Wie Sommer in Deinen Augen von Jaelaki ([Sai & Sakura]) ================================================================================ Kapitel 3: Wie Regen in Deinen Augen ------------------------------------ Krieg war nicht ruhmreich. Krieg war nicht heldenhaft. Krieg war dreckig. Und es hörte nicht mit den Schlachten auf. Die Feinde mochten besiegt sein, aber die Zerstörung, der psychische Druck, die physischen Schmerzen. Sie alle balancierten an den Grenzen ihrer Belastung entlang, ihrer mentalen Gesundheit, ihrer körperlichen Möglichkeiten. Doch irgendwie schlich sich immer auch ein Alltag mit hinein. Und wenn es nur ein Besucher war, der regelmäßig auftauchte oder ein Patient, der nicht so schnell heimkehrte. Sai sah, wie Sakura manchmal in der Nacht vor dem Zimmer stehen blieb – kurz bevor sie nach Hause ging. Dann wenn die Gänge wie ausgestorben da lagen und die Patienten schliefen. Die junge Frau mit dem roten Haar lag in dem Bett hinter der Glaswand, durch die Sakura mit ruhiger Mimik ihren Blick schweifen ließ, als suchte sie etwas. Es war unsicher, ob die Patientin aus ihrem Koma erwachen würde „Hast du es endlich gefunden?“, fragte Sai in irgendeiner der Nächte hinter ihr und schaute ihr ratlos über die Schulter. Sakura fuhr erschrocken herum und klatschte instinktiv ihre Faust in sein Gesicht. „Es tut mir leid, Sai!“, wiederholte sie zum etlichen Male irgendwie verlegen, ehe sie dann verärgert fortfuhr: „Aber was hast du dir dabei gedacht?“ Er saß auf der Liege in ihrem Büro und presste sich das Tuch unter die Nase, aus der sein Blut tropfte und erwiderte ihren forschenden Blick gleichmütig. „Ich dachte jedenfalls nicht, dass du mir meine Nase brechen würdest“, gab er schulterzuckend zurück. „Deine Nase ist nicht gebrochen“, korrigierte sie leichthin, „du hast Glück gehabt.“ „Das ist eine seltsame Art von Glück“, erwiderte er ehrlich nachdenklich und nahm wahr, wie sie ihn einen Moment lang betrachtete, wie er wohl so da saß, das sich rot verfärbende Tuch unter seine gerötete Nase haltend; und trotzdem fegte ein Lächeln über ihre Lippen. „Nur weil etwas seltsam ist, heißt es nicht, dass es schlecht ist oder schlechter als das Gewöhnliche“, erwiderte sie leise lächelnd und drückte ihm ein sauberes Tuch in die Hände. „Du hast großes Glück“, stellte er in den Raum und sie erwiderte seinen Blick fragend. „Weil du einfach nur gewöhnlich bist.“ In seinen Ohren klang es wie ein Kompliment – und als so etwas in der Art war es auch tatsächlich gemeint gewesen. Doch die Furche zwischen ihren Augenbrauen ließen ihn seine Worte überdenken. „Ich meinte nur –“ „Überstrapazier dein Glück heute nicht, Sai“, unterbrach sie ihn mahnend. Ihre Augen funkelten, das Grün darin wirkte wie leuchtende Acrylfarbe auf weißer Leinwand, „nur weil du Glück hattest bei meinem ersten Schlag.“ Er versuchte, sich die mimetischen Anzeichen einer freundschaftlich-scherzhaften Bemerkung in Erinnerung zu rufen. Allerdings – „Ironie?“, fragte er direkt und das Glitzern in ihrer Iris war keines davon. „Rate doch“, neckte ihn Sakura und genoss offensichtlich seinen ratlosen Blick. Dann schüttelte er den Kopf. „Keine Ironie“, schlussfolgerte er, „wie Naruto meinte: deine brachial-burschikose Art benötigt keine Ironie.“ „Brachial-burschikos?“, erwiderte sie mit zuckender Augenbraue. „Das hat Naruto gesagt?“ Sai zuckte mit seinen Achseln. „Es waren nicht seine Worte, aber –“ „Dem werde ich meine brachial-burschikose Art mal zeigen!“, wetterte sie über seine Worte hinweg. Sai beobachtete ihre Mimik, ihre Augen blitzten, doch in ihren Mundwinkeln zuckte ein Grinsen. Es war verwirrend. „Vielleicht bist du doch nicht gewöhnlich“, korrigierte sich Sai, „du bist dafür zu verwirrend.“ Sakura zog ihm das Tuch aus der Hand. „Ich nehme dieses Fazit einfach mal als Kompliment“, erwiderte sie und warf es in den Mülleimer. Sai widersprach nicht. „Dann sollten wir langsam gehen – es ist schon viel zu spät.“ Sie streckte sich und ihr Nacken knackte unangenehm, als sie aufstand und die Tür des Büros öffnete. „Weswegen warst du eigentlich noch hier? Warum bist du nicht zu Hause?“, fragte sie, während sie die Tür hinter sich abschloss. „Weil es keinen Unterschied macht“, erwiderte er nüchtern. Sie strich sich eine Strähne hinters Ohr und blickte ihn fragend an. Seite an Seite schlenderten sie den Flur entlang. „Natürlich ist es ein Unterschied“, widersprach sie, „ob du zu Hause bist oder hier; hier ist der Schlaf äußerst unbequem, aber zu Hause –“ Sie lächelte ihn von der Seite an. „Dann solltest du regelmäßiger zu Hause schlafen, Sakura. Deine Augenringe sind hässlich.“ Sie stockte, zuerst strömte Ärger durch ihr Gesicht, doch dann musste er Platz machen für Resignation. „Damit hast du leider sogar recht. Mit beidem.“ Ihr Blick verdüsterte sich. „Und heute wäre ich auch schon längst zu Hause, wenn –“ „Du mir nicht die Nase gebrochen hättest?“ „Deine Nase ist nicht gebrochen!“, widersprach sie stur. „Aber wenn du willst, zeige ich dir bei Gelegenheit mal den Unterschied.“ „Ironie?“, fragte er, doch dann schüttelte er den Kopf. „Ich will es gar nicht wissen. Jedenfalls. Ich hoffe, du findest bald, wonach du suchst, Sakura“, meinte er. „Was – ich habe nichts gesucht“, erwiderte sie verwirrt, was ihn seine Augenbrauen heben ließ. „Als du vor dieser Frau gestanden hast, da. In deinen Augen war –“ „Ich denke, da irrst du dich. Ich habe nur nochmals nachgesehen, ob alles okay ist – das mache ich jede Nacht, bevor ich nach Hause gehe.“ „Gehst du jede Nacht nach Hause?“ „Nein.“ „Warum nicht?“ „Weil es kaum einen Unterschied macht“, antwortete sie verschmitzt. „In deinem Gesicht auf jeden Fall“, erwiderte er ernst und erkannte nicht ihre Anspielung, fuhr sich dafür gleich einen Schlag in den Nacken ein – einen außergewöhnlich sanften – für Sakuras Verhältnisse. „Nicht, dass ich dir noch aus Versehen das Genick breche“, erklärte sie ihm und er fragte sich, woher sie wusste, dass er sich fragte, was er sich eben fragte. Oder ob sie es wusste oder ob sie es nur erriet oder ob es ihre weibliche Intuition war oder weibliche Hormone. Naruto meinte meistens, dass es die Hormone waren. Irgendwie waren es bei ihm immer die Hormone. „Sakura“, hob er seine Stimme, „hast du deine Periode?“ Schon als sie sich wie in Zeitlupe zu ihm wandte, ahnte er, dass sie diese Frage nicht erwartet hatte und er zweifelte in demselben Moment an der ganzen Hormon- und-oder Intuitionssache. In ihren Augen blitzte es, wie ein Gewitter, das sich über einem Wald entlud. Ein Sommerwaldgewitter. „Will ich wirklich wissen, warum du das wissen willst?“, fragte sie betont ruhig und er runzelte die Stirn. Ihre Mimik und Gestik, ihr Blick und ihre Stimme. Es war so konträr, es machte keinen Sinn, es widersprach sich in sich selbst. „Bist du wütend?“, fragte er distanziert und sie schnaubte. Bestimmt schob sie ihn durch die Haupttür des Krankenhauses und verschloss sie hinter sich. „Nein, Sai, ich bin einfach nur müde. Du nicht?“ Nachdenklich zuckte er die Schultern. Er wusste es nicht. Es war nicht oft, dass er wusste, was in ihm vorging. Müdigkeit konnte leicht übergangen werden, genauso wie Freude oder Trauer. Wer wusste schon, was sie wirklich bedeuteten? Gefühle, die verräterisch waren auf einer jeden Mission. Gefühlskälte, Kalkül, Nüchternheit, Distanz. Das waren Zustände, mit denen er Zeit seines Lebens aufgewachsen war, damit konnte er umgehen. Sein Blick traf auf den Sakuras. Ihre Augen waren voller Gefühl und Wärme, Nähe und Lebendigkeit, voller Ehrlichkeit und einem Hauch Naivität, der sich in ihrem Alter in feinem Idealismus offenbarte. „Gute Nacht, Sai“, wünschte sie ihm mit einem müden, aber ehrlichen Lächeln. Er nickte ihr zu und verschwand mit einem leisen Pfof. Die Nebelwolke, die er hinterließ, verwischte in einem Windzug. Er hatte nie verstanden, warum ihn manche Ninja um seine Gefühlskälte beneideten. Für ihn war es Teil seiner Ausbildung gewesen, ein gewaltsamer Eingriff in seine Natur, seinen Charakter, ein Kampf ums Überleben. Manchmal fragte er sich, wie er heute wäre, wäre es anders gekommen. Aber er konnte es sich nicht vorstellen. Er war, wie er war. Und mit Fakten konnte er umgehen, mit vagen Möglichkeiten, das fiel ihm schwer. Sakuras Stimme zwang ihn wieder sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. „Kannst du bitte die neu ankommende Medizin in den zweiten Stock bringen und dann –“ Doch sie wurde mitten in der Anweisung unterbrochen. Sai schaute gleichzeitig mit Sakura auf, als eine Krankenschwester ohne anzuklopfen durch die Bürotür polterte und keuchend verkündete: „Sie ist aufgewacht, Sakura-san!“ Ohne ihm noch einen Blick zu zollen, stand Sakura auf, zog ihren Kittel über und folgte der Krankenschwester. Sai befolgte ihre Anweisungen. Mit wenigen Pinselstrichen zog er einen Vogel aus dem Pergament und ließ die neu eingetroffenen Medikamente in den zweiten Stock transportieren. Dort erwartete ihn bereits eine Krankenschwester. „Endlich. Die Medikamente sind spät dran“, begrüßte sie ihn. Es war später Abend und er auf dem Weg zu Sakuras Büro. Er musste noch kurz die Medikamentenlieferung für den nächsten Tag besprechen, als er beobachtete, wie Naruto hartnäckig auf Sakura einredete. Stur schritt sie den Gang entlang, offenbar auf dem Weg in ihr Büro, den weißen Kittel zog sie sich ihm Gehen aus. Dann betrat sie das Zimmer und ließ die Tür hinter sich zu donnern. Sai blickte den beiden nach. Seine Mimik blank, aber seine Gedanken von Verwunderung durchdrungen. In Narutos Miene hingegen standen seine Gefühle und Gedanken wie in einem offenen Buch. Er schaute einen Moment perplex, als er auf die geschlossene Tür blickte, die ihm vor der Nase zugeschlagen worden war, doch dann zog er sie ohne zu klopfen auf und rauschte in den Raum, ohne die Tür zu schließen. Sai blieb instinktiv im Gang stehen. „Bitte, Sakura, du weißt doch gar nicht, ob –“ „Und es geht mich auch nichts an“, schnitt sie ihm das Wort ab, „ebenso wenig wie es dich etwas angeht, ob –“ „Sakura, sie ist nur eine alte Teamkameradin, vielleicht –“ Sie schaute ihn lange an, schweigend, in ihrem Gesicht zuckte eine Emotion, die Sai nicht wiedererkannte. „Genau, Naruto“, seufzte sie. „Und doch war er jeden Tag hier – kurz, aber er war da. Er war da, als sie aufwachte und er hielt ihre Hand, als sie nach ihm fragte. Uchiha Sasuke hielt ihre Hand. Verstehst du?“ „Aber –“, widersprach er und sie seufzte. „Aber es ist okay, Naruto. Bitte schau mich nicht so an, Idiot.“ „Sasuke und dieses Mädchen“, überlegte Naruto laut. „Karin“, fügte sie ein und Naruto wischte es mit einer Geste beiseite. „Wie auch immer – vertraust du ihr? Glaubst du nicht, dass sie in Wirklichkeit ihm irgendwie schaden will und –“ Sakura legte eine Hand auf Narutos Schulter, er verstummte und sah sie mit großen, fragenden Augen an, ein schwaches Lächeln hing in ihren Mundwinkeln. „Sie wäre fast für ihn gestorben“, erinnerte sie ihn. „Ich denke, wenn sie ihm hätte schaden wollen, wäre sie ihm nicht bis hierher gefolgt, sondern hätte es bereits früher.“ Naruto atmete tief durch. „Und jetzt geh endlich nach Hause, Hohlkopf, ich muss noch schnell etwas erledigen“, ordnete sie an, ehe er noch etwas hätte in den Raum werfen können. Naruto blähte die Wangen und es schien als wollte er ihr einen Moment widersprechen, doch dann senkten sich seine Schultern und er sagte nur: „Sie hat eine verdammt hässliche Nase, echt jetzt!“ Sakuras Mundwinkel zuckten, doch sie warf ihm einen mahnenden Blick zu. Mit einem übertriebenen Grinsen wandte sich Naruto um und ging. „Wie auch immer, Sakura-chan. Wenn was ist –“ „Schon klar, Idiot. Geh jetzt!“ Vielleicht war es Narutos Präsenz gewesen, die den Raum zuvor erfüllt hatte, vielleicht war es einfach seine Freundschaft oder sein Lächeln oder das Funkeln in seinen Augen, das Sakura nicht hatte ertrinken lassen in der plötzlichen Stille. Aber nachdem er gegangen war, erfüllte eine drückende Leere das Zimmer. Sai stand im Gang, die Tür geöffnet, nur angelehnt hätte er ohne ein Problem eintreten können. Aber er tat es nicht. Es war, als trennte ihn etwas von Sakura. Eine unsichtbare Barriere. Ein Gedanke. Ein Gefühl. Sie sah auf. Ihm direkt in die Augen. Leere stand darin. Und er verstand, dass nicht nur er sich fragte, wie es heute wäre, wäre es anders gekommen. Und er fragte sich, ob sie es sich vorstellen konnte. Wenn sie ihn heute ansah, dann trübte ein grauer Schleier ihren Blick. Ihre Augen erinnerten dann nur matt an ihren sonstigen Glanz. Ihr Grün ähnelte dem vertrockneten Laubes, das grünbraun verfärbt auf nassen Straßen lag. Wie Regen, der durch ihre Augen rauschte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)