Wie Sommer in Deinen Augen von Jaelaki ([Sai & Sakura]) ================================================================================ Kapitel 11: Wie Blitze in Deinen Augen -------------------------------------- Etwas, das ihm den Atem raubte. Etwas, das ihm die Lungen zusammenquetschte und trotzdem tief durchatmen ließ. Ihre Worte hallten in seinen Gedanken wider. Vielleicht begann er tatsächlich zu fiebern. Mit gerunzelter Stirn legte er sich seine ANBU-Maske über und rauschte über den Schnee, der noch durch keine Fußspur gezeichnet war. Missionen waren nicht ruhmreich. Missionen waren nicht heldenhaft. Missionen waren dreckig. Er fror in seinem Schlafsack in dem Einmannzelt und wünschte sich, die Abtrünnigen hätten sich den Sommer für ihre Flucht ausgesucht. Im Sommer waren die Nächte während solcher Aufträge erträglich. Seinen Kopf durchkreuzten viele Gedanken. Meistens waren es Gedanken, wie er überleben konnte. Viel häufiger Gedanken, wie sie diese Mission erfolgreich abzuschließen planten. Es waren nüchterne Gedanken. Er hatte nie verstanden, warum ihn manche Ninja um seine Gefühlskälte beneideten. Für ihn war es Teil seiner Ausbildung gewesen, ein gewaltsamer Eingriff in seine Natur, seinen Charakter, ein Kampf ums Überleben. Manchmal fragte er sich, wie er heute wäre, wäre es anders gekommen und wenn er in Sakuras Nähe war, dann bekam er den Eindruck, ihm wurde erlaubt durch ein Fenster zu sehen und sich selbst zu beobachten und er konnte sich verschwommen vorstellen, wie er geworden wäre. Ein Künstler, der sich in Malereien versenkte, ein junger Mann, der in Farben träumte. Wahrscheinlich wäre er nie ein Ninja geworden. Er hätte nie diesen Schmerz ertragen müssen. Diesen Verlust. Er hätte Naruto nicht kennen gelernt und er wäre ihr nie begegnet. Vielleicht hätten sie sich zufällig auf der Straße gesehen, aber niemals mehr als einen Gruß ausgetauscht. Aber er war, wer er war.  Die Nächte waren lang ohne Sakura. Und in seinem Leben hatte er nicht oft die Einsamkeit gespürt. So also fühlte es sich an, wenn man wusste, wie etwas sein könnte. Gefühle, das hatte Sai früh gelernt, waren – problematisch. Gefühl hieß Verletzungen, Streit, Krieg. Gefühl hieß Gefahr, Schwäche, Tod. Gefühl – das war ihm unerbittlich eingedroschen worden – war ein Aspekt, der aus dem Leben zu streichen war, bis nichts mehr außer Instinkten, Rationalität und Gehorsam übrig blieben. Gefühl, das hatte Zeit seines Lebens für Versagen und Untergang gestanden. Vielleicht verstand er deswegen nicht, wie Sakura genau das Gegenteil schaffte. Gefühle, das hatte er in einem Buch gelesen, waren nur der biochemische Vorgang, um höhere Säugetiere in einer aufeinander abgestimmten Gesellschaft überleben zu lassen. Empathie, das hieß: Wie du mir, so ich dir. Freundschaft, das hieß: Zusammen sind wir stark. Liebe, das hieß: Unsere Gemeinschaft wird fortbestehen. Er wollte, dass Sakura seine Gegenwart ebenso genoss, wie er ihre. Er spürte Stärke, wenn sie bei ihm war – nein, er fühlte sie sogar jetzt, hier in diesem Moment, wenn er nur an ihren Blick dachte, an ihr Lächeln, ihre Berührung. Es war unlogisch und er fror. Wenn er von Missionen zurückkam, dann ging er so schnell wie möglich ins Krankenhaus. Die Gesundheitskontrolle war obligatorisch und er zögerte die Durchführung von Aufgaben nicht hinaus. Aufträge, Aufgaben, Missionen. In seinem Leben hatte es nie etwas Wichtigeres gegeben. Falsch. Aufträge, Aufgaben, Missionen waren sein Leben. Genau eine Woche nach ihrer Verabschiedung lehnte er vor ihrer Bürotür. Er trug noch die ANBU-Uniform. Es war wohl nichts Akutes, aber es war Abend und die Gänge leer – eigentlich hätte er auch morgen vorbeikommen können.   Noch bevor sie um die Ecke bog, wusste er, dass sie es war. Ihre Schritte hatten einen eigentümlichen Takt. Klack, klackklack, klack. Als sie ihn wahrnahm, weiteten sich ihre Augen, doch sie ließ sonst nichts durch ihren stoischen Gesichtsausdruck durchschimmern. „Sakura“, meinte er und zog sich die ANBU-Maske vom Gesicht, „ich glaube, ich bin krank.“ „Was? Wieso?“ Offensichtlich hatte sie nicht damit gerechnet, ihn hier anzutreffen – oder überhaupt jemanden. Eigentlich hatte er nicht einmal selbst damit gerechnet. Aber es hörte einfach nicht auf.   „Seit einiger Zeit verspüre ich flatternden Magenschmerzen, mir wird plötzlich kalt, dann heiß und ich leide immer mal wieder unter Schweißausbrüchen – vor allem an den Händen, was angesichts meines spezialisierten Jutsus sehr ungünstig ist“, erläuterte er mit ruhiger Mimik. „Und wann kommt das vor?“, hakte sie nüchtern nach, während sie die Bürotür öffnete.   Er überlegte und irgendwie führten alle Striche zu – „Immer, wenn du in der Nähe bist.“   Sie fuhr zu ihm herum und er sah, wie sich ihre Augen weiteten, sich das Grün ihrer Augen verdunkelte. Wie ein Wald vor einem Sturm. „Oder wenn ich an dich denke.“ Sie räusperte sich und bat ihn in ihr Büro. „Also – Sai“, begann sie und schaute sich in dem Raum um, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Vielleicht suchte sie etwas. Obwohl Sakura ihm den Stuhl gegenüber ihres Schreibtisches anbot, blieb er stehen. „Wenn du möchtest, dann kann ich die Nachkontrolle gleich jetzt erledigen und –“ „Und die Symptome?“ „Ich denke, diese – Symptome werden sich von selbst wieder legen.“ „Naruto meinte, ich hätte mich verliebt.“ Sie sah ihn als, als fürchtete sie seine Worte. Er verstand es nicht. Worte waren ungefährlich. Sie konnten niemanden verletzen oder gar töten. Es waren keine Waffen, sondern Silben, die in der Luft zwischen ihnen hingen. „Sai, ich weiß nicht, ob –“ „Ich weiß es auch nicht, ob es zutrifft.“ Sie schaute ihn an und Verwirrung stand zwischen ihren Stirnfurchen. Ihn kitzelte Wärme, weil er dieses Gefühl verstand – es war selten, dass er etwas auf dieser Ebene so gut nachvollziehen konnte. „Ich habe es nachgeschlagen“, erklärte er weiter, weil er dachte, es würde das Ganze tatsächlich verständlicher machen, „aber die Definition von Verliebtsein schien mir doch sehr unverständlich.“ Sie gluckste und er schaute sie an, das Gesicht unbewegt, weil er es so antrainiert bekommen hatte, doch in ihrer Mimik stand das, was er nicht wusste auszudrücken. Verwirrung, Verlegenheit, Unwissenheit. Und dann war da ihr Lächeln, das in ihren Mundwinkeln aufblitzte. Sein Blick wanderte über ihr Gesicht. Ihr Kinn, ihre Lippen, die Wangen, auf denen Röte lag, die Stirn, die sie in Falten gelegt hatte und das Grün ihrer Augen, welches ihm im Kunstlicht entgegen strahlte. In ihren Augen stand etwas, das er suchte und nicht zu finden wagte. Er glaubte, es zu sehen, aber ein Schleier verhüllte es. Wie Blitze, die hinter Wolken den Himmel durchzuckten. Er streckte eine Hand nach ihrem Gesicht aus, ohne zu wissen, was sie tun sollte, wenn sie ihre Wange erreichte. Sakura wich nicht aus, obwohl er in ihren Augen sah, dass sich ihr der Gedanke aufgedrängt hatte. Seine Fingerspitzen strichen über ihre Schläfe und die Wange und blieb auf ihren Lippen liegen. Als hätte er sich verbrannt, zog er die Hand zurück. „Warum bist du hier?“, fragte sie und er hörte das Krächzen ihrer Stimme, was er nicht deuten konnte. Vielleicht hatte sie Halsschmerzen und war krank. Das würde auch ihre Müdigkeit erklären. Naruto hatte ihm einmal gesagt, dass kranke Leute schlapp waren und viel schlafen mussten, um wieder gesund zu werden. Vielleicht hatte sie sich aber auch einfach nur wieder überarbeitet. Sie räusperte sich und wiederholte ihre Frage, nachdem er sie nur wortlos anstarrte. „Sai? Warum bist du hier?“ Wieder stand in ihrem Blick etwas, als würde sie sich vor seinen nächsten Worten fürchten. „Du hast gesagt, ich soll wieder zurückkommen. Ich bin zurück gekommen.“ Sie sprang beinahe auf von ihrem Stuhl, in dem sie die ganze Zeit so erstarrt gesessen hatte, sprang auf und stand plötzlich vor ihm, so nah, so dicht. Er spürte ihren Atem in seinem Gesicht und es erinnerte ihn an ihre Verabschiedung. Und plötzlich schlang sie ihre Arme um seinen Hals und legte ihre Wange an die seinige. Für einen Moment wusste er nicht, was er mit seinen eigenen Armen machen sollte, doch dann legte er sie auf ihren Rücken. „Stimmt es, was Naruto gesagt hat?“, wollte er wissen. „Ich – was genau?“, hakte sie nach, ohne sich zu rühren. Sie standen einfach da, Arm in Arm und wechselten Worte, die sie gerade so laut sprachen, dass der andere sie hörte. „Stimmt es, dass Leute solche Sachen sagen, wenn man ihnen etwas bedeutet?“ Er spürte, wie sie sich unter seinen Armen verspannte, fühlte, wie sie die Luft anhielt. „Bedeute ich dir etwas?“ Als er es in ihr Ohr geflüstert hatte, verstand er plötzlich, wenn sich Leute vor Worten fürchteten. Worte konnten verletzen oder gar töten – sie konnten einen so tief verletzten, dass selbst ein Medinin nicht mehr helfen konnte. Und so hingen diese Silben zwischen ihnen und Sakuras mögliche Antwort war wie Kunaispitzen auf ihn gerichtet. In diesem Moment überwältigte in der Gedanke, dass er noch nie einem Menschen näher gekommen war. Eine Nähe, die sich nicht in Zentimeter messen ließ. Es hörte sich unlogisch an. Doch als er ihr Nicken an seiner Wange spürte, explodierte ein Gefühl in seinem Bauch, das ihn befürchten ließ, zu implodieren. Beunruhigt flüsterte er ihr zu: „Sakura, ich glaube, mit meinem Magen stimmt etwas nicht. Es fühlt sich an, als ob –“ Doch ihr Kichern ließ ihn den Satz einfach in der Luft hängen bleiben. Er drückte sie einen Arm breit weg, um ihr in die Augen sehen zu können und musterte das Amüsement in den ihrigen mit Skepsis. „Ich weiß nicht, warum du –“ Sie beugte sich zu ihm und beendete seinen Satz mit einem Kuss. Ihre Lippen warm auf den seinigen, ihre Hände lagen auf seinen Armen und dann – dann war da etwas, das ihm den Atem raubte. Etwas, das ihm die Lungen zusammenquetschte und trotzdem tief durchatmen ließ. Als sie den Kuss löste und er die Augen öffnete – wann hatte er die Augen geschlossen? – strich sie ihm durch sein Haar wie nebenbei. „Vielleicht solltest du doch lieber morgen nochmals für die Kontrolle wieder kommen.“ Da leuchteten Blitze in ihren Augen, obwohl die Ringe darunter ihr Gesicht so müde wirken ließen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)