Maskenlos von Jaelaki ([Yamato/Tenzou & Kakashi - light-slash]) ================================================================================ Kapitel 1: Frage dich immer, ob dich eine Maske anlächelt oder ein Mensch. -------------------------------------------------------------------------- I hate feeling like this I'm so tired of trying to fight this I'm asleep and all I dream of Is waking to You. Mit einem unterdrückten Schrei erwachte er und schaute sich instinktiv panisch um. Erst allmählich verlangsamten sich sein hektischer Atem und der Puls, der ihm in den Ohren dröhnte. Schweißgebadet saß er auf der dünnen Isomatte und fuhr sich über die Augen. Die Bilder standen ihm noch immer davor. Diese Bilder, die ihn verfolgten. Immer und immer wieder quälten. „Kakashi-sempai“, drang plötzlich eine Stimme zu ihm durch, die ihm seltsam vertraut und in diesem Moment doch fremd erschien. „Es – ähm – es war nur ein Traum“, murmelte ihm diese Stimme zu, eine Hand ruhte plötzlich auf seiner Schulter und in diesem Augenblick klärten sich seine Gedanken. Er schaute durch diese vertraute Mimik hindurch und wischte die Hand von seiner Schulter ab. Dann bemerkte er, dass seine Maske vom Gesicht gerutscht war. Ausgeliefert fühlte er sich und nackt. Fahrig zog er sie sich wieder über die Nase. „Wenn Sie –“ „Schlaf, Tenzou. Wir sind auf Mission, morgen geht es weiter. Ich kann dich dabei nicht müde gebrauchen.“ Tenzou schaute ihn an, runzelte seine Stirn und er war sich sicher, dass dieser im Begriff war, doch noch etwas zu sagen, als er sich einfach umdrehte und sich in seinen Schlafsack legte. Kakashi blickte ihm nach, dann atmete er kontrolliert tief ein, rieb seine Nasenwurzel und schloss nur einen schwachen Moment die Augen. Wann würde es aufhören? Tell me that You will listen Your touch is what I'm missing And the more I hide I realize I'm slowly losing You. Die Morgensonne brach sich im Tau auf den Knospen der Laubbäume. Die Luft roch frisch, als hätte sie die Nacht wieder rein gewaschen. Der Frühling lockte die ersten Blütenköpfe aus der feuchten Erde. „Wir werden die Mission effizient und sorgfältig durchführen. Wie besprochen müssen wir zunächst –“ Distanziert wiederholte er die bekannten Fakten und präzisierte die Strategie, während sie zielgerichtet in das dichte Gehölz vordrangen. Er spürte Tenzous forschenden Blick, doch der würde niemals das unausgesprochene Verbot brechen. Niemals würde ein ANBU die unsichtbare Mauer aus professioneller Distanz einbrechen. Fakten und Strategien. Das war der beste Schutz vor persönlichen Gesprächen oder tiefergehenden sozialen Kontakten. Er brauchte diese Blicke nicht. Diese Stimmen. Er versuchte nur diese Bilder zu vergessen. Die ihn heimsuchten in der Nacht und in der Stille. „Kakashi-sempai“, durchbrach Tenzou eben diese und blickte ihn an ohne an Geschwindigkeit einzubüßen. Unsicherheit spannte sich dennoch durch seine dunklen Augen, die ihn trotzdem so nachdrücklich fixierten. Dann wich er ihm mit seinem Blick aus. „Ich wollte nur – falls Sie – also.“ Er stolperte über seine eigenen Worte, als kämpfte seine Zunge gegen ihn. Kakashi hob eine Augenbraue und ignorierte dann diesen erbärmlichen Versuch – was auch immer Tenzou eigentlich versuchte. Er wollte nicht. Auch nicht falls. Niemals. „Konzentrier dich, Tenzou“, ordnete Kakashi gleichgültig, „wir sind nicht hier, um zu plaudern.“ Sein Kouhai nickte pflichtbewusst, doch irgendetwas glühte in seinen Augen, wie er sich da so neben ihm von den Ästen abstieß und durch das Dickicht glitt. „Ich wollte nur sagen, dass ich das Gefühl wahrscheinlich kenne.“ Kakashi starrte stur in die Ferne. Äste und Stämme soweit das Auge reichte. Wie eine Fläche, die an ihnen vorbeiflog. „Es geht hier nicht um Gefühle“, erwiderte er kühl, „es geht um Pflichten.“ Tenzou erwiderte nichts und Kakashi hüllte sich in professionelle Distanz. Weil es das Richtige war. Die Regel. Comatose I'll never wake up without an overdose of You I don't wanna live, I dont wanna breathe 'Less I feel you next to me. „Also war die Mission erfolgreich“, schlussfolgerte der Sandaime nach Kakashis Berichterstattung, der daraufhin bestätigend nickte. „Sehr gut. Dann entlasse ich euch hiermit für die nächsten zwei Tage. Ruht euch aus.“ Es klang weniger wie ein gutgemeinter Rat als ein Befehl. Mit einem knappen Nicken erhoben sich Kakashi, dann Tenzou und verschwanden mit einer Verbeugung im weißen Rauch. Wenn er nach einem Gespräch mit dem Sandaime den Hokageturm verließ, ließ er immer seinen Blick nochmals zurückschweifen. Es war eine Gewohnheit. Der Kies knirschte unter ihren Sohlen. Sein Blick fuhr gelangweilt an den Baumästen entlang. Die Knospen zeichneten hier weiße und rosa Blütenblätter, dort ein weiches Grün. Die Luft war frisch, der Wind trug noch Kühle mit sich, die erst der Sommer vollends vertreiben würde. Drückende Stille umschloss sie, die ihn jedoch nicht wirklich störte. Stille bedeutete, dass er keine Antworten liefern musste auf Fragen, die er womöglich selbst nicht beantworten konnte – oder wollte. „Schließen Gefühle Pflichten aus? Oder umgekehrt?“, vernahm er Tenzous nachdenkliche Stimme plötzlich neben ihm. Kakashi rückte sich sein Stirnband zurecht und blieb stehen. Genau solche Fragen. „Bis dann. Du hast den Hokage gehört. Ruh dich aus.“ Damit entwand er sich der erdrückenden Nähe des anderen. Die Zeit kroch und stolperte und dann verrann sie zwischen seinen Fingern. Wie immer eben. Und manchmal fragte er sich, warum er atmete, warum er lebte. Warum. Obwohl er das alles doch gar nicht mehr ertragen wollte – und konnte. Aber das Leben ging weiter. Und irgendwann kam er zu dem Schluss, dass nicht der Tod grausam war, sondern lediglich das Leben und das Warten auf den Tod. Dass nicht die Ungewissheit der Zukunft eine Bürde war, sondern die Gewissheit der Vergangenheit. Dinge, die man nie wieder richtig machen konnte, die einen verfolgten, die man bereute. Bis zum Tod. Er würde ihm nie wieder in die Augen sehen können, nie wieder sein unerträgliches Geschwätz hören, seine Hand auf der Schulter spüren. Nie wieder. Es hätte alles anders sein sollen. Die Gegenwart war wie der ständige Beweis, dass er unverzeihlich falsch gehandelt hatte. Er trug die Last jeden Tag, jede Nacht. Die Frage „was wäre, wenn?“ war unerträglich und ließ seinen Atem in der Brust ersticken. Wann würde es aufhören? Würde es das jemals? You take the pain I feel Waking up to You never felt so real I don't wanna sleep, I don't wanna dream 'Cause my dreams don't comfort me. Er sah ihm in seine dunklen Augen, die ihn vorwurfsvoll anblickten, spürte den Atem des anderen an seinem Ohr und die Stimme, die ihm leise zuflüsterte, dass er versagt hatte, dass er nichts war, nicht einmal Müll. Dass er alles weggeworfen hatte, dass er ihn zurückgelassen hatte wie Müll. Schmutz. Dreck. Dann überströmte ihn Blut und er riss sich das Auge heraus, schrie und schrie und schrie. Der Schrei verfolgte ihn noch, als er mit hektischem Atem aufrecht auf der Isomatte saß. Erst dann erkannte er, dass es sein eigener Schrei gewesen war, der noch immer in seinen Ohren dröhnte. Irritiert suchte er nach diesem Blick, versuchte der Stimme nachzuhorchen. Aber da war nichts als Dunkelheit und Nacht und kahle Bäume, die der Frühling noch nicht erreicht hatte. „Kakashi-sempai“, zog ihn eine Stimme in das Hier und Jetzt. Er sah auf und nahm Tenzous Blick war, der ihn fixierte, Sorge schwebte darin und – „Sie sollten dem Sandaime –“ Kakashi warf ihm einen Blick zu, der alles sagte, zog seine Maske höher und Tenzou verstummte. „Ich übernehme die Nachtwache“, ordnete er lediglich an. Er wollte nicht schlafen, das wollte er nie. Er wollte nicht träumen. Doch wenn er es tat, dann wollte er nicht mehr erwachen. Denn dort konnte er ihm wenigstens nahe sein. Auf eine kranke, bizarre Art und Weise. Aber in seinem Leben war alles krank und bizarr. The way You make me feel Waking up to You never felt so real I hate living without You. Das Dorf war übersichtlich und trotzdem war es schwer an Informationen zu kommen. Die Einwohner misstrauisch. Niemand wollte etwas Konkretes sagen. Wer sprach, handelte sich hier wohl gewöhnlich Ärger ein. Er selbst saß nach einigen erfolglosen Gesprächen an einem Tresen und hörte sich um, sprach mit dem Besitzer und der Kellnerin, die seine Tochter war, doch beide konnten ihm nichts als uninteressanten Tratsch übermitteln. Nachmittags erwartete er Tenzou zurück, der sich im Nachbarsdorf hatte umsehen sollen. „Der gesuchte Abtrünnige könnte nach Norden weiter gewandert sein“, teilte ihm Yamato auf dem Weg außerhalb des Dorfes mit, womit sie endlich auch die misstrauischen Blicke hinter sich ließen und die abweisende Atmosphäre. „Woher hast du die Information?“, halte Kakashi nach. „Er hat auf seiner Reise einen Bauern bedroht und eine Kuhherde geschlachtet. So etwas macht schnell die Runde.“ „Eine Kuhherde?“ „Ja, und dabei soll er geschrien haben: Ich hasse Milch.“ „Das verspricht, ein Spaß zu werden“, erwiderte Kakashi trocken. Sie fegten durch den Wald, der weiche Boden federte ihre Sprünge und schonte ihre Gelenke, die nach etlichen Nächten in unbequemen Positionen und immer abwechselnd in Habachtstellung, durchaus reichlich strapaziert wurden. Missionen waren nicht da, um das eigene Wohlbefinden zu fördern. Sie waren dafür da, um das Wohl des Dorfes zu wahren. Zumindest sagte man das offiziell. Inoffiziell ging es um Macht. „So wie die Leute erzählte haben, soll das ein ganz schön Gestörter sein.“ „Wer ist das auch schon nicht in diesen Tagen?“, murmelte Kakashi. Tenzou erwiderte nichts. Um sie herum verdichtete sich der Wald. Vögel zwitscherten aufgeregt, sobald sie sich näherten. Zwischen den Ästen blies ihnen der kühle Frühlingswind gegen die ANBU-Masken. „Du bist so ein Idiot“, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf. „Es geht nicht um Macht. Es geht darum, deine Freunde zu schützen.“ Sie hörte sich vertraut an. Etwas in ihm krampfte sich zusammen. „Und dafür braucht man Macht“, formte sich sein Gedanke instinktiv. „Es ist trotzdem ein Unterschied, Kakashi. Ein großer.“ „Nein, ist es nicht“, erwiderte er. Er konnte das beleidigte Gesicht förmlich vor sich sehen. Seine blitzenden Augen und der vorgeschobene Mund. „Haben Sie etwas gesagt, Kakashi-sempai?“, fragte Tenzou hinter ihm. Kakashi schüttelte knapp den Kopf. Er hasste es. Diese Stimme, die er nie wieder hören würde. Und das Gefühl, trotzdem weiterleben zu müssen – so zu tun, als wäre es ihm egal. Dead wrong to ever doubt You But my demons lay in waiting Tempting me away. Synchron verlangsamten sie ihre Geschwindigkeit und kamen dann wie auf ein geheimes Zeichen zum Stehen. „Dort“, flüsterte Tenzou leise und Kakashi nickte. Sie verschwanden gleichzeitig und beobachteten den Ninja, der sein Dorf verraten hatte und nun eine Gefahr für alle war. Sie mussten ihn unschädlich machen und dabei die Geheimnisse, die er in sich trug vernichten. „Ich werde ihn übernehmen. Bleib zurück“, ordnete Kakashi an und tauchte ohne Tenzou die Möglichkeit zum Widerspruch zu geben einfach vor dem Abtrünnigen auf. Tenzous Augen weiteten sich. Kakashi stand einfach da, verkündete das offizielle Protokoll. Er werde ihn jetzt verhaften und mitnehmen, solle er sich weigern, käme es zur Gewaltanwendung und – natürlich lachte der Abtrünnige. Das taten sie oft oder sie wurden gleich aggressiv. Meistens jedoch lachten sie zunächst und wurden anschließend ungemütlich. Kakashi beobachtete das überhebliche Treiben seines Gegenübers mit gleichgültiger Mimik, die unter seiner ANBU-Maske verborgen blieb. Sein Angriff kam unerwartet schnell. Seine klobige Gestalt bewegte sich gezielt und leichtfüßig, obwohl sein Gewicht überdurchschnittlich war, sein Körper schien schwergewichtig und doch waren seine Bewegungen elegant, geradezu schwerelos. Kakashis Reflexe erwiderten. Er würde kurzen Prozess machen. Das Chidori zischte um seine Finger, das grelle Licht spiegelte sich in seiner Maske. Mit einem kräftigen Sprung preschte er auf seinen Gegner zu – und versenkte seinen Angriff in dem Körper. Seine Augen weiteten sich entsetzt als er erkannte, dass es der Körper von Tenzou war. Sein Arm fühlte sich taub an. Noch immer hingen seine Finger in dessen Fleisch. Das Zischen des Chidori dröhnte in seinen Ohren. Zäh, wie in Zeitlupe wankte er zurück. Blut quoll aus Tenzous Brust, die Maske war ihm vom Gesicht gerissen worden. Die Augen starrten ihn leblos an. Er hatte es schon wieder getan. Er – Mit einem Ruck wurde er von seinen Füßen gerissen. Holz grub sich zwischen seine Beine und Arme und trug ihn davon. „Kakashi-sempai!“, bohrten sich weit entfernte Worte zwischen seine leeren Gedankengänge. Dann erwischte ihn ein Klatschen und er rieb sich wie betäubt die Wange. Seine Maske war von seinem Gesicht verschwunden. Fahrig fuhr sich Tenzou durch sein schulterlanges Haar, saß ganz nah vor ihm und fixierte seine Augen, als suchte er etwas. „Kakashi-sempai! Reißen Sie sich zusammen! Egal, was Sie gesehen haben. Es war nicht real! Dort hinten – er hat sich mit zwei weiteren Abtrünnigen zusammen geschlossen. Der eine ist auf Genjutsu spezialisiert.“ Oh how I adore You Oh how I thirst for You Oh how I need You Comatose. Er hörte seine Worte, aber sie schienen sich irgendwo zu verlieren. Sein Körper war zittrig und fühlte sich noch immer taub an. „Lass mich zurück. Kümmere dich um die Mission“, murmelte Kakashi bestimmt, als er versuchte aufzustehen und es nicht alleine schaffte. „Vergiss es!“, zischte Tenzou zornig, wagte einen Blick hinter den dicken Baumstamm, wo sie sich zurückgezogen hatten. „Du hast mich gedutzt“, vermerkte Kakashi unpassend und fügte dann ernst hinzu: „Du widersetzt dich den Befehlen deines Vorgesetzten?“ „Ich werde einen Freund nicht hier sterben lassen!“, hob Tenzou ärgerlich seine Stimme. Über Kakashis Lippen flog ein unangebrachtes Lächeln. „Du erinnerst mich an –“ Doch seine Stimme ging unter, als Tenzou mit zusammengezogenen Augen Holz aus dem Boden hervorschießen ließ, um sie von der gegnerischen Attacke abzuschotten. „Haben Sie nicht gesehen, dass die –“ Doch dann explodierte schon die Erde um sie herum. Kakashi fiel. Fiel in eine Dunkelheit. Eine Stimme folgte ihm, doch ansonsten war es ganz still. „Er ist doch ganz nett“, murmelte die Stimme. „Wobei – wahrscheinlich ist er zu nett für dich. Du brauchst jemanden, der dir auch mal in den Arsch – autsch! Was denn? Ist doch wahr!“ „Ich brauche niemanden.“ „Ja, nee. Ist klar.“ Stille. Und Dunkelheit. Und dieses vertraute Gefühl, das ihn quälte. Eine bittersüße Qual. I'll never wake up without an overdose of You I don't wanna live, I dont wanna breathe 'Less I feel You next to me. Zunächst flatterten seine Augenlider und er spürte Wärme, dann hörte er die regelmäßigen Piepstöne. Mühsam öffnete er seine Augen und blickte auf eine weiße Wand. Quälender Durst bereitete sich in seinem Rachen aus, sein Mund fühlte sich ausgetrocknet an. „Ich habe Durst“, krächzte er einer Gestalt entgegen, die mit dem Rücken zu ihm am Fenster stand und sich augenblicklich umdrehte. Sofort öffnete sich die Tür und Krankenschwestern betraten das Zimmer, tasteten an ihm herum, notierten sich irgendwelche Daten, schrieben Werte von den sirrenden Monitoren ab. Er ließ es stumm über sich ergehen. „Was ist passiert?“, richtete er sich dann endlich an Tenzou, als die Schwestern wieder das Zimmer verließen. Der musterte ihn schweigend. „Ich habe dem Sandaime Bericht erstattet. Er hat uns die nächsten Tage frei gegeben“, antwortete er und ließ seinen Blick zurück zum Fenster wandern. „Und warum bist du dann hier?“, fragte Kakashi trocken. Tenzou wich seinem Blick aus. „Manchmal sind Sie erstaunlich dumm für ein Genie, Kakashi-sempai“, stellte er in den Raum und sprang ohne Abschied durch das Fenster. You take the pain I feel Waking up to You never felt so real. Wenn er an ihn dachte, war da Reue, Trauer und Schmerz. Erinnerungen, die ihn verschlangen, die Luft zum Atmen nahmen. Aber es war besser als – „Oh mein Gott! Du fühlst dich schuldig! Du weist ihn ab, weil du noch immer an mich denkst! Das ist so – typisch! Hör auf, so viel zu denken! Hör auf, immer an mich zu denken!“ Die Stimme war vertraut. Obwohl es dunkel um ihn herum war, schloss er die Augen, gab sich diesem Gedanken hin, neben ihm zu liegen. Wie damals. So oft. Früher hatte er ihn meistens genervt mit seinem Gerede, seinen unüberlegten Taten. Aber er hatte ihn auch still bewundert für seine konsequente Art, sein Selbstvertrauen und diese innere Stärke – egal, was andere von ihm dachten. „Ich kann nicht“, flüsterte er zurück. „Warum?“ „Dann wäre da nur noch – Leere.“ „Und deswegen wolltest du dich umbringen?“ „Ich wollte mich nicht umbringen“, widersprach Kakashi bestimmt. „Dann halt umbringen lassen. Oder was war das für eine unüberlegte Aktion?“, schnaubte er. „Du erzählst mir was von unüberlegten Aktionen?“ Mit einem Male blendete ihn Licht, als hätte jemand einen Lichtschalter umgelegt. Er blinzelte. Dann erkannte er den Ort. Der schwere Gesteinsbrocken hatte bereits die eine Hälfte des Körpers zertrümmert. Obito sah ihn an. Seufzte. „Weißt du, es ist echt ätzend. Wir haben auch andere Dinge gemeinsam erlebt – trotzdem erinnerst du dich immer nur hieran“, meinte er trocken und grinste. „Es ist nicht lustig“, flüsterte Kakashi und starrte ihn an. „Nein, das ist es nicht“, seufzte er schon wieder, „du solltest es endlich akzeptieren.“ Kakashi schüttelte wie betäubt den Kopf. Obitos Mundwinkel zogen sich nach unten. Dann quoll Blut aus der leeren Augenhöhle, aus der ihm eben noch sein Auge entgegen geblickt hatte. Dann strömte es aus seinem Körper. Überall war Blut. Sein Chidori zischte um seine Finger. Versenkt in dessen Körper. Es war seine Schuld. Das Zischen dröhnte in seinen Ohren, bohrte sich in seinen Kopf. Blut floss seine Arme hinab. Mit einem Schrei saß er aufrecht im Krankenbett. I don't wanna sleep, I don't wanna dream 'Cause my dreams don't comfort me The way you make me feel Waking up to You never felt so real. „Kakashi-sempai“, sprach eine Stimme ganz ruhig und augenblicklich wusste er, wo er war. Wieder in der Realität. „Tenzou“, erwiderte er – nicht ganz so ruhig. Seine Finger krallten sich in die Decke des Krankenbettes. „Was machst du hier?“ Instinktiv zog er seine Gesichtsmaske höher. „Ich wollte nur –“ Sein Blick drang in den seinigen und er verstummte. „Es ist Nacht. Du solltest schlafen.“ „Sie auch“, erwiderte Tenzou prompt und Kakashi warf ihm einen mahnenden Blick zu. Eine verlegene Röte breitete sich sicherlich gerade auf Tenzous Wangen aus, auch, wenn Kakashi es in dem dämmrigen Licht des Mondes natürlich nicht erkennen konnte. Unruhig machte er ein paar Schritte Richtung Fenster und Kakashi glaubte bereits, dass er einfach wieder ohne ein weiteres Wort verschwinden würde, als Tenzou doch seine Stimme erhob und leise erzählte, ohne sich umzudrehen, ihm den Rücken zugewandt, der Blick starr aus dem Fenster. „Wissen Sie – früher, da war so ein Mädchen. Sie war wohl in etwa in meinem Alter und – nunja. Wir waren Freunde – sozusagen.“ Eigentlich interessierte es Kakashi nicht. Denn Interesse stieß meistens auf Gegeninteresse und das war eines der letzten Sachen, die er erreichen mochte. Doch da war etwas in Tenzous Stimme, das ihm verriet, das es etwas war, das ihn zu nichts verpflichten würde. „Sozusagen?“, hakte er also nach und sah ihn knapp nicken. „Ja. Denn – wir haben nie miteinander gesprochen. Wir haben uns nur tagtäglich gesehen. Sie lebte in dem Menschentank direkt vor mir in Orochimarus Versteck. Nach und nach starben alle um uns herum. Aber wir – wir waren da bis zum Schluss und dann – eines Tages starb sie auch. Ich konnte nichts dagegen tun.“ Kakashi schwieg. Ein Vogel flatterte aufgeregt an dem Fenster vorbei. Dann herrschte wieder drückende Stille. Vielleicht war es die Dunkelheit der Nacht, die Tenzou weitersprechen ließ. In der Dunkelheit konnte man sich vormachen, alleine zu sein. Man sah nicht den Ausdruck des anderen. Man fühlte sich sicher verborgen und all die eigenen Schwächen. Die Hilflosigkeit. Und die Schuld. „Die Sache ist, dass ich. Also. Obwohl ich nichts hätte tun können, keinerlei Schuld trage – ich bin ja sogar selbst ein Opfer – fühle ich mich schuldig.“ Tenzou blickte zurück. Ein trauriges Lächeln zog an seinen Lippen. „Einfach, weil ich lebe und sie nicht.“ Dann wandte er sich wieder um, legte die Hände auf das Fensterbrett. „Diese Schuld, sie verfolgt mich. Sie ist manchmal unerträglich – obwohl sie so irrational ist oder vielleicht – gerade deswegen. Und sie bringt eine große Last mit sich. Denn ich fühle mich dazu verpflichtet, zu leben. Weil sie es nicht kann. Weil so viele andere um uns herum sterben und wir nicht. Zu leben. Das heißt, nicht aufzugeben, obwohl es weh tut. Immer wieder. Immer.“ Dann sprang er auf das Fensterbrett, verharrte einen Moment, als wollte er noch etwas sagen, aber er tat es nicht und verschwand in den Schatten der Nacht. Hosted by Animexx e.V. 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