Dunkles Blut von Mayblossom ================================================================================ Prolog: -------- Das Dorf brannte. Es hatte so kommen müssen, dachte er sich, während er die Flammen von weitem beobachtete, die Menschen hatten sich zu weit vor gewagt, und nun den Preis bezahlen müssen. So nahe am Reich der Dämonen zu siedeln musste früher oder später böse enden. Er hörte sie panisch in die Wälder flüchten, einige fielen in den Fallen, doch es war nur eine Warnung gewesen. Die anderen würden überleben und es sich das nächste Mal zwei Mal überlegen, nahe an die Grenzen zu ziehen. Er hörte ein Stolpern aus den Bäumen und seine Hand wanderte automatisch zur Waffe an seiner Hüfte, als er ein kleines Mädchen zwischen den Büschen hervorkommen sah. Seufzend zog er sein Schwert und richtete es auf ihre Kehle. Die Kleine war süß, und mit den beinahe schneeweißen Haaren und dem runden Gesicht für Menschen vielleicht sogar ganz hübsch, so genau hatte er nicht hingesehen, aber sie würde ohnehin gleich sterben müssen. Das Mädchen hielt inne und starrte zu ihm hoch. Sie konnte höchstens fünf Jahre alt sein, wenn nicht noch jünger, und plötzlich hellte sich ihr Blick auf, als sie in sein Gesicht sah. „Papa!“, quietschte sie, ignorierte die blitzende Schwertklinge, die sie einfach mit dem Arm wegschob, und rannte auf ihn zu. Das kleine Menschenkind klammerte sich an sein Bein und lachte, und einen Augenblick lang wusste er tatsächlich nicht, was er tun sollte. Dann verdüsterte sich seine Miene und er knurrte: „Lass mich los, oder ich verteile dein Blut auf dem Boden vor mir, Mensch. Und wage es nicht, mich noch einmal so zu nennen.“ Unbeeindruckt schmiegte sich das Mädchen noch immer an sein Bein. „Sag nicht solche Sachen, Papa.“, quietschte sie und erneut hörte er das Lachen in ihrer Stimme, dann ergriff ihre kleine warme Hand plötzlich seine. „Komm schon, Papa, wir können hier doch nicht bleiben. Wir müssen Mama finden!“ Langsam ließ er sich vor dem Mädchen auf ein Knie nieder, sodass beide sich nun auf einer Augenhöhe befanden. Er blickte ihr tief in die Augen, und hinter dem Lächeln und dem fröhlichen Funkeln sah er die Tränen, und er wusste, dass sie tief in ihrem Inneren wusste, dass er weder ihr Vater noch ein Mensch war. Und diese eine Träne, die er sah, entschied über ihr Leben. Er steckte das Schwert zurück und nahm das Mädchen auf den Arm. Dann trug er sie fort von den Flammen und dem Tod... Ihr kleines Herz klopfte stark an seiner Brust, während er langsam aber sicher das Land der Menschen verließ. „Wo ist Mama?“, fragte das Mädchen leise, und es dauerte lange, bis er antwortete. „Ich weiß es nicht.“ „Wohin gehst du, Papa?“, war ihre nächste Frage, „Wir wohnen nicht hier.“ Innerlich zuckte er noch immer zusammen, wenn sie so mit ihm sprach. Er würde sich vielleicht daran gewöhnen müssen, so genannt zu werden. „Ich weiß.“, sagte er also erneut, „Aber das alte Zuhause ist nicht mehr da. Wir gehen zu einem neuen.“ Das schien sie zu verstehen, also schwieg sie. Wie sollte er sie eigentlich nennen? Er konnte sie schlecht nach ihrem Namen fragen. Dann übertrat er die Grenze zu seinem Reich, und barg das Mädchen intuitiv in seinen Armen. Was zur Hölle tat er hier eigentlich? „Wo sind wir?“, fragte sie ängstlich, und erneut: „Wo ist Mama?“ „Ich weiß es nicht.“, wiederholte er, nun schon mit einer Spur Ungeduld, „Wenn du nicht willst, dass dir etwas passiert, tust du jetzt das was dein Vater dir sagt und bist ruhig.“ Die Kleine starrte ihn aus großen Augen an, dann nickte sie und presste die Lippen aufeinander. Tatsächlich begegneten sie niemandem, und er konnte das Menschenmädchen erst einmal unbemerkt in sein Haus bringen. Sie beäugte das Holz skeptisch, und er konnte es ihr nicht einmal verübeln. Die alte Villa im Herzen des Ortes nahe der Grenze der Menschen befand sich schon seit Generationen im Besitz seiner Familie, die anderen Häuser schmiegten sich beinahe ängstlich an seine imposanten Seiten. Er trat ein und war einmal mehr froh, der einzige zu sein, der hier lebte. Seine Brüder und Schwestern lebten weit weg in den großen Städten und seine Eltern waren längst zu Staub zerfallen. Er war der letzte, der das alte Erbe noch bewohnte, und was hätten sie auch gesagt, hätte er ein Menschenmädchen mit nach Hause gebracht? Vielleicht war es ein Fehler, überlegte er, vielleicht gehörte sie nicht hierher. Doch schon jetzt bekamen die Mauern Leben eingehaucht, als das Glucksen der Kleinen durch die altehrwürdigen Flure hallte. „Es ist kalt, Papa.“, beschwerte sie sich, und er setzte sie im Esszimmer an den großen Eichentisch. „Bleib da.“, befahl er, und schon bald flackerte im steinernen Kamin ein Feuer, auf das sie kichernd zulief. Einen Moment, bevor der Ärmel ihres Kleides in den Flammen gehangen hätten, packte er das Mädchen am Arm. Erschrocken starrte sie ihn an. „Pass auf.“, knurrte er, dann ließ er sie wieder los, und widerstandslos trat sie einen Schritt zurück. „Ich vermisse Mama.“, sagte sie schließlich leise, „Und Paula.“ Wer auch immer Paula gewesen war, ob ihre Schwester oder ihr Haustier oder auch nur ihr Teddy, es spielte jetzt keine Rolle mehr. „Ich weiß.“ War das alles, was er sagen konnte? Ihre Augen füllten sich mit Tränen und flehend blickte sie zu ihm auf. „Du hast mich, mein kleiner Stern.“, sagte er, ohne zu überlegen, was er da eigentlich sagte, „Ich passe auf dich auf, verstanden?“ Langsam nickte sie und wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. „Papa...“, flüsterte sie, und schon lachte sie wieder ihr Kinderlachen und fiel ihm einfach so um den Hals. „Das ist ein komisches Haus, Papa.“, kommentierte sie, noch bevor er irgendetwas erwidern konnte, und stapfte munter den Flur hinab, „So groß. Wer wohnt denn noch alles hier?“ „Wir.“, sagte er trocken, und sie schüttelte den Kopf. „Das ist viel zu groß für zwei. Unser altes Haus war doch auch nicht so groß.“ „Das mag sein.“, erwiderte er, „Dieses nicht.“ Die simplen Antworten schienen die Kleine nicht im Mindesten zu stören, denn schon tapste sie weiter und die Treppe hinauf. Er blieb erleichtert im Esszimmer sitzen und sah ihr hinterher, wie sie sich in seinem Haus umsah. Was sollte denn jetzt werden? Dachte er allen ernstes, er könnte sie behalten? Einen Menschen? Noch dazu ein Kind wie sie? Dann schon tapste sie wieder zu ihm. „Ich hab Hunger.“, ließ sie ihn wissen und versuchte, auf seinen Schoß zu krabbeln. Seufzend packt er sie unter den Armen und zog sie hoch. Das auch noch. Was aß sie denn überhaupt? „Hm.“, machte er nur gedankenverloren, doch sie trommelte mit den kleinen Händen ungeduldig auf seiner Brust herum. „Papa, ich hab Hunger!“, verschaffte sie sich Nachdruck und ihm schien nichts anderes übrig zu bleiben, das zu ändern, wenn er sie nicht verhungern lassen wollte. Abgesehen davon, dass er vorher vermutlich die Geduld verlieren und sie irgendwo aussetzen würde. Vermutlich hatten die Jahrhunderte, die er alleine verbracht hatte, seit seine letzten Geschwister von hier fortgegangen waren, seinem Kopf nicht gerade gut getan, wenn er jetzt schon die Gesellschaft eines Menschenkindes zu suchen schien. Seufzend setzte er die Kleine am Esstisch ab. „Du bleibst hier, ich besorge etwas zu Essen, verstanden?“ Mit etwas Glück war sie von alleine verschwunden, wenn er wiederkam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)