Maskenlos von Jaelaki ([Yamato/Tenzou & Kakashi - light-slash]) ================================================================================ Kapitel 1: Frage dich immer, ob dich eine Maske anlächelt oder ein Mensch. -------------------------------------------------------------------------- I hate feeling like this I'm so tired of trying to fight this I'm asleep and all I dream of Is waking to You. Mit einem unterdrückten Schrei erwachte er und schaute sich instinktiv panisch um. Erst allmählich verlangsamten sich sein hektischer Atem und der Puls, der ihm in den Ohren dröhnte. Schweißgebadet saß er auf der dünnen Isomatte und fuhr sich über die Augen. Die Bilder standen ihm noch immer davor. Diese Bilder, die ihn verfolgten. Immer und immer wieder quälten. „Kakashi-sempai“, drang plötzlich eine Stimme zu ihm durch, die ihm seltsam vertraut und in diesem Moment doch fremd erschien. „Es – ähm – es war nur ein Traum“, murmelte ihm diese Stimme zu, eine Hand ruhte plötzlich auf seiner Schulter und in diesem Augenblick klärten sich seine Gedanken. Er schaute durch diese vertraute Mimik hindurch und wischte die Hand von seiner Schulter ab. Dann bemerkte er, dass seine Maske vom Gesicht gerutscht war. Ausgeliefert fühlte er sich und nackt. Fahrig zog er sie sich wieder über die Nase. „Wenn Sie –“ „Schlaf, Tenzou. Wir sind auf Mission, morgen geht es weiter. Ich kann dich dabei nicht müde gebrauchen.“ Tenzou schaute ihn an, runzelte seine Stirn und er war sich sicher, dass dieser im Begriff war, doch noch etwas zu sagen, als er sich einfach umdrehte und sich in seinen Schlafsack legte. Kakashi blickte ihm nach, dann atmete er kontrolliert tief ein, rieb seine Nasenwurzel und schloss nur einen schwachen Moment die Augen. Wann würde es aufhören? Tell me that You will listen Your touch is what I'm missing And the more I hide I realize I'm slowly losing You. Die Morgensonne brach sich im Tau auf den Knospen der Laubbäume. Die Luft roch frisch, als hätte sie die Nacht wieder rein gewaschen. Der Frühling lockte die ersten Blütenköpfe aus der feuchten Erde. „Wir werden die Mission effizient und sorgfältig durchführen. Wie besprochen müssen wir zunächst –“ Distanziert wiederholte er die bekannten Fakten und präzisierte die Strategie, während sie zielgerichtet in das dichte Gehölz vordrangen. Er spürte Tenzous forschenden Blick, doch der würde niemals das unausgesprochene Verbot brechen. Niemals würde ein ANBU die unsichtbare Mauer aus professioneller Distanz einbrechen. Fakten und Strategien. Das war der beste Schutz vor persönlichen Gesprächen oder tiefergehenden sozialen Kontakten. Er brauchte diese Blicke nicht. Diese Stimmen. Er versuchte nur diese Bilder zu vergessen. Die ihn heimsuchten in der Nacht und in der Stille. „Kakashi-sempai“, durchbrach Tenzou eben diese und blickte ihn an ohne an Geschwindigkeit einzubüßen. Unsicherheit spannte sich dennoch durch seine dunklen Augen, die ihn trotzdem so nachdrücklich fixierten. Dann wich er ihm mit seinem Blick aus. „Ich wollte nur – falls Sie – also.“ Er stolperte über seine eigenen Worte, als kämpfte seine Zunge gegen ihn. Kakashi hob eine Augenbraue und ignorierte dann diesen erbärmlichen Versuch – was auch immer Tenzou eigentlich versuchte. Er wollte nicht. Auch nicht falls. Niemals. „Konzentrier dich, Tenzou“, ordnete Kakashi gleichgültig, „wir sind nicht hier, um zu plaudern.“ Sein Kouhai nickte pflichtbewusst, doch irgendetwas glühte in seinen Augen, wie er sich da so neben ihm von den Ästen abstieß und durch das Dickicht glitt. „Ich wollte nur sagen, dass ich das Gefühl wahrscheinlich kenne.“ Kakashi starrte stur in die Ferne. Äste und Stämme soweit das Auge reichte. Wie eine Fläche, die an ihnen vorbeiflog. „Es geht hier nicht um Gefühle“, erwiderte er kühl, „es geht um Pflichten.“ Tenzou erwiderte nichts und Kakashi hüllte sich in professionelle Distanz. Weil es das Richtige war. Die Regel. Comatose I'll never wake up without an overdose of You I don't wanna live, I dont wanna breathe 'Less I feel you next to me. „Also war die Mission erfolgreich“, schlussfolgerte der Sandaime nach Kakashis Berichterstattung, der daraufhin bestätigend nickte. „Sehr gut. Dann entlasse ich euch hiermit für die nächsten zwei Tage. Ruht euch aus.“ Es klang weniger wie ein gutgemeinter Rat als ein Befehl. Mit einem knappen Nicken erhoben sich Kakashi, dann Tenzou und verschwanden mit einer Verbeugung im weißen Rauch. Wenn er nach einem Gespräch mit dem Sandaime den Hokageturm verließ, ließ er immer seinen Blick nochmals zurückschweifen. Es war eine Gewohnheit. Der Kies knirschte unter ihren Sohlen. Sein Blick fuhr gelangweilt an den Baumästen entlang. Die Knospen zeichneten hier weiße und rosa Blütenblätter, dort ein weiches Grün. Die Luft war frisch, der Wind trug noch Kühle mit sich, die erst der Sommer vollends vertreiben würde. Drückende Stille umschloss sie, die ihn jedoch nicht wirklich störte. Stille bedeutete, dass er keine Antworten liefern musste auf Fragen, die er womöglich selbst nicht beantworten konnte – oder wollte. „Schließen Gefühle Pflichten aus? Oder umgekehrt?“, vernahm er Tenzous nachdenkliche Stimme plötzlich neben ihm. Kakashi rückte sich sein Stirnband zurecht und blieb stehen. Genau solche Fragen. „Bis dann. Du hast den Hokage gehört. Ruh dich aus.“ Damit entwand er sich der erdrückenden Nähe des anderen. Die Zeit kroch und stolperte und dann verrann sie zwischen seinen Fingern. Wie immer eben. Und manchmal fragte er sich, warum er atmete, warum er lebte. Warum. Obwohl er das alles doch gar nicht mehr ertragen wollte – und konnte. Aber das Leben ging weiter. Und irgendwann kam er zu dem Schluss, dass nicht der Tod grausam war, sondern lediglich das Leben und das Warten auf den Tod. Dass nicht die Ungewissheit der Zukunft eine Bürde war, sondern die Gewissheit der Vergangenheit. Dinge, die man nie wieder richtig machen konnte, die einen verfolgten, die man bereute. Bis zum Tod. Er würde ihm nie wieder in die Augen sehen können, nie wieder sein unerträgliches Geschwätz hören, seine Hand auf der Schulter spüren. Nie wieder. Es hätte alles anders sein sollen. Die Gegenwart war wie der ständige Beweis, dass er unverzeihlich falsch gehandelt hatte. Er trug die Last jeden Tag, jede Nacht. Die Frage „was wäre, wenn?“ war unerträglich und ließ seinen Atem in der Brust ersticken. Wann würde es aufhören? Würde es das jemals? You take the pain I feel Waking up to You never felt so real I don't wanna sleep, I don't wanna dream 'Cause my dreams don't comfort me. Er sah ihm in seine dunklen Augen, die ihn vorwurfsvoll anblickten, spürte den Atem des anderen an seinem Ohr und die Stimme, die ihm leise zuflüsterte, dass er versagt hatte, dass er nichts war, nicht einmal Müll. Dass er alles weggeworfen hatte, dass er ihn zurückgelassen hatte wie Müll. Schmutz. Dreck. Dann überströmte ihn Blut und er riss sich das Auge heraus, schrie und schrie und schrie. Der Schrei verfolgte ihn noch, als er mit hektischem Atem aufrecht auf der Isomatte saß. Erst dann erkannte er, dass es sein eigener Schrei gewesen war, der noch immer in seinen Ohren dröhnte. Irritiert suchte er nach diesem Blick, versuchte der Stimme nachzuhorchen. Aber da war nichts als Dunkelheit und Nacht und kahle Bäume, die der Frühling noch nicht erreicht hatte. „Kakashi-sempai“, zog ihn eine Stimme in das Hier und Jetzt. Er sah auf und nahm Tenzous Blick war, der ihn fixierte, Sorge schwebte darin und – „Sie sollten dem Sandaime –“ Kakashi warf ihm einen Blick zu, der alles sagte, zog seine Maske höher und Tenzou verstummte. „Ich übernehme die Nachtwache“, ordnete er lediglich an. Er wollte nicht schlafen, das wollte er nie. Er wollte nicht träumen. Doch wenn er es tat, dann wollte er nicht mehr erwachen. Denn dort konnte er ihm wenigstens nahe sein. Auf eine kranke, bizarre Art und Weise. Aber in seinem Leben war alles krank und bizarr. The way You make me feel Waking up to You never felt so real I hate living without You. Das Dorf war übersichtlich und trotzdem war es schwer an Informationen zu kommen. Die Einwohner misstrauisch. Niemand wollte etwas Konkretes sagen. Wer sprach, handelte sich hier wohl gewöhnlich Ärger ein. Er selbst saß nach einigen erfolglosen Gesprächen an einem Tresen und hörte sich um, sprach mit dem Besitzer und der Kellnerin, die seine Tochter war, doch beide konnten ihm nichts als uninteressanten Tratsch übermitteln. Nachmittags erwartete er Tenzou zurück, der sich im Nachbarsdorf hatte umsehen sollen. „Der gesuchte Abtrünnige könnte nach Norden weiter gewandert sein“, teilte ihm Yamato auf dem Weg außerhalb des Dorfes mit, womit sie endlich auch die misstrauischen Blicke hinter sich ließen und die abweisende Atmosphäre. „Woher hast du die Information?“, halte Kakashi nach. „Er hat auf seiner Reise einen Bauern bedroht und eine Kuhherde geschlachtet. So etwas macht schnell die Runde.“ „Eine Kuhherde?“ „Ja, und dabei soll er geschrien haben: Ich hasse Milch.“ „Das verspricht, ein Spaß zu werden“, erwiderte Kakashi trocken. Sie fegten durch den Wald, der weiche Boden federte ihre Sprünge und schonte ihre Gelenke, die nach etlichen Nächten in unbequemen Positionen und immer abwechselnd in Habachtstellung, durchaus reichlich strapaziert wurden. Missionen waren nicht da, um das eigene Wohlbefinden zu fördern. Sie waren dafür da, um das Wohl des Dorfes zu wahren. Zumindest sagte man das offiziell. Inoffiziell ging es um Macht. „So wie die Leute erzählte haben, soll das ein ganz schön Gestörter sein.“ „Wer ist das auch schon nicht in diesen Tagen?“, murmelte Kakashi. Tenzou erwiderte nichts. Um sie herum verdichtete sich der Wald. Vögel zwitscherten aufgeregt, sobald sie sich näherten. Zwischen den Ästen blies ihnen der kühle Frühlingswind gegen die ANBU-Masken. „Du bist so ein Idiot“, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf. „Es geht nicht um Macht. Es geht darum, deine Freunde zu schützen.“ Sie hörte sich vertraut an. Etwas in ihm krampfte sich zusammen. „Und dafür braucht man Macht“, formte sich sein Gedanke instinktiv. „Es ist trotzdem ein Unterschied, Kakashi. Ein großer.“ „Nein, ist es nicht“, erwiderte er. Er konnte das beleidigte Gesicht förmlich vor sich sehen. Seine blitzenden Augen und der vorgeschobene Mund. „Haben Sie etwas gesagt, Kakashi-sempai?“, fragte Tenzou hinter ihm. Kakashi schüttelte knapp den Kopf. Er hasste es. Diese Stimme, die er nie wieder hören würde. Und das Gefühl, trotzdem weiterleben zu müssen – so zu tun, als wäre es ihm egal. Dead wrong to ever doubt You But my demons lay in waiting Tempting me away. Synchron verlangsamten sie ihre Geschwindigkeit und kamen dann wie auf ein geheimes Zeichen zum Stehen. „Dort“, flüsterte Tenzou leise und Kakashi nickte. Sie verschwanden gleichzeitig und beobachteten den Ninja, der sein Dorf verraten hatte und nun eine Gefahr für alle war. Sie mussten ihn unschädlich machen und dabei die Geheimnisse, die er in sich trug vernichten. „Ich werde ihn übernehmen. Bleib zurück“, ordnete Kakashi an und tauchte ohne Tenzou die Möglichkeit zum Widerspruch zu geben einfach vor dem Abtrünnigen auf. Tenzous Augen weiteten sich. Kakashi stand einfach da, verkündete das offizielle Protokoll. Er werde ihn jetzt verhaften und mitnehmen, solle er sich weigern, käme es zur Gewaltanwendung und – natürlich lachte der Abtrünnige. Das taten sie oft oder sie wurden gleich aggressiv. Meistens jedoch lachten sie zunächst und wurden anschließend ungemütlich. Kakashi beobachtete das überhebliche Treiben seines Gegenübers mit gleichgültiger Mimik, die unter seiner ANBU-Maske verborgen blieb. Sein Angriff kam unerwartet schnell. Seine klobige Gestalt bewegte sich gezielt und leichtfüßig, obwohl sein Gewicht überdurchschnittlich war, sein Körper schien schwergewichtig und doch waren seine Bewegungen elegant, geradezu schwerelos. Kakashis Reflexe erwiderten. Er würde kurzen Prozess machen. Das Chidori zischte um seine Finger, das grelle Licht spiegelte sich in seiner Maske. Mit einem kräftigen Sprung preschte er auf seinen Gegner zu – und versenkte seinen Angriff in dem Körper. Seine Augen weiteten sich entsetzt als er erkannte, dass es der Körper von Tenzou war. Sein Arm fühlte sich taub an. Noch immer hingen seine Finger in dessen Fleisch. Das Zischen des Chidori dröhnte in seinen Ohren. Zäh, wie in Zeitlupe wankte er zurück. Blut quoll aus Tenzous Brust, die Maske war ihm vom Gesicht gerissen worden. Die Augen starrten ihn leblos an. Er hatte es schon wieder getan. Er – Mit einem Ruck wurde er von seinen Füßen gerissen. Holz grub sich zwischen seine Beine und Arme und trug ihn davon. „Kakashi-sempai!“, bohrten sich weit entfernte Worte zwischen seine leeren Gedankengänge. Dann erwischte ihn ein Klatschen und er rieb sich wie betäubt die Wange. Seine Maske war von seinem Gesicht verschwunden. Fahrig fuhr sich Tenzou durch sein schulterlanges Haar, saß ganz nah vor ihm und fixierte seine Augen, als suchte er etwas. „Kakashi-sempai! Reißen Sie sich zusammen! Egal, was Sie gesehen haben. Es war nicht real! Dort hinten – er hat sich mit zwei weiteren Abtrünnigen zusammen geschlossen. Der eine ist auf Genjutsu spezialisiert.“ Oh how I adore You Oh how I thirst for You Oh how I need You Comatose. Er hörte seine Worte, aber sie schienen sich irgendwo zu verlieren. Sein Körper war zittrig und fühlte sich noch immer taub an. „Lass mich zurück. Kümmere dich um die Mission“, murmelte Kakashi bestimmt, als er versuchte aufzustehen und es nicht alleine schaffte. „Vergiss es!“, zischte Tenzou zornig, wagte einen Blick hinter den dicken Baumstamm, wo sie sich zurückgezogen hatten. „Du hast mich gedutzt“, vermerkte Kakashi unpassend und fügte dann ernst hinzu: „Du widersetzt dich den Befehlen deines Vorgesetzten?“ „Ich werde einen Freund nicht hier sterben lassen!“, hob Tenzou ärgerlich seine Stimme. Über Kakashis Lippen flog ein unangebrachtes Lächeln. „Du erinnerst mich an –“ Doch seine Stimme ging unter, als Tenzou mit zusammengezogenen Augen Holz aus dem Boden hervorschießen ließ, um sie von der gegnerischen Attacke abzuschotten. „Haben Sie nicht gesehen, dass die –“ Doch dann explodierte schon die Erde um sie herum. Kakashi fiel. Fiel in eine Dunkelheit. Eine Stimme folgte ihm, doch ansonsten war es ganz still. „Er ist doch ganz nett“, murmelte die Stimme. „Wobei – wahrscheinlich ist er zu nett für dich. Du brauchst jemanden, der dir auch mal in den Arsch – autsch! Was denn? Ist doch wahr!“ „Ich brauche niemanden.“ „Ja, nee. Ist klar.“ Stille. Und Dunkelheit. Und dieses vertraute Gefühl, das ihn quälte. Eine bittersüße Qual. I'll never wake up without an overdose of You I don't wanna live, I dont wanna breathe 'Less I feel You next to me. Zunächst flatterten seine Augenlider und er spürte Wärme, dann hörte er die regelmäßigen Piepstöne. Mühsam öffnete er seine Augen und blickte auf eine weiße Wand. Quälender Durst bereitete sich in seinem Rachen aus, sein Mund fühlte sich ausgetrocknet an. „Ich habe Durst“, krächzte er einer Gestalt entgegen, die mit dem Rücken zu ihm am Fenster stand und sich augenblicklich umdrehte. Sofort öffnete sich die Tür und Krankenschwestern betraten das Zimmer, tasteten an ihm herum, notierten sich irgendwelche Daten, schrieben Werte von den sirrenden Monitoren ab. Er ließ es stumm über sich ergehen. „Was ist passiert?“, richtete er sich dann endlich an Tenzou, als die Schwestern wieder das Zimmer verließen. Der musterte ihn schweigend. „Ich habe dem Sandaime Bericht erstattet. Er hat uns die nächsten Tage frei gegeben“, antwortete er und ließ seinen Blick zurück zum Fenster wandern. „Und warum bist du dann hier?“, fragte Kakashi trocken. Tenzou wich seinem Blick aus. „Manchmal sind Sie erstaunlich dumm für ein Genie, Kakashi-sempai“, stellte er in den Raum und sprang ohne Abschied durch das Fenster. You take the pain I feel Waking up to You never felt so real. Wenn er an ihn dachte, war da Reue, Trauer und Schmerz. Erinnerungen, die ihn verschlangen, die Luft zum Atmen nahmen. Aber es war besser als – „Oh mein Gott! Du fühlst dich schuldig! Du weist ihn ab, weil du noch immer an mich denkst! Das ist so – typisch! Hör auf, so viel zu denken! Hör auf, immer an mich zu denken!“ Die Stimme war vertraut. Obwohl es dunkel um ihn herum war, schloss er die Augen, gab sich diesem Gedanken hin, neben ihm zu liegen. Wie damals. So oft. Früher hatte er ihn meistens genervt mit seinem Gerede, seinen unüberlegten Taten. Aber er hatte ihn auch still bewundert für seine konsequente Art, sein Selbstvertrauen und diese innere Stärke – egal, was andere von ihm dachten. „Ich kann nicht“, flüsterte er zurück. „Warum?“ „Dann wäre da nur noch – Leere.“ „Und deswegen wolltest du dich umbringen?“ „Ich wollte mich nicht umbringen“, widersprach Kakashi bestimmt. „Dann halt umbringen lassen. Oder was war das für eine unüberlegte Aktion?“, schnaubte er. „Du erzählst mir was von unüberlegten Aktionen?“ Mit einem Male blendete ihn Licht, als hätte jemand einen Lichtschalter umgelegt. Er blinzelte. Dann erkannte er den Ort. Der schwere Gesteinsbrocken hatte bereits die eine Hälfte des Körpers zertrümmert. Obito sah ihn an. Seufzte. „Weißt du, es ist echt ätzend. Wir haben auch andere Dinge gemeinsam erlebt – trotzdem erinnerst du dich immer nur hieran“, meinte er trocken und grinste. „Es ist nicht lustig“, flüsterte Kakashi und starrte ihn an. „Nein, das ist es nicht“, seufzte er schon wieder, „du solltest es endlich akzeptieren.“ Kakashi schüttelte wie betäubt den Kopf. Obitos Mundwinkel zogen sich nach unten. Dann quoll Blut aus der leeren Augenhöhle, aus der ihm eben noch sein Auge entgegen geblickt hatte. Dann strömte es aus seinem Körper. Überall war Blut. Sein Chidori zischte um seine Finger. Versenkt in dessen Körper. Es war seine Schuld. Das Zischen dröhnte in seinen Ohren, bohrte sich in seinen Kopf. Blut floss seine Arme hinab. Mit einem Schrei saß er aufrecht im Krankenbett. I don't wanna sleep, I don't wanna dream 'Cause my dreams don't comfort me The way you make me feel Waking up to You never felt so real. „Kakashi-sempai“, sprach eine Stimme ganz ruhig und augenblicklich wusste er, wo er war. Wieder in der Realität. „Tenzou“, erwiderte er – nicht ganz so ruhig. Seine Finger krallten sich in die Decke des Krankenbettes. „Was machst du hier?“ Instinktiv zog er seine Gesichtsmaske höher. „Ich wollte nur –“ Sein Blick drang in den seinigen und er verstummte. „Es ist Nacht. Du solltest schlafen.“ „Sie auch“, erwiderte Tenzou prompt und Kakashi warf ihm einen mahnenden Blick zu. Eine verlegene Röte breitete sich sicherlich gerade auf Tenzous Wangen aus, auch, wenn Kakashi es in dem dämmrigen Licht des Mondes natürlich nicht erkennen konnte. Unruhig machte er ein paar Schritte Richtung Fenster und Kakashi glaubte bereits, dass er einfach wieder ohne ein weiteres Wort verschwinden würde, als Tenzou doch seine Stimme erhob und leise erzählte, ohne sich umzudrehen, ihm den Rücken zugewandt, der Blick starr aus dem Fenster. „Wissen Sie – früher, da war so ein Mädchen. Sie war wohl in etwa in meinem Alter und – nunja. Wir waren Freunde – sozusagen.“ Eigentlich interessierte es Kakashi nicht. Denn Interesse stieß meistens auf Gegeninteresse und das war eines der letzten Sachen, die er erreichen mochte. Doch da war etwas in Tenzous Stimme, das ihm verriet, das es etwas war, das ihn zu nichts verpflichten würde. „Sozusagen?“, hakte er also nach und sah ihn knapp nicken. „Ja. Denn – wir haben nie miteinander gesprochen. Wir haben uns nur tagtäglich gesehen. Sie lebte in dem Menschentank direkt vor mir in Orochimarus Versteck. Nach und nach starben alle um uns herum. Aber wir – wir waren da bis zum Schluss und dann – eines Tages starb sie auch. Ich konnte nichts dagegen tun.“ Kakashi schwieg. Ein Vogel flatterte aufgeregt an dem Fenster vorbei. Dann herrschte wieder drückende Stille. Vielleicht war es die Dunkelheit der Nacht, die Tenzou weitersprechen ließ. In der Dunkelheit konnte man sich vormachen, alleine zu sein. Man sah nicht den Ausdruck des anderen. Man fühlte sich sicher verborgen und all die eigenen Schwächen. Die Hilflosigkeit. Und die Schuld. „Die Sache ist, dass ich. Also. Obwohl ich nichts hätte tun können, keinerlei Schuld trage – ich bin ja sogar selbst ein Opfer – fühle ich mich schuldig.“ Tenzou blickte zurück. Ein trauriges Lächeln zog an seinen Lippen. „Einfach, weil ich lebe und sie nicht.“ Dann wandte er sich wieder um, legte die Hände auf das Fensterbrett. „Diese Schuld, sie verfolgt mich. Sie ist manchmal unerträglich – obwohl sie so irrational ist oder vielleicht – gerade deswegen. Und sie bringt eine große Last mit sich. Denn ich fühle mich dazu verpflichtet, zu leben. Weil sie es nicht kann. Weil so viele andere um uns herum sterben und wir nicht. Zu leben. Das heißt, nicht aufzugeben, obwohl es weh tut. Immer wieder. Immer.“ Dann sprang er auf das Fensterbrett, verharrte einen Moment, als wollte er noch etwas sagen, aber er tat es nicht und verschwand in den Schatten der Nacht. Kapitel 2: Wohl läßt er's nicht und spielt es fort und treibt es zart und klug und kühn – doch lüftet ihr die Maske ihm: er blickt euch an und lächelt nur. ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Breathing life Waking up My eyes open up Comatose. Tage- und nächtelang streifte er ziellos durch die Gegend. Der Sandaime hatte ihn für die nächste Woche von den Missionen ausgenommen und so hatte er nichts zu tun, als er endlich aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Er lag auf der Wiese, die noch feucht war vom Tau der Nacht. Es war früher Morgen und er hatte kaum geschlafen. Vögel zwitscherten dem Tag entgegen. Er lag unter einem Kirschbaum, rosa Blüten bedeckten die Äste. Seine Augen brannten und er schloss sie nur für ein paar Minuten – wollte nur für einen Augenblick sich noch ausruhen. „Er hat recht, Kakashi. Und du weißt das.“ Obito lag neben ihm und schaute in den Himmel. „Du gibst dir die Schuld daran, dass ich nicht mehr lebe. Aber das Schlimmste für dich ist, dass du trotzdem lebst. Und natürlich, dass du uns im Stich gelassen hast.“ Kakashi schnaubte und drehte sich zur Seite, ihm den Rücken entgegen. „Hör auf zu nerven, Obito. Das hat er nämlich nicht gesagt.“ „Aber gemeint.“ Obito lehnte sich zu ihm und boxte ihm freundschaftlich in die Seite. „Komm schon. Wenn dich einer versteht, dann er. Ich mein, du bist echt stur. Und trotzdem ist er –“ „Es hätte alles anders kommen sollen“, flüsterte Kakashi. „Es ist alles – falsch gelaufen. Wir hätten gemeinsam –“ „Natürlich, gemeinsam wären wir unschlagbar gewesen. Aber du warst ja schon damals so stur.“ Kakashi schellte herum und warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Ich hab ja nicht gesagt, dass ich es nicht gewesen wäre“, grinste ihm Obito entgegen und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Sein schwarzes Haar stand wie eh chaotisch ab, seine Brille schützend vor den Augen. Gelassen verschränkte er seine Arme hinterm Kopf und ließ seinen Blick den Himmel entlang schweifen. „Also – Regeln Nummer eins: Hör auf, dich so hängen zu lassen. Regel Nummer zwei: Hör auf, mich so anzusehen!“ Kakashis Augenbraue wanderte nach oben. „Seit wann machst du hier die Regeln?“, fragte er trocken und schnaubte. „Seitdem –“ Der Himmel verdunkelte sich. Plötzlich standen sie im Wald. Die erdigen Wände der Höhle knirschten, brachen über ihren Köpfen zusammen. Brocken schlugen auf den Boden auf. Der Lärm trommelte in seinen Ohren. Diesmal würde er es schaffen. Er würde ihn nicht sterben lassen. Nicht schon wieder. „Obito!“; schrie er. „Nimm meine Hand! Wir –“ Seine Augen weiteten sich entsetzt, als Obito traurig lächelnd den Kopf schüttelte. „Du solltest es doch akzeptieren, Kakashi.“ Mit einem Ruck riss sich Obito los, stieß ihn aus dem Weg und der Brocken brach auf ihn nieder, begrub seinen Körper unter sich und ließ nichts als brachiale Stille zurück. „Nein!“, schrie er und schrie und schrie. Dann öffnete er seine Augen, atmete tief ein und spürte, wie der Tau seine Kleidung durchnässt hatte. Kraftlos zog er seine Beine heran und stützte seinen Kopf darauf ab. Diese Bilder, diese Schuld, die Reue, das „was wäre gewesen, wenn“. Es würde ihn verfolgen – es würde niemals aufhören. I'll never wake up without an overdose of You I don't wanna live, I dont wanna breathe 'Less I feel You next to me. Müde schlenderte er Richtung Dorf, nickte den Wachposten zu und schritt durch das Tor. Es war früher Vormittag, als er auf dem Trainingsplatz auftauchte und einige junge Ninja dort beobachtete, die in ihren Teams trainierten, während er selbst seine Unterarme auf einen Holzbalken auflehnte, der den Platz abgrenzte. Er fühlte ein schmerzhaftes Ziehen in der Magengegend. Wie viele von ihnen würden auseinander gerissen? Sterben, umgebracht, verletzt und verstümmelt? Und wer entschied, wen es traf? War es alles bedeutungslos zufällig? War es, wie ein Los, das einem eben zuteil wurde – oder nicht? Gab es dabei keine Schuld und Unschuld, sondern Glück und Pech? Eine vertraute Chakrasignatur ließ ihn aus seinen Gedanken auftauchen. „Kakashi-sempai“, vernahm er auch sogleich hinter sich, „wir haben eine Mission.“ Kakashi richtete sich auf, vergrub die Hände in den Hosentaschen und schlenderte an Tenzou vorbei. Das Leben war eine Abfolge von Missionen. Eine Aneinanderreihung von Ereignissen, die einem mehr oder weniger sinnvoll erschienen. Manchmal starben die Gegner, Fremde, Namenlose, manchmal aber starben Familien und Freunde. Alles war subjektiv. Aber eines war klar: Es war nicht gerecht. Sein Leben sollte weitergehen, das Leben seines Freundes hatte viel zu früh geendet. Warum? Für den Frieden, für das Wohl der Mehrheit, für sein eigenes Leben. Oder weil er einfach einen unverzeihlichen Fehler begangen hatte? Wie viele solcher Fehler würde er noch verbrechen? Wie viele konnte ein Leben ertragen? Wie viele Missionen musste er überleben, um sein Weiterleben vor seinem Gewissen rechtfertigen zu können? Wie lange musste er diesen Schmerz ertragen? Oder diese Leere? „Dann lass uns gehen, Tenzou.“ Dabei setzte er seine ANBU-Maske auf. You take the pain I feel Waking up to You never felt so real. I don't wanna sleep, I don't wanna dream 'Cause my dreams don't comfort me. Dreck zog sich über seine Haut wie der Schweiß, der von der tagelangen ANBU-Mission erzählte. Müde blickte er der Ankunft in Konoha entgegen. Die Schriftrolle lag gut verstaut in seiner Kunaitasche. Die Mission erfolgreich. Er lag in seinem Schlafsack, betrachtete die Sterne über ihnen. Nur wenig weiter saß Tenzou an einen Ast gelehnt und übernahm die zweite Wache in der Nacht. Würde er seinen Arm ausstrecken, hätte er ihn berühren können. Welch unsinniger Gedanke. Mit gerunzelter Stirn wandte sich Kakashi in seinem Schlafsack um, ihm den Rücken entgegen und versuchte, nicht weiter in Gedanken zu versinken und ein wenig zu schlafen. Sie mussten nur noch zu Hause ankommen, die Schriftrolle übergeben und dann stünde einem erholsamen Schlaf in einem richtigen Bett nichts mehr entgegen. Nichts, außer – Er blickte ihn an. Beide Augen aus den Augenhöhlen gerissen. Das Gesicht verunstaltet. Wie eine halbverwesene Leiche. „Warum bin ich tot?“, fragte die bizarr vertraute Gestalt. „Warum lebst du noch?“ Kakashi konnte nicht mehr atmen. Der Anblick schnürte ihm die Kehle zu. „Es – tut mir leid“, krächzte er. „Es – ich konnte nichts tun.“ „Du lässt mich immer wieder sterben. Warum?“ „Ich kann es nicht vergessen“, erwiderte er erstickt, „niemals.“ „Du musst es akzeptieren.“ Kakashi schüttelte wie betäubt den Kopf, wollte ihn nicht mehr sehen – dieses zerbrochene Wesen im Körper seines Freundes. Doch der schritt immer weiter auf ihn zu. Er konnte sich nicht bewegen. Seine Beine waren wie angewurzelt. Obito war plötzlich ganz nah, atmete ihm ins Ohr. Fäulnis stieg auf von seinem Körper. „Irgendwann wirst du auch sterben und dann wirst du es bereuen.“ „Was?“, hauchte Kakashi. „Du wirst bereuen, dass du dein Leben an dir vorbeiziehen lässt. Als wärst du im Koma.“ Kakashi bedeckte seine Augen mit den Händen in dem verzweifelten Versuch, seiner Wahrnehmung zu entfliehen. Dann spürte er etwas Warmes. Blut tropfte von seinen Fingern. Entsetzt beobachtete er, wie die Tropfen in feinen Bahnen seine Arme entlangfuhren. Mit klopfenden Herzen erwachte er und starrte in dunkle Augen. „Ich dachte schon, Sie wachen gar nicht mehr auf.“ Tenzous Stimme klang irgendwie erleichtert. Aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein. Vielleicht war alles nur Pflichtbewusstsein. Die Sorge, die sich immer in Tenzous Augen schlich, wenn er dachte, dass er es nicht sah oder all die Zeit, die er ihn immer wieder still gestützt hatte. Vielleicht war alles Teil einer Mission, die er noch nicht begriffen hatte – vielleicht war alles nur Zufall. Vielleicht würde er eines Tages diesen Schmerz ertragen können, ohne sich schuldig zu fühlen – vielleicht würde er mit ihm zugrunde gehen. Vielleicht würden ihn diese Bilder niemals loslassen. Vielleicht, weil er nicht wusste, wer er ohne sie sein sollte. Er konnte es nicht vergessen. Das war die oberste Regel. Freunden stand man zur Seite. Tote Freunde vergaß man nicht. „Dein Problem ist, dass du immer an Regeln und Missionen denkst, auch wenn du es gar nicht willst. Dass du dich dahinter versteckst, wie hinter deiner Maske“, flüsterte eine Stimme und sie klang unpassend amüsiert. „Hör doch auf, dich zu verstecken!“ The way You make me feel Waking up to You never felt so real. Kakashi schnaubte. „Ich verstecke mich nicht“, murmelte er. Seine Finger zitterten noch immer. Seine Gedanken überschlugen sich. Manchmal war Schmerz besser als die Leere. Manchmal – ohne einen weiteren rationalen Gedanken, lehnte er sich vor, hörte noch die erstickte Stimme Tenzous, als er sich den Mundschutz herunterzog und Tenzous ANBU-Maske zur Seite stieß. „Was –?“ Er konnte plötzlich Tenzous einzelne Wimpern erkennen, trotz des dämmrigen Lichts. „Du hast wieder –“, murmelte Tenzou, doch wurde sofort daran gehindert, weitere Worte zu verlieren. Gefährliche Worte, die womöglich Wahrheit in sich trugen. Harsch presste Kakashi ihm die Lippen auf den Mund, geradezu rücksichtslos. „Kakashi-sempai! Was –?“, schnappte er empört. Tenzous Finger krallten sich in dessen Schulter, als suchte er Halt. Er tat es genauso. Suchte etwas. Vielleicht Halt. Nur nicht so offensichtlich. Tat es. Nicht, weil er ihn nicht liebte, aber auch nicht, weil er ihn liebte. Sondern schlicht, weil es das Einzige war, das ihn aus diesen Erinnerungen riss. Aus diesen Bildern. Diese Bilder, die ihn verfolgten. Immer und immer wieder quälten – und das würden sie bis an sein Lebensende. Es ging nicht um Liebe. Es ging darum, zu überleben. Aber das konnte er nicht. Nicht ohne ihn. Und manchmal war es besser, Leere zu füllen, als in Schmerz zu vergehen. Und manchmal ging nur beides zusammen. Wenn es einer verstand, dann Tenzou. Oh how I adore You Waking up to You never felt so real. Stille. Tenzous Augen starrten ihn an, ungläubig, groß und mit so vielen Fragen, dass er keine einzige davon über die Lippen brachte. Er betrachtete sein Gesicht, das trotz der Nacht, ganz offensichtlich unmaskiert mit unbewegter Miene vor ihm ruhte. Wann hatte er selbst das letzte Mal jemandem unmaskiert sein Gesicht gezeigt? Seinem Vater? Kakashi schaute Tenzou an. „Träumst du von ihr?“, unterbrach er ganz ruhig die Stille, obwohl seine Finger noch immer zitterten und ihm das Atmen zu schwerfiel. Und obwohl Tenzou irgendwelche unverständlichen Dinge vor sich her murmelte und ihn immer noch anstarrte. Tenzou hielt inne, als verstünde er die Frage nicht, Seine Augen wichen Kakashis Blick aus, als er endlich den entscheidenden Faden gesponnen hatte und leise antwortete. „Ich – ja. Oft. Es vergeht kaum eine Nacht, in der ich nicht von ihr träume oder ein Tag, an dem ich nicht an sie denke.“ „Ich weiß“, erwiderte Kakashi leise, lehnte sich zurück und schaute hoch in den Nachthimmel und es lag mehr in seinen Worten, als Tenzou in diesem Moment verstand. „Was – warum?“, hakte er nach, doch Kakashi schüttelte vage den Kopf. „Wie kannst du – spürst du nicht auch diese Leere?“, fragte er stattdessen und Tenzous Blick flog zu ihm, ehe er in den dunklen Nachthimmel blickte. Ein leises Lächeln zupfte an seinen Lippen. Es war ein Moment, der einem im Nachhinein sonderbar bizarr erscheinen würde. Ein Moment, in dem Worte ausgesprochen wurden, die ansonsten nur wortlos zwischen ihnen standen. „Bevor ich Sie traf, gab es nichts als Leere in meinem Leben, Kakashi-sempai.“ Oh how I thirst for You Waking up to You never felt so real. Tage vergingen. Er dachte viel nach. Vielleicht zu viel. Diese besagte Nacht kam ihm verklärt vor. Als hätte ihm jemand davon erzählt, der gehört hatte, wie jemand jemandem erzählt hatte von jemanden, der jemanden kannte, der – am Ende wusste keiner mehr, wie es tatsächlich geschehen war oder ob es geschehen war. Doch etwas in ihm hatte sich verändert. Es war nicht die Schuld oder die Reue oder die Trauer oder die Erinnerungen. Das alles war noch immer da, seine stetigen Begleiter. Aber vielleicht war es die Gewissheit, dass er nicht alleine war. Dass es Missionen gab, die das Leben verändern konnten und dass es manchmal entscheidend war, im richtigen Augenblick, die Maskierung fallen zu lassen. Diese Bilder, diese Schuld, die Reue, das „was wäre gewesen, wenn“. Es würde ihn verfolgen – es würde niemals aufhören. Aber er war nicht alleine damit. Er stand da. Seine ANBU-Maske in der Hand. Es war Zeit, das zu akzeptieren. „Kakashi“, sprach ihn der Sandaime an, obwohl dieser ihm noch den Rücken zugekehrt hatte. Dann wandte er sich um und blickte ihm in die Augen. „Ah, dann ist es wohl nun soweit?“ Kakashi starrte ihn an, dann schwenkte sein Blick zu der Maske in seiner Hand und er nickte. Oh how I adore You The way You make me feel Waking up to You never felt so real. Es war Nacht. Ein Klopfen weckte ihn. Er sah sich verwirrt um, der Schlaf durchwob noch seine Gedanken, als er sich unwillkürlich gen Fenster wandte und ihn dort angelehnt stehen sah. Stirnrunzeln überschattete seine Stirn, während er es öffnete und Kakashi ohne ein Wort hineinsprang. „Hatten Sie wieder einen Alptraum?“, fragte Tenzou mit gerunzelter Stirn, die Sorge nicht gänzlich aus der Stimme verbannt. Kakashi schaute an ihm vorbei. „Ich werde die ANBU verlassen“, antwortete er lediglich, als würde es etwas erklären. „Was?“, hakte Tenzou nach und sein Hals fühlte sich plötzlich unnatürlich eng. „Sie meinen – die letzte Mission, es war unsere letzte gemeinsame?“ Kakashi badete im Schweigen, doch flog ein Lächeln unter seinem Mundschutz über seine Lippen. „Es war meine letzte ANBU-Mission, aber –“ Er seufzte gespielt wehleidig. „Unser Leben besteht aus einer Aneinanderreihung von Missionen. Es war bestimmt nicht unsere letzte gemeinsame.“ Tenzou erwiderte seinen Blick stumm, atmete tief durch und setzte sich auf sein Bett. „Was werden Sie jetzt machen, Kakashi-sempai?“ Der ließ seine Hände in den Hosentaschen verschwinden, lehnte sich gegen das Fensterbrett und meinte schulterzuckend: „Ich werde Genin ausbilden.“ Tenzous Augenbrauen zuckten nach oben. „Genin?“ Unglaube tönte in dem Wort, doch Kakashi nickte gelassen. „Genin“, bestätigte er. „Warum?“, hakte Tenzou nach. „Weil er Hokage werden wollte und das Feuer weitergetragen werden muss.“ Kakashi zwinkerte ihm zu und Tenzou schaute nicht viel erleuchteter als vorher drein, dann seufzte er resignierend. „Werden Sie mir irgendwann das Ganze erklären?“, fragte Tenzou. „Was erklären?“, hakte Kakashi gespielt unwissend nach und sein Kamerad verdrehte die Augen. „Diese Alpträume zum Beispiel oder warum sie die ANBU wirklich verlassen. Und den Fakt, dass Sie mich geküsst haben.“ Tenzou wandte sich unter seinen eigenen Worten, was Kakashi amüsierte. Mit einem Funkeln in den Augen nickte er. „Natürlich. Genau dann, wenn einer meiner Schüler Hokage geworden ist“, scherzte er. „Sie hätten auch einfach verneinen können“, erwiderte Tenzou trocken und Kakashi rückte sein Stirnband zurecht. „Wir werden sehen“, meinte er nur vage, dann legte er Zeige- und Mittelfinger zum Abschied an die Stirn, und mit einem „Pass auf dich auf, Tenzou“ verschwand er völlig undramatisch durch das Fenster in die Dunkelheit. Es fühlte sich an, als wäre er nach jahrelanger Betäubung endlich erwacht, als hätte er geschafft in der Gegenwart zu landen ohne aus der Vergangenheit herauszuspringen. Als hätte er es geschafft, sich die Maske vom Gesicht zu reißen, ohne sich zu entblößen. Die Bilder würden ihn weiterhin verfolgen, immer mal wieder quälen – aber er würde sich nicht mehr in der Schuld verlieren. Die Frage „was wäre, wenn?“ kribbelte auf seiner Haut. Nur ein Gedanke beunruhigte ihn: Was wäre, wenn einer seiner Schüler tatsächlich irgendwann Hokage werden sollte? Er grinste leicht ob diesen abstrusen Gedankens. Vielleicht würde er Tenzou dann tatsächlich das Ganze erklären. Ganz ohne Maske. Maskenlos. Vielleicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)