seinen Augen blitzen zu sehen. Da hat wohl jemand mehr Motivation als sonst. „Worauf warten wir, lasst den Kampf beginnen!“, ruft Joshua und zieht einen Pokéball aus seiner Gürteltasche, den er dramatisch in die Höhe wirft. „Los, King!“ Aus irgendeinem Grund bin ich über den Namen nicht mal überrascht. King entpuppt sich als stattliches Yanma, sein großer grüner Kopf wackelt sanft hin und her, während seine zwei Flügelpaare an Geschwindigkeit gewinnen und es wankend in die Höhe befördern. Louis macht sich nicht mal mehr die Mühe, sein Pokémon anzukündigen, er ruft Ethan ohne großes Getue und als das rote Licht verblasst, liegt Garados in voller Pracht eingerollt vor uns auf dem Kampfplatz. Joshua wirkt zu meiner Überraschung jedoch nicht das geringste Bisschen verunsichertet, er macht nur ein Peace-Zeichen und grinst uns breit an. Louis knirscht mit den Zähnen. „Der hält sich wohl für ganz toll…“, zischt er tonlos und ich ziehe die Augenbrauen hoch. Was ist denn in ihn gefahren? „Ethan, starte mit Biss!“ „Block mit Scanner!“ Ethan wirft einen Blick zu seinem Trainer, dann wendet er sich seinem Gegner zu und lässt seinen Kopf noch vorne schießen, das Maul weit geöffnet. Yanma sirrt durch die Luft und als Ethan in Reichweite kommt, flimmert mit einem mal die Luft und Garados´ Kopf prallt an einer unsichtbaren Barriere ab. „Sehr gut, King, jetzt starte durch mit Ruckzuckhieb!“ „Nochmal Biss, Ethan.“ Ethan schüttelt den gewaltigen blauen Kopf, dann schnappt er erneut nach Yanma, das längst in die Höhe geschossen ist und jetzt mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf seine Flanke zu prescht. Als es trifft, reißt Garados den Kopf herum und schnappt erneut nach dem Käferpokémon, dieses Mal mit Erfolg. Yanma kreischt, kann sich aber nach einigem Gezappel befreien und fliegt zu Joshua zurück, der ein siegessicheres Grinsen auf dem Gesicht hat. „Konter nochmal mit Scanner, gefolgt von deinem Doppelteam!“ „Ethan, Tackle, aber verausgab dich nicht, danach Biss.“ Während ich dabei zuschaue, wie Ethan halbherzig mit dem Schwanz gegen die Luftbarriere schlägt, die Yanma aufgebaut hat und dann versucht, eine der vielen Doppelteamillusionen mit seinen Zähnen zu erwischen, beuge ich mich zu Louis rüber, der verbissen den Kampf verfolgt. „Garados kann Fuchtler, oder nicht?“, frage ich vorsichtig und Louis verschluckt sich. „Bist du wahnsinnig?“, fragt er und hält sich die Kehle, während Ethan ein weiteres der Scheinbilder zerbeißt und frustriert brüllt. „Ich bin froh, dass ich ihn einigermaßen unter Kontrolle habe, was denkst du, wird passieren, wenn er verwirrt ist und ihm einfällt, dass er mich eigentlich gar nicht mag?“ „Mit der Einstellung wirst du seinen Respekt auch nicht zurück bekommen“, murre ich, lasse es aber vorerst dabei. Spätestens gegen Kai wird er alles auspacken müssen, was er hat, da bin ich mir sicher. „Bleib bei Biss, Ethan!“, ruft Louis seinem Pokémon zu, das laut schnaubt und sich wütend zu seinem Trainer umdreht. Sein gewaltiger Schweif peitscht gefährlich über den Boden und es brüllt Louis laut an, der unwillkürlich einen Schritt zurück macht. Garados entgeht die Bewegung nicht, es schaut zu dem Yanma zurück, das dem Befehl seines Trainers folgt und erneut ein Doppelteam vorbereitet, dann wieder zu Louis. Sein Kopf sinkt etwas und fast sieht es so aus, als sei es… enttäuscht? Ethan wendet sich wieder Yanma zu, das mit Überschallgeschwindigkeit durch die Arena sirrt. Seit Beginn des Kampfes ist es immer schneller geworden. Garados brüllt, dann reißt es das Maul auf und schnappt nach einem der Scheinbilder. Es zerreißt in der Luft. Louis flucht leise neben mir, aber Ethan ist noch nicht fertig. Statt erneut zu einer Bissattacke zu greifen, hebt es seinen Schweif und schlägt mit gewaltiger Wucht durch drei nahe beieinander liegende Yanma-Abbilder. Eines von ihnen kreischt und wird gegen einen Baum geschleudert. Joshua schreit und rennt zu ihm. „Das… war Fuchtler“, sage ich und schaue zu Louis, der Garados anstarrt. Ethan dreht sich zu ihm um und schaut ihn wieder mit diesem traurigen Blick an, dann wendet er sich ab und lässt den gigantischen Kopf hängen. Louis reibt sich die Schläfen und wirft mir ein halbherziges Lächeln zu. „Scheint so, als hätte ich gewonnen“, sagt er dann und ich nicke. Wir beide schauen zu Joshua, der Yanma in den Armen wiegt und es schließlich zurückruft. Dann steht er auf, kommt auf uns zu und kratzt sich verlegen am Hinterkopf. „Mächtig starkes Garados hast du da“, sagt er und reicht Louis seine Hand. „Da werden King und ich wohl noch etwas an unserer Technik feilen müssen. „Deine Scanner-Doppelteam-Kombi war super“, sage ich und Joshuas Miene hellt sich augenblicklich auf. „Wirklich?“ „Klar“, sagt Louis und erwidert den Handschlag. „Vor ein paar Tagen hättest du mich damit platt gemacht.“ „Gut zu wissen.“ Er lacht und verschränkt die Hände hinter seinem Kopf. „Ich nehme an, du frischst dich vor Kai noch einmal im Pokécenter auf?“ „Auf jeden Fall“, sagt Louis und ruft Ethan zurück. „Sei nicht enttäuscht, wenn du verlierst“, lacht Joshua und klopft Louis auf die Schulter. „Kai ist der stärkste Trainer, den ich kenne. Auch mit seinem Arenateam ist er ein hervorragender Kämpfer.“ Er beugt sich zu uns nach vorne und fährt flüsternd fort. „Seid froh, dass ihr nicht mit seinem Scherox rechnen müsst. Ich hab ihn nur einmal damit kämpfen sehen und maaaan, das war so richtig übel!“ „Glauben wir dir“, sage ich. „Aber wir müssen jetzt los.“ „Klar, bis später.“ Joshua winkt, dann geht er zu Kai hinüber, der leise auf ihn einredet und ihm aufmunternd auf die Schulter klopft.   „Du musst mehr Vertrauen in Ethan haben“, sage ich, während wir im Pokécenter stehen und darauf warten, dass die Heilmaschine mit Winry und Ethan fertig ist. „Hast du sein Gesicht gesehen? Er war richtig enttäuscht von dir.“ „Ist okay, ich hab´s gesehen“, murmelt Louis gereizt. „Ich verstehe nicht, was in ihm vorgeht. Erst will er mich umbringen, dann gehorcht er mir nicht und dann ist er enttäuscht, weil ich Angst vor ihm habe? Was soll ich davon bitte halten?“ „Vielleicht müsst ihr Beide euer Vertrauen zurückgewinnen.“ „Wirklich.“ Er schaut mich nicht an, sondern starrt ausdruckslos auf die Pokébälle. Kaum eine Minute später gibt Schwester Joy sie uns wieder und wir machen uns auf den Rückweg. Es gibt immer noch einen Orden zu gewinnen und weder Louis noch ich haben vor, die Arena ohne ihn zu verlassen.   „Ich habe mich sehr auf dieses Duell gefreut, Louis“, sagt Kai, als er sich von seinem Thron erhebt und davor Stellung nimmt. „Ich bin gespannt, wie du gegen mein Team abschneiden wirst.“ „Ich auch“, sagt Louis, dann zieht er seinen ersten Pokéball. Kai tut es ihm gleich. Ich mache es mir inzwischen am Rand des Kampfplatzes gemütlich und beobachte mit großem Interesse, wie ein roter Lichtblitz aus Kais Pokéball hervorschießt und ein kleines, graugrün gepanzertes Pokémon vor ihm auf dem Boden auftaucht. Winry folgt nur einen Sekundenbruchteil später, ihr flauschiger Schweif elegant um ihre Taille gewickelt. Louis holt tief Luft, dann ruft er Wiesenior den ersten Befehl zu. „Starte mit Ruckzuckhieb.“ „Anorith, erwidere mit Kratzer.“ Winry huscht flach über den Boden und prallt mit gewaltiger Wucht gegen Anorith, das den Schlag trotzdem gut wegsteckt. Es schüttelt sich nur kurz, dann setzt es zum Gegenangriff an und trifft Winry mit seinen Krallen frontal in den flauschigen Bauch. Die beiden Pokémon gehen auf Abstand, Winry schießt blitzschnell rückwärts während Anorith ein Stück nach hinten krabbelt. Dann umkreisen sie sich langsam. „Nochmal Kratzer.“ „Kratzfurie, Win!“ Winry schießt erneut nach vorne und lässt Krallenhiebe auf Anorith niederregnen, das sich zusammen gerollt hat, um die Attacke besser einstecken zu können. Als Winry außer Puste zurück springen will, schnellt eins von seinen Beinen nach vorne und reißt ihr die Seite auf. Einige Blutstropfen rinnen durch ihr braun-beiges Fell. „Beende es mit Ruckzuckhieb!“ „Ausweichen wenn möglich, dann Kratzer.“ Aber Winry ist zu schnell. Trotz der Verletzung prescht sie auf Anorith zu und schleudert den gepanzerten Käferkörper in die Höhe und gegen einen Baum. Wie erwartet bleibt er besiegt liegen, aber Winry hechelt leise. Sie ist nicht unbeschadet aus diesem Kampf gekommen. „Das war ein guter Beginn“, sagt Kai, während er Anorith zurück ruft. „Aber so leicht lassen sich meine Käferpokémon nicht unterkriegen.“ Er hebt einen Pokéball in die Höhe und rotes Licht erfüllt die ganze Arena. Ich kneife meine Augen zusammen. Als ich sie wieder öffne, hat sich vor ihm ein hellgrünes Sichlor materialisiert, das die spitzen Zähne fletscht und wie ein Boxer von einem Hinterbein aufs andere springt. Seine Scheren klackern, als er sie gegeneinander reibt und leise kreischt. Ich schlucke. Von Schwester Joy haben wir erfahren, dass Kai seinen Herausforderern mit drei Pokémon begegnet. Ich war mir sicher, dass er Sichlor als Letztes verwenden würde. Louis wird vorsichtig sein müssen. „Kratzfurie, Winry!“ „Agilität, Sichlor.“ Die Luft sirrt, Sichlor verschwimmt, dann verschwindet er gänzlich. Mein Blick huscht suchend hin und her, aber außer grünen Schlieren hier und da kann ich Sichlor nicht ausmachen. Selbst als er langsamer wird, kann ich ihm kaum mit den Augen folgen. Winry hat ähnliche Probleme. Sie ist nach vorne geschossen, nur um wieder stehen zu bleiben und sich verwirrt umzusehen. Jetzt, da Sichlor wieder halbwegs sichtbar ist, schafft sie es, ihr zweimal mit ihren Krallen zu treffen, aber die Treffer sind schwach und wenig effektiv. „Nochmal Kratzfurie!“, ruft Louis seinem Pokémon zu. „Triff ihn diesmal richtig!“ „Beende es mit Verfolgung.“ Die beiden Pokémon schießen aufeinander zu, zwei Schlieren aus braun und grün. Sichlor trifft zuerst. In einem Moment kommt er grinsend vor Wiesenior zum halt, im nächsten verschwindet er und taucht hinter ihr auf. Ich höre nur noch ein Sirren und seine Flügelklingen treffen Winry mit voller Kraft ins Kreuz. Sie strauchelt winselnd nach vorne, bleibt einige Sekunden lang stehen, dann kippt sie vorne über. Sichlor keckert zufrieden, während er auf Wiesenior hinab sieht. Louis ruft Wiesenior ohne ein Wort zurück, seine andere Hand hält bereits Ethans Pokéball umklammert. "Los, Ethan!", ruft er dann und ich beiße mir auf die Lippen. Hoffentlich geht das gut. "Du auch zurück, Sichlor", befiehlt Kai und Sichlor grinst ein gespenstisches Lächeln, bevor er in einem roten Lichtblitz verschwindet und zurück in den Pokéball gesogen wird. Kai ruft sein drittes Pokémon, ein Smettbo, das mit freudiger Erregung durch die Luft schwirrt und sich nicht im Geringsten von seinem sechseinhalb Meter langen Gegner beeindrucken lässt. Gut gelaunt flattert es auf Kai zu und zieht an seinen lila Haaren, während es vergnügt gluckst. "Das reicht, Smilla", lacht er und verscheucht das Pokémon gutmütig von seinem Kopf. Smettbo fiept fröhlich, dann nimmt es sie Schwung und trudelt in großen Bögen zurück auf ihren Platz. Louis zieht eine Augenbraue hoch und ich lache. Das kleine Pokémon gefällt mir. "Ethan, starte mit Fuchtler!", befiehlt Louis und ich kann gerade noch Garados´ positiv überraschtes Gesicht erkennen, bevor er sich in Bewegung setzt und weit mit seinem Schweif ausholt. "Giftpuder, Smilla." Smilla breitet die violett und silbrig glänzenden Flügel aus und schlägt mehrmals in Richtung Garados, das innerhalb von Sekunden von einer lila Staubwolke umhüllt ist. Dann trifft Ethans Fuchtler und Smettbo überschlägt sich mehrfach, bevor es auf den Boden prallt und wimmernd liegen bleibt. "Dein Garados hat einiges an Kraftreserven", sagt Kai anerkennend und betrachtet sein Smettbo, das sich langsam wieder auf die kleinen Füßchen rappelt und vorsichtig in die Luft schwebt. Ich wende meine Aufmerksamkeit Louis zu, der immer noch nicht geantwortet hat. Stattdessen ist sein Blick auf Ethan fixiert. Ethan ist über und über mit violettem Puder bedeckt, jeder Atemzug lässt ihn husten und sich schütteln. Das Gift hat angeschlagen. Verdammt! Wir haben schließlich auch noch Sichlor vor uns. Trotz der Vergiftung drischt Ethan ein weiteres Mal auf Smettbo ein, dieses Mal heftiger als zuvor. Das kleine Käferpokémon konnte sich zuvor schon kaum in der Luft halten, jetzt schlägt es mit einem lauten Knall auf dem Arenaboden auf und bleibt endgültig liegen. Kai verzieht mitfühlend das Gesicht, dann ruft er Smilla zurück. Ethan hechelt, als das Gift sich immer weiter in seine Lunge vorarbeitet. "Dann beenden wir es jetzt", sagt Kai und Louis nickt. Seine Schultern sind angespannt. Sichlor materialisiert sich in einem roten Blitz und spreizt kreischend seine Scheren, eine Geste, die Garados mit ohrenbetäubendem Gebrüll erwidert. Ich halte mir schnell die Ohren zu, aber Louis verzieht nicht mal das Gesicht. "Ethan, attackier ihn weiter wie bisher. Keine Gnade." "Verfolgung, Sichlor, lass dich nicht von seinem Fuchtler treffen." Sichlor schießt auf Garados zu, das nun unkontrolliert um sich schlägt. Den ersten beiden Attacken weicht Sichlor aus, aber dann wird es unachtsam und Ethans Schwanz trifft es von hinten im Rücken. Es kreischt, springt in die Höhe und wirft Ethan einen tödlichen Blick zu, dann beschleunigt es aus der Luft heraus und verschwindet. Garados wirft den Kopf wild hin und her, während ich die Luft und den Boden nach Sichlor absuche. Dann entdecke ich einen grünen Schimmer, der hin und her springt und schließlich direkt vor Garados zum Stillstand kommt. Sichlor schreit siegessicher, dann schießt es nach vorne und trifft Ethan mit seiner Verfolgung direkt zwischen den Augen. Garados brüllt und wirft den Kopf zur Seite, Sichlor stößt sich von seiner Stirn ab, überschlägt sich in der Luft und landet grazil vor Kai, wo es erschöpft aber grinsend auf ein Knie sinkt. Ich werfe einen schnellen Blick zu Ethan und Louis. Garados leidet unter dem Gifteinfluss, sein Kopf ist zu Boden gesunken und er würgt wieder und wieder lila Schleim aus, der das Gras auf dem Arenaboden verwelken lässt und ziemlich übel riecht. Louis hat inzwischen einen Schritt nach vorne gemacht, wagt es aber nicht, Ethan zu berühren, denn das wäre gegen die Regeln. Während des Kampfes darf ein Trainer nicht direkt mit seinem Pokémon interagieren, es sei denn, es ist unbeabsichtigt. "Komm schon Ethan, du hast es fast geschafft", fleht Louis und sucht Ethans Blick. Als Garados den Kopf zu ihm dreht, sehen die beiden sich tief in die Augen, blau in blau. Mir läuft ein Schauer über den Rücken. "Sichlor, nochmal Verfolgung", befiehlt Kai und ich balle die Fäuste. Louis hat keine Zeit mehr! Während Sichlor sich aufrappelt und los schießt, bäumt Garados sich mit letzten Kräften aus. Louis steht hinter ihm und gibt Anweisungen. "Dein Fuchtler ist abgeklungen, du bist vergiftet und verwirrt, ich weiß. Aber wir haben es fast geschafft. Beende es, egal wie. Triff ihn wie du nur kannst!" Ethan knurrt, dann spuckt er eine weitere Ladung violetten Schleim auf den Boden und hebt den gewaltigen Kopf. Als er sich zu voller Größe aufgebäumt hat, erkenne ich Sichlor, das an einem der Bäume vorbeirast und auf Ethans Flanke zielt. "LINKS!", schreit Louis und ohne zu zögern reißt Garados sein gewaltiges Maul auf und lässt seinen Kopf zu seiner linken Seite rasen. Ich höre noch ein Knirschen und ein lautes Kreischen, dann herrscht gespenstische Stille. Ich hebe vorsichtig den Kopf und reiße die Augen auf. Ethans Kiefer ist um Sichlor geschlossen, dessen eine Klinge tief in Garados´ Flanke steckt. Ethan beißt fester zu und Sichlor kreischt erneut, während es kraftlos mit der freien Schere nach Ethans Kopf schlägt. Fast eine ganze Minute bleiben sie in dieser Situation und ich stehe langsam auf. Garados´ Atem geht pfeifend und Sichlors Augen fallen immer wieder zu. Louis zittert vor Anspannung am ganzen Leib und selbst Kai, der den ganzen Kampf über sehr ruhig war, hat einen Schritt nach vorne gemacht. Da öffnet Garados sein Maul und Sichlor fällt reglos heraus. Als es auf dem Boden aufschlägt, bewegt es sich keinen Zentimeter mehr. Ethan selbst knickt ein, sein gewaltiger Kopf schlägt auf dem Boden auf und violette Flüssigkeit rinnt aus seinem gewaltigen Maul. Es schließt erschöpft ein Auge, aber das andere bleibt offen und spießt Kai mit einem herausfordernden Blick auf. Kai lächelt und ruft Sichlor zurück. "Das war ein grandioser Kampf, Louis. Dein Garados hat mir ganz schön Kopfzerbrechen bereitet, und zu Recht. Wie es trotz der Vergiftung und Verwirrung gegen Sichlor gewonnen hat, ist bemerkenswert. Ich bin beeindruckt." Louis atmet erleichtert aus, dann geht er zu Kai, der ihm seine Hand hinhält. Als er an Ethans Kopf vorbeigeht, zögert er nicht mehr. Er tätschelt dem großen Pokémon den Kopf und flüstert etwas, dann erwidert er Kais Handschlag. "Danke, aber das Lob hat Ethan verdient, nicht ich. Er war der Hammer." "Das war er. Aber er hat es deinem Vertrauen und deiner letzten Anweisung zu verdanken, dass er gewinnen konnte. Trainer unterschätzen oft ihren eigenen Einfluss auf den Kampfgeist ihrer Pokémon." Kai lächelt und greift in seine Tasche. "Aber darüber müssen wir nicht weiter diskutieren. Der gehört dir." Er reicht Louis den Insektenorden. "Du hast ihn dir wirklich verdient." Ich laufe zu Louis und umarme ihn breit grinsend. "Gut gemacht, Champ", sage ich und wuschele ihm durch sein blondes Zaushaar. "Das war Fernsehreif." "Ach was...", murmelt Louis, aber seine Augen leuchten. Dieses Erfolgserlebnis hat er nach seiner Pechsträhne echt gebraucht. Ich drehe mich um und streichele Ethan über die gewaltige Schnauze. "Und du erst", sage ich und grinse ihn an. Ethan knurrt zustimmend, dann schließt sich auch sein zweites Auge und bleibt bewusstlos liegen. "Louis, wir sollten Ethan und Winry ins Pokécenter bringen", rufe ich ihm zu. "Stimmt." Er kratzt sich an der Nase und verabschiedet sich nochmal von Kai und den anderen Vorkämpfern, die jetzt ebenfalls auf die letzte Plattform gekommen sind, um ihm zu gratulieren, dann ruft er Ethan zurück und wir machen uns auf den Rückweg.   ooo  "Haben wir alles?", frage ich zwei Tage später, als Louis mir meine Zahnbürste zuwirft und ich sie in meinem Rucksack verstaue. "Glaube schon. Hey, hast du meine Boxer gesehen?" Ich verdrehe die Augen. "Ich bin nicht für deine Unterwäsche verantwortlich, Louis. Gott!" "Hätte ja sein können...", murrt er, als er aus dem Bad kommt und sich an seinem eigenen Rucksack zu schaffen macht, während ich versuche, meinen Schlafsack zusammen zu rollen. Nach dem Arenakampf am Sonntag haben wir den Montag damit verbracht, alle Läden in Azalea City abzuklappern und uns mit Tränken, Fertigessen und neuen Klamotten einzudecken, letzteres vor allem auf meinen Wunsch hin. Meine Strumpfhose ist völlig hinüber und außer meinen Shorts habe ich keine Hosen. Die nächsten Tage soll es zwar weiterhin warm bleiben, aber man weiß nie, wann einen die Kältefront überrascht und nachts ist es sowieso immer kühler als tagsüber. Außerdem steht der Herbst vor der Tür. Und bis Viola City sind wir immerhin gute zwei Tage unterwegs, wenn wir uns beeilen. Keine Märkte, keine Häuser und nach dem Einheitstunnel auch kein Pokécenter mehr. "Bist du sicher, dass du nicht wieder nach Dukatia City willst?", frage ich, während ich mich auf meinen Rucksack setze, um ihn zu zukriegen. Verdammter Reißverschluss. "Machst du Witze?", fragt Louis, der seine vermisste Unterhose unter dem Bett hervor fischt und nachdrücklich damit durch die Luft wedelt. "Erstens ist Bianka vielleicht noch nicht zurück und zweitens bringen mich keine zehn Gallopa wieder in diesen Wald. Schon gar nicht allein." "Touché." Eigentlich bin ich ganz froh, dass er mitkommt. Ich kann Einsamkeit nicht gut ab und außer Ruth und Gruppe sind sonst keine Trainer hier. Die Drei wollen, wenn ich mich richtig erinnere, morgen ebenfalls abreisen, allerdings in Richtung Dukatia. Die können froh sein, dass Louis und ich uns schon um das Hypno gekümmert haben. "Ich glaube, das war´s", sagt Louis und verschränkt zufrieden die Arme. Sein Rucksack platzt aus allen Nähten, aber immerhin ist alles drin. Was man von meinem nicht sagen kann. Louis schaut zu mir und als er sieht, wie ich mich abmühe, lässt er sein Zahnlückengrinsen hervor blitzen und hilft mir mit dem Reißverschluss. "Puh", sage ich nach einer Weile und wische mir eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht. "Das wär´s. Wir können los." Wir schauen uns ein letztes Mal in unserem Zimmer um. Die Betten sind abgezogen, die Handtücher habe ich unterm Arm und das Fenster steht auf Kipp. Louis schließt hinter uns ab, dann kämpfen wir uns die schmale Treppe nach unten, wo Joy bereits auf uns wartet. Sie nimmt mir die Handtücher und Louis den Schlüssel ab und verschwindet damit in einem Hinterraum. Als sie wieder kommt, hat sie ein verschnürtes Bündel dabei, das sie Louis augenzwinkernd an den Rucksack schnürt. "Hab ich was verpasst?", frage ich mit hoch gezogenen Augenbrauen, aber Joy schmunzelt nur und Louis grinst mich breit an. "Nichts wichtiges, mach dir keinen Kopf." "Wie du meinst...", sage ich und schaue Joy ein letztes Mal fragend an, die nur mit den Achseln zuckt." Meinetwegen." murmele ich gespielt verletzt und Louis tätschelt mir den Kopf. "Du wirst es noch früh genug erfahren, keine Sorge." Als wir das Pokécenter verlassen und uns Richtung Osten wenden, entdecke ich ungewöhnlich viele Menschen, die dort auf uns warten, unter ihnen Kai, Reagan und die anderen Köhler. "Was wird das denn?", flüstere ich Louis zu, als wir uns der Gruppe nähern. "Keine Ahnung, aber ist das da nicht Kurt?" Er deutet auf einen alten Mann, der gebückt auf einen wild geschwungenen Gehstock gestützt ist und uns mit griesgrämiger Zufriedenheit betrachtet, eine Kombination, die mir nicht ganz geheuer ist. Neben ihm steht ein Mädchen, ungefähr in unserem Alter. Sie hat eine große Umhängetasche und einen Gitarrenkasten auf ihrem Rücken. Um ihren Hals hängen quietschgelbere Kopfhörer, aus denen leise Musik tönen und ihr pechschwarzes Haar ist und in alle Himmelrichtungen gegelt. "Und wer ist das?", flüstere ich, doch Louis hat keine Gelegenheit mehr zu antworten, denn wir haben die Gruppe bereits erreicht. "Abby, Louis", begrüßt Kai uns und wartet, bis wir näher gekommen sind, bevor er weiterspricht. "Im Namen von ganz Azalea City möchte ich mich zum einen bei euch entschuldigen, dass ihr hier so viel durchmachen musstet und euch gleichzeitig danken, dass ihr jede der Situationen so bravurös gemeistert habt. Ihr habt unseren Steineichenwald von einem aggressiven Hypno befreit und der Polizei wichtige Hinweise zu der Team Rocket Affäre geliefert. Ich und die anderen Bewohner sind stolz, mit so wunderbaren Trainern Kontakte geknüpft zu haben. Ihr seid jederzeit herzlich hier willkommen." "Wow, danke", erwidere ich perplex. "Gar kein Problem", sagt Louis, sein Grinsen so breit, dass es sein Gesicht spalten müsste. "Wir helfen doch gerne aus." "Und da wir nicht wollen, dass ihr wieder in so einen Schlamassel geratet, wenn ihr uns verlasst, haben Kurt und ich uns eine kleine Überraschung überlegt", sagt Kai schmunzelnd und das Mädchen mit der Gitarre macht einen großen Schritt nach vorne. Dann verbeugt sie sich tief, zieht einen imaginären Hut und grinst uns anschließend von unten her breit an. Auf ihren Zähnen glänzt eine Zahnspange. "Gestatten, Maisy." Sie zieht eine rote Cappie aus ihrer Hosentasche und setzt sie sich auf. "Ich bin Kurts Enkelin und bis Viola City euer Guide. Freut mich, eure Bekanntschaft zu machen!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)