Abbygails Abenteuer von yazumi-chan (Road to Lavandia) ================================================================================ Kapitel 14: Eiskalt (Blumenmädchen) ----------------------------------- Einen Moment lang stehen sich die beiden wortlos gegenüber, während ihre Pokémon sich gegenseitig beobachten. Arkani ist der erste, der sich bewegt. Er geht langsam seitwärts und Pandora folgt ihm wie ein Spiegelbild. „Nightmare, Feuerzahn!“, schreit Robin und Arkani springt in die Luft, dann rennt es auf Pinsir zu. „Pandora, Schwerttanz!“, ruft Caro und Pandora schlägt ihre Hörner wieder und wieder aneinander. Dann rammt Arkani sie und vergräbt seine feurig glühenden Zähne in Pandoras Schulter. Sie kreischt und windet sich aus seinem Griff, wodurch Arkani zurück gedrängt wird und sie wild anknurrt. „Nochmal Feuerzahn!“, ruft Robin und Arkani schleudert sich Pandora erneut entgegen. „Schaufler!“, schreit Caro und Pinsir beugt den Kopf, gräbt sich in den Boden und entgeht Arkanis Attacke um Haaresbreite. „Was?“ Robin starrt Caro an. Sie lächelt süffisant und verschränkt wieder ihre Arme. „Du hast mich einmal auf dem falschen Fuß erwischt, das gebe ich zu. Aber du hast deine Chance vertan, Robin. Eine Woche ist mehr als genug Zeit, mein Team aufzustocken.“ „Dein Pinsir kann nicht stark sein, BM,  spiel dich nicht so auf. Du magst ihm Schaufler beigebracht haben, aber ein niedriger Level wird sein Untergang sein.“ „Stimmt“, erwidert Caro und Robin sieht sie komisch an. „Warte auf Pinsirs Attacke, dann weich aus und beende es mit Feuerzahn, Nightmare.“ Arkani heult und scharrt mit den Pfoten. Ich kann Pandora nirgends sehen, sie muss tief unter der Erde sein. Caro sieht angespannt aus. Sie hält wie jeder in der Passage nach einer Erhebung im Boden Ausschau, die Pandora verraten könnte, aber da ist nichts. Plötzlich jault Arkani auf und wird mehrere Meter in die Höhe geschleudert. Aus dem Boden unter ihm schießt Pandora, die Scheren auf ihrem Kopf klappern bedrohlich aneinander. Arkani fällt mit einem lauten Knall zu Boden. Hechelnd versucht er, aufzustehen, aber seine Beine geben unter seinem Gewicht nach. Robin schaut sein Pokémon fassungslos an. „Nightmare…“, flüstert er und Arkani schaut zu ihm, dann sackt sein gewaltiger Kopf zur Seite und das Pokémon wird bewusstlos. Die Flammen auf seinem Fell schrumpfen, bis nur noch ein schwaches Glimmen übrig bleibt. „Das kann nicht sein…“ Robin starrt sein besiegtes Pokémon fassungslos an, dann zeigt er vorwurfsvoll mit dem Finger auf Caro. „Du hast nicht gewonnen! Das ist nicht dein Pokémon!“, schreit er. „Huh?“ Caro zieht eine Augenbraue hoch. „Ich habe es diesen Dienstag frisch gefangen. Einer deiner Biker-Freunde sollte mich vom Käferturnier zurückkommen gesehen haben. Wenn du mir nicht glaubst, kannst du gerne eigenhändig die Dokumente einsehen. Wir können einbrechen wenn du willst.“ Sie zwinkert ihn verschwörerisch an. „Jetzt gleich, was hältst du davon?“ „Du bist ein Miststück, BM! Aber ich bin noch nicht fertig mit dir.“ „Oh, ich dachte das wärst du“, erwidert Caro gelassen und zieht eine Zigarette aus ihrer Jeanstasche. „Von hier an kennen wir nämlich schon das Ergebnis. Meine Pokémon werden dich ausradieren.“ „Das werden wir noch sehen, Mantis.“ Caro zuckt die Schultern. „Zeig, was du kannst.“ „Los, Ripper!“, schreit Robin und ein Magnayen taucht vor ihm auf, sein schwarz und grau gestromtes Fell ist aufgestellt und es faucht, während rote Augen uns in die Mangel nehmen. Caro wirkt nicht beeindruckt. „Gewissheit!“ Magnayen springt zweimal hin und her, dann läuft es auf Pinsir zu und springt hoch in die Luft. „Kreuzschere“, befiehlt Caro und als Magnayen auf Pandora zufliegt, reißt sie den Kopf in die Höhe und schleudert Magnayen mit ungeheurer Gewalt über ihren Kopf in unsere Richtung. Ich springe zur Seite, um von dem Körper nicht getroffen zu werden. Magnayen bleibt wenige Meter hinter uns liegen. Es rührt sich nicht. Robin knirscht mit den Zähnen und greift nach dem nächsten Pokéball. Aber die Hand eines seiner Gefolgsleute hält ihn fest. Der Mann mit Glatze und Tattoos auf beiden Armen schüttelt den Kopf. „Mach es nicht schlimmer als es ist“, sagt Caro entspannt und zieht ihre Zigarette in einem Zug leer, dann wirft sie den Stummel vor sich auf den Boden. „Wir beide wissen, dass du nur noch einen zweiten Unlichttyp hast. Erspar dir die Demütigung und verschwinde aus meiner Stadt.“ Ihre Stimme ist ruhig, aber es liegt so viel Abneigung darin, dass es mir kalt den Rücken runterläuft. Robin reißt sich von dem Tattoomann los und ruft Ripper zurück. „Das ist noch nicht das Ende, BM. Ich komme wieder, darauf kannst du Gift nehmen.“ „Habe ich nicht vor“, erwidert Caro und fügt leise hinzu, „Fucker.“ Robin dreht sich um und stößt jeden, der ihm im Weg steht, zur Seite. Ich erwarte, dass seine Anhänger ihm folgen, aber bis auf drei oder vier bleiben alle hier. Caro fährt sich durch ihr himmelblaues Haar und seufzt. „Bist du hier, Gregory?“, ruft sie laut und alle schauen sich verwirrt um. Dann wird es kalt. Auf Wänden und Boden bildet sich eine zarte Eisschicht, die am anderen Ende der Passage beginnt und sich unter den Füßen der Zuschauer fortsetzt, bis sie uns erreicht. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Hoodie bis ganz nach oben und die Kapuze auf, aber es hilft nichts. Neben mir zieht Caro ebenfalls ihren Mantel an. Ich zittere, als die Menschenmasse sich vor uns teilt. Aus dem Gang, der sich bildet, schwebt ein Pokémon, dicht gefolgt von seinem Trainer. Das Frosdedje summt leise und seine Stimme klingt wie das Echo eines Schneesturms gemischt mit zersplitterndem Eis. Es jagt mir eine zweite Gänsehaut über den Rücken und ich reibe instinktiv meine Arme. Der Mann, der ihm folgt, ist groß, mindestens 1,90m und hat langes schwarzes Haar, das ihm locker über die Schultern fällt. Seine Gesichtszüge sind kantig und herb, aber trotzdem faszinierend. Ebenfalls faszinierend finde ich, dass er außer einer weiten schneeweißen Baggy-Hose nichts trägt. „Ist das... der, von dem du erzählt hast?“, wispere ich und Caro schnaubt. Linda antwortet für sie. „Das ist Gregory. Er übernimmt hier das Kommando, wenn Caro mal weg ist und ist in so ziemlich allem ihre zweite Hand.“ „Und er ist mein Ex“, fügt Caro kalt hinzu. „Hey, Gregory. Ich dachte, wir hatten eine Vereinbarung.“ „Sorry, Hun“, erwidert Gregory, der weiterhin auf uns zukommt. Wieso friert er nicht verdammt noch mal? „Ich hatte zu tun.“ „Du hattest Frauen, Hun“, sagt Caro schneidend. „Du solltest auf den Laden hier aufpassen, keine Rebellion anzetteln.“ „Ich habe nichts angezettelt, duh“, verteidigt sich Gregory und schiebt seine Hüfte ein wenig nach vorne, während er sich am Kopf kratzt. „Musst du mir glauben.“ „Tja, du hast Robin auf jeden Fall nicht davon abgehalten, hier herein zu spazieren und meinen Leuten Lügen aufzutischen. Und am Montag hätten wir deine Hilfe auch gebrauchen können, nur so zur Info.“ „Heeey, chill dich, Caro. Was sollte ich denn tun?“, fragt er und tritt mit einem Fuß Eis vom Boden. Frosdedje klimpert mit eisigen Wimpern und schwebt grazil um Caro herum, deren Mantel an den Ecken zu gefrieren beginnt. „Eis ist auch nicht effektiv gegen Feuer. Außerdem bist du Black Mantis, nicht ich.“ „Es gab andere Wege“, zischt Caro und tut ihr bestes, Frosdedjes frostige Anwesenheit zu ignorieren, aber ihre Lippen sind schon blau. „Schau mal, hun, warum gehen wir nicht ein Stückchen und reden über alles?“ „Hun mich nicht, Greg“, sagt Caro kühl, setzt sich dann aber in Bewegung und Gregory grinst sie siegessicher an. Wir folgen ihm zum anderen Ende der Passage und steigen die Treppen empor. Dann verlassen wir den Untergrund und betreten eine von Dukatias Hintergassen. Ich brauche einen Moment, bis ich Karins Haus weiter südlich erkenne. Ich wusste gar nicht, dass man hier wieder rauskommt. Kaum sind wir an der frischen Luft, ruft Caro Schlitzer und kaum sieht er Gregory, knurrt er auf diese bedrohliche Art, die ich an meinem ersten Tag hier live erleben konnte. Nur zehnmal bedrohlicher, wenn das geht. Beschützend stellt er sich neben Caro, die sich inzwischen eine neue Zigarette angezündet hat und jetzt seinen Hals krault. „Jetzt können wir reden“, sagt sie zuckersüß und Gregory seufzt. „Das war schon immer dein Problem“, sagt er und steckt die Hände in die tiefen Hosentaschen. „Du lässt dich von deinem Pokémon zu sehr rumkommandieren.“ „Ich lasse mich nicht rumkommandieren“, erwidert Caro und setzt sich in Bewegung. „Ich genieße seine Begleitung einfach weit mehr als deine.“ Wir folgen Caro und Linda und ich werfen uns vielsagende Blicke zu. Gregory seufzt, dann hellt sich sein Gesicht plötzlich auf, als hätte er einen genialen Einfall. „Manche Sachen kannst du nur mit mir genießen, Caro. Du weißt schon.“ Er wackelt mit den Augenbrauen und ich muss einen Moment lang nachdenken, bevor ich knallrot werde. „Sagt wer?“, fragt Caro und dreht sich zu Gregory um. „Schlitzer war in jeder Situation eine bessere Gesellschaft als du. In jeder.“ Ihr Grinsen hat etwas von Robins Magnayen, nur Zähne und zurückgezogene Lefzen. Das nimmt Gregory nun endgültig den Wind aus den Segeln und er lässt den Kopf hängen. Frosdedje fliegt zu ihm und hält sein Gesicht in ihren Händen. „Frooos…“ flüstert sie mit ihrer Eissplitterstimme und ich muss mich unwillkürlich schütteln. Frosdedje, die meine Reaktion sieht, schwebt aufgeregt zu mir und umrundet mich mehrere Male. Ihre Nähe ist mit dem Aufenthalt in einem Schneesturm zu vergleichen, nur nicht so warm. „Komm her, Crystal“, ruft Gregory und Frosdedje lässt mich endlich in Ruhe. Ist mir egal, dass er Caros Ex ist, in diesem Moment ist er mein Held. „Also Caro, dann kommen wir eben direkt zum Geschäftlichen.“ „Ich bitte darum.“ Sie zieht an ihrer Zigarette und pustet ihm einen Rauchring ins Gesicht. Gregory ignoriert sie. „Wir haben zwei neue Händler, die sich ihre Erlaubnis bei dir abholen wollen. Du triffst sie morgen Nacht in dem ehemaligen Fotoraum.“ „Namen?“ „Joey und Mike.“ Gregory kratzt sich am Kopf, während er neben Caro hergeht. „Joey verkauft anscheinend irgend ´ne neue Popdroge, frag mich nicht, und Mike hat seltene Items aus Einall, die´s hier noch nicht zu kaufen gibt.“ „Legal oder illegal?“, fragt Caro. „Vorerst legal, aber mit dem Potenzial, nachträglich auf die schwarze Liste zu kommen. Wie immer halt mit dem neuen Scheiß.“ „Ich kümmere mich darum“, sagt Caro knapp und Scherox knurrt zustimmend. „Sonst noch was?“ „Was macht dein Brüderchen? Hab gehört, er ist ein ganz passabler Trainer geworden.“ „Keine Ahnung“, erwidert Caro kühl. „Solange er sich wohl fühlt, kann er machen, was er will.“ „Klingt fair. Hey, Caro.“ Gregory dreht sich kurz misstrauisch zu uns um, dann legt er einen Arm um ihre Schulter und zieht sie ein wenig schneller nach vorne. Scherox knurrt und klappert mit den riesigen roten Scheren. „Warum probieren wir´s nicht nochmal, hm?“, fragt er leise, als würden wir ihn dann nicht mehr hören. „War doch ´ne gute Zeit.“ „Wann genau? Als du noch nicht da warst oder als ich dich rausgeschmissen habe?“ Sie schaut ihn schneidend an. „Ach Carooo, du bist immer so kalt… Gib ´nem guten Typen ´ne zweite Chance, hm?“ Caro schüttelt Gregorys Arm ab und geht weiter gerade aus, als wäre nichts vorgefallen. „Ich gebe keine zweiten Chancen“, sagt sie und es läuft mir kalt den Rücken runter, obwohl Frosdedje mit mehreren Metern Abstand vor uns her schwebt. „Abby, wir gehen“, sagt sie dann und ich beschleunige meine Schritte, bis ich zu den beiden aufgeholt habe. Scherox steht neben mir, aber er schenkt mir keine Beachtung, was in seiner jetzigen Laune wohl ein gutes Zeichen ist. „Wir sehen uns, hun“, verabschiedet sich Gregory und Frosdedje summt eine kleine Melodie, die mir die Haare zu Bergen stehen lässt. Wenn Skus Kreideschrei ein Lied wäre, dann würde Frosdedje es singen. Wie Gregory es aushält, kann ich mir nicht erklären. An der Hauptstraße trennen er und sein Pokémon sich von uns. Linda begleitet uns noch einige Meter, bevor sie sich ebenfalls mit einem Nicken von Caro und einer warmen Umarmung von mir verabschiedet. Dann geht sie in Richtung Kaufhaus. „Wie kommt sie da nachts rein?“, frage ich Caro, während wir zurück zum Blumenladen schlendern. Es ist noch nicht ganz dunkel, aber die Sonne ist bereits untergegangen und der Himmel ist mit dicken, blauroten Wolken verhangen. „Linda hat ihre Methoden“, erwidert Caro und lässt den aufgerauchten Zigarettenstummel zu Boden fallen. „Es gibt mehr als nur einen geheimen Eingang zu den Kellern. Nicht mal die Kaufhausmanager kennen jeden Raum da unten, dafür ist das Gebäude zu alt.“ Den restlichen Teil des Weges verbringen wir in Schweigen. Als wir den Laden erreichen, lasse ich Sku raus. Ihre roten Augen leuchten im Laternenschein und sie schaut mich gespannt an. „Hey Süße“, sage ich und gehe vor ihr in die Knie, wo sie ihren Kopf an Meinen reibt und mit ihrem gigantischen Schweif unter meiner Nase entlang fährt. Caro lächelt, dann schließt sie auf und verschwindet mit Scherox im Schlepptau durch die Tür. „Lust auf einen kleinen Nachtspaziergang?“, frage ich und Sku schnurrt zustimmend. Mit ihr neben mir wirkt Dukatia City nachts nicht mehr bedrohlich oder ungewohnt. Sku hat diese ruhige, entspannte Art, die andere in ihren Bann zieht. Wir schlendern ziellos durch die Straßen, während ich Sku über alles aufkläre, was heute Abend passiert ist. Ich fühle mich schuldig, weil ich ihr in der letzten Woche kaum Gesellschaft geleistet habe. „Wir haben ein neues Teammitglied“, sage ich und Sku hebt interessiert den Kopf. „Ich zeige ihn dir gleich, keine Sorge“, lache ich und steuere ohne es zu merken das Global Terminal an. Die lange Straße, die auf das Hochhaus zuführt, ist mit mehr Straßenlaternen als gewöhnlich in Dukatia gesäumt und ich schaue sehnsüchtig zum Radioturm, der neben dem Bahnhof in die Höhe ragt. „Morgen“, verspreche ich Sku, als wir vorbei gehen und die Fontänen in Sicht kommen. „Morgen besuchen wir den Radioturm. Und niemand wird uns davon abhalten.“ Als wir das Plateau erreichen, stelle ich mich mit Sku an das Geländer, hinter dem es steil bergab geht. Seichte Wellen branden gegen die zwei Meter tiefe Klippe und Gischt spritzt mir in Gesicht. Sku stellt sich auf ihre Hinterbeine und lehnt die Vorderpfoten wie ich an das Geländer. Gemeinsam starren wir in die Dunkelheit. Trotz der nächtlichen Nebel kann ich weit entfernt die Schemen von Inselgruppen erkennen. Ich ziehe Hunters Pokéball aus der Tasche und halte ihn lose in der Hand. Rotes Licht erhellt die Nacht und Ibitak materialisiert sich vor uns in der Luft, wo er gemächlich mit den großen Flügen auf und ab schlägt, um sich in der Luft zu halten. Ich schaue neugierig zu Sku. Sie schnurrt und schaut mich ungläubig an. Wolltest du ihn nicht umbringen? scheint ihr Blick zu fragen und ich wedele wegwerfend mit der Hand. „Er hat sich als sehr nützlich erwiesen. Sku, das ist Hunter. Hunter, mein Starter Sku.“ Hunter krächzt freudig und landet mit schlagenden Schwingen auf dem Geländer, dann lehnt er sich nach vorne und klappt die Flügel ein. Er krächzt erneut und klappert leise mit dem Schnabel. Skus Fell sträubt sich einen Hauch, aber sonst bleibt sie ruhig, was ich als gutes Zeichen nehme. Irgendwann fliegt Hunter davon, seine kräftigen Flügelschläge verleihen ihm eine außergewöhnliche Geschwindigkeit und innerhalb von Sekunden ist er aus meiner Sichtweite verschwunden. Nach ein paar Minuten seiner Abwesenheit mache ich mir Sorgen, aber dann taucht seine dunkle Gestalt in der Ferne auf. In seinem langen Schnabel baumelt irgendein Fischpokémon. Er verschlingt es im Flug, noch bevor er uns erreicht. Ich verziehe das Gesicht, aber was soll man machen. Es ist schließlich nicht so, als würden sie sich in der Wildnis von Beeren und Nüssen ernähren.   Wir kehren irgendwann nachts zu Caros Wohnung zurück. Hunter ist wieder sicher in seinem Pokéball verstaut, ausgelassener und satter als zuvor und Sku hat mich irgendwann davon überzeugt, sie zu tragen. Wahrscheinlich war es mein schlechtes Gewissen, jedenfalls tut mein Rücken weh und meine Beine werden müde, als ich leise die Holztreppe hoch in die Wohnung hinauf steige. Glücklicherweise knarzen weder die Stufen noch die Eingangstür und ich kann unbehelligt in meinem Zimmer verschwinden, wo ich Sku auf mein Bett abschüttele und mich ausziehe. Nur in Unterhose und BH schleiche ich zurück, um mir schnell die Zähne zu putzen. Es hätte mich nicht verwundern sollen, dass ich Scherox auf dem Weg dorthin begegne. Wir scheinen so ein Timing zu haben, bei dem er mich immer in einem möglichst niedrigen Ankleidestatus antrifft. Glücklicherweise hebt er nur kurz den Kopf, dann lässt er sich zurück auf das Sofa sinken und ich kann ungestört ins Bad. Irgendwie hatte ich damit gerechnet, dass Scherox in Caros Bett schläft, aber jetzt kommt mir die Vermutung idiotisch vor. Ihr Bett ist groß, aber nicht so groß. Als ich fertig bin, spüle ich meinen Durst noch schnell mit einem Glas Wasser aus der Küche runter, dann schleiche ich auf Zehenspitzen an Scherox vorbei und zurück in mein Zimmer. Erschöpft aber glücklich mache ich das Fenster weit auf und lasse mich auf das Bett fallen. Vor Habitaks Geklopfe muss ich schließlich keine Angst mehr haben und es ist nun mal wirklich warm. Selbst nachts.   Als ich am nächsten Morgen in die Küche komme, strömt mir ein wundervoller Geruch entgegen. „Morgen“, begrüße ich Caro, die gerade ein Blech dampfender Muffins aus dem Ofen holt. Auf dem Herd brutzelt eine große Portion Rührei. „Morgen.“ Sie stellt die Muffinform auf der Theke ab und zieht die Ofenhandschuhe aus. Sie trägt ein flatternden schwarzen Rock und ein violettes Tank-Top, ihr blaues Haar hat sie zur Seite geflochten. Ich setze mich an den Tisch, während Caro mir zwei Muffins und frischen Joghurt auf den Teller häuft. Dann nimmt sie den pfeifenden Teekessel vom Herd und gießt mir heißes Wasser in eine große Tasse. Mein Lieblingstee liegt bereits neben meinem Teller, also packe ich das kleine Päckchen aus und hänge den Beutel in die Tasse. Das Wasser färbt sich augenblicklich feuerrot. „Was sind das für welche?“, frage ich und zerteile einen der Muffins mit meiner Gabel, während Caro Rührei auf Scherox´ Teller türmt. „Qualotmuffins“, sagt Caro und setzt sich zu mir an den Tisch. Als ich mir den ersten Bissen in den Mund schiebe, prickelt es auf meiner Zunge. Die kleinen Beeren im Muffin sind knackig, obwohl sie gebacken wurden, schmecken süß-sauer und scharf im Abgang, aber in Verbindung mit dem zuckrig süßen Muffinteig und dem frischen Joghurt schmecken sie absolut überirdisch. „Wischo kanscht du scho gut kochen?“, frage ich mit vollem Mund und Caro grinst. „Nur so.“ Ich schaue sie schräg von der Seite an und sie lacht. Die Spannung der letzten Tage ist scheinbar nicht nur mir aufs Gemüt geschlagen. Caro wirkt gleich viel umgänglicher. „Meine Eltern haben sich sehr früh getrennt und weil mein Vater nicht besonders gut kochen kann, hat…“ Sie bricht ab und schaut den Muffin auf ihrem Teller an. Mit einem Mal ist die Stimmung gekippt. „Jedenfalls habe ich es gelernt.“ „Die sind wirklich super“, sage ich, um die Stimmung wieder aufzuheitern, aber Caro starrt weiterhin auf ihren Muffin, bevor sie langsam weiter isst. Scherox wirft ihr einen besorgten und mir einen wütenden Blick zu. „Hast du noch irgendwelche Auslieferungsaufträge für mich?“, frage ich und schiebe mir noch eine Gabel Muffin in den Mund. „Nur zwei. Und morgen ist geschlossen.“ Morgen! „Du hast nicht zufällig einen Fernseher?“, frage ich hoffnungsvoll, auch wenn ich nicht weiß, wo sie den versteckt haben soll. „Ich gucke kein Fernsehen“, erwidert Caro simpel und steht auf, um mir noch einen Muffin auf den Teller zu tun. Auch Scherox bekommt einen ab, auch wenn er misstrauisch daran riecht und mit einem metallischen Knurren das Gesicht verzieht. Abgesehen von Ei scheint er nicht so auf Menschenessen zu stehen. Ich nicke nachdenklich. „Brauchst du sonst noch meine Hilfe heute?“, frage ich. „Wenn du was vorhast, halte ich dich nicht auf Abby“, sagt Caro und sieht mich ernst an. „Du hast mir diese Woche schon mehr als genug geholfen. Mach dir ruhig ein nettes Wochenende. Linda kommt eh gleich vorbei.“ „Okay, cool.“ Ich zerteile meinen dritten Muffin und schmiere Joghurt auf die Schnittfläche, dann nehme ich den Beutel aus meinem Tee und schlürfe daran. Tamottee. Ich stehe auf, hole mir Milch und Zucker und tue von beidem reichlich in die rote Flüssigkeit. Dann nehme ich einen großen Schluck. Der Tamotgeschmack verbrennt mir fast die Zunge, aber die Süße balanciert es gerade so aus, während die Milch das Brennen stoppt. Ich liebe Schärfe. „Ich weiß nicht, wie du das Zeug trinken kannst“, bemerkt Caro und schaut mich mit mildem Interesse an, als wäre ich irgendeine Art seltener Pilz. Ich zucke die Schultern und nehme noch ein paar Schlucke, bis mein ganzer Mundraum angenehm prickelt und brennt, dann mache ich mich über den Rest von meinem Muffin her. „Ich kann nicht zufällig ein paar mitnehmen?“, frage ich. „Als Snack für später?“ „Bedien dich.“ Ich esse zu Ende, dann packe ich vier von den Muffins in eine Brotdose und nehme sie mit in mein Zimmer, wo ich sie zusammen mit meinen Inlinern in meinen Rucksack packe. Dann gehe ich ins Bad, putze mir die Zähne, lasse Sku raus, damit sie sich von Caro ihr Frühstück abschnurren kann und mache mir zwei Flechtzöpfe. Als ich fertig bin, gehe ich mit Caro runter in den Laden, fege kurz und wische die Theke ab, dann rufe ich Sku, die uns träge gefolgt und beinahe die Treppe runter gekullert ist, in ihren Pokéball zurück, nehme Caros Blumenlieferungen an und verschwinde durch die Eingangstür nach draußen. Trotz der frühen Uhrzeit ist es bereits angenehm warm, ein kühler Wind weht mir von der Meerseite entgegen und Vogelpokémon in den Bäumen zwitschern laut, ihre Stimmen gesellen sich zu dem langsam anschwellenden, geschäftigen Treiben von Johtos Hauptstadt. Ich spähe auf den Adressenzettel, den Caro an die Blumen gehängt hat. Eine der Lieferungen geht an eine Frau Maes, die in der Nähe des Fahrradladens wohnt. Weil ich ausnahmsweise Mal nicht in Eile bin, gehe ich zu Fuß. Ich durchquere die Zugüberführung, nicke Menschen zu, die ich schon mal im Blumenladen gesehen habe und biege dann links ab. Ich folge der Straße weiter südlich, während ich links und rechts nach der Nummer 16 Ausschau halte. In dem Hochhaus gleich neben dem Fahrradladen werde ich fündig. Ich gehe zur Tür, suche nach der Klingel mit der Anschrift Maes und drücke. Ich kann das Ding Dong bis nach unten hören. Die Sprechanlage geht an. „Hallo?“, fragt eine junge Frauenstimme. Im Hintergrund höre ich Geschrei. „Blumenlieferung für Frau Maes“, sage ich fröhlich. „Kann ich hoch kommen?“ Statt einer Antwort surrt die Tür und ich drücke dagegen. Als ich ins Innere trete, wird mir kalt, so stark ist die Klimaanlage eingestellt. Ich weiß nicht, in welchem Stockwerk die Frau wohnt, also gehe ich einfach los und hoffe, dass sie mir die Tür aufhalten wird. Froh darüber, die Inliner nicht anzuhaben, stiefele ich drei Treppen hoch, bis über mir das Geräusch einer sich öffnenden Tür erklingt, gepaart mit dem Geschrei aus der Sprechanlage. Ich seufze und gehe die letzte Treppe nach oben. Frau Maes ist schmal wie Caro, aber größer, mit dunklem Teint und schwarzem krausen Haar. Auf dem Arm hat sie ein genauso dunkles Baby mit Pausbäckchen und roten Augen, das ganz wie der Verursacher des Geschreis aussieht. Sie hält es in einem Arm und wiegt es auf ihrer Hüfte hin und her, während sie mit der anderen die Tür offen hält. „Tut mir Leid wegen der Treppen“, sagt sie entschuldigend. „Ich bin jung“, sage ich grinsend und suche den Blumenstrauß für sie heraus. „Soll ich den rein bringen?“ „Ja, bitte.“ Sie sieht erleichtert aus. Ich wüsste auch nicht, ob ich Blume und Baby und Geld und Tür auf einmal in der Hand haben will. Sie tritt zur Seite und macht mir Platz. Ihre Wohnung ist klein und eng geschnitten, mit schmalem Flur, kleiner Küche und zwei weiteren Zimmern, deren Türen geschlossen sind, aber alles wirkt sauber und gepflegt. Ich gehe in die Küche und stelle den Blumenstrauß auf dem Tisch ab, der mit Zeitungen und Notizzetteln gefüllt ist. Frau Maes setzt ihr Baby auf den Boden und räumt schnell die Zeitungen weg. Dann kramt sie Geld aus der Tasche ihrer weiten Baumwollhose und drückt es mir in die Hand. „Vielen Dank für die Mühe“, sagt sie. „Keine Ursache.“ Ich verabschiede mich, lächle das kleine Baby an und mache mich auf den Weg zur Treppe. Als ich den Abstieg hinter mich gebracht habe, überprüfe ich die zweite Adresse. Sie ist gar nicht weit von hier, auf der anderen Straßenseite gleich neben der Spielhalle. Auf dem Weg dorthin mache ich einen kleinen Zwischenstopp im Kaufhaus. Die letzten Tage war es so stressig, dass ich Papas Item total vergessen habe, aber jetzt habe ich schließlich Zeit. Ich gehe zur Rezeption, zeige meinen Bestellzettel vor und der Kassierer gibt mir ein kleines versiegeltes Päckchen, dass ich in meinem Rucksack verschwinden lasse. Als ich das Kaufhaus verlasse, packe ich es schnell aus. In dem Päckchen liegt dicht versiegelt ein Medaillon, dessen Rück- und Vorderseite durchlässig sind. Darin klebt ein Batzen dunkelvioletter Schleim, der glibberig hin und her wackelt. Ich hole Sku raus und ziehe ihr den Giftschleim an. Als er mit ihrem Hals in Kontakt kommt, schnurrt sie wohlig. Danach besuche ich das Pokécenter. Ich logge mich mit meiner ID an dem Computer ein und beschließe, einige meiner E-Mails zu beantworten. Es ist schließlich fast eine ganze Woche vergangen. Sicher kann es nicht schaden, Mama von meiner Lebendigkeit zu unterrichten. Auf die Gefahr hin, dass sie einen Privatdetektiv engagiert, versteht sich. Als ich mein Postfach öffne, werde ich zunächst von über zehn Nachrichte meiner Mutter überschüttert. Genervt scanne ich die ersten, aber als ich merke, dass sie in jeder dasselbe schreibt, lösche ich einfach alle und gehe direkt zu meiner Antwort über. Hallo Mama. Mir geht es gut. Mach dir keine Sorgen! BITTE! Ich habe einen Ort zum Schlafen, neue Freunde und bin absolut unversehrt und nicht tot. Wirklich. Vertrau mir einfach, ich kann auf mich selbst aufpassen. Setz Papa nicht unter Druck, er weiß auch nicht, wo ich bin. Ich melde mich, wenn es etwas Neues gibt. Grüß alle von mir. Abby Ich drücke auf Senden, dann logge ich mich aus und verlasse das Pokécenter wieder, während Schwester Joy mir fröhlich hinterher winkt. Ich gehe ein Stück die Straße hoch, dann biege ich beim Kasino links ab und suche nach Hausnummer 22. Ein kleines Einfamilienhaus, wenn ich das richtig erkenne, mit grauem Blechdach und brauner Ziegelsteinfassade. Ich klingle und Frau Laval öffnet wenige Sekunden später. Sie ist groß und kräftig, mit feuerroter Hochsteckfrisur und Apfelwangen. Als sie mich sieht strahlt sie und tritt zur Seite. „Komm rein, Kleine, komm rein! Bist du neu bei Caro?“ Ich folge ihrer Einladung und werde in ein üppig eingerichtetes Wohnzimmer mit großen Sofas und genauso großem Flachbildschirm geleitet. „Ja, bin ich“, beantworte ich ihre Frage, stelle die Blumen ab und setze mich auf das dunkelgraue Sofa. Die Wand hinter mir ist rot. „Möchtest du etwas trinken? Tee, Kaffee, Saft, Milch… Ich hab auch was stärkeres, wenn du willst, aber du siehst gar nicht so alt aus...“ Sie nimmt mein Kinn in ihre kräftige Hand und begutachtet mein Gesicht von allen Seiten. „Tee ist toll“, sage ich, ein wenig eingeschüchtert von der Powerfrau. „Tee, wie du magst.“ Sie eilt in die Küche und kommt wenige Momente später zurück, während ich einen Wasserkocher im Hintergrund höre. „Ich finde es ja wunderbar, dass Caroline diesen Auslieferservice anbietet, man wird ja nicht jünger und es gibt immer so viel zu tun. Naja, ich hatte schon mal mehr zu tun, gebe ich zu, seit mein Sohn weg ist, aber das Haus putzt sich nicht von alleine, nicht wahr?“ Ich überlege gerade, ob sie auf meine Antwort wartet, da spricht sie schon weiter. „Aber es ist ja gut, wenn man beschäftigt ist. Es gibt nichts Schlimmeres als Langeweile. Rumsitzen, nichts tun, ich ertrage es nicht. Lass dir einst gesagt sein, nichts ist unerträglicher.“ Sie schaut mich einen Moment lang an, dann weicht ihr Gesichtsausdruck dem von Entsetzen. „Die Kekse!“, ruft sie und springt auf, soweit das bei ihrer Figur geht. Ich würde sie nie als fett bezeichnen und sie ist schlanker als Linda, aber trotzdem ist ihr ganzer Körper kräftig. Es scheint sie nicht im Geringsten zu stören. Eine Minute später kommt sie mit einem Tablett zurück, auf dem eine Tasse Kaffee, eine Flasche Sahnelikör, mein Tee und eine große Platte ofenwarmer Schokoladenkekse stehen. Obwohl mein Frühstück höchstes eine Stunde her ist, läuft mir das Wasser im Mund zusammen. „Nimm dir, nimm dir, du bist in der Wachstumsphase, da brauchst du ordentlich was zu Essen. Als Gerard noch so jung war, da wuchs er in einem Tempo, das glaubst du nicht, er ist so groß geworden… Aber ich habe ihn ja schon lange nicht mehr gesehen.“ Sie schaut nachdenklich auf das Tablett, dann zuckt sie die Achseln und gießt sich einen großen Schluck Likör in den Kaffee. Ich nehme mir in der Zwischenzeit einen der Kekse und beginne, daran zu knabbern. Warum kann ich Dukatia City eigentlich jeder so wundervoll kochen? „Wo ist ihr Sohn jetzt?“, frage ich zwischen zwei Bissen und Frau Lavals Gesicht hellt sich sofort auf. Sie scheint die Art von Frau zu sein, die für jeden Grund zu reden dankbar ist, und wenn es um das Schlafverhalten von Bummelz ginge. „Zuletzt war er auf irgendeiner abgelegenen Insel in Hoenn unterwegs, auch wenn ich nicht genau weiß, was er dort zu suchen hat. Wahrscheinlich trainiert er seine Pokémon, er ist ein Pokémontrainer musst du wissen, aber er verfolgt merkwürdige Ziele. Ich weiß nie, was in seinem Kopf vor sich geht.“ „Wieso merkwürdig?“ „Als er seine Reise vor zwei Jahren begann, wollte er der stärkste Pokémontrainer der Welt werden und ging nach Viola City, um seinen ersten Orden zu gewinnen. Aber danach ist er kreuz und quer durch Johto gereist, ohne weitere Arenen zu besuchen und schließlich hat er seine Reisen auf Kanto und Hoenn ausgeweitet. Ich weiß wirklich nicht, was er jetzt gerade macht. Aber er ist ein großer Junge, er passt schon auf sich auf.“ „Ich wünschte, meine Mutter wäre so entspannt“, sage ich und trinke einen Schluck Tee. „Du wohnst nicht hier?“, fragt Frau Laval und nimmt sich ebenfalls einen Keks, den sie in ihren Kaffee mit Schuss tunkt. „Ich komme aus Orania City“, sage ich. „Ich bin erst seit einer Woche hier.“ „Du hast also eine dieser Klammermütter… Aber nimm es ihr nicht übel. Ich hatte damals auch eine harte Zeit. Ich wusste ja nicht, was Gerard auf seinen Reisen passieren würde. Mittlerweile weiß ich, dass er gut auf sich aufpassen kann, aber eine Mutter muss erst mal dieses Vertrauen in ihr Kind bekommen. Gib ihr ein paar Wochen Zeit, melde dich regelmäßig und sie wird schon merken, dass sie sich keine Sorgen machen muss.“ Sie legt ihre fleischige Hand auf meine Schulter und drückt kräftig. „Das sind nun mal Mütter. Sie machen sich unnötig Sorgen, reagieren über, aber nur, weil sie ihre Kinder lieben. Es wird besser, keine Sorge.“ „Gut zu wissen“, erwidere ich und beiße noch einmal in meinen Keks, bevor ich meinen Tee austrinke. „Ich muss dann jetzt weiter, Frau Laval. Danke für den Tee und die Kekse, die waren toll.“ „Ach, nichts zu danken, Schätzchen, hier ist das Geld, hier ist das Trinkgeld und nimm dir noch ein paar von den Keksen mit, sonst esse ich die alle alleine auf.“ Sie steht auf und zwinkert mir verschwörerisch zu. Ich bedanke mich nochmal, packe ein paar von den Keksen zu den Muffins in die Dose, stecke das Geld ein und werde von Frau Laval zur Tür begleitet. „Ich heiße Abby“, sage ich und reiche ihr meine Hand. „War nett, sie kennen zu lernen.“ „Die Freude ist ganz auf meiner Seite, es war schön mit dir zu plauschen. Gute Heimreise.“ Sie winkt mir nach, als ich die Straße nach Süden zu Karins Haus nehme. Es gibt da noch etwas, dass ich mit ihr besprechen möchte.   Als ich klopfe, macht Karin beinahe sofort die Tür auf. „Ich warte schon die ganze Woche auf dich“, sagt sie vorwurfsvoll und lässt mich rein. Wir setzen uns zu ihr aufs Sofa und ich erzähle ihr von den stressigen Tagen, ohne den Untergrund oder Caros zweite Identität zu erwähnen. Ich weiß nicht, wie viel Karin weiß, aber ich will nichts ausplaudern. „Ich muss mich für Margrets Verhalten entschuldigen, Abby“, sagt Karin schließlich und nimmt meine Hand in ihre eigene, runzlige. Sie ist ganz warm. „Margret war immer ein liebes Mädchen, auch wenn sie anderen gehörig ihre Meinung sagen konnte, wenn sie wollte. Aber Evas Tod hat sie verändert. Zu mir ist sie wie immer aber manchmal glaube ich, dass sie eifersüchtig wird, wenn jemand anderes in unseren engen Kreis aufgenommen wird. Als wäre Evas Andenken etwas, das man wegsperren und beschützen müsste.“ Sie seufzt. „Dazu kam sicherlich auch der Stress vor dem Urlaub, du weißt ja, wie das ist, man muss packen, alles organisieren…“ Sie schaut mich entschuldigend an. „Kein Problem“, sage ich und drücke Karins Hand. Sie lächelt. Ich löse unsere Hände, dann hebe ich den Kopf und schaue Karin direkt an. „Wäre es übrigens möglich, dass ich morgen Abend hier Fernsehen gucken könnte? So um… 20:15 Uhr?“ Karin grinst. „Das ließe sich einrichten. Ich gucke da allerdings schon eine Reportage. Wenn du also etwas Bestimmtes gucken willst…“ „Oh, Reportage klingt gut“, sage ich. „Ich persönlich finde ja, dass PCN die besten Reportagen bringt.“ Karin lächelt mich wissend an. „Da bin ich ganz deiner Meinung, Abbygail. Also, morgen Abend?“ Sie streckt mir ihre Hand entgegen und ich ergreife sie einem traditionellen Handschlag. „Abgemacht“, stimme ich zu und grinse. Der Abend ist gerettet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)