Elijah – Das Herz eines Alphawolfs von Darklover ================================================================================ Prolog: -------- Und weil sein Bauch so voller Steine war, stürzte der Wolf in den Brunnen und ertrank. Von diesem Tage an schwor sich das Rotkäppchen, dass es in Zukunft immer auf die Worte seiner Mutter hören und nicht mehr vom Weg abkommen würde – Ende.“ Elijah klappte das zerfledderte Märchenbuch behutsam zu und legte es in das selbstgebastelte Regal neben sich. Einen Moment lang betrachtete er den ausgeblichenen Einband, der schon unzählige Kratzer und Flecken aufwies und nur noch mehr schlecht als recht mit dem Inhalt verbunden war. Vielleicht sollte er seine Mutter um eine neue Ausgabe bitten oder zumindest um etwas Klebeband, damit er das Buch vor dem endgültigen Auseinanderfallen retten konnte. Immerhin war es Hollys Lieblingsmärchenbuch und würde noch viele weitere verregnete Nachmittage wie diesen überstehen müssen. Allerdings passte es, so wie es jetzt aussah, doch besser zur bunt zusammen gewürfelten Einrichtung in der kleinen Holzhütte, die sie zum Spielen benutzen durften. „Wieso sind in den Märchen eigentlich immer die Wölfe die Bösen?“ Hollys traurige Stimme riss ihn aus seinen Überlegungen, während sie sich in seinem Schoß herumdrehte und ihre kurzen Ärmchen um seinen schmächtigen Brustkorb schlang. Sie drückte ihr herzförmiges Gesichtchen für einen Moment in die Falten seines zu großen T-Shirts und atmete tief ein, ehe ihre smaragdgrünen Augen ihn fragend von unten herauf ansahen. „Wieso, Eli?“ Elijah stieß einen kleinen Seufzer aus, obwohl er ihre vielen Fragen schon längst gewöhnt sein müsste. Leider hatte er mit seinen sieben Jahren selbst nicht immer alle Antworten parat, aber was diese eine anging, fiel es ihm noch schwerer. Denn er konnte die Schöpfer des Märchens nur allzu gut verstehen. Manche Wölfe insgeheim Werwölfe waren nun mal böse und hatten ein genau solches oder ähnliches Schicksal verdient. Sein eigener Vater hätte es verdient, an dem Alkohol, den er sich eimerweise hinunterschüttete und der ihn nur allzu zuverlässig noch reizbarer als ohnehin schon machte, zu ertrinken. Holly allerdings war ihm der liebste Werwolf, den es nach seiner Mutter für ihn auf der Welt gab und somit war ihre Frage durchaus berechtigt. „Ich schätze mal, dass derjenige, der dieses Märchen geschrieben hat, einfach nicht wusste, dass es auch so süße Werwölfe wie dich gibt, die keiner Fliege was zu leide tun könnten.“ Elijah wuschelte dem kleinen Mädchen durch die haselnussbraunen Locken, die sich unglaublich weich unter seinen Fingern anfühlten und brachte es damit oder eher mit seinen Worten zum Knurren. Denn Holly hasste es, als süß bezeichnet zu werden, obwohl sie genau das war. So süß, dass einem schon vom bloßen Hinschauen die Zähne schmerzten. Mit einem zahnlückigen Zähnefletschen warf der süße Werwolf sich auf ihn, um ihm zu zeigen, wie furchteinflößend er wirklich sein konnte. Elijah ließ sich auf der dünnen Matratze, die sie auf den alten, verwitterten Holzdielen ausgebreitet hatten, zur Seite fallen und sich von dem Wildfang überwältigen, der ihm unter normalen Umständen nicht einmal bis zum Kinn gereicht hätte. „Ich. Bin. Nicht. Süß!“, schimpfte Holly böse, nur um einen Moment später laut loszukichern, als seine Finger zielsicher die Stellen an ihr fanden, die besonders kitzelig waren. Was bei ihr eigentlich so gut wie überall war. Elijah liebte es genauso sehr sie zu reizen, wie sich mit ihr zu balgen, seit sie ihm im Rudelkindergarten ihre Milchzähne in seine Hand geschlagen hatte, um sich für den zerstörten Sandkuchen zu rächen, den er bei einer Rauferei mit ein paar Jungs niedergewälzt hatte. Der Abdruck ihres Bisses war ihm in Form eines Halbmonds erhalten geblieben, genauso wie ihre innige Freundschaft. Eigentlich war sie sogar seine einzige Freundin, denn die anderen Kinder mieden ihn inzwischen wie einen Aussätzigen. Nicht nur wegen der Angst, die sie vor seinem Vater hatten, der zufälligerweise auch der Alphawolf des Great Falls Rudels war, sondern auch weil Elijah ein gewaltiges Defizit aufzuweisen hatte - Er konnte sich nicht verwandeln. Oder er wollte es einfach nicht, wie sein Vater ihm auch immer wieder vorwarf. Aber ob so oder so, dass er sich nicht in einen Werwolf verwandeln konnte, erschwerte das unbefangene Spielen mit seinen gleichaltrigen Artgenossen. Nur Holly hatte ihn deshalb nie aufgezogen oder es ihm vorgeworfen. Sie hatte es noch nicht einmal erwähnt und ob nun beabsichtigt oder nicht, sie verwandelte sich auch so gut wie nie, wenn sie zusammen waren. Es war im Grunde genommen auch nicht nötig. Sie hatten auch so jede Menge Spaß. Meistens jedenfalls. Das heitere Balgen wurde allerdings jäh unterbrochen, als Elijah scharf die Luft einsog und seine angeschlagene Seite vor Hollys Knie in Sicherheit brachte, obwohl es bereits zu spät war und der Schmerz seiner geprellten Rippen erneut höllisch aufflammte. Sie hörte sofort auf. „Hab ich dir wehgetan, Eli?“ Während er mit einer Hand seine wütende Seite hielt und kontrolliert tief ein und ausatmete, sah sie ihn so erschrocken an, dass ihr sogar Tränen in die Augen traten. Was ihn den Schmerz schnell bei Seite schieben ließ, um stattdessen seine beste Freundin zu beruhigen. Sie sah nicht wirklich wie eine Sechsjährige aus, als er ihr mit dem Saum seines Shirts die Tränen von der Wange wischte, sondern viel mehr wie das kleine Mädchen von damals, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Zu jung, um auch nur in Erwägung zu ziehen, ihr die Wahrheit zu sagen, obwohl er es hasste, sie anlügen zu müssen. Aber es war besser so. „Nein, es war nicht deine Schuld. Ich bin gestern nur wieder hingefallen.“ Und genau in die massiven Motorradstiefel seines Vaters. Mehrmals. „Das passiert dir in letzter Zeit andauernd. Kannst du nicht einfach ein bisschen besser aufpassen? Ich will nicht, dass dir etwas wehtut.“ Wie schnell sie ihm doch glaubte! Was es keinesfalls leichter machte, sie immer wieder anzulügen. „Und ich will nicht, dass du weinst. Damit kann ich einfach nicht umgehen.“ Konnte er noch nie. „Wieso? Ich finde, du machst das richtig gut.“ Holly riss sich dennoch zusammen und versuchte ihn wieder anzulächeln, was allerdings mehr wie eine Grimasse aussah, bis sie es aufgab und wieder ernst wurde. „Versprichst du mir, dass du besser aufpasst?“ Der flehende Blick aus diesen unglaublich grünen Augen könnte einen hungrigen Grizzly auf der Stelle zähmen und erst recht einen Jungen, der sich noch nicht einmal in seine Wolfsgestalt verwandeln konnte. Elijah hatte nicht die geringste Chance. „Na gut. Ich werde es versuchen, aber versprechen kann ich es nicht.“ Nicht bei einem so leicht reizbaren Kerl wie sein Vater einer war. „Okay. Ich lass es dir noch mal durchgehen. Aber…“ Holly hob mahnend einen Finger und fuchtelte damit vor seiner Nase herum. „…nur wenn du mir noch eine Geschichte vorliest.“ Elijah warf rasch einen Blick zu der alten Kuckucksuhr hinüber, die schon in der verlassenen Jagdhütte gewesen war, als sie diese für sich beansprucht hatten und die er ganz alleine wieder repariert hatte. Eigentlich sollte er sich langsam auf den Heimweg machen, wenn er noch rechtzeitig zum Abendbrot Zuhause sein wollte. Aber er hatte keine besondere Lust nach Hause zu gehen. Schon gar nicht während es dabei wie aus Eimern schüttete. Viel lieber würde er für immer mit Holly hier bleiben und ihr Geschichten vorlesen, während ihre Nähe ihn die Schmerzen und die Angst vergessen ließ, die daheim auf ihn warteten. Aber seine Mom würde sich Sorgen machen und das war der einzige Grund, weshalb er überhaupt noch nach Hause kam. Trotzdem, eine Geschichte mehr oder weniger konnte auch nicht mehr schaden und vielleicht hatte bis zum Ende auch der Regen etwas nachgelassen. „Also gut, was für ein Märchen soll ich dir dieses Mal vorlesen?“ Elijah setzte sich wieder mit dem Rücken gegen die Kissen gelehnt hin und nahm das Märchenbuch vorsichtig aus dem schiefen Regal. „Hm… Auf jeden Fall soll dieses Mal kein Wolf darin vorkommen.“ Holly kletterte wieder auf seinen Schoß und lehnte sich so behutsam wie nur möglich gegen seine Brust, um ihm nicht wieder wehzutun. Er war auf jeden Fall für ihren Vorschlag zu haben. Denn dem bösen Wolf würde er heute noch früh genug wieder begegnen müssen. „Wie wäre es dann mit: Die Prinzessin auf der Erbse?“ „Oh, ja!“ Hollys Begeisterung zauberte ihm wieder ein Lächeln auf die Lippen und brachte dabei ihre Locken zum Hüpfen. Woraufhin ein angenehmer Duft nach Plätzchen, Knetmasse und Wolf in seine Nase stieg und ihm das vertraute Gefühl von Geborgenheit vermittelte. Elijah atmete tief diesen wunderbaren Duft ein, ehe er fehlerlos vorzulesen begann: „Es war einmal eine hübsche Prinzessin…“ *** „Herrje, Eli. Du bist ja ganz nass!“, begrüßte seine Mutter ihn mit gedämpfter Stimme, als er leise zur Haustür herein schlüpfte. Seine Mom hatte wie schon so oft auf der Treppe im Flur gesessen und auf seine Rückkehr gewartet. Jetzt huschte ihr karamellfarbener Blick wachsam zum Wohnzimmer hinüber, bevor sie aufstand und die Tür ebenso leise wieder hinter ihm zuschob. Man konnte den Fernseher laufen hören und wie der Sportreporter irgendetwas sagte, kurz verstummte und dann losschmetterte, zusammen mit einem ganzen Stadium voller Zuschauer. Selbst seinen Dad konnte man einmal zustimmend knurren hören, ehe Elijahs Mutter seine Aufmerksamkeit von den Geräuschen weglenkte. „Ich habe mir Sorgen gemacht. Es ist schon halb acht.“ Obwohl sie es tadelnd meinte, hörte es sich nie so an und sie war auch nicht wirklich böse auf ihn. Das zeigte schon allein ihr warmer Blick. „Tut mir leid, Mom. Aber Holly wollte noch eine Geschichte hören und ich lese ihr doch so gerne vor.“ Außerdem hatte der Regen anstatt nachzulassen, noch an Stärke zugenommen und ihm den langen Heimweg noch weiter erschwert. Auf seinen zwei Beinen war er eben einfach nicht so schnell, wie er es vielleicht auf vieren gewesen wäre. Aber er hatte es schon lange aufgegeben, darüber nachzugrübeln, warum er sich nicht verwandeln konnte. Es fiel ihm nicht schwer, das zu akzeptieren. Eigentlich war er insgeheim sogar erleichtert. Seine Mom ging vor Elijah in die Hocke, um ihn einmal fest in eine dieser mütterlichen Umarmungen zu schließen, die er so sehr mochte und ihn alle Sorgen um ihn herum vergessen ließen, ehe sie ihn sanft bei den Händen nahm und ihn eindringlich anschaute. „Das weiß ich doch. Ich bin dir auch nicht böse, aber dein Vater ist wegen des Regens heute früher heimgekommen und hat schon nach dir gefragt.“ Sie streichelte ihm beruhigend durchs Haar, nachdem sie sofort seine Anspannung gespürt hatte. „Mach dir keine Sorgen. Ich hab ihm nicht gesagt, dass du bei Holly warst. Das bleibt unser kleines Geheimnis. Versprochen.“ Sie zwinkerte ihm lächelnd zu und richtete sich dann wieder auf, um ihn auf die Treppe zuzuschieben. „Zieh dir schnell ein paar trockene Sachen an, danach gibt’s Abendessen.“ Elijah gehorchte und ging die ersten drei Stufen hoch, ehe er noch einmal stehen blieb und sich zu seiner Mutter herumdrehte. „Mom?“ „Ja?“ Sie stellte seine nassen Turnschuhe zum Trocknen auf den kleinen Heizkörper neben der Tür und beseitigte auch noch die letzten Spuren seiner feuchten Heimkehr. „Danke.“, murmelte Elijah leise, um seinen Dad nicht auf sich aufmerksam zu machen und auch, damit man die Gefühle die in diesem einen Wort mitschwangen, nicht so deutlich heraushören konnte. Was seine Mutter dennoch bemerkte. Mit dem Dank meinte er nicht nur ihre Verschwiegenheit, sondern auch ihr Verständnis und dass sie nicht wütend auf ihn geworden war. Und selbst wenn sie es einmal war, dann wurde sie dabei nie handgreiflich, so wie es die bevorzugte Methode seines Vaters war. Sie schien das zu wissen, denn sie lächelte ihn eine Spur zu traurig an, als sie sich ihm wieder zuwandte. „Ist schon gut und jetzt geh, mein Schatz. Die Lasagne wartet schon auf dich.“ Bei dem Wort ‚Lasagne‘ begannen seine Augen wie bei den meisten Kindern zu strahlen und er beeilte sich, die Treppe so schnell aber auch so leise wie möglich hinauf zu laufen, um sich rasch umzuziehen. In seinem Zimmer angekommen, warf Elijah die nassen Sachen erst einmal auf einen Haufen, den er nachher zum Trocknen in der Waschküche ordentlich aufhängen würde, aber erst einmal wollte er sich trockene Kleider anziehen. Zwar wurden Werwölfe nur äußerst selten krank und dann bekamen sie bestimmt keine einfache Erkältung, dennoch war der nasse Stoff auf der Haut unangenehm. Bevor er seine Schuhe ausgezogen hatte, hatte ihm das Wasser sogar zwischen den Zehen gestanden. Elijah hatte gerade einmal eine frische Unterhose übergestreift, als er seinen Vater plötzlich schreien hören konnte, gefolgt von einem lauten Klatschen und einem Poltern, als wäre etwas Schweres zu Boden gegangen. Sein Herz setzte einen Schlag lang aus, bevor es regelrecht durchzudrehen begann. Nackte Angst kroch mit eisigen Nadelstichen seinen Rücken hoch und schlug ihre Klauen in seinen Nacken, die sich inzwischen so vertraut anfühlten, wie alles was mit seinem Zuhause und seiner Familie zu tun hatte. Zwar mochte sein Verstand die Situation noch nicht ganz realisieren, aber sein Körper wusste sofort, was vor sich ging und geriet in helle Panik, als schwere Schritte die Treppe hoch donnerten und die Tür zu seinem Zimmer aufgerissen wurde. Elijah ließ das frische T-Shirt fallen und fuhr auf dem Absatz herum. Beim Anblick seines Vaters wich er instinktiv zurück und versuchte krampfhaft mit seiner Umgebung zu verschmelzen, um ja nicht dessen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dieses Mal schien es sogar wirklich zu funktionieren, denn sein Erzeuger würdigte ihn keines Blickes, stattdessen visierte er zielsicher den nassen Kleiderhaufen an und stürzte sich wie ein tollwütiger Wolf darauf. Kleider segelten wie Fleischfetzen durch die Luft. Als er endlich fand, was er suchte, presste sein Vater sich das nasse Shirt gegen das Gesicht und atmete mit geschlossenen Augen mehrmals tief ein und aus, während er Witterung aufnahm. Elijah begann am ganzen Leib zu zittern, als sich der eiskalte Blick seines Dads anschließend doch auf ihn richtete und er sich bei diesem mörderischen Ausdruck beinahe in die Hose machte. Sein Vater ließ langsam das T-Shirt sinken. „Habe ich dir nicht gesagt, dass du dich von den Omegas fernhalten sollst?“ Unter der trügerisch sanften Stimme brach ihm endgültig der Angstschweiß am ganzen Körper aus und als sein Vater das witterte, verdunkelten sich die eigentlich eisblauen Augen noch mehr. Wenn der Mann eines noch mehr als alles andere auf der Welt hasste, inklusive seiner eigenen Familie wie es den Anschein hatte, dann war es Schwäche. „Du warst bei der Mason Göre. Habe ich recht?“ Instinktiv schüttelte Elijah hastig den Kopf und wich zurück, bis er seinen Kleiderschrank im Rücken spürte, während sein Vater immer näher kam. Als dessen Schatten ihn vollkommen einnahm, bekam er keine Luft mehr, als würde die bloße Nähe ihn schon ersticken. „Lüg mich nicht an!“, brüllte er ihn plötzlich mit nach Bier stinkendem Atem an. Die schallende Ohrfeige riss Elijahs Kopf so stark herum, dass er mit der Schulter gegen den Kleiderschrank prallte und das Gleichgewicht verlor. Instinktiv kauerte er sich zu einem Ball zusammen, in Erwartung dessen was jeden Moment noch alles auf ihn niederhageln könnte. Doch statt wie erwartet mit Füßen nach ihm zu treten, packte sein Vater ihn am Hals und riss ihn wieder in die Höhe, um ihm noch eine Ohrfeige zu verpassen, so dass sein ganzes Gesicht die Farbe einer heißglühenden Herdplatte annahm und sich auch genauso anfühlte. „Du bist ein Alpha, verdammt noch mal! Dass ich solche Versager wie die Masons in meinem Rudel akzeptieren muss, ist noch lange kein Grund für dich, mit diesen Omegas abzuhängen. Hast du denn gar keinen Stolz?“ Doch den hatte er und er kam gerade im falschen Augenblick zum Vorschein, als Elijah trotz des Würgegriffs seines Vaters ihn trotzig anstarrte. Keiner nannte Holly oder ihre Familie Versager! Vor allem dann nicht, wenn man selbst einer war. Alphawolf hin oder her. Der unerwartete Widerstand schien seinen Dad noch wütender zu machen und Nick McKenzie pflanzte sein Gesicht so nahe vor das von Elijah, dass ihm regelrecht schlecht von dem Biergestank wurde. „Hast du mir irgendwas zu sagen, Sohn?“ Er stellte ihn sogar wieder auf die Füße zurück und ließ ihn los. Elijah machte ein paar tiefe Atemzüge, ehe er sich dem Blick seines Vaters stellte. Polareis traf auf Polareis. „Holly ist meine Freun-“ Er erkannte sofort, dass er einen schlimmen Fehler gemacht hatte, als er das grimmige Lächeln seines Vaters sah. Im nächsten Moment wurde Elijah so hart nach hinten gestoßen, dass das Holz des Kleiderschranks bei der Kollision mit seinem Körper nachgab und er erneut Bekanntschaft mit dem Boden machte. Der Geschmack von Blut breitete sich in seinem Mund aus, nachdem er sich auch noch auf die Zunge gebissen hatte, doch das war noch längst nicht das Schlimmste. Denn das kam keinen Atemzug später. Die Schläge seines Erzeugers waren dieses Mal treffsicher und von einer berechnenden Härte, wie sie sonst nicht der Fall waren, wenn er ihn im betrunkenen Zustand schlug. Zwar hatte sein Vater auch dieses Mal eindeutig getrunken, doch offenbar nicht genug, um wirklich seine Koordinationsfähigkeit einzubüßen. Aber es hatte gereicht, um seinen ohnehin schon hohen Aggressionspegel das Gefühlsbarometer sprengen zu lassen. Dabei hatte er ihm nur ein einziges Mal widersprochen! Der anschließende Tritt kam nicht völlig unerwartet, aber dank seines Gehirns, das nur noch in seinem Kopf herumzuschwimmen schien, war Elijahs Reaktion zu langsam und seine ohnehin schon malträtierten Rippen bekamen die volle Breitseite der Wut seines Vaters ab, bevor er sich mit seinen Armen und Beinen davor schützen konnte. Elijah bekam keine Luft mehr. Erst ein weiterer Tritt brachte seine erstarrten Lungen dazu, sich wieder auszudehnen und sich mit dem lebenswichtigen Sauerstoff zu füllen. Bevor der ihm allerdings wieder herausgejagt wurde, warf sich ein Schatten auf ihn und fing den nächsten Tritt für ihn ab. Elijahs Mutter wimmerte gequält auf, wich jedoch keinen Zentimeter von seiner Seite. Stattdessen schlang sie die Arme beschützend um ihn und schirmte ihn auf diese Weise noch mehr vor seinem Vater ab. „Hör bitte auf, Nick! Du bringst ihn ja noch um!“ „Und wenn schon! Der kleine Bastard hätte es nicht besser verdient. Er verwandelt sich ja noch nicht einmal, um sich zu verteidigen und hängt auch noch mit Omegas herum! Langsam bezweifle ich, dass er wirklich mein Sohn ist.“ Mit einem Mal wurde ihm vor Schmerzen speiübel und Elijah kämpfte verbissen darum, sich nicht auch noch vor seinem Vater zu übergeben. Das hätte dem Ganzen wohl noch die Krone aufgesetzt. „Aber er ist dein Sohn und was macht es schon, wenn er sich nicht verwandelt? Dafür ist er unglaublich klug und schreibt in der Schule nur die besten Noten.“ „Scheiß auf die Noten!“ Seine Mutter und er zuckten zur gleichen Zeit zusammen, als das Brüllen erneut durch den Raum hallte. Sie ließ ihn unvermittelt los, als sein Vater sie bei den Haaren packte und sie von ihm wegriss. Mit einer Hand um ihre Kehle nagelte er sie an die Wand, während ihr Mann sie wütend anfuhr: „Er ist ein verdammter Werwolf und kein beschissener Homo sapiens! Hätte ich einen schwanzlosen Akademiker als Sohn gewollt, hätte ich eine menschliche Schlampe gefickt und nicht dich.“ Die zarten Hände seiner Mom umklammerten krampfhaft die riesige Pranke seines Vaters. Zogen und zerrten daran, um den stahlharten Griff um ihren dünnen Hals zu lockern, der ihr die Luft abschnürte, doch die schmutzigen Finger drückten nur noch fester zu. „Aber langsam glaube ich, dass DU dich mit einem dieser nackten Affen eingelassen und mir dann diesen wertlosen Bastard untergeschoben hast.“ Mit der freien Hand wurde auf Elijah gezeigt, der die Übelkeit inzwischen soweit hinunter gerungen hatte, dass er sich wieder schwankend auf die Knie hochkämpfen konnte. Er wünschte wirklich, er wäre nicht der Sohn dieses Monsters, aber die Ähnlichkeit zwischen ihnen beiden war so unbestreitbar offensichtlich, dass die Vorwürfe seines Vaters völlig haltlos waren. Und inzwischen stand Elijahs Wut der seines Vaters in nichts nach. Er hatte sich bisher nie gewehrt oder widersprochen. Er hatte sich seinem Vater stets vollkommen unterworfen und ihm den Respekt gezollt, den dieser als Alphawolf und sein Erzeuger von ihm verlangt hatte. Alles nur in der Hoffnung, dass es dann schneller vorbei war und nicht so schlimm ausfiel. Doch als er dieses Mal seine Mutter im Würgegriff seines Vaters sah und das dunkle Blut, das über ihre Schläfe lief und sich mit der Erinnerung des lauten Polterns von vorhin vermischte, kämpfte sich etwas tief in ihm an die Oberfläche. Der Arsch hatte seiner Mutter lange genug wehgetan. „Lass sofort Mom los!“ Seine eigene Stimme war von einem kaum beeindruckenden Krächzen, doch damit, dass Elijah ihm direkt auf den Rücken sprang und die Zähne in seinen ungewaschenen Hals schlug, hatte sein Vater nicht gerechnet. Elijah konnte sich vielleicht nicht in einen Werwolf verwandeln, aber sein Biss war kräftig genug, um tief in Haut und Fleisch einzudringen, obwohl der darauffolgende Geschmack die Übelkeit wieder verstärkte, während seine zu Klauen gekrümmten Finger nach dem Gesicht seines Vaters grabschten und auf dessen Augen zielten. Erleichterung durchflutete ihn für einen Moment, als er seine Mutter nach Luft schnappen hörte und im Augenwinkel sehen konnte, wie sie sich aus der Nähe ihres Mannes schleppte, um sich hustend und röchelnd von dem Würgegriff zu erholen. Unterdessen zermalmte der eiserne Griff seines Vaters sein rechtes Handgelenk und noch ehe er sich versah, segelte Elijah in hohem Bogen über die Schulter seines Vaters hinweg und schlug wie ein Sack Kartoffeln auf dem harten Boden auf. „Der kleine Bastard hat also doch Zähne. Wer hätte das gedacht. Hast du sonst noch was drauf?“, verhöhnte sein Vater ihn völlig unbeeindruckt und machte somit deutlich, wie kläglich sein Aufbegehren gegen ihn gewesen war. Zu schwach. Er war einfach viel zu schwach! Noch während Elijah sich auf den Bauch drehte, um sich nun doch in Sicherheit zu bringen, wurde seine Hand erneut gepackt und nach hinten gerissen. Die Bänder und Sehnen seiner Schulter brüllten unter der plötzlichen Belastung protestierend auf und auch Elijah entkam zum ersten Mal ein gellender Schrei, nachdem ein schwerer Stiefel ihn direkt im Rücken traf und seinen Oberkörper flach zu Boden rammte, während sein Arm die entgegengesetzte Richtung nahm. Das Knacken seiner Schulter, als es aus der Gelenkpfanne sprang, brannte sich unvergesslich in seine Erinnerung, begleitet von derart höllischen Schmerzen, dass ihm auf einmal ganz schwarz vor Augen wurde, nur um keinen Moment später wieder von der Realität in all ihren bunten Farben und grausigen Empfindungen erschlagen zu werden. Während Elijah zwischen Wachsein und Ohnmacht taumelte, fegte eine riesige Gestalt über ihn hinweg, riss seinen Vater zu Boden und kurz sah es so aus, als würde seine Mom ihren Mann mit ihren messerscharfen Fangzähnen einfach in Fetzen reißen. Wieder wurde alles schwarz und der Schmerz in seiner ausgerenkten Schulter ließ für einen wohltuenden Moment nach, nur um erneut in all seiner gnadenlosen Pracht zu erblühen. Das nächste Bild zeigte plötzlich zwei Werwölfe die sich unter fürchterlichen Kampflauten ineinander verbissen hatten und das ganze restliche Zimmer einnahmen, während ihre massigen Körper mit Buntstiften gemalte Bilder von der Wand holten, das Kinderbett unter sich begruben und ihre Krallen den Teppich aufschlitzten, der aussah wie eine Rennbahn, auf der man mit kleinen Matchbox-Autos fahren konnte. Elijah versuchte sich in den wachen Momenten, hinaus in den Flur zu schleppen, um nicht aus Versehen ebenfalls unter die riesigen Pfoten zu kommen, aber er schaffte es kaum einen halben Meter weit, da musste er sich würgend übergeben, nachdem er einen Blick auf seinen schlenkernden Arm geworfen hatte, der nicht mehr zu seinem Körper zu gehören schien und sich dennoch so verflucht intensiv anfühlte, als bestünde er nur aus diesem einen Körperteil. Leise wimmernd und mit heißen Tränen, die ihm über die Wangen liefen, rollte Elijah sich am Ende einfach an Ort und Stelle zu einem kleinen Ball zusammen, den gesunden Arm schützend über seinen Kopf haltend und darum betend, dass es endlich aufhören sollte. Sowohl der Schmerz wie auch das animalische Knurren und Kläffen oder das schmerzvolle Jaulen seiner Mutter. Doch anstatt mit der Zeit nachzulassen gewann der Kampf immer weiter an Fahrt und es ging immer mehr in die Brüche, bis sein ganzes Zimmer völlig verwüstet war und mit ihm das wunderschöne, beigefarbene Fell seiner Mutter. Büschelweise war es ausgerissen und im Raum verteilt worden. Blutflecken zeichneten sich in beunruhigender Größe auf ihrem einst so prachtvollen Haarkleid ab und jeder einzelne ihrer Muskeln schien unter dem enormen Kraftaufwand zu beben, den ihr die Auseinandersetzung mit ihrem so viel größeren Mann abverlangte. Zwar hechelte sein Dad ebenfalls wie wild und hatte sogar eine tiefe Wunde über die gesamte Länge seiner schwarzen Schnauze, dennoch sah man ihm von weitem an, dass er noch lange nicht am Ende seiner Kräfte war. Seine Mutter hingegen würde bald unterliegen. Vielleicht gab sie deshalb nicht nach, sondern griff mit all ihrer verbleibenden Kraft und ihrer schieren Verzweiflung ein letztes Mal an. Der schwarze Werwolf wehrte sie nicht nur gekonnt ab, sondern mähte sie regelrecht nieder, rammte sie zu Boden und wollte schon mit seinen gewaltigen Kiefern nach ihr schnappen, als ihr schrilles Aufheulen selbst ihn verdutzt innehalten ließ. Elijah hingegen fuhr bei diesem Geräusch so unvermittelt hoch, als wäre er eine Sprungfeder die man plötzlich losgelassen hatte. Das war nicht einfach nur ein Schmerzensschrei, wie er ihn schon oft bei seiner Mutter hatte hören müssen, wenn sein Vater ihr wehtat. Das war … mehr. Der schwarze Wolf machte unvermittelt einen Schritt zurück, jegliche Aggression wich dabei aus seiner Haltung, während der Körper seiner Frau wie wild zu zucken anfing und sich dabei zu verändern begann. Nach und nach wichen das Fell und die Form eines Werwolfes, der nackten Haut eines Menschen, gaben dabei jeden Kratzer, jeden Biss, jeden einzelnen Bluterguss an dem wunderschönen, milchfarbenen Körper frei und auch den Blick auf ein kleines Stück Holz, das dem bläulichen Lack nach zu urteilen von dem zertrümmerten Kinderbett stammte und eine Hand breit aus ihrer linken Brust herausragte. Nachdem die Verwandlung abgeschlossen war, blieb Elijahs Mutter reglos liegen, die Augen starr an die Zimmerdecke geheftet, während ein dünnes Rinnsal aus Blut von ihrem Mundwinkel ausgehend über ihr Kinn lief und von ihrem wirren Haar aufgefangen wurde. Ein paar Herzschläge lang war es vollkommen still im Raum. Niemand rührte sich. Bis das leise Flattern einer weiteren Zeichnung, die von der Wand zu Boden segelte, die erdrückende Stille durchbrach. Elijah hatte seinen Vater sich noch nie so schnell verwandeln sehen. In einem Moment war er noch ein Werwolf, im nächsten kniete er nackt neben seiner Frau und die Art, wie er sie sanft streichelte und immer wieder ihren Namen sagte, machte deutlicher als alles andere die Ausmaße dieser Tragödie klar. Elijah stand einfach nur da, den ausgerenkten Arm fest gegen seine Brust gepresst und dennoch keinen Schmerz mehr fühlend, während er zusah, wie sich das harte, brutale Bild des Mannes vor ihm, das er all die Jahre von seinem Vater gehabt hatte, Stück für Stück vor seinen Augen auflöste. Nicolas McKenzie hielt seine tote Frau sanft wiegend in seinen Armen und begann haltlos zu weinen, ganz so, als hätte er sie tatsächlich geliebt, während bei diesem Anblick in Elijah ein Hass hochzulodern begann, der sich wie flüssiges Feuer durch seine Adern brannte, seine Sicht schmälerte und sein Denken vernichtete. Er begann am ganzen Körper zu beben. Erst kaum wahrnehmbar, dann immer stärker, bis es ihn so heftig schüttelte, dass Elijahs Zähne aufeinander schlugen und es ihn schließlich endgültig zerriss. Die weiße Unterhose fiel in Fetzen von seinem schwarzen Leib ab, als er sich mit gebleckten Zähnen und auf drei Beinen erneut auf seinen Vater stürzte, um ihm die Kehle herauszureißen. Im letzten Moment riss dieser den Kopf hoch – wobei sich ihre hasserfüllten Blicke für einen Moment trafen – und wehrte den Angriff mit nur einem einzigen Hieb seiner gewaltigen Faust ab. Als Elijah dieses Mal zu Boden ging, direkt mit seiner angeschlagenen Schulter voran, stand er nicht wieder auf, sondern versank in einer alles verschlingenden Dunkelheit. Kapitel 1: 1. Kapitel --------------------- Zehn Jahre später – Great Falls High Das Ende war nah. Hinter ihnen lag ein harter und brutaler Kampf. Auf beiden Seiten hatten sie schwere Verluste erlitten und mehr als nur einmal waren sie an ihre körperlichen Grenzen auf oftmals schmerzhafte Art und Weise erinnert worden. Dennoch war ihre Entschlossenheit ungebrochen. Die Great Falls Bison gaben niemals auf. Auf den überfüllten Tribünen trugen die Fans der beiden gegnerischen Mannschaften voller Leidenschaft und Inbrunst für ihr Team ihre eigene Schlacht aus, die nur durch motivierendes Gebrüll und demoralisierende Beschimpfungen geführt wurde. Die bunten Farben ihrer Treue waren dabei ihre Rüstungen und das jeweilige Schullogo ihre Banner. Der Lärm war einfach unbeschreiblich aber auch die außergewöhnliche Stimmung, welche sich über den ganzen Platz ausgebreitet hatte. Fast alle Schüler der beiden konkurrierenden Schulen waren zum diesjährigen Abschlussspiel des Highschool Footballs gekommen und dementsprechend hoch war auch der Anteil an hitzigen Emotionen. Aber die beiden Mannschaften konnten jeden einzelnen Fan auch wirklich dringend gebrauchen, denn so knapp war die Entscheidung über Sieg oder Niederlage in dieser Saison noch nicht gewesen, obwohl oder gerade weil sie bei diesem letzten Spiel wirklich alles gaben. Ermutigende Zurufe und die einstudierten Nummern der Cheerleader könnten jetzt tatsächlich noch den Ausgang des Spiels empfindlich entscheiden. Es waren nur noch 10 Sekunden zu spielen und die Great Falls Bison lagen nur um einen Punkt im Rückstand. Ein einziger Touchdown würde sie zum Sieg führen, sollten sie es in dieser kurzen Zeit überhaupt noch in die gegnerische Endzone schaffen. Die Alternative dazu wäre eine Niederlage beim Abschlussspiel und das ausgerechnet gegen die Rustlers, was keiner von ihnen anstrebte. Im Huddle ging Conners ihr Teamleader und erster Quarterback gerade noch einmal ihre Strategie für den nächsten und höchstwahrscheinlich auch letzten Spielzug durch, doch Elijah hörte nur mit einem Ohr zu. Er hatte sie gefunden. Nachdem er sich bei den Spielen grundsätzlich nur auf seine Aufgabe konzentrierte und die Zuschauer völlig außen vor ließ, hatte ihn heute doch dieses bestimmte Gefühl, dieses gewisse Kribbeln im Nacken, dazu veranlasst, seinen Blick über den Spielfeldrand hinaus auszudehnen. Eigentlich war diese Reaktion ziemlich dumm, wenn man bedachte, wie viele Augenpaare jede einzelne seiner Bewegungen verfolgten, sobald er den Ball in seinen Händen hielt. Aber es war eben das Augenpaar eines ganz besonderen Mädchens gewesen, das ihn selbst nach all den Jahren noch immer nicht kalt ließ. Sie saß in der vorletzten Reihe auf der linken Seite neben ihrer Freundin Ruth und gehörte wohl zu der einzigen Person, die nicht in den Farben ihres Teams gekleidet und voll auf Adrenalin war. Das war wohl auch der Grund gewesen, wieso er Holly überhaupt in der tobenden Menge hatte finden können. Sie kam nie zu den Spielen und auch beim diesjährigen Abschlussspiel hatte er absolut nicht damit gerechnet, aber nun war sie hier und er konnte sich kaum von ihrem Anblick losreißen. Ihre letzte Unterhaltung vor knapp einem halben Jahr kam ihm wieder in den Sinn, denn sie hatte ihn noch lange danach sehr beschäftigt. Im Schulflur waren sie unwillkürlich aufeinander getroffen, obwohl sie es dank jahrelanger Routine meistens schafften, sich nicht über den Weg zu laufen. Aber vermutlich hatte auch der Umstand, dass Holly kaum an ihrem Physikprojekt vorbeisehen konnte, zu dieser Begegnung geführt und eine kleine absturzgefährdete Glaskonstruktion tat ihr Übriges, um sie beide zum Handeln zu zwingen. Vorsichtig hatte er das filigrane Gebilde noch aufgefangen und wieder an einer sichereren Stelle abgestellt, wo sie es im Notfall mit ihrem Kinn selbst halten konnte. Ihr gehauchtes ‚Danke‘ war ehrlich und ohne weitere Hintergedanken gewesen und dennoch hatte es ausgereicht, um ihn schneller die Flucht ergreifen zu lassen, als ein aufgescheuchtes Reh das ein Raubtier gewittert hatte. Ein knappes Nicken und er war weiter gegangen, ganz so als würden sie sich nicht kennen. Als wären sie Fremde. Er hatte ihr noch nicht einmal in die Augen gesehen. Elijah musste sich nichts vormachen. Sie waren Fremde geworden, obwohl er das zu einem anderen Zeitpunkt in einem anderen Leben nie für möglich gehalten hätte. Doch nach dem Tod seiner Mutter hatte sich einfach alles verändert. Er hatte sich verändert und war fortan nicht länger der passende Umgang für dieses so unschuldige und herzensgute Mädchen gewesen. Außerdem hatte sein Vater deutlich klar gemacht, was er von den Masons hielt. Niemand hätte ausschließen können, dass dieser herzlose Bastard nicht auch noch auf die Idee kam, seine beste Freundin umzubringen, nur weil sie mit ihrer Familie den untersten Platz in der Rudelhierarchie einnahm. Elijah wollte nicht auch noch Holly verlieren, obwohl er das am Ende natürlich mit seinem abweisenden Verhalten getan hatte. Aber wenigstens war sie immer noch am Leben und in Sicherheit. Der Schatten seiner düsteren Vergangenheit würde sie nie berühren und schon bald würde er endgültig aus ihrem Leben verschwunden sein. Es war wirklich verdammt hart, auch nur daran zu denken, aber auf jeden Fall besser so. „McKenzie!“ Elijahs Kopf wurde unvermittelt vorne am Visier gepackt und zum Spielgeschehen herumgerissen. Conners funkelte ihn wütend an. „Mann, hör auf zu träumen! Wir verlieren, falls du es noch nicht bemerkt hast.“ Ach ja. Das Spiel… Elijah verdrängte die Gedanken an Holly aus seinem Kopf und versuchte sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Conners hatte Recht. Sie hatten zu hart gekämpft, um jetzt wegen ein paar Träumereien zu verlieren. Außerdem war es auch für ihn das Abschlussspiel. Danach würde er nie wieder für die Great Falls Bison spielen. Ein mehr als unwirklicher Gedanke zu diesem Zeitpunkt und wenn das hier schon das Ende war, dann sollte es doch wenigstens richtig über die Bühne gebracht werden. Auch für Conners schien das zu gelten, denn sein Blick zeigte eine Entschlossenheit, als würde es hier mehr als nur um ein Spiel gehen. Selbst entschlossen die Saison mit einem Sieg zu beenden, riss Elijah sich noch ein letztes Mal zusammen und blickte seinem Teamleader tief und fest in die Augen. „Wenn du mir den Ball zuwirfst, dann schwöre ich dir, dass ich das Baby für uns nach Hause bringen werde.“ Seine Teamkollegen mochten ja schon am Ende sein, doch er hatte noch ein paar Reserven übrig, von denen die anderen noch nicht einmal etwas ahnten. So dachte er zumindest, doch Conners schien zu wissen, dass Elijah noch nicht seine Grenzen erreicht hatte, denn er zögerte nur kurz. „Also gut. Enttäusch uns nicht.“ Niemals. Sie besprachen noch einmal die neue Strategie, danach nahmen sie Aufstellung und der letzte Spielzug konnte beginnen. Es wurde still auf der Tribüne und die Spannung war nun greifbarer denn je. Beinahe jeder schien den Atem anzuhalten. Elijah konzentrierte sich nun ausschließlich auf das Spiel und vor allem auf den Quarterback. Es würde jede Sekunde losgehen. „Down! – Set!“ Conners fing den Football und lief los, bevor noch sein „Hut!“ erfolgte, womit sie die Defensive der Rustlers überraschten und wertvolle Sekunden gewannen, die vielleicht doch noch einen entscheidenden Vorteil bringen könnten. Er täuschte zunächst einen langen Pass an, bevor er den Ball geschickt getarnt an den Runningback mit der Nummer 24 abgab. Elijah sprintete mit dem heißbegehrten Leder eng an sich gepresst los, als wären seine ganz persönlichen Dämonen hinter ihm her, die nach seiner Seele verlangten. An seinem Sportstipendium konnte eine Niederlage zwar nicht mehr rütteln, dennoch wäre es verdammt unbefriedigend gewesen, sein letztes Spiel zu verlieren, geschweige denn sein Versprechen zu brechen. Aufgeben kam also gar nicht erst in Frage. Flint und Jones blockten zwei Gegner ab, die sich ihm in den Weg stellen wollten und machten somit eine kleine Lücke frei, durch die Elijah hindurch schlüpfen und den Weg zum Spielrand nehmen konnte, um noch einmal seine Schritte zu beschleunigen. Hände griffen nach ihm und zerrten erfolglos an seinem Trikot. Mit einer geschickten Körperdrehung wich er einem Cornerback aus, der bereits seinen Arm um ihn geschlungen hatte und ihn zu Boden reißen wollte. Kurz kam Elijah aus dem Tritt, schaffte es aber noch innerhalb des Spielfelds zu bleiben und über einen weiteren Gegner hinweg zu springen, der von einem seiner eigenen Leute vor ihm zu Fall gebracht worden war. Danach hatte er für einen Moment Luft, so dass er mit riesigen Sätzen weitere Yards Spielraum gewann, bis ein Strong Safety in voller Fahrt seine Seite rammte und ihn beinahe aus dem Spielfeld beförderte. Im aller letzten Moment konnte er die Wucht mit einem Ausfallschritt gerade noch abfangen, ohne mit dem Fuß ins Aus zu treten, aber der Angriff hatte ihn empfindlich aus dem Gleichgewicht gebracht, so dass er nun mehr vorwärts stolperte, als dass er lief. Wenigstens hatte der heftige Aufprall ihn sofort wieder von seinem Angreifer befreit und sobald Elijah sein Gleichgewicht wieder gefunden hatte, sprintete er unaufhaltsam weiter. Der Sieg war schon zum Greifen nahe. Dennoch hatte der kleine Zwischenfall ihn wertvolle Zeit gekostet, in der ein weiterer Spieler der Rustlers hatte herankommen können und sich nun an ihn dranzuhängen versuchte. Elijah fehlten nur noch ein paar Meter bis zur Endzone, weshalb er gar nicht erst versuchte, sich aus dem unbarmherzigen Griff zu lösen, der ihm plötzlich die Eingeweide zusammendrückte. Stattdessen gab er alles was er hatte und was er war und zog den zusätzlichen Ballast einfach mit sich. Genau hier zeigte sich, wieso er die Position des Runningbacks einnahm. Er war vielleicht nicht so wendig, wie kleinere und leichtere Spieler, aber dafür konnte er wahnsinnig schnell laufen und es brauchte oftmals schon mehr als zwei schwere Angreifer in vollem Lauf, um ihn aufzuhalten. Die Rustlers hatten keine Chance. Elijah kämpfte sich einfach weiter bis zur Endzone durch und der erzielte Touchdown ließ die Fans der Great Falls Bison von der Tribüne aufspringen. Doch so laut das Siegesgebrüll auch war, wurde es doch von den ganzen Körpern gedämpft, die sich noch in letzter Verzweiflung auf ihn warfen und nur langsam wieder von ihm runter kletterten. Conners war der erste, der bei ihm ankam und ihm mit einem derart breiten Grinsen hoch half, als hätte er gerade einen 6er im Lotto gewonnen. Sie schlugen mit den Helmen aneinander, bevor die Jackson-Brüder Elijah einfach an den Beinen hochhoben und stolz herumtrugen, als hätten sie gerade fette Beute gemacht, mit der sie jetzt angeben mussten, während sie eine Siegeshymne trällerten. In diesem Moment des Triumphs und der aufrichtigen Anerkennung ließ Elijah wohl zum ersten Mal nach dem Tod seiner Mutter die vage Hoffnung zu, dass sich sein Leben vielleicht doch noch in eine positive Richtung entwickeln könnte. Denn in nur wenigen Tagen würde er Great Falls und somit auch seine Vergangenheit für immer hinter sich lassen. *** „Hervorragendes Spiel, McKenzie.“ Eine schaufelgroße Hand legte sich auf seine nackte Schulter und ließ ihn von seinen Schuhen, die er sich gerade aufband, hochsehen. „Mach‘ nur so weiter und du wirst es mal weit bringen, mein Junge.“ Das Lächeln des in die Jahre gekommenen Mannes war warm und echt, beinahe väterlich, wenn dieser Ausdruck in Elijahs Welt nicht so völlig ins Gegenteil verkehrt worden wäre. „Danke, Coach.“, war daher nur seine gemurmelte Antwort, die Dank des Siegesgegröles, das in dem beengenden Umkleideraum vorherrschte, beinahe unterging. Elijah brachte es nicht fertig, dem Mann vor sich länger als nötig in die Augen zu sehen, da er sehr genau wusste, dass er seine sportliche Karriere bestimmt nicht weiterverfolgen würde, so wie sein Coach es angedeutet hatte, weshalb er sich wieder seinen Schuhen widmete. Er wollte studieren und kein Profispieler werden. „Na dann will ich dich nicht länger aufhalten. Geh dich abkühlen. Du glühst ja regelrecht wie ein Dampfkessel.“ Kurz versteifte Elijah sich, konnte aber nur noch den Rücken seines Trainers sehen, als er aufblickte, dem zum Glück an seiner überdurchschnittlich hohen Körpertemperatur nichts Ungewöhnliches aufgefallen war. Auch ein Grund, weshalb er es nicht so mit Berührungen hatte und gerade bei Menschen gerne vermied. Obwohl er gerade nur so von ihnen umzingelt war. Seine Teamkollegen waren allerdings ganz okay. Selbst für Menschen oder vielleicht auch gerade deshalb. Zwischen ihnen bestand ein richtiger, unverfälschter und nicht durch Angst und Terror hervorgerufener Zusammenhalt. Das übliche Klischee von Footballspielern traf bei ihnen nicht zu und es gab auch keine Hackordnung. Jeder hatte sich seinen Platz im Team durch harte, ehrliche Arbeit verdient und das wurde respektiert. Für Elijah waren diese Jungs sein wahres Rudel. Sein Halt, wenn er einmal nicht mehr weiter wusste oder kurz davor stand, wirklich dumme Dinge zu tun. Es war zwar nicht so, dass er ihnen sein Herz ausschüttete. Eigentlich sagte er sogar verhältnismäßig wenig und gehörte mehr zu den Stillen, schweigsamen Typen, aber sie akzeptierten ihn vorbehaltlos so wie er war und wollten ihn nicht auf Biegen und Brechen ändern, so wie sein Vater es ständig tat. Bei ihnen konnte er einfach nur sein, ohne ständig von Angst, Wut und Hass aufgefressen zu werden. Und sie brachten ihn schon mit kleinen Dingen zum Lächeln. Elijah musste sich das Grinsen verkneifen, als Flint splitterfasernackt auf eine der Bänke sprang und eine etwas schräge Version eines Indianers im Siegestaumel aufführte, während er dabei seinen Tomahawk für jeden ersichtlich vor sich her schwang, bis sein Kumpel Mike ihm mit einem nassen Handtuch auf den blanken Hintern klatschte und ihn damit wie ein Mädchen aufkreischen ließ. Danach verschwanden die beiden Jungs abwechselnden im Schwitzkasten des anderen in den Duschen. „Klasse Leistung, McKenzie. Ich bin froh, dass ich dir vertraut habe, obwohl ich mir am Schluss nicht sicher war, ob du es schaffen würdest, als dich dieser Berg von einem Strong Safety beinahe niedergemäht hat.“ Elijah wandte den Kopf und sah zu Conners hoch, der anscheinend bereits geduscht hatte und gerade dabei war, sich die Haare trocken zu rubbeln. „Mich haut nichts so leicht um. Trotzdem danke für die Chance.“ Er stand auf und stellte seine Schuhe in den Spind, machte allerdings noch keine Anstalten, sich ebenfalls zum Duschen fertig zu machen. „Ich würde ja gerne sagen: Beim nächsten Mal wieder, aber…“ Conners seufzte und ließ kurz den Kopf hängen, bevor er sich wieder zusammenriss. Für ihn als Teamleader war es bestimmt noch härter, die Mannschaft verlassen zu müssen. Immerhin war das auch für ihn das Abschlussjahr. „Du kommst doch dieses Mal zur Afterplay-Party, oder?“, wechselte er schließlich das Thema und klang dabei gleich viel enthusiastischer. Da sprach eindeutig der Partykönig aus ihm. Elijah brummte nur eine unbestimmte Antwort, da er schließlich nicht mit seinem Ruf als absoluter Partymuffel brechen wollte und er damit meistens durchkam, wenn ihn jemand danach fragte. Auch dieses Mal wurde er nicht dazu genötigt, sich mit Bier volllaufen zu lassen, bei einer Musiklautstärke die eigentlich sofort die Bullen auf den Plan rief, während er sich mit Händen und Füßen von volltrunkenen Barbies befreien musste, für die sein Aussehen und der Status als Footballspieler ein Ticket für eine sofortige Image-Verbesserung zu sein schien. Ihn schüttelte es regelrecht bei dem Gedanken daran und er beeilte sich, aus seinen verschwitzten Sachen zu kommen, nachdem der Quarterback ihn wieder allein gelassen hatte. Eine Dusche war jetzt das Einzige, was er nach diesem Sieg wirklich brauchte. Elijah ließ das heiße Wasser über seinen schmerzenden Körper laufen, während er sich mit geschlossenen Augen seine Schulter massierte, die heute ganz schön was hatte einstecken müssen. Eine Zeit lang stand er einfach nur so da, ließ das wohltuende Wasser seine angespannten Muskeln erweichen und hörte zu, wie es immer stiller im Umkleideraum wurde, bis er schließlich vollkommen alleine war. Noch ein paar Mal war er aufgefordert worden, doch noch zu der Party zu kommen, aber er hatte es einfach ignoriert und nun stand er einfach nur da und dachte über Dinge nach, die im Augenblick eigentlich ohne Belang waren, aber ihn davon abhielten, an die heutige Nacht zu denken. Eine Weile hatte er sich zum Beispiel gewundert, warum sich nicht mehr seiner Artgenossen für das Sportangebot der High School interessierten. Aber letztendlich lag es wohl an genau dem einen Grund, der seinen Vater dazu brachte, Elijahs außerschulische Aktivität zu billigen. Für gewöhnlich verwandelten sich Werwölfe in seinem Alter oft und durchaus schon mal in Situationen, wo sie es eigentlich gar nicht wollten. Dazu reichte schon ein gewisses Maß an Wut und Aggression aus. Gewürzt mit einer kräftigen Portion Adrenalin oder pubertären Gefühlsanwandlungen war das eine hochexplosive Mischung. Wortwörtlich. Eigentlich war es da ganz logisch für einen Werwolf, sich nicht in eine Situation zu begeben, die ihn selbst oder seine ganze Spezies in Gefahr bringen könnte, wie zum Bespiel während eines laufenden Footballspiels, bei dem man immer wieder von allen Seiten attackiert und dabei von einer ganzen Masse an Menschen beobachtet wurde. Elijah hatte sich darum nie Sorgen gemacht und sein Erzeuger hatte es inzwischen auch längst aufgegeben, in dieser Hinsicht noch irgendetwas von ihm zu erwarten. Vielleicht hatte er anfangs noch gehofft, dass das Spiel den Wolf in seinem Sohn hervorlocken würde, aber nachdem eine Saison nach der anderen vorüber gegangen war, ohne das etwas passierte, hatte er wohl resigniert und diese eine Verwandlung vor so langer Zeit als ‚keinmal‘ abgetan. Was er Elijah auch heute noch immer wieder bei jeder Gelegenheit spüren ließ, wenn es um das Rudel ging und darum, ein vollwertiges Mitglied zu sein. Als wollte der Kerl in seiner Position als Alphawolf die Schande über die Unzulänglichkeiten seines Sohnes mit allen möglichen Demütigungen wieder wettmachen. Heute Abend würde er leider wieder Gelegenheit dazu bekommen. Elijahs Hände ballten sich zu Fäusten als das wohl bekannte Gefühlsgemisch in ihm explosionsartig wieder hochkam, das mit den Jahren keine Sekunde lang abgeflaut war, sondern nur noch an Intensität zugenommen hatte. Als sein Körper daraufhin zu beben begann, biss er die Zähne fest zusammen und schluckte seine Gefühle wieder hinunter. Nur noch ein paar Tage, versuchte er sich zu beruhigen. Dann werde ich das Rudel verlassen und diesen Wichser nie wieder sehen. Und er würde endlich die Ketten sprengen, die ihn so lange am Boden gehalten hatten. Die dafür gesorgt hatten, dass er sich von seiner besten und einzigen Freundin abgewandt hatte und seither auch keinem anderen Mädchen die Chance gegeben hatte, den Zorn seines Vaters auf sich zu ziehen, weil sie in dessen Augen alle unwürdig gewesen wären. Selbst die Mitglieder des Rudels mieden ihn so gut sie konnten aus der Angst heraus, als nächstes ins Visier des tyrannischen Alphawolfs zu geraten. Verdammte Feiglinge! Mit einem Ruck drehte Elijah das Wasser ab, ging zu seinem Handtuch hinüber, rubbelte sich kurz ab und wickelte es sich anschließend um die Hüften. Auf dem Weg zu seinem Spind lief er an den Waschbecken vorbei und konnte einem weiteren Grund in die Augen sehen, warum sein eigenes Rudel den Kontakt zu ihm weitestgehend vermied. Er sah verdammt noch mal so aus wie sein Vater. Elijah hatte die gleichen eisblauen Augen. Das gleiche schwarzblaue Haar, auch wenn seines etwas kürzer war. Das gleiche energische Kinn und im Moment auch exakt die gleiche Kälte im Blick. Die feinen Unterschiede waren nur minimal. Natürlich sah er jünger aus. Hatte keine deutlich sichtbaren Kampfspuren am Körper und wenn sie nicht direkt nebeneinander standen, fiel es auch nicht auf, dass er mit seinen annähernd 1, 96 Metern seinen Alten sogar noch um einige Zentimeter überragte. So manch einer würde sogar behaupten, er hätte einen ganz guten Griff in den Genpool gemacht. Trotzdem fühlte es sich für ihn eher wie ein kräftiger Tritt in die Eier an. Genauso gut hätte er das Gesicht von Charles Manson haben können. Ohne seinem Spiegelbild noch einen weiteren Blick zu schenken, marschierte Elijah zu seinem Spind zurück und zog sich an. Vielleicht sollte er sich die Haare bleichen und somit ein noch deutlicheres Zeichen dafür setzen, dass sein Vater schon bald endgültig aus seinem Leben verschwunden sein würde. Während er seine Sporttasche zusammen packte, verwarf er den Gedanken allerdings gleich wieder, da er bisher keinen großen Aufwand mit seinen Haaren betrieben hatte und es in Zukunft auch eigentlich gar nicht wollte. Im Grunde genommen brauchte er doch lediglich jeden Spiegel zu meiden und das war nun wirklich kein Problem. Dank seiner Gene musste er sich nur alle paar Tage rasieren und das bekam er mit einem Elektrorasierer auch ohne Spiegel ganz gut hin. Entschlossen sich nicht länger mit seinem Vater zu beschäftigen, wenn es sich vermeiden ließ, schulterte Elijah schließlich seine Tasche und verließ die Umkleideräume, nach dem er noch einen letzten Blick in den leer daliegenden Raum geworfen hatte. Er würde das wirklich vermissen, aber wenn er Glück hatte, fand er auf dem Collage ein neues Team und neue Freunde und selbst wenn nicht, so hatte er dann doch endlich seine Freiheit gewonnen. Damit würde er auf jeden Fall etwas anzufangen wissen. *** Sie hatten bei dem heutigen Spiel nicht nur Glück gehabt, was das Endergebnis anging, sondern auch mit dem Wetter, wie es schien. Als Elijah vor die Tür trat, fuhr ihm ein kühler Wind unters Hemd und benetzte seine Haut mit feinen Wassertröpfchen, obwohl er noch unter Dach stand. Es hatte zu regnen begonnen und so tief wie die schwarzen Wolken über ihm hingen, würde sich in nächster Zeit wohl auch nichts daran ändern. Na toll und ausgerechnet heute war der letzte Bus schon weg. Geld für ein Taxi hatte er grundsätzlich keines und darauf zu hoffen, dass sein Alter plötzlich eine barmherzige Ader in sich entdeckte und ihn von der Schule abholte, war ungefähr genauso sinnlos, wie darauf zu warten, dass die Sonne um die Erde zu kreisen begann. Er würde also wieder einmal laufen müssen. Unter normalen Umständen machte ihm das nicht wirklich etwas aus, aber ab einem gewissen Punkt in seinem Leben hatte er eine bestimmte Abneigung gegen Regen entwickelt. Insbesondere gegen das Gefühl, dabei nach Hause laufen zu müssen. Wenn man das Loch in dem er wohnte, denn überhaupt so bezeichnen konnte. Nichtsdestotrotz spielte Elijah noch nicht einmal mit dem Gedanken, doch noch die Afterplay-Party zu crashen, um anschließend auf eine Mitfahrgelegenheit zu hoffen. Stattdessen legte er sich den Schulterriemen seiner Tasche so um, dass er sie am Rücken tragen konnte und die Hände dabei frei hatte. Dann würde er eben die 15 Meilen querfeldein nach Hause rennen. Das hielt ihn zumindest fit und war schon einmal ein gutes Aufwärmprogramm für die bevorstehende Tortur heute Nacht. Ausgerechnet heute hatten sie Vollmond. Der Geschmack des Sieges begann bereits bei diesem Gedanken wieder zu verfliegen, aber spätestens morgen früh, würde nichts mehr davon übrig sein. Sein Vater wusste schon, wie er Elijah wieder auf den Boden der Tatsachen bringen konnte. Vor allem wenn es um Rudeltraditionen ging. Noch bevor er das Eingangstor der Schule passierte war Elijah bereits nass bis auf die Knochen und der Wind peitschte ihm die Nässe auch noch ziemlich unbarmherzig ins Gesicht. Trotzdem gab es für ihn kein Zögern. Es war nicht das erste Mal, dass er nach Hause lief, aber schon bald würde es das letzte Mal gewesen sein und dann wäre auch endgültig Schluss mit den Demütigungen. Gerade als er in einen leichten Trab fallen wollte, hielt neben ihm ein Wagen an und auf der Beifahrerseite wurde rasch ein Fenster heruntergekurbelt. „Darf ich dich mitnehmen?“ Elijah durchlief ein Zittern, das er auf den kalten Wind schob, der ihm über die nassen Kleider fuhr. „Schon gut. Ich laufe lieber.“ Er ging weiter, ohne sich auch nur einmal nach dem alten Ford Escort mit der kleinen Delle in der Beifahrertür umzuschauen und versuchte dabei mit aller Macht den Wagen mit bloßen Gedanken dazu zu bewegen, einfach weiter zu fahren. Vergebens. Das Auto holte auf und fuhr langsam neben ihm her. „Jetzt sei kein Idiot, Eli. Es gießt in Strömen und selbst du brauchst mehr als zwei Stunden zur Farm.“ „Eineinhalb.“ Wenn er sich beeilte und im Augenblick wäre es ihm sogar egal gewesen, wenn es vier Stunden gewesen wären. Hauptsache er musste nicht in dieses Auto steigen. „Ach, komm schon. Ich wollte sowieso mit dir über etwas Bestimmtes reden. Da kann ich dich doch auch gleich nach Hause fahren..“ „Ich wüsste nicht, was wir uns zu sagen hätten.“ Elijah beschleunigte seine Schritte, während er dem Wetter ebenso sehr trotze, wie dem Gefühl in seinem Bauch. Verdammt, wo waren die ungeduldigen, die Hand ständig auf der Hupe habenden Autofahrer, wenn man sie mal brauchte? Offensichtlich nicht hier. Der alte Ford kam abrupt zum Stehen. Eine Tür wurde aufgerissen und noch ehe er sich versah, stand Holly breitbeinig vor ihm, die Hände in die Hüften gestemmt und funkelte ihn wütend von unten herauf an. Inzwischen reichte sie ihm nicht einmal mehr bis zum Kinn, was ihr Zähnefletschen ungefähr so beeindruckend machte, wie das eines Chihuahuas. „Jetzt hör mir mal genau zu, McKenzie!“ Ein spitzer Finger bohrte sich mit dem Enthusiasmus eines ausgehungerten Buntspechtes in seinen Brustkorb. „Ich habe genauso wenig Bock darauf, dieses Gespräch mit dir zu führen wie du. Vor allem da du mir die ganzen letzten Jahre das Gefühl gegeben hast, an einer hochansteckenden Krankheit zu leiden, von der ich selber nichts wusste. Aber im Gegensatz zu dir, bedeutet mir unsere Freundschaft aus Kindertagen noch etwas. Also schieb gefälligst deinen arroganten Arsch in den Wagen, damit ich dich nach Hause bringen kann!“ Elijah machte in diesem Moment den größten Fehler, den er in so einer Situation nur machen konnte - er sah ihr in die Augen. Wie schon die tausende Male davor durchbohrten ihn diese unglaublich lebendigen Saphire, berührten ihn auf eine Weise, wie es wohlwollende Hände nie tun könnten und gaben ihm nun doch auch das Gefühl, ein verdammtes Arschloch zu sein. Der Ausdruck war definitiv neu oder zumindest hatte Elijah ihn noch nie in Hollys Blick gesehen. Aber wann hatte er ihr auch schon das letzte Mal so richtig in die Augen geschaut? „Zwing mich nicht, die Wölfin herauszulassen.“, drohte Holly mit einem Mal seltsam müde und wischte sich eine nasse Strähne ihres Haares aus dem Gesicht. Dabei bemüht den Blickkontakt auch weiterhin aufrecht zu halten, obwohl es ihr offensichtlich schwer fiel. Erst da wurde Elijah klar, dass sie nun beide wie begossene Pudel im Regen standen, sich mit ihren Blicken duellierten, während das Zittern in seinem Inneren auf sie übergegangen zu sein schien. Ihm fehlten dank ihres unerwarteten Auftretens die Worte und sein ganzer Körper schien ihm nicht mehr gehorchen zu wollen. Alles wozu er noch fähig war, war sie einfach nur wie ein Bekloppter anzustarren. Nachdem keine Reaktion seinerseits erfolgte trat Holly schließlich einen Schritt zurück und dann noch einen. Sie ließ geschlagen den Kopf hängen und seufzte tief, bevor sie sich auf den Weg zurück zu ihrem Wagen machte. Als sie an ihm vorbeiging, murmelte sie noch: „Ich hätte nicht gedacht, dass du mich wirklich so sehr hasst…“ Als der Motor erneut aufheulte, zerrte Elijah hastig seine Sporttasche von seinem Rücken, riss die Beifahrertür auf und ließ sich ins Trockene auf den weichen Sitz neben Holly gleiten. Wortlos setzte sie den Blinker und fuhr los, nachdem sie die Heizung weiter aufgedreht hatte. Elijah betrachtete still die verregnete Landschaft durch das Seitenfenster, während sich das Gebläse des alten Fords alle Mühe gab, die Luft im Wagen zu erwärmen. Nicht dass einem von ihnen beiden kalt gewesen wäre. Werwölfe froren grundsätzlich nur bei extremen Bedingungen. Aber zumindest ihre nassen Klamotten würden so schneller trocknen. Leider hatte es auch den Nachteil, dass die Luft durch den gesamten Innenraum zirkulierte und so garantierte, dass ihm Hollys Witterung auch ganz bestimmt nicht entging. Ihr Duft war durch den nassen Stoff auf erhitzter Haut sogar noch intensiver, als es normalerweise der Fall gewesen wäre und dabei hätte das Elijah schon völlig gereicht. Sie roch schon lange nicht mehr nach Zimt und Knetmasse, mit dem er immer das warme Gefühl von Geborgenheit verbunden hatte. Stattdessen war da jetzt ein Duftgemisch aus etwas Süßlichem, vermischt mit leichtem Moschus und Wolf, das einen Teil in ihm aufzuwühlen begann, den er bisher immer ganz gut im Griff gehabt hatte. Sein Wolf regte sich, schnupperte in die Luft und tänzelte nervös im primitiven Winkel seines Gehirns hin und her, nicht so genau wissend, wie er nun auf diese unerwartete Verlockung reagieren sollte. Elijah ließ sich als Reaktion darauf noch tiefer in den weichen Sitz sinken und versuchte dabei flacher zu atmen. Was nicht wirklich etwas brachte, denn Holly saß schließlich gleich direkt neben ihm und konzentrierte sich ziemlich angestrengt auf die Straße. Irgendeine Ablenkung musste her. „Du wolltest mit mir reden?“ „Ja.“ Holly nickte knapp, machte aber keinerlei Anstalten, ihm zu sagen, worüber sie mit ihm reden wollte. Stattdessen umschlossen ihre Finger das Lenkrad noch fester und ihre ganze Haltung machte klar, dass der richtige Zeitpunkt zum Reden noch nicht gekommen war. Elijah verschränkte die Arme vor der Brust und konzentrierte sich wieder auf die Landschaft draußen vor dem Fenster. In ein paar Minuten würde er Zuhause sein und wenn Holly bis dahin nicht mit ihrem Anliegen ausgepackt hatte, würde sie nachher auch nicht mehr wirklich Gelegenheit dazu bekommen. Denn wenn es sein musste, würde er sogar aus dem fahrenden Auto springen, um zu verhindern, dass sein Vater sie sah. Ein Gespräch auf dem Parkplatz kam also erst Recht nicht in Frage. Nur dass sie gerade an der Abzweigung vorbei fuhren, die zur Farm führte, auf der er aufgewachsen war. Sofort setzte Elijah sich aufrecht hin und warf Holly einen fragenden Blick zu. „Du weißt schon, dass du da hinten hättest abbiegen müssen?“ Zum ersten Mal seit ihrer erneuten Begegnung zeichnete sich auf ihren Lippen so etwas wie ein Schmunzeln ab. „Keine Sorge. Ich bringe dich schon nach Hause. Aber vorher machen wir noch einen kurzen Abstecher.“ „Und wohin?“ Ihr Schmunzeln wurde ein verkniffenes Grinsen. „In die Vergangenheit.“ Kapitel 2: 2. Kapitel --------------------- Ihre gemeinsame Vergangenheit lag in Trümmern vor ihm. Eigentlich war es genau das, was Elijah ohnehin hätte erwarten müssen, nach allem was er schon gesehen hatte, dennoch war er mehr als überrascht, als er die kleine Jagdhütte hinter Holly betrat und die absolute Zerstörung dessen vor sich fand, was ihm einst sein liebster Zufluchtsort gewesen war. Ein dicker Ast hatte einen Teil des Daches eingerissen, so dass nun Wasser die Wand hinablaufen und sich auf dem Boden in einer großen Lache sammeln konnte. Moose und Pilze hatte sich an dieser Stelle breit gemacht und das Holz mürbe werden lassen und doch gaben sie noch ein relativ harmloses Bild zu der Zerstörung ab, welche sich über den restlichen Raum erstreckte. Auch dort wo Feuchtigkeit und Sporen sich noch nicht hatten ausbreiten können. Sämtliche Möbel mit Ausnahme des massiven Holztisches lagen in Trümmern. Spielzeug war aus den Regalen gerissen und genauso wie die dünne Matratze auf dem Boden ausgeweidet worden. Ein verwaistes Glasauge starrte ihn von unten herauf an und im Wind flatterten einzelne Blätter von dem, was einst ihr kostbares Märchenbuch gewesen war. Dieser Anblick traf ihn von allem am meisten. „Was ist … hier passiert?“ Elijahs Stimme war gedämpft, der Stimmung auf einem Friedhof angepasst. Allerdings fühlte sich dieser Ort hier und jetzt auch genau so an. Holly zuckte bei seinen Worten sichtlich zusammen, bevor sie sich weiter durch den Raum bewegte, während es unter jedem ihrer Schritte knirschte und knackte, bis sie schließlich ganz verloren inmitten der Zerstörung stehen blieb und in die Hocke ging. Sie griff nach einem ausgeblichenen Stück Papier und blies ein paar Holzspäne davon ab. Man konnte einen roten Fleck darauf erkennen, aber das war schon alles, was von Rotkäppchen übrig geblieben war. Der Text war völlig unleserlich geworden. „Ich hatte ganz vergessen, wie mein letzter Besuch hier geendet hat.“, gestand sie leise, ließ das Blatt wieder davon segeln und stand auf. „Du hast das getan?“ Elijah sah sich das Chaos noch einmal genauer an und konnte nun auch die kleinen Kratzspuren im Holz und die Zahnabdrücke in dem ein oder anderen Spielzeug erkennen. Hier hatte kein Unwetter sondern ein junger Werwolf gewütet. „Aber warum?“ Entsetzen und Wut lag hinter der ruhigen Fassade seiner Stimme. Er konnte sie nur mit Müh und Not zurückhalten. „Fragst du mich das wirklich?“ Holly drehte sich zu ihm herum und in ihren Augen konnte er nur zu deutlich lesen, dass er die Antwort auf seine Frage doch eigentlich wissen sollte. Elijah blickte reglos zurück und schwieg. Er wollte es aus ihrem eigenen Mund hören, warum sie diesen für ihn so heiligen Ort in ein Schlachtfeld verwandelt; ihn derart geschändet hatte. Gerade weil er es noch immer nicht glauben konnte. „Damals auf der Beerdigung deiner Mutter hast du mir sehr wehgetan. Du hast mir gesagt, dass du mich hasst und dass du mich nie wieder sehen willst.“ Der Ausdruck in ihren Augen wurde schmerzlich und wütend und ganz bestimmt begann sie nicht unbedingt wegen der nassen Klamotten kaum merklich am ganzen Körper zu beben. Doch sie beruhigte sich ebenso schnell wieder, wie der kleine Gefühlsausbruch gekommen war. Etwas, das er nicht Zustande brachte. „Ich kam direkt danach hierher, noch bevor meine Mutter die Chance hatte, mit mir über diese schlimmen Ereignisse zu reden.“, erklärte sie leise weiter und senkte den Blick. „Ich war damals noch ein kleines Kind und hab nicht über mein Handeln nachgedacht, oder wie du dich damals gefühlt haben musst. Ich hab’s einfach nicht verstanden und um ehrlich zu sein, ich verstehe es zum Teil auch jetzt noch nicht.“ Holly seufzte und wischte sich eine nasse Strähne aus dem Gesicht, ehe sie sich wieder zu ihrer vollen Größe aufrichtete und ihn entschlossen anschaute. „Und darum sind wir hier. Ich will endlich wissen, warum du mir damals nach dem Unfall deiner Mutter nicht erlaubt hast, für dich da zu sein. Wir waren doch beste Freunde, warum hast du unsere Freundschaft einfach so weggeworfen?“ Elijahs Blick hatte sich bei Hollys Worten nach und nach verfinstert, während sein ganzer Körper sich immer weiter verspannte. Vielleicht lag es am Vollmond oder auch einfach an den zerstörten Erinnerungsstücken. Was es auch war, er konnte seine Gefühle nur noch schwerlich hinunter schlucken, obwohl er sie sonst eigentlich ganz gut im Griff hatte. „Wir sind also nach all den Jahren wieder hier, damit du alte Geschichten aufwärmen kannst?“ Die Wut in seinen Worten war kaum noch zu überhören. Auch deshalb ging er erst gar nicht auf ihre Frage ein. „Ich bin hier, weil ich die Sache zwischen uns endlich bereinigen und Klarheit schaffen will!“ Auch sie wurde wütend, was ihn noch mehr reizte. „Dann hast du den Weg umsonst gemacht!“ Elijah machte auf dem Absatz kehrt. „Ich will nichts mehr davon hören.“ Mit wenigen Schritten verließ er die Hütte und trat in den strömenden Regen hinaus. Er wusste nicht, was ihn geritten hatte überhaupt hierher zu kommen. Es war eine verflucht blöde Idee gewesen. Er hätte niemals in dieses Auto steigen sollen. „Eli, bitte!“ Holly lief ihm nach. „Ab morgen kannst du von mir aus tun und lassen, was du willst. Du kannst mich vergessen, wenn es dir danach besser geht, aber bitte gib mir noch die paar Stunden, die uns noch bleiben!“ Sie holte ihn ein und stemmte ihre Hände samt ihres ganzen Gewichtes gegen seine Brust, bis er gezwungenermaßen stehen blieb und sie ansah. „Unserer alten Freundschaft willen und ich verspreche dir, danach wirst du mich auch garantiert nie wieder sehen!“ Garantiert nie wieder? Die Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht, obwohl das kaum hätte möglich sein sollen. Aber warum machten sie ihm dann das Atmen so schwer und warum verflucht noch mal sah der Regen auf ihrem Gesicht so aus, als würde sie weinen? Elijah wich einen Schritt vor ihr zurück und rang erneut um Fassung, obwohl es ihn selbst total überraschte. Wieso sollten ihn ihre Worte auch so aufwühlen? Er hatte doch gewusst, dass er nicht nur seinen Vater und das Rudel sondern auch Holly in ein paar Tagen verlassen würde. Dass sein Leben in Zukunft ganz ohne sie stattfinden würde. Warum sollten also ihre Worte ihn auch nur irgendwie berühren können, wo er es doch selbst so wollte? Vielleicht weil er sich nicht bewusst gewesen war, wie sehr er die Gedanken an sie all die Jahre schon zu verdrängen versucht hatte, weshalb er nicht einmal jetzt wagte, wirklich darüber nachzudenken. „Hast du mich gehört? Wir ziehen weg. Nach Sydney. Mein Vater hat dort einen richtig guten Job bekommen. Morgen früh geht der Flieger. Das ist also meine … unsere letzte Chance, alles zwischen uns zu klären.“ Holly bedrängte ihn erneut, kam näher und wollte ihn berühren. Elijah wich noch halb im Schock weiter zurück, stolperte über einen dicken Zweig und landete auf dem Hintern. Erst da blieb sie wie gebannt stehen und starrte ihn an. Wenn das Zittern ihres Körpers vorhin noch kaum aufgefallen war, so konnte man es nun absolut nicht mehr übersehen. „Du tust es schon wieder.“, hauchte sie schließlich mit bebender Stimme und dieses Mal war es offensichtlich dass sie weinte, denn sie wischte sich wütend übers Gesicht. „Ich bin so blöd! Dabei hätte ich wissen müssen, dass du dich in den ganzen Jahren nicht verändert hast. Du stößt mich immer noch bei jeder Gelegenheit weg!“ Sie machte einen Schritt zurück. „Weißt du was? Vergiss es einfach. Wir Omegas sind eben nicht gut genug für euch perfekten Alphas! Wahrscheinlich ist das auch der Grund gewesen, warum du mich nicht mehr sehen wolltest. Weil dir klar geworden ist, das wir beide am jeweils anderen Ende der Rudelhierarchie stehen und es unter deiner Würde wäre, dich noch länger mit Abschaum wie mir abzugeben!“ Sie fuhr herum und stapfte los. Elijah sah ihr zu, wie sie sich immer schneller von ihm entfernte, während sein Gehirn zu begreifen versuchte, was sie ihm da gerade vorgeworfen hatte, egal wie absurd es klang. Viel zu spät fand er seine Stimme wieder: „Holly, warte!“ „Ach, fick dich doch!“ Sie begann zu laufen und war schon zwischen den Bäumen verschwunden, noch bevor Elijah überhaupt auf die Beine gekommen war. Er rannte ihr hinterher. Erst im Laufschritt und dann immer schneller, als ihm klar wurde, dass er sie so nicht einholen würde und im Regen ihre Spur zu verlieren begann. Nach ein paar Minuten, in denen er immer wieder erfolglos ihren Namen gerufen hatte, kam er bei Hollys Wagen an, der verlassen auf dem Waldweg stand, wo sie ihn vorhin geparkt hatte. Von ihr fehlte jedoch jede Spur. Lediglich ihre nassen Kleider lagen auf dem Boden verstreut herum und dazwischen waren die Spuren eines sehr großen Wolfes im Schlamm zu erkennen. „Verdammt!“ Elijahs Faust hinterließ eine weitere kleine Delle auf dem Dach des alten Fords, während er mit Hollys Jeans in der Hand überlegte, was er jetzt tun sollte. Er konnte sie einfach in Ruhe lassen, seine Tasche nehmen und von hier aus nach Hause laufen. Sie würde morgen ihren Flieger nehmen, die Staaten verlassen und ihr letzter Abschied wäre ein ‚Ach, Fick dich doch!‘ gewesen. Was er auf jeden Fall verdient hätte, aber Holly mit Sicherheit nicht. Also, was stand er dann noch so dumm hier rum? Elijah hob die Jeans an sein Gesicht, drückte seine Nase hinein und nahm einen tiefen Atemzug von ihrem Duft, bevor er das Kleidungsstück fallen ließ und seine eigenen Klamotten hinterher warf. Seine letzte Verwandlung lag zwar schon einige Monate zurück, aber der Schmerz würde ihm immer vertraut bleiben, während sich sein ganzer Körper verbog und verformte und ihn etwas völlig anderes werden ließ. Etwas das er von Kleinauf zu fürchten gelernt hatte. Das er verachtete und mit dem er kaum etwas Gutes verband und doch das Einzige war, das ihm ganz allein gehörte. Niemand wusste, dass er sich jederzeit verwandeln könnte, wenn er wollte. Dass der Tod seiner Mutter damals seinen Wolf in ihm befreit und dieser ihn seither immer begleitet hatte. Vor allem seinen Vater ließ er gerne in dem Glauben, er wäre eine Abnormität. Eine Missgeburt. Ein Werwolf der sich nicht verwandeln konnte. Dabei war genau das Gegenteil der Fall. Elijah hatte seine Verwandlung vermutlich besser im Griff, als die meisten anderen Werwölfe, denn bis auf sein erstes Mal hatte er sich bisher noch nie unfreiwillig verwandelt, egal wie sehr die Gefühle in ihm tobten. Dennoch sagte er seinem Vater nichts, weil er wusste, wie sehr es diesen Bastard quälen musste, als Alphawolf eines so großen Rudels wie das von Great Falls einen solchen Makel als Sohn zuhaben. Allein aus diesem Grund ertrug Elijah all die Demütigungen, weil er wusste, wie sehr dieser Wichser sich dabei selbst ins eigene Fleisch schnitt. Auch wenn das niemals genug sein würde, um für den Mord an seiner Mutter zu büßen. Elijah fand Hollys schwache Witterung kurz nachdem er wieder im Wald ankam. Zuerst hatten ihre Pfotenabdrücke ihn geführt, nun tat es seine feine Nase, obwohl der Regen ihm die Suche erschwerte. Eine ganze Weile konzentrierte er sich voll und ganz darauf, ihre Witterung nicht zu verlieren und bemerkte daher nicht sofort, wie sich ihr Geruch mit der Zeit immer stärker zu verändern begann. Anfangs war deutlich ihre Wut herauszulesen gewesen, nun war es Angst, die seinen Weg kreuzte und ihn immer schneller vorantrieb. Schon bald begann er vor Anstrengung zu hecheln und sein Herz donnerte mit seinen Pfoten um die Wette, während seine eigene Furcht ihm die Wirbelsäule hinaufzukriechen begann. Wie eine Dampflock in voller Fahrt preschte er durchs Unterholz, die Angst unterdrückend, dass Holly etwas passieren könnte, wenn er nicht rechtzeitig bei ihr war. Immerhin schien es so, als würde sie vor etwas weglaufen, das ihr panische Angst machte. Und dass er das war, hielt er für ziemlich unwahrscheinlich. Plötzlich konnte er sie sehen. Ein schemenhafter Schatten im dichten Regen der zwischen den Bäumen verschwand und ihn nun zu noch längeren Sätzen ausholen ließ. Er rannte sie beinahe über den Haufen, als er die Stelle erreichte, wo er sie zuletzt gesehen hatte. Nackt kauerte sie am Fuße eines Baumes, die Finger in die feuchte Erde gegraben und die Stirn fest auf den Boden gepresst. Gerade noch im letzten Moment konnte er seine Vorderpfoten davon abhalten, genau ihren ungeschützten Rücken als Sprungbrett zu benützen, verlor dabei aber das Gleichgewicht und als ihn auch noch der Schwung seiner Hinterläufe einholte, legte er endgültig eine Bruchlandung hin. Die Wucht seines riesigen Körpers ließ den Baum regelrecht erzittern, der es gewagt hatte, sich ihm in den Weg zu stellen. Aber Elijah kam sofort wieder auf die Pfoten und schüttelte den Aufprall einfach von sich ab, während er rasch die Umgebung auf mögliche Gefahren sondierte. Da war jedoch nichts. Was ihr Verhalten nun wirklich seltsam erscheinen ließ. Denn Holly begann voller Panik am ganzen Leib zu zittern, als er näher kam und presste sich noch enger an den Boden, als versuche sie krampfhaft mit diesem zu verschmelzen. „Oh Gott, bitte! Ich war nicht auf der Jagd! Ich schwöre es! Ich wollte nur etwas durch den Wald streifen. Ich…“ Ihr versagte die Stimme. Holly? Bei seinem Knurren zog sie weiter den Kopf ein und legte schützend die Hände darüber. Eine Haltung die ihm nur allzu vertraut war, hatte er sie doch selbst Jahre lang eingenommen, um sich vor den schlimmsten Schmerzen zu schützen. Plötzlich war ihm alles klar. Verflucht noch mal, sie hielt ihn für seinen Vater! Elijah verwandelte sich sofort zurück und ging vor ihr in die Hocke. Er wollte ihre Schulter berühren, um sie zu beruhigen, hätte damit aber sicher nur das Gegenteil erreicht, weshalb er die Hand wieder sinken ließ. „Holly, ich bin’s.“, sagte er daher so sanft wie möglich. „Eli?“ Kurz erstarrte sie vollkommen, dann hob sie langsam den Blick. Ihre Augen wurden groß und als sie ihn erkannte sogar noch größer. „Oh mein Gott, ich dachte, du wärst…“ Sie begann noch heftiger zu beben, als das Adrenalin sich in ihrem Körper endgültig ausbreitete und die Panik langsam wieder in etwas anderes umschlug. Holly wurde sauer. Stinksauer. „Verdammt, weißt du eigentlich, was für einen Schrecken du mir eingejagt hast?!“ Sie stieß ihm hart gegen seine ohnehin schon malträtierte Schulter. „Ich dachte, du wärst dein Vater, der mir jede Sekunde das Fell über die Ohren zieht!“ Kein Wunder, auch sie hatte nicht gewusst, dass er sich verwandeln konnte. Beim nächsten Treffer verlor er das Gleichgewicht und landete wieder auf dem Hintern, was Holly nicht davon abhielt, ihre Wut und ihre ausgestandene Angst mit ihren Fäusten an seiner Brust auszulassen. „Du hast mich glauben lassen, er würde mich jagen, verdammt noch mal!“ Elijah fing ihre Hände ein und hielt sie fest, damit sie sich am Ende nicht noch selbst wehtat. Eine Weile wütete sie wie eine echte Wölfin, beschimpfte ihn, fletschte die Zähne, versuchte nach ihm zu schnappen und knurrte ihn an, doch irgendwann war sie es leid und gab erschöpft auf. Als er sie daraufhin vorsichtig losließ, blieb sie kniend vor ihm sitzen und ließ den Kopf hängen. Der Regen war alles was für eine Weile zwischen ihnen lag und die Stille erfüllte. Elijah wagte nicht, sich zu rühren oder etwas zu sagen. Er starrte einfach nur die kleine Gestalt vor sich an und trauerte wie schon so oft der Zeit nach, als zwischen ihnen alles noch einfach gewesen war. Irgendwann schlang Holly völlig unvermittelt ihre Arme um seinen Oberkörper und drückte sich an ihn. Zwar saß sie dieses Mal neben ihm, aber die Geste fühlte sich trotzdem schmerzlich vertraut an und erinnerte ihn noch mehr an früher. Elijah schaffte es nicht, die Umarmung zu erwidern. Stattdessen gruben sich seine Finger in den feuchten Waldboden, während er zum Himmel aufblickte und sich den Regen ins Gesicht klatschen ließ. Die Tropfen trafen ihn so heftig, dass er gezwungen war, seine Augen geschlossen zu halten, während seine restlichen Sinne sich voll und ganz auf Holly zu fokussieren begannen. Er wollte nicht daran denken, aber ihre unerwartete Nähe brachte ihn einfach dazu. Ihr Körper war so unglaublich warm und ihr nasses Haar fühlte sich so zart wie Seide auf seiner Haut an. Wieder einmal wurde ihm bewusst, dass sie kein kleines Mädchen mehr war. Elijah war das schon früher aufgefallen. Spätestens nachdem er sie ein paar Mal nackt gesehen hatte, hatte er sich nicht mehr davor verschließen können. Sie waren schließlich beide Werwölfe und dazu verpflichtet an den Vollmondjagden teilzunehmen. Aber etwas zu sehen und etwas zu fühlen waren dennoch zweierlei Dinge. Gerade jetzt konnte er ihre Brüste spüren, wie sie sich voll und weich gegen seine Seite pressten. Der Schwung ihrer Hüfte berührte dabei die Innenseite seines Unterarms und ihr Schenkel schmiegte sich an seinem entlang. Ihm war es in diesem Augenblick einfach unmöglich, sie als das kleine Mädchen mit der Zahnlücke von damals zu sehen. Vielmehr reagierte sein ganzer Körper und allen voran sein Wolf auf das, was sie jetzt war, so dass er kaum noch zu atmen wagte, weil selbst ihr wütender Duft ihn ganz verrückt machte, egal ob es richtig war oder nicht. Er sehnte sich direkt nach der unschuldigen Berührung des kleinen Mädchens, die er ohne weiteres hätte annehmen können. Aber da war nur noch die zarte Berührung der jungen Frau, die seine Gefühlswelt verrückt spielen ließ. Elijah brauchte dringend Abstand von ihr, aber er konnte sich einfach nicht bewegen. Sein Körper gehorchte ihm nicht. Als wäre er wie paralysiert. Also hielt er still und ertrug es. Wie lange konnte so eine Umarmung denn schon dauern? Sie würde sicher bald genug davon haben, dass er so absolut gar nicht auf sie reagierte. Zumindest dem Anschein nach. Einige Herzschläge später rührte Holly sich dann auch tatsächlich, aber nicht, um ihn loszulassen, sondern um sich stattdessen noch enger an ihn zu drücken und über seinen Rücken zu streicheln. „Ich habe das so sehr vermisst…“, ließ sie ihn so leise flüsternd wissen, dass er es unter dem Geräusch des Regens kaum noch hören konnte. Ihre Wut schien wie verflogen. „Du kannst dir wirklich nicht vorstellen wie sehr.“ Ihre Finger strichen seinen Arm hinauf, über seine Schulter zu seinem Nacken und vergruben sich dort in seinem dichten Haar. Gerade als Elijah sich fragte, was sie wohl vorhatte, zwang sie ihn sanft aber bestimmt dazu, ihn anzusehen. Er hielt den Atem an. Hollys intensiver Blick wanderte aufmerksam über sein Gesicht, suchte etwas in seinen Augen und schien dabei direkt in sein Innerstes sehen zu können. Obwohl er schon vollkommen nackt vor ihr saß, fühlte es sich so an, als würde sie ihn noch weiter ausziehen. Es war aber auch keine wirkliche Erleichterung, als ihr Blick seine Augen wieder losließ und weiter sein Gesicht hinab wanderte, um schließlich an seinen Lippen hängen zu bleiben. Ganz im Gegenteil. Elijahs Herz schlug immer heftiger in seiner Brust, als sie sich nach ihm auszustrecken begann und ihre Hand ihn dabei auch noch mit Nachdruck näher an sich heranzog. Bevor er überhaupt begriff, wie stark sich die Stimmung zwischen ihnen plötzlich verändert hatte, küsste Holly ihn und hob damit sein bisherige Welt aus den Angeln. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte er den Hauch ihres Geschmacks erahnen, während die Wärme und Weichheit ihrer Lippen eine Intensität an Gefühlen in ihm auslösten, wie er sie noch nie zuvor bei einem Kuss erlebt hatte. Sein Wolf übernahm das Denken und wollte auch gerade die Führung übernehmen, als Elijah ihn brutal zurückriss. Abrupt entzog er sich der Hand und wandte sich ab, während er heftig nach Luft schnappte. Sein ganzer Körper hatte zu kribbeln begonnen, während sein Herz in seiner Brust wie verrückt schlug und die Gedanken nur so durch seinen Kopf purzelten. Alles nur wegen eines kleinen Kusses. Sein erster Kuss seit Jahren und auch der erste, der seinen Wolf auf den Plan gerufen hatte. Vielleicht war er deshalb so durcheinander. Holly hingegen schien sein Ausweichen als eine Art Antwort auf eine unausgesprochene Frage zu betrachten und ließ ihn daraufhin unvermittelt los, aber sie war nicht schnell genug, um den Schmerz in ihren Augen vor ihm zu verbergen. „Warte.“ Elijah hielt sie an ihren Schultern zurück und war zugleich erstaunt darüber, wie viel zerbrechlicher sie sich unter seinen Händen anfühlte, als er es in Erinnerung hatte. Er wagte kaum sie zu berühren, hinderte sie aber trotzdem daran aufzustehen. „Lass mich los!“, knurrte sie ihn finster an. „Ich hab’s ja kapiert, Elijah. Es war ein Fehler. Deine Reaktion war deutlich genug. Ich hätte das nicht tun soll-“ Ihr ganzer Körper erstarrte, als er sie mit seinem eigenen Mund zum Schweigen brachte, um ihr zu zeigen, wie falsch sie mit ihrer Annahme lag. Ja, es war vielleicht ein Fehler, weil er sie damit in Gefahr brachte und all das, was ihre Freundschaft einst gewesen war, aber im Augenblick fiel es ihm verdammt schwer, auch nur daran zu denken. Denn nachdem er seine anfängliche Überraschung überwunden hatte, war da eigentlich nur ein Gedanke: Er hatte das schon so lange gewollt, aber nie geglaubt, dass es je dazu kommen würde. Ein paar Herzschläge lang schien Holly es nicht glauben zu können, genauso wenig wie er selbst, denn keiner von ihnen beiden rührte auch nur einen Muskel, bis sie sich schließlich wieder gegen seine Brust sinken ließ und ihm nachgab. Sie küsste ihn nur zögerlich zurück, als würde sie dem Ganzen noch nicht richtig trauen, doch sie wurde mutiger, als er sich auch nach ein paar Augenblicken später immer noch nicht zurückgezogen hatte. Er hätte es auch gar nicht gekonnt. Holly selbst war es, die schließlich kurz den Kontakt zu seinen Lippen unterbrach, um ihm noch ein letztes Mal prüfend in die Augen zu sehen und das was sie dort fand, schien sie endgültig zu überzeugen, denn sie schlang daraufhin ihre Arme um seinen Nacken, seufzte wohlig gegen seinen Mund und zog sich ganz nah an ihn heran. Es kam einem Wunder gleich, dass sie nicht bemerkte, wie nervös er bei alldem hier war, oder dass er kaum wusste, was er tat, da er schon lange kein Mädchen mehr geküsst hatte. Und das eine Mal auf der ersten und einzigen Party die er je besucht hatte, war auch absolut nicht mit dem hier zu vergleichen. Holly war weder betrunken, noch waren sie sich völlig fremd, aber zumindest eines hatten das Mädchen von damals und sie gemeinsam - er würde beide danach nie wiedersehen. Vielleicht war es genau dieser Gedanke, der Elijah jede Vorsicht und Vernunft vergessen ließ. Alles was ihn bisher davon abgehalten hatte, Holly wieder nahe zu sein, würde schon bald keine Rolle mehr spielen. Sie würde weggehen und das so weit, dass selbst sein Vater ihr nicht mehr schaden konnte und sollte er es doch irgendwann einmal versuchen, bei Gott, er würde den Bastard vorher umbringen! Wild entschlossen und mit dem Gedanken im Herzen, dass er Holly um jeden Preis beschützen würde, selbst wenn er dabei draufging, schlang er schließlich seine Arme um sie und ließ los. Seine Sorgen, seine Ängste, die Mauern, die er jahrelang um sich herum aufgebaut hatte, sie alle ließ er für diesen Augenblick fallen, um diesem Mädchen - seiner besten Freundin wieder so nahe sein zu können wie früher. Vielleicht sogar noch näher. Ihre Finger vergruben sich in seinem Haar, zogen und zerrten unbewusst daran, während ihre Lippen immer wilder miteinander verschmolzen und die Welt um sie herum immer weiter abzurücken begann. Selbst der nachlassende Regen kümmerte sie nicht. Holly ging zuerst die Luft aus und sie schmiegte ihre Wange kurz an seiner, um wieder zu Atem zu kommen. „Wahnsinn! Ich weiß nicht ob ich dem Mädchen danken … oder es umbringen soll, das dir beigebracht hat … so zu küssen…“ Für einen Moment überlegte Elijah tatsächlich, was er darauf erwidern könnte, kam dann aber gar nicht erst dazu, da Holly sich erneut über seinen Mund hermachte. Hungriger als noch zuvor wie es schien, was wohl bedeutete, dass es ihr tatsächlich ernst damit war. Es spielte ohnehin keine Rolle, aber zumindest nahm sie ihm damit die Angst, sich nach der langen Zeit wie ein absoluter Anfänger vorzukommen. Obwohl er in gewisser Weise natürlich genau das war. Denn Knutschen war schon alles, was sein Vorrat an Erfahrung zu bieten hatte, auch wenn man das absolut nicht geringschätzen sollte, denn es fühlte sich verdammt gut an. Holly fühlte sich verdammt gut an und wie ihr warmer Körper sich immer wieder an seinen drängte, ihre Finger ihn abwechselnd kraulten und kratzten und das alles auch noch vollkommen nackt. Wären sie keine Werwölfe gewesen, hätte diese Tatsache vielleicht eine noch größere Bedeutung gehabt. Es wäre ihnen beiden vielleicht sogar peinlich gewesen, aber zumindest diese Scheu war kein Thema zwischen ihnen. Sie hatten schon vorher gewusst, wie der jeweils andere aussah, was es umso aufregender machte, das Gesehene auch endlich einmal berühren zu können. Elijah drängte Holly nach hinten, bis sie auf dem Rücken unter ihm zum Liegen kam, ehe er sich tief über sie beugte und ihre Küsse immer leidenschaftlicher wurden. Mit einer Hand stützte er sich dabei ab, um sie nicht zu erdrücken, während seine andere zart liebkosend jede Stelle an ihr streichelte, die er nur zu streicheln wagte. Es war merkwürdig, herauszufinden, dass all jene Stellen, die sie früher selbst bei der kleinsten Berührung sofort zum Kichern gebracht hatten, nicht mehr die erwartete Wirkung zeigten. Viel mehr glich es einem sich Winden. Als wäre Holly sich nicht sicher, ob sie sich auf die Berührung einlassen, oder doch lieber ausweichen wollte. Erst als sein Daumen unbeabsichtigt die Seite ihrer Brust streifte, schmiegte sie sich eindeutig der Berührung entgegen und gab ein leises Brummen von sich, als er es daraufhin noch einmal tat. Davon ermutigt gab er seiner Neugier schließlich nach und umschloss ihre Brust mit seiner ganzen Hand, fühlte vorsichtig die weiche Beschaffenheit des Gewebes, die im starken Kontrast zu der harten Spitze stand, auf die sie ganz besonders reagierte, als sein Daumen darüber strich. Holly unterbrach den Kuss, als ihr ein Seufzer über die Lippen kam und grub ihre Finger in seine Seite, als er die Gelegenheit nutzte, um ein paar Regentropfen von ihrem Hals zu lecken und an ihrer zarten Haut zu saugen. Er hatte keine Ahnung gehabt, wie gut sich das für ihn selbst anfühlte. Wie prickelnd es doch war, ihr auf diese Weise eine Reaktion zu entlocken und wie sehr es ihn zugleich selbst erregte, das zu tun. Als Elijah seinen Kopf wieder ein Stück weit hob, um zu sehen, ob es ihr vielleicht ähnlich erging, begegneten sich ihre Blicke und er hielt gebannt inne. Holly sah ihn auf eine Weise an, wie sie ihn noch nie zuvor in seinem ganzen Leben angesehen hatte. Da lag nicht nur die tiefe Zuneigung von früher sondern auch ein völlig unerwartetes Verlangen in den grünen Seen ihrer Augen. Selbst ihr wildes Herz und den Schatten ihrer Wölfin, glaubte er zu sehen, die seinem eigenen Wolf direkt in die Augen starrte und ihm ein tiefes, verlangendes Knurren entlockte. Ihre Antwort darauf bestand aus einem sanften Biss in sein Kinn und war zugleich eine Aufforderung dazu, weiter zu machen. Er ließ sich nicht zweimal bitten. Ihre Münder verschmolzen erneut miteinander, während ihre Hände eigene Pfade einschlugen, um den Körper des jeweils anderen weiter zu erkunden. Es gefiel ihm sehr, Holly zu streicheln und dabei zu entdecken, was eine Reaktion von ihr für Gefühle in ihm selbst alles auslösen konnte. Zeit spielte für sie schon bald keine Rolle mehr. Weder bemerkten sie, wie der Regen schließlich ganz aufhörte, noch wie die Dämmerung anbrach und die Schatten zwischen den Bäumen immer länger wurden. Elijah hatte wirklich nicht die geringste Ahnung, wie es von ihrem Streit zu seiner ersten intimen Annäherung zu einer Frau gekommen war. Aber um ehrlich zu sein, es interessierte ihn im Augenblick auch gerade wenig. Stattdessen konzentrierte er sich voll und ganz darauf, die verborgenen Geheimnisse von Hollys Weiblichkeit mit dem Rest seiner noch übrig gebliebenen Beherrschung zu ergründen, nachdem sie keine Anstalten gemacht hatte, seine Hand davon abzuhalten, in tiefere Gefilde zu wandern. Ob es ihr auffiel, dass er auf diesem Gebiet keinerlei Erfahrung hatte, wusste er nicht. Zumindest ließ sie sich nichts anmerken, sondern gab sich stattdessen voll und ganz seinen Berührungen hin, die immer mehr an Selbstvertrauen gewannen, je mehr sie ihm ihr tiefes Vertrauen offenbarte und seine Hemmungen fielen. Mit der Zeit wurde Holly immer drängender und ihre Küsse verlangten nach mehr, während er sie noch stundenlang auf diese Weise hätte weiter verwöhnen können, selbst dann noch, als ihm der Einfluss des Vollmonds immer stärker in den Adern zu brennen begann. Aber Holly hatte andere Pläne. Es hätte Elijah nicht so überraschen dürfen, als er sich plötzlich selbst auf dem Rücken wieder fand, dabei völlig atemlos von ihren sinnlichen Küssen, die nur als Ablenkung gedient hatten, nichts ahnend, was sie als nächstes vorhatte. Er war beinahe schockiert, als sich plötzlich ihre Finger ohne Vorwarnung um sein hartes Fleisch schlossen und ihm ein erstauntes Keuchen entfuhr, bevor er mit riesigen Augen zu Holly aufsah. Sie erwiderte seinen Blick vollkommen gelassen, während sich ein kleines Lächeln auf ihren geschwollenen Lippen abzeichnete. Dabei beobachtete sie ihn aufmerksam, schien seine Gesichtszüge gründlich zu studieren, vor allem als sie ihre Hand an ihm auf und ab zu schieben begann und ihm damit auf jeden Fall eine weitere Reaktion entlockte. Elijah biss sich auf die Unterlippe und kniff die Augen zusammen, während ihm ein Stöhnen in der Kehle steckte, das er wieder hinunterzuschlucken versuchte. Vergebens. Es kam ihm dennoch über die Lippen, als sein Organismus nach noch mehr Sauerstoff lechzte und sein Wolf sich kaum noch bändigen ließ. „Holly, warte…“ Er wollte ihre Hand daran hindern, weiter zu machen, in dem er sich halb aufrichtete und sie wegzuziehen versuchte, aber da legte sie ihre andere Hand flach auf seine Brust und drängte ihn mit erstaunlicher Kraft wieder zurück. „Ich habe Jahre auf dich gewartet, Eli und jetzt habe ich keine Zeit mehr.“ Als würde er sich mit seinem total durchdrehenden Wolf im Kopf und den aufpeitschenden Teenagerhormonen nicht ohnehin schon wie eine tickende Zeitbombe fühlen, schwang Holly auch noch ihr Bein über ihn, um sich auf seinem Bauch niederzulassen. Dieses Mal küsste sie ihn so heftig, als gebe es kein Morgen mehr, während ihre Hand über seinen Bauch zwischen ihre Schenkel hindurch strich und noch einmal sein pochendes Fleisch packte, doch dieses Mal nicht, um ihn weiter zu massieren. Elijahs Atem stockte erneut, als sie schließlich eine Grenze übertrat, an die er sich selbst bisher noch nie herangewagt hatte. Holly verlagerte einfach ihr Gewicht und ließ sich auf ihn sinken, noch bevor er überhaupt reagieren konnte. Er wusste nicht wie ihm geschah, während ungewohnte, aber nicht unangenehme Gefühle ihn erfassten, als ihr Schoß ihn Stück für Stück in sich aufzunehmen begann. Es war heiß und eng und ganz anders als er es sich vorgestellt hatte, denn trotz der Reibung glitt er ohne Probleme immer weiter in sie, unterstütz von einer samtenen Feuchtigkeit die er vorhin, als er sie dort gestreichelt hatte, noch nicht in einem solchen Ausmaß gespürt hatte. Hollys leises Stöhnen gegen seine Lippen brachte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Mit rasendem Herzen und zittrigen Händen hielt er sie an den Hüften fest und verhinderte so, dass sie sich ganz auf ihn niederlassen konnte. „Holly, nicht! Ich will dir nicht wehtun.“, forderte er sie deutlich ernüchtert auf, woraufhin sie seine Hände ergriff und über seinem Kopf in die feuchte Walderde presste. „Nein, Eli.“ Sie ließ ihn wieder los, um sich weiter aufrichten und ganz auf ihn niederlassen zu können, während sie sich mit ihren Händen auf seiner Brust abstützte und ihre Finger sich in seine Muskeln gruben. „Du tust mir nicht weh. Ganz im Gegenteil.“ Holly warf ihren Kopf in den Nacken, während sie ihren Körper durchbog und ihr Becken noch enger gegen ihn presste. „Das fühlt sich sogar verdammt gut an.“ Sie begann sich in diesem uralten Rhythmus auf ihm zu bewegen, der bestimmt älter als die Zeit war, während Elijah wie erstarrt unter ihr lag und zusah. Für eine Weile kam er sich wie ein Unbeteiligter vor, der das ganze Geschehen einfach nur beobachtete. Zu fassungslos, um mehr zu fühlen, als das bloße Erstaunen über diese junge Frau, die kaum noch etwas mit dem kleinen Kind in seiner Jugend gemein zu haben schien. Vor allem, als ihre Wangen zu glühen begannen, ihre Bewegungen immer treibender wurden und ihr Atem immer öfter ins Stocken geriet. Völlig widerstandslos ließ er zu, dass sie seine Hände nahm und auf ihre Hüften legte, wo Holly ihn leitete und ihm zeigte, wie er sie berühren und dabei ihre Bewegungen noch weiter unterstützen konnte. Die ganze Zeit über sah sie ihm dabei in die Augen, die von etwas überschattet wurden, das er erst sehr viel später als Lust erkennen konnte. Sie hatte ihn nicht angelogen. Sie genoss es wirklich und zugleich hatte Elijah das immer stärker werdende Gefühl, dass es nicht das erste Mal für sie war. Sie hatte das schon einmal getan. Mit einem anderen Mann. Vielleicht sogar mit mehreren Männern. Der Gedanke ließ seinen Wolf plötzlich rasen vor Wut und riss ihn zugleich aus seiner Regungslosigkeit. Holly keuchte überrascht auf, als er mit einem Arm ihre Hüfte umschlang und sie erneut mit dem Rücken voran auf den Boden drängte. Seine Küsse waren beinahe brutal und das Drängen seines Beckens strafend, doch schienen sie nur noch mehr Hollys Leidenschaft zu entfachen, die ihre Nägel in seinen Rücken bohrte und sich seinem treibenden Rhythmus anpasste, bis ihr Stöhnen immer lauter durch die Nacht hallte und schließlich von einem sinnlichen Schrei abgelöst wurde, als ihr Schoß von Zuckungen überrollt wurde. Hollys Umklammerung lockerte sich danach etwas, so dass Elijah den ureigensten Instinkten, die ihn vorantrieben, nachgeben und sie auf den Bauch drehen konnte, um erneut in sie einzudringen. Ein leises Wimmern kam ihr über die Lippen, doch ansonsten machte sie keinerlei Anstalten, ihn daran zu hindern. Stattdessen gruben sich ihre Finger tief in den feuchten Waldboden, während sie ihm ihren Hintern entgegen reckte, soweit sein Körper es zuließ. Um sie nicht zu erdrücken, stützte er sich mit einer Hand neben der ihren ab, während die andere ihre Hüfte seinen rauen Bewegungen entgegen hielt. Es war wie ein Rausch der sich immer noch weiter steigerte, je mehr von Hollys Hitze auf ihn überging und ihn von innen heraus zu versengen drohte. Schon längst hatte Schweiß die feinen Regentropfen auf seiner Haut abgelöst und sein schweres Keuchen die Geräusche der Nacht verjagt. Langsam stimmte auch Holly wieder mit ein und trieb ihn damit noch weiter voran. Elijahs Lippen wanderten dabei ziellos über ihre Schulter und ihren Nacken, hinterließen auf ihrem Weg eine glühende Spur aus heißem Atem und einer kostenden Zunge, bis sie sich auf die zarte Beuge ihres Halses legten und sein Wolf zärtlich zubiss, als der erlösende Schauer seinen Körper machtvoll durchfuhr. Es dauerte ungewohnt lange, bis Elijah mit bebendem Körper und nach Atem ringend neben Holly zu Boden sank. Zu kraftlos, um auch nur noch einen Finger zu rühren. Er hatte sogar Mühe, seine Augenlider offen zu halten, bis Holly sich zu ihm herum drehte und ihn ebenfalls noch leicht atemlos anschaute. Mit der langsam nachlassenden Hitze kam auch die Erkenntnis und die schlug härter zu, als sein Vater es je könnte. Was hatte er nur getan? Oder viel mehr: Was hatte er Holly angetan? Sie musste das auflodernde Entsetzen in seinen Augen gesehen haben, denn noch bevor er ein Wort der Entschuldigung und des Bedauerns über seine Lippen bringen konnte, schüttelte sie energisch den Kopf und hinderte ihn daran. „Hör auf, Eli.“, tadelte sie ihn sanft und mit immer noch rauer Stimme. „Mach uns diesen Augenblick nicht mit Worten kaputt.“ Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihre Seite, bevor sie sich so an seinen Körper kuschelte, dass er ihr Gesicht zwar nicht mehr sehen, ihre geflüsterten Worte aber noch deutlich verstehen konnte. „Lass ihn uns stattdessen solange genießen, wie wir nur können. Zumindest noch ein kleines Bisschen…“ Ihr Atem streifte deutlich spürbar über seine Haut, beruhigte sich langsam und wurde mit der Zeit tiefer und regelmäßiger. Am Ende war Holly einfach eingeschlafen. Kapitel 3: 3. Kapitel --------------------- Der Vollmond war gerade erst aufgegangen, als Holly sich in seinen Armen zu regen begann. Ihre Fingerspitzen streichelten zunächst sanft, beinahe entschuldigend über einen leuchtend roten Kratzer, den sie auf seiner Brust im Feuer der Leidenschaft hinterlassen hatte, bis sie bemerkte, dass er wach war und auf sie herab blickte. „Hey.“ Ihre Stimme war nur ein sanfter Hauch im Wind. Kaum hörbar würden sich im Augenblick nicht sämtliche seiner Sinne auf sie richten. „Hey.“ Seine Erwiderung war nicht wesentlich lauter, aber vermutlich aus ganz anderen Gründen. Er fühlte sich immer noch schuldig. „Habe ich lange geschlafen?“ Holly verdrehte ihren Kopf noch ein Stück weiter, um durch die Bäume hindurch in den Nachthimmel schauen zu können. „Nein.“ Elijah betrachtete ihr vom Mondlicht zart erleuchtetes Gesicht, bis etwas anderes seine Aufmerksamkeit auf sich zog und ihm noch weiter zusetzte. Dunkle Flecken bedeckten ihren zierlichen Hals und schienen ihn und seine Unbeherrschtheit zu verhöhnen. Ja, ihn regelrecht zu verspotten dafür, was für ein elendiger Köter er war. „Das ist gut. Denn ich könnte mir selbst nicht verzeihen, wenn ich unsere kostbare Zeit mit Schlafen verschwendet hätte.“ Holly gähnte hinter hervorgehaltener Hand und rieb sich kurz über die Augen. Sie wirkte völlig unbekümmert. „Eigentlich wollte ich nicht einschlafen, aber ich war letzte Nacht so mit packen beschäftigt, dass ich kaum eine Stunde die Augen zumachen konnte und dann der Tag heute, das war einfach so ... Eli?“ Zarte Finger berührten sein Kinn und zwangen ihn dazu, den Blick wieder zu heben. Er konnte ihr kaum in die Augen schauen. „Ist alles mit dir in Ordnung?“ Er antwortete nicht. Nein. Gar nichts war in Ordnung. Und je länger er Zeit hatte, darüber nachzudenken, umso deutlicher wurde er sich dessen bis in jede Faser seines Körpers bewusst. Schwach schüttelte Elijah schließlich den Kopf, setzte sich auf und wandte ihr den Rücken zu, so dass er seine Arme um seine Knie schlingen und sich vollkommen vor ihr zurück ziehen konnte, so wie er es schon längst hätte tun sollen. Doch während sie noch selig und zufrieden geschlafen hatte, war es ihm einfach unmöglich gewesen, sie loszulassen. Viel zu vertrauensvoll hatte sie sich an ihn geschmiegt, ihre zarten Fingerspitzen gegen seine Brust gepresst und darauf vertraut, dass er über sie wachen würde, wie damals vor so langer Zeit. Zu nichts anderem fähig hatte er sie, trotz der wachsenden Abscheu vor sich selbst, zärtlich im Arm gehalten, dabei sanft ihren weichen Nacken gestreichelt und sich jede Sekunde dafür verflucht, was für ein beschissener Feigling er war. Der zuließ, dass dieses Arschloch von Vater ihn all die Jahre von ihr hatte fernhalten können, bis ihnen schließlich keine Zeit mehr blieb. Elijahs Kehle fühlte sich mit einem Mal an, als hätte jemand Klauen hineingeschlagen und würde mit aller Macht zudrücken. In seinem Kopf heulte sein Wolf laut und gequält. Ein herzzerreißender Laut, der in der Einsamkeit seiner Gedanken unbeachtet verhallte. Als hätte sie es dennoch gehört, kniete Holly plötzlich neben ihm und berührte sanft seine Schulter. Kurz suchte sie seinen Blick, doch dieses Mal wich Elijah offen aus. Sie sollte nicht sehen, was sich in seinen Augen abspielte oder in seinem erbärmlichen Herzen. „Eli, was hast du?“, verlangte sie vorsichtig zu wissen. Dieses Mal bekam sie keine Antwort. „Ist es, weil wir miteinander geschlafen haben?“ Das verräterische Ding in seiner Brust machte bei der Erinnerung daran einen Satz und pumpte das Blut noch heißer durch seine Adern, doch das war nicht der Grund, warum er sich so beschissen fühlte, auch wenn Holly das zu glauben schien. „Ich hatte eigentlich das Gefühl, dass du es auch willst.“ Sie ließ ihn mit einem Mal los und sank auf ihre Fersen zurück. „Wenn du das bedauerst, dann tut es mir ehrlich leid. Aber ich wollte dich von dem Moment an, als ich in dir nicht länger den kleinen Jungen von damals sehen konnte. Egal wie sehr ich mich angestrengt habe, diesen Gedanken zu verdrängen. Und als du mich dann geküsst hast, da dachte ich ... “ Ihr Atem zitterte, als sie tief Luft holte, um sich für ihre nächsten Worte zu wappnen. „Da dachte ich einfach, dass du in mir auch nicht länger das kleine Mädchen, sondern die Frau siehst und in deinem Herzen noch irgendwo ein Funken Zuneigung für mich sein muss. Zumindest genug, um mich gerne küssen zu wollen.“ Es war zu viel. Ihre Worte und die Art wie Holly sie leise und für sie so untypisch zögerlich aussprach, schnitten sich noch tiefer in sein Herz. Schraubten die Klammern enger um das dicke Eis, das es vollkommen überzog, seit seine Mutter ermordet wurde, bis es schließlich brach. Mit einem wütenden Grollen in der Kehle, das eigentlich ein jämmerlicher Schluchzer hätte sein sollen, kam Elijah auf die Füße. Für einen Moment stand er einfach nur da, am ganzen Leib bebend, die Hände zu Fäusten geballt und jeder Muskel bis zum Zerreißen gespannt. Er hatte das Gefühl, jede Sekunde zu explodieren, kämpfte aber mit aller Macht gegen die Verwandlung an, denn er verdiente den Schmerz, der dabei durch ihn hindurch brannte, ohne die Erlösung durch seine Wolfsgestalt. „Ich wollte einfach abhauen!“, entfuhr es ihm plötzlich wild und voll von Selbsthass. „Wärst du nicht gewesen, hätte ich einfach nach dem Abschluss meine Sachen gepackt und wäre verschwunden, ohne mich auch nur noch einmal umzudrehen! Ich hätte das alles einfach hinter mich gelassen, verstehst du?“ Die Anspannung in seinem Körper ließ so schlagartig nach, als hätten seine Muskeln dem Druck tatsächlich nicht mehr länger standhalten können. Seine Fäuste öffneten sich und das Kinn sank ihm auf die Brust. Der dadurch entstehende Zug in seinem Nacken war das Einzige, was er noch fühlen konnte. Der Rest von ihm war wie betäubt. „Ich hätte mir jeglichen Gedanken an dich versagt. So wie ich es schon seit Jahren tue. Weil ich mir nicht hätte eingestehen können, was du mir eigentlich bedeutest und was mir unsere Freundschaft immer bedeutet hat. Irgendwann hätte ich dich vielleicht sogar vergessen können.“ Elijah ging bei diesem schrecklichen Gedanken in die Knie und hörte auf, sich noch länger selbst zu belügen. Er hatte ohnehin nicht mehr die Kraft dazu. Weshalb seine nächsten, dem schwarzen Loch in seiner Brust entspringenden Worte, nur noch als Flüstern über seine bebenden Lippen kamen. „Ich hasse mich selbst dafür, dass ich unsere Freundschaft einfach kampflos aufgegeben habe, nur weil ich so ein beschissener Feigling bin.“ In der aufziehenden Stille brannte sich eine heiße Träne einen Weg über Elijahs kalte Wange hinab zu seinem Kinn, doch noch bevor sie fallen konnte, wurde sie von einer anderen Wange aufgehalten und einfach fortgewischt. Hollys Arme schlossen sich behutsam um ihn, während ihr weiblicher Körper sich fest gegen seinen Rücken drängte und ihn von innen heraus zu wärmen begann. „Also hast du mich in Wahrheit nie gehasst?“ Ihre Stimme prickelte wie sanfter Regen auf seiner Haut. Seine hingegen schien gebrochen. „Nein.“ „Und du hast auch nie, nicht einmal eine Sekunde lang gedacht, ich wäre unter deiner Würde, obwohl ich ein Omega bin?“ „Niemals!.“ „Du wärst also gerne auch weiterhin mein bester Freund geblieben.“ Keine Frage. Eine Feststellung. Elijah antwortete trotzdem. „Ja.“ „Dann“ Holly küsste zärtlich seine Schulter und streichelte über seine Brust. „bist du kein Feigling.“ Dieser Logik konnte er einfach nicht folgen, so sehr er sich auch bemühte. „Du irrst dich.“ „Tu ich das?“ Sie rutschte an seine Seite, die Arme immer noch um seinen Nacken geschlungen und seinen Blick suchend, ohne ihn halten zu können. „Korrigiere mich, falls ich mich wirklich irre, aber hast du dich nicht die ganze Zeit über von mir fern und mich auf Abstand gehalten, über deine eigenen Wünsche hinweg und dich selbst zum einsamen Wolf verdammend, weil du nicht wolltest, dass mit mir das Gleiche passiert, wie mit deiner Mutter?“ Vor Überraschung weiteten sich Elijahs Pupillen so stark, bis nur noch ein schmaler blauer Ring darum herum zu erkennen war. „Du bist kein Feigling, Eli. Sonst hättest du mich nicht die ganzen Jahre über vor deinem Vater zu beschützen versucht.“ „Aber woher-“, setzte er an, doch Holly legte ihm einen Finger auf die Lippen und schüttelte sacht den Kopf. „Wir wissen beide, was für ein mieses Arschloch dein Vater ist und obwohl es das Rudel in seiner Anwesenheit nie zugeben würde, gibt es doch schon von Anfang an Gerüchte, die besagen, dass es eben kein Unfall war. Wenn man es also genau betrachtet, sind wir anderen die Feiglinge, weil wir dich damit alleine gelassen haben. All die Jahre. Und dieser Wichser immer noch das Rudel anführt, als sei nie etwas gewesen.“ Sprachlos ließ Elijah sich auf seine Fersen zurücksinken und konnte nichts weiter tun, als in diese großen, smaragdgrünen Augen zu starren, in denen es verräterisch glänzte. Holly verringerte die entstandene Distanz zwischen ihnen dadurch, dass sie sich einfach rittlings auf seine Oberschenkel setzte und ihre zittrigen Hände sich an seinen Schultern festhielten. „Es tut mir leid, dass ich so dumm und egoistisch war und nicht bemerkt habe, was du wirklich fühlst. Dabei hätte gerade ich als deine beste Freundin sehen müssen, was wirklich los ist. Aber ich hab nicht-“ Ihr stockte der Atem und es brach Elijah das Herz, als er die Tränenflut sah, die sich plötzlich über ihre Wangen ergoss, während Holly gequält das Gesicht verzog und nun selbst seinem Blick auswich. Sein Beschützerinstinkt heulte zusammen mit seinem Wolf auf. Sofort schlossen sich seine Arme eng um ihren bebenden Leib und zogen sie beschützend an sich. Sanft wiegend versuchte er sie mit seiner Nähe zu beruhigen, wenn er es schon mit Worten nicht wirklich konnte. „Du weißt, dass ich immer noch nicht damit umgehen kann, wenn du weinst, Holly.“, meinte er nach einer Weile ganz nüchtern, während seine Taten alles andere als das waren. „Und du solltest wissen“ Ein leises Schniefen. „dass du immer noch richtig gut im Trösten bist, auch wenn du es selbst nicht wahrhaben willst.“ Elijah musste unwillkürlich lachen, ehe er erstaunt innehielt. Für einen flüchtigen Moment lang hatte es sich so angefühlt, als seien sie in der Zeit zurückgereist und wären tatsächlich noch die besten Freunde von früher, ohne die schmerzhaften Erinnerungen, die seit damals an ihnen hafteten. Holly hatte es ebenfalls gespürt. Sie löste sich weit genug von ihm, um sich über das Gesicht reiben und die letzten Spuren der Tränen fortwischen zu können. „Darf ich dich was fragen, Eli?“ Sie zog in Ermangelung eines Taschentuchs so würdevoll wie möglich die Nase auf. Elijah strich ihr eine verirrte Strähne hinters Ohr und blickte ihr von einer seltsamen Ruhe erfasst in die Augen. „Ja?“ Holly legte ihre Hände wieder auf seine Schultern und fuhr mit ihren Daumen nachdenklich über die Bögen seiner Schlüsselbeine. „Es ist vermutlich zu viel verlangt und nach allem, was passiert ist, kann ich verstehen, wenn du damit nicht einverstanden bist. Aber könnten wir vielleicht in der Zeit, die uns noch bleibt, wieder beste Freunde sein?“ Ihre Daumen hielten inne. Abwartend. Elijah hob mit einem Finger sanft ihr Kinn an, damit sie ihn ansah. „Für mich warst du immer meine beste Freundin, Holly.“ Zum Glück hatte er sie dazu gebracht, sie anzuschauen, sonst wäre ihm das freudige Funkeln in ihren Augen entgangen. „Und könnten wir uns dann vielleicht auch wieder küssen?“ Seine Augenbraue schoss in die Höhe. „Tun beste Freunde das denn?“ Er merkte, wie er sie unwillkürlich neckte. Wurde dann aber sofort wieder ernst, als er ihren Gesichtsausdruck sah. Dieses Mal strich sie ihm tief in Gedanken versunken das Haar zurück, zupfte ein paar getrocknete Tannennadeln daraus und holte noch einmal tief Luft, bevor sie sich wieder seinem Blick stellte. „Ich glaube, dass wir in einem anderen Leben nicht bloß beste Freunde gewesen wären, Eli.“ Sein Herz setzte aus. „Ich denke sogar, dass wir uns hätten lieben können, wäre alles ein bisschen anders gelaufen.“ Und galoppierte ihm davon. Mit einem Schlag war alles wieder da. Da war wieder das Kribbeln in seinem Bauch. Das Rauschen in seinen Ohren, das Trommeln in seiner Brust und die alles umfassende Hitze, die durch seine Adern pulsierte. Unwillkürlich hielt er Holly fester, als könnte man sie ihm jeden Moment aus den Armen reißen. Elijah war einfach noch nicht bereit, sie gehen zu lassen. Alles in ihm wehrte sich allein schon gegen diesen Gedanken und dennoch würde er es früher oder später tun müssen. Das Schicksal konnte grausam sein. Keiner wusste das besser als er, doch in diesem Moment hätten der Wolf und er sich mit all ihrer Kraft dagegen gewehrt, wenn Hollys überraschender Kuss nicht jeden weiteren Gedanken völlig abgewürgt und dafür das Feuer in ihnen erneut entfacht hätte. Ihre Finger wühlten sich energisch durch sein Haar, packten ihn fester und verlangten nach seiner uneingeschränkten Aufmerksamkeit, während ihre brennenden Lippen seinen Mund versengten und auch noch die letzten Bedenken aus dem Weg räumten. Sie hatte etwas in ihm verändert. Elijah konnte es ganz genau fühlen, als er ihren Hintern voller Selbstsicherheit packte, sie näher an sich heranzog und ihren Schoße gegen seinen sich regenden Schaft drängte. Da war keine Angst mehr in ihm. Kein Zögern. Nur die Gewissheit, dass sie mit ihren Worten recht hatte. Zu einer anderen Zeit, in einem anderen Leben hätte er sie lieben können. Doch im Hier und Jetzt würden sich viel zu bald schon ihre Wege für immer trennen und das Einzige, was ihnen danach noch blieb, war die Erinnerung an diese Nacht und wie sie sich zumindest körperlich liebten, während die Freundschaft in ihren Herzen bis zu ihren Seelen vordrang und dort für immer ihre Spuren hinterließ. Keiner der beiden hörte dabei in der Ferne das wütende Heulen ihres Alphawolfs. *** Irgendein Insekt kitzelte ihn am Fuß. Elijah wackelte kurz mit den Zehen, bis es wieder weiterzog. Die Bewegung brachte Holly dazu, sich enger an ihn zu schmiegen und ihr Bein noch weiter über das seine zu schieben. Sie seufzte gesättigt und zufrieden im Schlaf, während ihre Finger sich ein bisschen fester in seine Seite verkrallten. Kurz blinzelten der Wolf und Elijah verschlafen und beschlossen dann einstimmig, dass es noch zu früh zum Aufstehen war. Es war noch nicht einmal hell, auch wenn die Vögel bereits mit ihrem Gezwitscher die dunstige Luft erfüllten. Einen Moment lang gab er sich noch dem trügerischen Frieden hin, bis die Erkenntnis Elijah wie ein Blitzschlag durchfuhr. „Der Flug!“ „Hm?“, murmelte Holly noch völlig verschlafen und öffnete träge ein Auge. Elijah setzte sich auf, um richtig wach zu werden und zog sie dabei mit sich hoch. Mit zarten aber bestimmten Gesten versuchte er sie weiter aufzuwecken. „Du sagtest, dein Flug ginge irgendwann in der Früh. Aber wann genau? Hast du ihn schon verpasst?“ Während sein selbstsüchtiger Wolf genau darauf hoffte, wusste Elijah es jedoch besser. Er hatte sich schon in der Nacht nicht länger der Illusion hingegeben, dass irgendein Wunder aufhalten könnte, was nun auf sie zukam. Als seine Worte dann endlich bei ihr ankamen, war auch Holly mit einem Schlag hellwach. „Verdammt! Wie spät ist es?“ Schwer zu sagen, wenn man nicht einmal Kleider am Leib trug. „Vier Uhr in etwa?“ Ganz genau konnte er es wirklich nicht sagen. Sie schoss regelrecht in die Höhe und Elijah musste sich beeilen, es ihr gleich zu tun. „Oh nein! Wenn das stimmt, bleiben mir nicht einmal mehr zwei Stunden!“ „Du wirst es sicher schaffen.“, versuchte er ihr mit so viel Gewissheit zu vermitteln, wie er sie eigentlich gar nicht empfand. Aber jetzt in Panik auszubrechen half ihr nicht. „Verwandle dich. Dann geht es schneller.“ Holly nickte nur und wurde zeitgleich mit ihm zum Wolf. Für einen Moment starrten sich ihre beiden Tiere von Angesicht zu Angesicht in die Augen, ehe Elijah sich einen Ruck gab und sich der unvermeidlichen Situation stellte. Er preschte los und seine beste Freundin versuchte, mit ihm Schritt zu halten. Wieder ein erstes Mal, das sie für sich beanspruchen konnte. Elijah war noch nie mit einem Rudelgefährten zusammen als Wolf gelaufen und vielleicht würde er auch nie wieder daran Gefallen finden. Nicht, wenn es ihn von nun an immer an Holly erinnern würde. Wäre das Ziel nicht zugleich auch das Ende ihrer Freundschaft gewesen, hätte er es vielleicht sogar genossen, mit ihr um die Wette zu laufen. Doch so hämmerte sein Herz mit jedem Satz, den er machte, immer heftiger gegen seine Brust, ohne dass es der Anstrengung zuzuschreiben wäre. Nach nur wenigen Minuten erreichten sie auch schon den alten Ford Escort und wurden wieder zu Menschen. Es war vorbei. Endgültig. Ihre Zeit war abgelaufen. Mit betroffenem Schweigen sammelten sie ihre feuchten Kleider ein und zogen sich rasch an. Elijah konnte einen seiner Schuhe nicht mehr finden, hatte er sie gestern doch in seiner Eile einfach von sich gekickt. Aber er machte sich auch gar nicht erst die Mühe, danach zu suchen. Sie waren ersetzbar, der Abschied von seiner besten Freundin hingegen nicht. Also blieb er einfach barfuß. Als auch Holly fertig war, öffnete sie die Fahrertür und er wusste, dass sie sich nun tatsächlich voneinander verabschieden mussten. Vielleicht war die Hektik am Ende sogar das Beste, was ihnen noch hatte passieren können. Denn wenn sie zu viel Zeit gehabt hätten, wäre es vielleicht sogar noch sehr viel schmerzhafter geworden. Auch wenn das eher unwahrscheinlich war. Denn es tat schon jetzt unglaublich weh. Der bevorstehende Verlust saß Elijah bereits so tief in der Brust, dass er kaum noch richtig atmen konnte. „Eli ...“ Holly blieb vor der offenen Tür stehen und sah ihn über das Auto hinweg an. „Ist schon gut. Du musst jetzt los. Der Flieger wartet nicht.“ Krampfhaft bemüht, an dem stacheligen Kloß an seinem Hals vorbeizuschlucken, ließ er sich dennoch seine intensiven Gefühle nicht anmerken. Zumindest einer von ihnen beiden sollte die Fassung bewahren, obwohl er nicht wusste, wie lange er diese Fassade noch aufrecht halten konnte. In seinem Kopf gebärdete sich sein Wolf wie toll und wollte immer noch gegen das unvermeidliche Schicksal ankämpfen. Holly zögerte. „Ich ...“ Auch Elijah wollte sie um nichts auf der Welt gehen lassen, wo er sie doch gerade erst wiedergewonnen hatte. Aber er musste und zugleich erkannte er, dass sie es nicht konnte. Nicht, wenn er sie nicht dazu zwang. Zu ihrer eigenen Sicherheit, und weil es ohnehin nie eine gemeinsame Zukunft für sie beide gegeben hätte, ging er entschlossen um den alten Wagen herum und nahm sie noch ein letztes Mal beschützend in den Arm. Er konnte das Beben ihres Körpers fühlen. Ihr heißer Atem strich nur noch stoßweise über seine nackte Haut und ihre Finger klammerten sich so fest in den Stoff seines Hemdes, dass die Nähte in seine Haut zwickten. „Fahr nicht zu schnell. Die Straßen sind immer noch nass.“ Elijah berührte ihr Haar und ließ noch ein letztes Mal die Finger durch die zarten Locken gleiten. „Und vergiss nicht, dass du immer meine beste Freundin bleibst.“ Die einzig wahre. „Aber jetzt musst du los. Sonst verpasst du noch deinen Flug.“ Er zwang sich dazu, ihre Hände vorsichtig aber bestimmt von ihm zu lösen und brachte sich auf Abstand. Heiße Tränen liefen über Hollys Wangen und blieben an ihren bebenden Lippen hängen. Sie hatte keine Worte mehr. Da war nur noch unendliche Traurigkeit in ihren Augen Der Anblick zwang Elijah beinahe in die Knie, war er doch das exakte Spiegelbild seines eigenen Seelenschmerzes. „Nun fahr schon los! Ich komme klar. Den Weg nach Hause finde ich auch alleine, okay?“ Es hatte schärfer geklungen, als beabsichtigt, zeigte aber zumindest endlich Wirkung. Holly nickte schwach und wischte sich rasch über die Augen. Sie war schon halb ins Auto gestiegen, als sie plötzlich noch einmal herumwirbelte und ihn für einen letzten Abschiedskuss im Nacken packte. Es brannte fürchterlich. Nicht nur ihre sengende Hitze an seinen kalten Lippen, sondern auch der reißende Schmerz in Elijahs Herzen. Erst als er unversehens zurücktaumelte, wurde ihm klar, dass sie ihn losgelassen hatte, um nun doch einzusteigen. Der Motor heulte auf. Ein letztes Zögern. Ein letzter Blick, dann fuhr sie los. Die roten Rücklichter entfernten sich, glitten langsam um eine Kurve und waren dann einfach ... weg. Elijahs schmerzverzerrter Schrei ließ selbst die Vögel verstummen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)