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Farben

Hurry Up and save me
von

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Farben

Das Mädchen strich sich über die braunen Korkenzieherlocken. „Mama… wo fahren wir hin?“ fragte es. Es hatte die langfingrigen Hände im Schoss gefaltet und in den Rüschen des weinroten Rockes vergraben. Die Frau, die ihr gegenüber saß, hob ihre Hand an die blasse Wange des Mädchens. Ihre langen Finger strichen sanft darüber. „Ans Meer, Charlett.“ Antwortete sie milde lächelnd. Das Mädchen drehte eine Locke in ihren Fingern. „Mama… wie sieht das Meer aus?“ Die Frau lachte hell auf. „Das Meer ist blau und weit wie der Himmel, mit Wellen, die auf den Strandlaufen und die Felsen zu Sand küssen…“ Das Mädchen biss sich auf die Unterlippe. Meer…. Meer… das klang weit.. weit, schön und frei… Aber… wie war blau? Der Himmel war blau… Malven waren blau… Der Kutscher zügelte die großen Rappen. Ruckelnd hielt die prächtig ausschraffierte Kutsche an. Die Frau nahm das Mädchen an die Hand und führte es vorsichtig die drei Stufen auf die Erde hinab. „Du wirst einen feinen jungen Mann kennenlernen…“ flüsterte sie ich, zu „Sei höflich zu ihm!“ Das Mädchen nickte schüchtern. Die Frau führte das Mädchen auf einen Holzsteg, auf dem ein Stuhl und ein Sonnenschirm stand. „Warte hier auf ihn, er wird bald kommen!“ Versprach sie und ihre Schritte entfernten sich eilig von dem Mädchen. „Genies dich Luft!“ rief sie ihm aus der Ferne zu und hob die Hand. Hier war also Meer… überlegte das Mädchen. Es hörte das Wasser, das unter ihr gegen die morschen Pfosten des Steges warf. War Meer Wasser? Eine kühle Brise strich durch die dichten Haare des Mädchens und wehte ihr Salzig um die Nase. Frei… das war also der Geruch von Meer… Sie legte den Kopf in den Nacken und schloss die Katzengrünen Augen. Plötzlich stupste eine feuchte Nase ihre Hand an. Ein kleiner Welpe strich ihr winselnd um die Beine. Das Mädchen hob ihn hoch und setzte ihn sich auf den Schoss. Es kraulte durch die langen Haare des Tiers. „Na..? Bist du blau?“ Fragte sie es und lachte. Der Welpe schmiegte sich an das Mädchen und wedelte glücklich mit seiner Rute. „Das heißt dann wohl ja, oder?“ Lachte sie fröhlich. Plötzlich hörte das Mädchen Schritte über den Steg auf sich zukommen. Es erstarrte und drehte sich in die Richtung, aus der die Schritte kamen. Ein Junge lief über den Steg. „Wer bist du denn?“ fragte er das Mädchen überrascht. „Da bist du ja!“ rief er plötzlich und nahm dem Mädchen den Welpen aus den Armen. „Wo treibst du dich nur immer herum?“ schimpfte er das Tier und streichelt ihm über den Kopf. „Ich bin Charlett...“ beantwortete das Mädchen die Frage leise. Der Junge sah auf und musterte sie mit seinen dunklen Augen. „Ich bin Finn.“ Sagte er schließlich und schüttelte die gebrechliche Hand des Mädchens, die sie ihm hinhielt. „Danke, dass du meinen Hund gefangen hasst…. Der Kleine haut immer ab!“ Er tippte dem Welpen auf die Nase, der zufrieden bellte. „Aber das Leben auf dem Schiff ist auch nichts für Hunde….“ .Das Mädchen lächelte leicht und wand sich dem Jungen weite zu. „Kannst du mir sagen, wie blau ist?“ fragte es schüchtern. „Blau? Sag mal… willst du mich veräppeln?“ Fragte der Junge. Für solche Späße hatte er wirklich keine Zeit. „N-nein…“ flüsterte das Mädchen ängstlich und senkte die Augen so gut es ging auf den hölzernen Boden. „A-aber ich habe gedacht, dass du das vielleicht kannst… Meine Mutter hat es versucht, aber ich hab es einfach nicht verstanden…“ Sie hob den Blick wieder. „Bitte….“ Der Junge sah sie verwirrt und etwas gereizt an. Plötzlich bemerkte er, dass ihr Blick durch ihn hindurch zu gehen schien und ihn nicht wirklich wahr nahm… „Oh…“ Er zuckte zusammen. Das Mädchen war blind. „Blau… blau ist schwer… ich nehme an, du darfst hier nicht weg, oder?“ fragte er vorsichtig und setzte sich auf die Planken vor das Mädchen. Dieses schüttelte den Kopf. „Nein…“ „Ich kann’s probieren… aber ich weiß noch nichts… aber gelb könnte ich probieren…“ meinte er freundlich. Das Mädchen nickte schüchtern. „Wie ist gelb?“ „Gelb ist… warm. Wie die Sonne, weich wie eine Löwenzahnblüte. Wohlig und angenehm… es schmeckt wie Eigelb…“ Er sah das Mädchen neugierig an. „Gelb…“ murmelte es. „Gelb ist schön… ich mag gelb…“ Es lächelte. „Du siehst es?!?“ Fragte der Junge aufgeregt. „Ja… ich glaube… gelb ist hell, oder?“ Es blinzelte ihn aus ihren grünen Augen an. Der Junge lachte. „Soll ich weiter machen?“ Das Mädchen nickte schüchtern. „Ja… bitte.“ „Was für Farben willst du denn noch hören?“ Fragte der Junge voller Tatendrang. „Grün… orange, rot, lila… und….“ Das Mädchen stockte und nestelte an einer der Schleifen, die sie im Haar trug, herum „…blau…“ Der Junge verzog den Mund zu einem freundlichen lächelnd. „Grün… grün fühlt sich an wie frische Blätter… es riecht wie frischgemähtes Graß und es schmeckt…“ Der Junge schüttelte sich. „Wie Rosenkohl!“ Das Mädchen kniff die Augen zusammen. „Gelb war leichter…“ seufzte es. Der Junge zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Grün ist eine doofe Farbe… orange ist besser.“ Er streckte sich lang auf den Planken aus. „Obwohl… deine Augen sind grün… schön grün…“ Er lächelte. „Ich versuch es mal mit orange. Orangen sind konzentriertes orange. Sie riechen schmecken und fühlen sich an wie orange… Orange ist schön ruhig und warm wie die Glut in einem Ofen…“ Das Mädchen seufzte. „Orange ist dunkler als gelb, oder…? Fragte es vorsichtig. „Ja… ist es.“ Lächelte der. „Willst du immer noch die anderen Farben hören?“ fragte der Junge. Er mochte das Mädchen. „Ja, gerne…“ „Lila ist ein bisschen schwer…“ meinte er. „Lila fühlt sich an wie eine Pflaume und riecht nach einem Stiefmütterchen…“ Er runzelte nachdenklich die Stirn. „Kannst du es sehen? Ich hab es schlecht erklärt… aber mir fällt leider nichts Besseres ein…“ Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Nein… Ich kann es nicht sehen…“ murmelte es leise. „Tut mir Leid…“ Es senkte ihre leeren Blicklosen Augen auf den Steg. „Ach…“ Der Junge lächelte es freundlich an. „Schon gut, ich mach es ja das erste mal. Ich kann rot mal probieren… aber es ist eine Widersprüchliche Farbe, weißt du?“ Das Mädchen lauschte seiner Stimme fasziniert und schloss die Augen. Es genoss die Stimme das Jungen. War er der Junge, den sie kennenlernen sollte? Seine Stimme war so sanft und rau… und irgendwie war sie warm… „Rot… rot ist heiß wie das Feuer und wild wie die Wut. Und…“ Er stand leise auf und kniete sich vor das Mädchen„… weich und sanft und liebe voll…“ Er hob die Hand des Mädchens an seine Lippen. „ und schön.“ Er küsste sie. Das Mädchen zuckte erschrocken zusammen. „Siehst du es?“ fragte der Junge sanft und sah zu dem Mädchen auf. Von der Ferne und durch die sanfte Gischt der See schien es, als würde ein eleganter junger Herr seiner Geliebten einen Heiratsantrag machen. Das Mädchen lächelte „ Ja… Du lachst rot…“ Sagte es glücklich. Der Junge drückte ihre Hand vorsichtig. „Ich kann dir blau nicht erklären… ich kann es dir nur zeigen…“ Das Mädchen stand auf und folgte ihm. „Zieh deine Schuhe aus…“ forderte er es auf. „Sonst gehen sie noch kaputt.“ Das Mädchen nickte gehorsam und streifte sich die Schuhe ab. Es vergrub die Zehen im weichen Sand. Der Junge führte es in die Brandung der Wellen. „Vertraust du mir?“ fragte er es leise. Das Mädchen nickte zögerlich. Sollte es ihm vertrauen? Aber es war doch der Junge, denn ihre Mutter für sie erwählt hatte, oder nicht? Der Sprache nach konnte es durch aus sein… Der Junge ging voran und führte sie in die leichte Brandung der See. Das Mädchen folgte ihm. Es zuckte erschrocken zusammen, als sie die eisige Kälte des Wassers spürte. „Keine Angst.“ Flüsterte der Junge. „Blau ist kalt, mächtig und kräftig…“ Er führte das Mädchen etwas weiter in das Wasser, bis der Saum des schönen Kleides feucht wurde. „Spürst du die Kraft?“ fragte er es. Das Mädchen lächelte und nickte selig. „Blau ist kalt. Es hat keinen Geschmack…“ Er führte das Mädchen wieder auf den Strand zurück. Der Sand klebte rau zwischen ihren Zehen. „Das Meer ist blau… Alles Weite ist blau. Der Himmel, das Meer und Seen… blau ist beruhigend wie das leise Plätschern eines Baches oder einer Welle auf Fels…“ Er führte das Mädchen zurück auf den Steg. „War das… das Meer?“ Fragte es überwältigt. „Ja…“ Der Junge genoss das strahlende Gesicht des Mädchens. „Darf… darf ich dich sehen?“ Flüsterte das Mädchen schüchtern. Der Junge sah es kurze Zeit irritiert an, dann nickte er. Das Mädchen streckte die Hand nach ihm aus und fuhr ihm über das Gesicht. Ganz vorsichtig berührte es seine Sommersprossige Nase und fuhr seine Schulterlangen, von der Sonne gebleichten, lockigen, Haare herunter. Plötzlich sah er in der Ferne Leute auf den Steg zugehen. Er hielt ihr Handgelenk vorsichtig fest und streichelte ihre zarten, weißen Finger. „Ich muss dann wieder los…“ Sagte er, mit einem Seitenblick auf die näherkommenden Menschen. Viel lieber würde er bei dem blinden Mädchen bleiben, aber er war nun mal ein Fischersohn und hatte zu arbeiten. Das Mädchen sollte sicher dem Jungen, das die Frau und den Mann begleitete, die auf den Steg zu schritten vorgestellt werden… Das Mädchen streckte auch die andere Hand nach ihm aus. Schließlich nahm es seine Hand in ihre beiden. „Danke für die Farben…“ Der Junge lächelte. „Immer gerne…“ Er küsste ihre Hand noch einmal sanft und vorsichtig, als könnte sie jeden Moment zerbrechen, dann drehte er sich um und ging davon. Der kleine Hund schmiegte sich noch einmal an die Füße des Mädchens dann lief er seinem Herren hinter her.
 

Die Frau führte das Mädchen an der Hand neben sich her. „Und, wie findest du ihn?“ fragte sie hoffnungsvoll. Das Mädchen zuckte die Schultern. Es blieb stehen und reckte die Nase in den Wind. Aus der Ferne hört sie die Stimme des Jungen zu sich herüber wehen. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. Es vergrub die bloßen Füße im Sand. Es drehte sich wieder zu seiner Mutter. „Ich weiß nicht… ich mag ihn nicht.“ Sagte es ehrlich. Seine Mutter sah es erschrocken an. „Charlett!“ Das Mädchen lächelte und ließ sich rückwärts auf den warmen Sand fallen. „Er ist kalt. Er lacht blau. Ich mag seinen Namen nicht… Edward…!“ Das Mädchen lachte. „Was für ein seltsamer Name!“ Die Frau starrte das Mädchen erschrocken an. Was war mit ihm geschehen? Es war doch sonst nicht so…? „Was ist mit dir los?!?“ herrschte sie es an. „Ich kann Farben sehen…“ Das Mädchen stand auf und fuhr sich durch die sandigen Haare. Es senkte reumütig den Blick. „Tut mir leid, Mutter…“sagte es leise. Doch nie würde sie den Jungen mit dem roten Lachen vergessen…



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