Pirates of the Caribbean: Black Tides von Sharyne ================================================================================ Kapitel 14: Flammendes Inferno (Teil 2) --------------------------------------- 12. Kapitel - Flammendes Inferno (Teil 2) Das Schiff schwankte für einen kurzem Moment gefährlich weit nach Backbord, sodass ihre Finger die nächstbeste Kante reflexartig umklammerten - dann schien sich der Wellengang unter dem Kiel der Black Pearl wieder zu beruhigen. Die Planken knarrten und ächzten unter der Anstrengung und eine leere Flasche machte sich selbstständig, dann war es vollends still. Nur einmal hatte sie bisher die Kajüte des Captains an Bord des wohl gefürchtetsten Piratenschiffes betreten, jedoch gerade erst aus einer Ohnmacht erwacht, die ihr jegliche Kräfte und genauere Wahrnehmung geraubt hatte. So hatte sie sich also kaum auf ihre Umgebung konzentriert, aber jetzt, da sie die Gelassenheit spürte, die Jack nach außen hin zu verkörpern schien, vergaß Sarah ihre eigene Anspannung und betrachtete die Kabine aufmerksam. Auf dem einzigen Tisch, der unter spärlicher Beleuchtung durch heruntergebrannte Kerzen in der Mitte des Raumes platziert war, waren allerlei nautische Seekarten ausgebreitet. Neben zahlreichen Bücherregalen, einem eleganten, alten Stuhl und einer gemütlich wirkenden Koje entdeckte sie eine Affenschaukel, die scheinbar mit dem Schiff mitzuschwanken schien. Gegenüber dem großen Tisch - und somit über ihrem Kopf an der Wand hängend - befand sich eine aus zwei gekreuzten Säbeln bestehende Wanddekoration, kunstvoll an deren Halterungen verziert. Die Kajüte hatte eine heimelige und ruhige Atmosphäre an sich (ohne, dass Sarah es verhindern konnte, überkam sie ein leichtes Gefühl der Müdigkeit) und es roch nach Meersalz, Rum und altem, feuchtem Holz. "Ich frage mich gerade, wie lange du noch im Türrahmen herumstehen willst", versuchte Jack, ihre Aufmerksamkeit zurückzugewinnen und setzte ein freundliches Lächeln auf, während er auf den Stuhl und eine Rumflasche gegenüber deutete und sich mit dem alten Lederdreispitz ein wenig Luft zufächerte. "Wozu die Affenschaukel?", ging Sarah nicht weiter auf seine Frage ein, wurde jedoch in die Realität zurückgeholt und setzte sich ihrem Captain gegenüber. Sie nahm die von ihm angebotene Flasche entgegen, entkorkte sie und trank einen Schluck. Die vertraute Flüssigkeit brannte zunächst in ihrer Kehle, bevor sich eine innere Wärme in ihr auszubreiten schien. "Sagt bloß, du besitzt auch eines dieser niedlichen, kleinen Äffchen." Die Schiffbrüchige grinste breit, doch Jack zog nur eine Grimasse. "Die Pearl war nicht immer mein Schiff. Mein meuterischer Erster Maat hatte sie sich vor einigen Jahren unter den Nagel gerissen, und das nicht nur einmal", knurrte der Captain. Augenblicklich verfinsterte sich seine Miene, als sein Blick zunächst auf die Affenschaukel und dann auf die leicht vergilbten und rissigen Seekarten fiel. Sarah schien daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Neugierig beobachtete Jack, wie sich ihre Stirn in Falten legte. "Barbossa war dein Erster Maat? Er meuterte gegen dich?", schnaubte sie. "Aye. Lange her, alte Geschichte", winkte Jack ab und Sarah seufzte leise. "Von nun an werde ich ihn wohl noch weniger leiden können." Der Captain ließ ein leises, tiefes Lachen hören und zog die Mundwinkel nach oben. "Wenn das überhaupt möglich seien sollte ..." "Wie dem auch sei", fuhr Sarah unbeirrt fort und schob ihre finsteren Gedanken über Barbossa zur Seite, "du hast es recht gemütlich hier, das muss man dir lassen." "Bald nicht mehr, wenn du mir weiterhin den Fußboden volltropfst", antwortete Jack fast monoton und deutete auf eine Wasserpfütze, die sich fröhlich in den Ritzen der Planken ausbreitete. Sarahs Mund formte ein kleines, stummes O, während sie einige Sekunden lang unter den Tisch blickte und dem 'unglaublich interessanten' Schauspiel zusah. Bevor Jack protestieren konnte, legte die Schiffbrüchige breit grinsend beide Hände um ihr nun noch dunkleres Haar, wrang es ebenso aus wie den schwarzen Stoff, der um ihre Schultern hing und beobachtete, wie sich die Pfütze auf dem Boden vergrößerte. Jacks Augenbrauen wanderten nach oben und verschwanden unter seinem Dreispitz, dann zog er die Nase kraus und setzte einen Schmollmund auf. "Nicht nett", beschwerte er sich und verschränkte die Arme vor der Brust. "Jetzt kann es wenigstens nicht mehr tropfen", lachte Sarah, "du hast dich darüber beschwert, dass es tropft, nicht, dass diese Tropfen eine Pfütze bilden." Jack knurrte leise, als sie sich auch noch die Frechheit erlaubte, ein überhebliches Lächeln aufzusetzen. "Das gibt zwei Wochen Deckschrubben, Liebes", murrte er mit unheilverkündender Stimme und wischte einige Wassertropfen vom Tisch. Nicht weiter darauf eingehend, beschloss die Schiffbrüchige, das eigentliche Thema anzusprechen. "Warum wolltest du mich sprechen?" Jack schien einen Moment durcheinander, dann richteten seine dunklen Augen sich erneut auf die nautischen Karten zwischen ihnen und blieben an einer kleinen, unscheinbaren Insel hängen. Der Captain zögerte kurz, dann beugte er sich über den spärlich beleuchteten Tisch. "Nyx." So schnell wie die scheinbar friedliche und fröhliche Stimmung gekommen war, so schnell verschwand sie auch wieder. Der Captain legte seine gelassene Haltung ab und plötzlich schien ein ernsterer Jack vor ihr zu sitzen, die Stirn gerunzelt und eine angespannte, unruhige Haltung einnehmend. Er stand auf, schob seinen Stuhl beiseite und begann, im Raum auf und ab zu gehen. Sarahs Blick folgte jedem seiner Schritte, und seine Unruhe schien sich auf ihr Gemüt zu übertragen. "Ich muss mehr über sie herausfinden. Möglichst noch, bevor wir Singapur erreichen. Bis dahin vergehen noch einige Tage, und wir bleiben unwissend darüber, wie, warum und wo sie unschuldige Männer auf See in den Tod schickt. Die Zeit drängt. Ich gebe es ungern zu, aber ich werde unruhig, Sarah." "Ich auch, wenn du weiterhin so herumtigerst", murrte sie, dann nahm auch sie eine nachdenkliche Haltung ein. "Ich verstehe deine Unruhe. Sie wird vor keinem Schiff Halt machen, Jack. Vor keinem Kriegsschiff, keiner Galeone und keiner Fregatte. Auch nicht vor der Black Pearl. Du fürchtest einen Angriff ihrerseits." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Jack bejahte diese Vermutung jedoch nicht. "Du machtest nicht gerade einen verwunderten Eindruck, als ich dir kurz vor dem Treffen mit dem Hohen Rat von Calypsos Angelegenheit berichtete, die sie mir überließ. Es überrascht mich, dass du bereits vor mir von ihrer Existenz wusstest." Hätte Jack ein bisschen weniger Rum an diesem Abend getrunken, wäre ihm vermutlich aufgefallen, dass Sarah ein wenig unruhig auf ihrem Platz hin- und herrutschte und versuchte, dem Captain nicht in die Augen zu blicken. Hätte er die Welt weniger verschwommen wahrgenommen, wäre ihm nicht entgangen, wie sie einige Sekunden länger als gewöhnlich nach einer passenden Antwort suchte. "Ich ... habe viel über sie gehört, bevor du mich aus dem Wasser gefischt hast", antwortete sie schnell und knapp und presste die Lippen aufeinander. "Gerüchte und Geschichten in Städten und auf Märkten, Getuschel von kleinen Gruppen, die von etwas ähnlichem gehört hatten oder denen anscheinend dasselbe widerfahren ist." Fast erleichtert atmete die Schiffbrüchige aus, als sie den fast etwas enttäuschten und schmollenden Blick des Captains auf sich gerichtet sah. "Du kannst mir also nichts mehr über Nyx verraten?" "Nein", antwortete Sarah eine Spur zu schnell, weckte damit jedoch noch immer kein Misstrauen in Jack. "Ich habe dir bereits alles gesagt, was ich über sie weiß." Jacks Blick wurde ernst und finster. Er betrachtete eine Weile seine Stiefelspitzen und spielte mit seinem geflochtenen Kinnbart, als er sich erneut der Schiffbrüchigen zuwandte, deren helle Wachsamkeit in den blauen Augen einem Nüchternen nicht entgangen wären. "Und Flynt?", erkundigte sich Sparrow. "Wie war er?" "Als Captain?", hakte Sarah nach und klang leicht irritiert. Warum wollte Jack plötzlich etwas über ihren ehemaligen Kommandanten wissen? "Aye, als Captain." Die junge Frau schnaubte verächtlich, ihre Finger schlossen sich fester um die Flasche und sie nahm einen kräftigen Schluck. "An manchen Tagen schlimmer als Blackbeard, Charles Vane und Calico Jack Rackham zusammen!" "Du machst Witze." Jack klang tatsächlich so, als würde er sie kein kleines bisschen ernst nehmen. Da war ein leicht ungläubiges Lachen in seiner Stimme, doch Sarahs nächster Satz zerschlug seine Heiterkeit. "Ich sage die Wahrheit, so, wie ich Flynt persönlich kannte." Die Schiffbrüchige schürzte die Lippen und senkte den Blick. "Er hatte keinen Respekt vor dem Leben und tötete selbst vermeintliche Vertraute, die ihm widersprachen. Die Cruel Wave war eine Fregatte, und obwohl wir mit knapp zweiunddreißig Kanonen deutlich überlegen waren, machte er selbst vor kleinen Schonern nicht halt und schickte sie in die Hölle. Flynts Grausamkeit reichte nahe an Edward Teachs kaltblütiges Herz heran - wenn er denn überhaupt eines besessen hatte - und er scheute nicht einmal davor, die Gesetze des Piratenkodexes zu brechen." Nun war es an Jack, ein ziemlich betretenes und beunruhigtes Gesicht machen, Verständnislosigkeit schimmerte in den tiefbraunen Augen. "Warum, um alles in der Welt, bist du dann mit ihm gesegelt?" Sarah wurde ein wenig blass um die Nase. Diese Frage hatte sie befürchtet; und das Bild, dass sich für einen Moment in ihren Gedanken bildete, verdrängte sie so schnell wieder, wie es aufgetaucht war. Sie schnaubte, und fast schien es dem Captain so, als wäre da eine gewisse ... Bitterkeit in ihrem Blick. "Das hatte seine Gründe", wich sie ihm aus, die dunklen Augen für einen langen Moment geschlossen, und ihre nun sehr rau klingende Stimme überraschte Jack nun doch, aber noch mehr verblüffte ihn ihr so plötzlicher Stimmungwechsel. "Eine völlig belanglose Geschichte", winkte sie dann ab. "Unwichtig." Warum sie ausgerechnet mit Flynt gesegelt war, würde er wohl lange Zeit nicht verstehen können, bis es eine akzeptable Erklärung dafür gab. Im Augenblick waren jedoch ganz andere Dinge von Belang, und so nickte er nur stumm und sah der Schiffbrüchigen dabei zu, wie sie einen Moment lang das vergilbte Pergament zwischen ihnen studierte, die nach wie vor unordentlich auf dem Tisch ausgebreitet waren. Ihre Augen verengten sich nachdenklich und sie schürzte die Lippen, wie sie scheinbar eine gewisse Route auf einer der Karten zu verfolgen schien. Als Sarah jedoch aus ihren Gedanken hochschrak und für wenige Sekunden keinen Muskel bewegte (sie blinzelte nicht einmal!) weckte das nun doch Jacks Aufmerksamkeit, und eine leichte Unruhe schlich sich durch seinen Körper. "Alles in Ordnung, Sarah?" Genauso wachsam wie zuvor schien Sarah zu lauschen, und als auch der Captain sich genauer auf die Umgebung konzentrierte, hörte er die deutlich beunruhigten Rufe seiner Crew und die alarmierten Befehle Gibbs' an Deck der Black Pearl - und sie waren anders als gewöhnlich, sie klangen lauter, nahezu beängstigt. "Hörst du das?", wisperte die Schiffbrüchige, schnellte hoch und schritt bereits auf die beiden Flügeltüren zu, Jack auf den Fersen. "Aye. Und es hört sich nicht gut an." _.;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;._ Die Reaktion des nicht gerade nüchternen und wohl etwas verschlafenen Mannes im Ausguck der Black Pearl kam leider etwas arg spät. Der alternde Pirat streckte sich genüsslich, fuhr sich durch das schmutzig blonde Haar und richtete sich auf, als hätte er alle Zeit der Welt. Nun, das hatte er auch, wenn er so darüber nachdachte. Der Posten im Krähennest war wirklich nicht sehr anstrengend - das war ihm auch des Öfteren bei Marty aufgefallen, der kleine, zwergenhafte Mann, den er vor wenigen Stunden abgelöst hatte. Im Grunde genommen ging es nur darum, hin und wieder mal seine Augen aufzuhalten, gelegentliche Merkwürdigkeiten oder die Aussicht auf ein Fleckchen Land der Crew mitzuteilen - was ohnehin ziemlich selten passierte - und dann ... nun, wenn der Captain zufrieden mit seiner 'Arbeit' war und nichts weiteres von ihm verlangte, konnte er den lieben langen Tag mit dösen und trinken verbr- Moment. Was ging hier vor? Jetzt, da der Pirat wohl endlich aus seinem Schlaf erwacht war und seine Sinne - zuvor getrübt vom Alkohol - sich langsam klärten, konnte er deutlich die Unruhe der Besatzung von unten ausmachen. Und als er zuerst einen irritierten Blick auf die sich ungewöhnlich schnell bewegenden Männer unter ihm und dann auf den Horizont richtete, wurden seine glasigen Augen mit einem Mal kugelrund, und seine Kinnlade machte sich selbstständig. Alarmiert holte er Luft, die in seinen Lungen zu brennen schien, und rief so laut und so deutlich, wie es ihm in seinem momentanen Zustand möglich war. "CAPTAINS, FEUER DIREKT VORRA-" "ICH WEIß, JOHNSON!", kam es zweistimmig von Teague als auch von Barbossa, die schon genug damit zu tun hatten, die Crew einigermaßen verständlich zu befehligen und zu beruhigen. Denn das besagte 'Feuer' war zwar noch weit genug entfernt, schien dafür aber alles andere als kleinen Ausmaßes zu sein ... "IHR SEID EIN VERFLUCHTER ELENDER HUND!", brüllte Gibbs zu dem nun mehr als nur schuldig dreinblickenden Mann oben im Krähennest hinauf. "MACHT EUCH WENIGSTENS JETZT NÜTZLICH UND SAGT UNS, WAS IHR SEHT!" "Ich ..." Johnson tastete nervös und mit zittrigen Fingern an seinem Gürtel herum. "Verflucht, es muss doch irgendwo sein! - SIR, ICH GLAUBE, ICH HABE MEIN FERNROHR VERLOREN!" "Der geht über die Planke, wenn er sich jemals wieder trauen sollte, da runter zu kommen!", knurrte Gibbs mit gefährlich blitzenden Augen und zerrte das nächstbeste Besatzungsmitglied am Kragen herbei. "Du! Hol sofort den Captain!", schnauzte er und schubste den Piraten unsanft in Richtung der Flügeltüren, dann hastete er zum Steuerrad, während ihm das graue Haar auf der Stirn klebte und ihm für einen Moment die Sicht nahm. "Cotton, versucht das Feuer so weit wie möglich zu umsegeln und passt auf die Klippen dort vorn auf!" Dem Crewmitglied, das gerade eben auf dem Weg zur Kajüte des Captains gewesen war, wurde plötzlich schwarz vor Augen. Wenige Sekunden später ging er ächzend in die Knie - denn eine der beiden Türen war soeben kräftig aufgeschwungen worden und machte unsanfte Bekanntschaft mit seinem Gesicht. Jack und Sarah blieben wie angewurzelt stehen, während der Captain dem scheinbar bewusstlosen Mann vor seinen Füßen nur einen kurzen, bemitleidenden Blick schenkte und sich dann angespannt an Barbossa wandte, der seinen Männern den Befehl gab, halbes Segel zu setzen. Ihm passte das im Augenblick natürlich überhaupt nicht - und schon gar nicht, dass dieser vermaledeite Hund seine Besatzung befehligte! Es war schon genug, dass er die Pearl nach Singapur segelte ... "Was soll das werden, Barbossa?", knurrte Jack. "Bei halbem Segel kommen wir niemals rechtzeitig in Singapur an!" Hector wandte sich zu Sparrow herum, deutlich genervt und mit gefährlich brodelnder Laune, die jeden Moment überzukochen schien. "Bitte, Jack, wenn du deine ach so geliebte Galeone direkt in ein gigantisches Feuer steuern willst, nur zu! Selbst die Pearl ist bei vollen Segeln nur ungenügend manövrierfähig!" Barbossa machte eine abwertende Handbewegung und deutete hinaus auf das offene Meer, das wohl nicht nur wegen der Sonne einen gefährlich orangenen Glanz angenommen hatte. "... Feuer?", erkundigte sich Jack irritiert, dann folgte seine braunen Augen dem Fingerzeig bis zum Bug der Black Pearl, die das in Flammen stehende Gebiet weitmöglichst zu umsegeln versuchte. "FEUER!" Panisch wedelte Jack mit den Armen, scheuchte einige Crewmitglieder umher und versuchte, sich durch die Menge von laut brüllenden Männern ein wenig Aufmerksamkeit zu verschaffen. "SETZT SOFORT HALBES SEGEL, MÄNNER!" Barbossa seufzte genervt auf, legte eine Hand auf seine Stirn und schüttelte ungläubig den Kopf. "Was ist bei dir bloß schiefgelaufen, Jack?!" "Weißt du, mein Freund, dasselbe frage ich mich seit über zwanzig Jahren - nur im Bezug auf dich." Sarah nahm eine mehr als nur ungeduldige Haltung ein, die Stirn in Falten gelegt, während aus den blauen Augen tödliche Blitze schossen, die wohl gleichermaßen beide der zankenden Männer in den Tod schicken sollten. Natürlich, sie befanden sich mitten in einem heillosen Durcheinander, und diese zwei kindischen Tölpel hatten nichts besseres zu tun, als sich gegenseitig anzufauchen! Sie wandte den Blick in Richtung Krähennest - und im nächsten Augenblick wunderte es sie keinesfalls, dass die bedrohliche Situation viel zu spät bemerkt worden war - dann realisierte sie die panische Hektik der Crew und die angestrengten Befehle von Teague und Gibbs, die immer weniger beachtet wurden, je näher sie dem Feuer kamen. Auch Sarah spürte, dass eine Kollision mit dem ... nun, mit was auch immer, das dort so fröhlich vor sich hinfackelte, keinesfalls gut ausgehen konnte. Cotton versuchte, die Galeone so gut wie möglich vor diesem Chaos zu bewahren, aber je näher sie der drohenden Gefahr kamen, desto hoffnungsloser schien die Situation. Die Segel vollends einzuholen hätte weder etwas geändert, noch wäre es ihnen zugute gekommen. Einerseits beharrte der Captain darauf, möglichst schnell in Singapur anzulegen; würden sie jetzt mitten im südchinesischen Meer verweilen (das sie wegen des vorangegangenen Sturms wohl sehr schnell erreicht hatten), bräuchte das gigantische Feuer sicherlich Tage, bis es keinen Brennstoff mehr hätte und würde somit eine unüberwindbare Blockade darstellen. Wenn sie die Segel einholten, hätte auch das nur wenig Sinn gehabt: Die See schien genauso unruhig zu werden wie das Geschehen direkt vor ihnen. Wellen bauschten sich auf und schlugen gegen den ächzenden Bug der schwarzen Galeone, die Gischt spritzte über das Deck und das Schiff schwankte gefährlich auf den bedrohlichen Wogen. Selbst wenn sie die gigantischen Flammen umfahren würden, würde sie das nur unnötig vom Kurs abbringen und eine größere Gefahr darstellen – die philippinischen Inseln lagen direkt auf ihrer Route und zerschlugen diese Möglichkeit. Das Risiko, bei der Durchfahrt wegen des schwarzen Rauchs, der das Sichtfeld erheblich einschränkte, möglicherweise auf Grund zu laufen, war schlichtweg zu hoch. Es gäbe vielleicht noch einen anderen Ausweg … aber ich wage es zu bezweifeln, dass es im Interesse des Captains liegt, die Philippinen zu umsegeln. Dem Feuer würden wir damit endgültig entgehen, aber das würde eine gute Woche Zeit in Anspruch nehmen, bedachte Sarah. "Wir steuern direkt auf ein riesiges Feuer zu und wissen nicht einmal, was dort überhaupt brennt?!" "Aussichtslos, wie es scheint", knurrte Teague, der wie aus dem Nichts urplötzlich neben seinem Sohn aufgetaucht war. "Dieser Idiot da oben ist zu nichts fähig, die Crew hört kaum noch auf unsere Befehle und von hier aus kann man durch den schwarzen Rauch nicht einmal Umrisse erkennen." Sarah hatte definitiv genug. Das, was ihr auf der Cruel Wave widerfahren war, musste unter ähnlichen Umständen kein zweites Mal passieren! Nein. Nicht noch einmal wollte sie ein Schiff verlieren und dabei zusehen müssen, wie unzählige Menschen in den Tod gingen. Die Schiffbrüchige blickte einen Moment zwischen Barbossa und Sparrow hin und her (die wohl beide kurz davor zu seien schienen, ihre Pistolen zu zücken ...), beschloss, die Initiative zu ergreifen und rauschte an den beiden vorbei - nun, nicht nur das. Hector merkte es in seiner Wut auf Sparrow zunächst nicht, blickte dann jedoch reichlich irritiert an sich hinunter und bemerkte, dass irgendetwas fehlte. Dann wirbelte er herum und sah gerade noch, wie dieses verfluchte Weibsbild doch tatsächlich mit seinem Fernrohr die Takelage zum Krähennest hinaufkletterte! "Nun ... das war nicht gerade ungeschickt", kommentierte Jack anerkennend. "Verdammt, noch ein Wort, Sparrow, und ich schwöre dir, es war dein letztes!" _.;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;._ Der dicke, schwarze Rauch stieg bedrohlich in den ohnehin schon dunklen Himmel der Karibik auf und die riesenhaften Flammen verschlangen das glühende und verkohlte Holz regelrecht, auch das Segeltuch hing nur noch in Fetzen zwischen Takelage und brechenden Masten. Was Sarah von der Position des Krähennests aus sah, ließ ihr für einen Augenblick das Blut in den Adern gefrieren. Das Bild, das sich ihr bot, kam einem grausamen, flammenden Inferno gleich. Von Norden kam ihr der Wind entgegen, zerzauste die dunkelblonden Locken und bauschte den schwarzen Mantel auf; eine sengende Hitze und der beißende Geruch von brennendem Holz, Asche und den Unglücklichen, die es nicht rechtzeitig von Bord geschafft hatten, lag in der Luft, sodass sie ein paar Sekunden die Luft anhalten musste, um keinen andauernden Würgereiz zu bekommen. Erneut einen Blick durch das ... nun, das geliehene Fernrohr werfend, suchte sie den nun kaum noch sichtbaren Horizont ab, schwarz vom aufsteigenden Rauch und rot von der Glut der Flammen. Es war nicht nur ein zerstörtes, nahezu riesiges Handelsschiff, auf das die schwarze Galeone zusteuerte. Es schienen ganze drei Schiffe zu seien, die den Flammen zum Opfer fielen, jeweils eine kleinere Galeone neben der Steuer- und Backbordseite der Fregatte, die wohl der zusätzlichen Bewachung der geladenen Ware gedient haben musste. Und jeder einzelne Mast, jedes Segel wurde von einem gierigen Feuer verschlungen, dessen Ursprung möglicherweise ein zuvor explodiertes Pulvermagazin war. Eine Lücke in der brennenden Blockade, kaum sichtbar und doch ein kleiner Hoffnungsschimmer, weckte plötzlich die Aufmerksamkeit der Schiffbrüchigen. Zwischen einer der beiden Galeonen und dem Handelsschiff war das Feuer noch nicht so weit fortgeschritten, dass es auf das jeweils andere Gefährt überschlug; geradezu eine ideale Breite, um die Black Pearl hindurchsteuern zu können. Knapp und geradezu eng ... aber dennoch die wohl einzige Lösung, die ihnen noch blieb. ... Und sie mussten sich beeilen. _.;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;._ Captain Teague half der etwas unsanft aufgekommenen Sarah auf die Beine, die die letzten Inches von der Takelage auf das Deck gesprungen war, versicherte sich, dass die junge Frau wohlauf war und warf einen gehetzten Blick in Richtung der Rauchschwaden, die aus dem züngelnden Feuer hervorgingen. "Was habt ihr gesehen, Miss Blackwood?" Die Schiffbrüchige musste sich einige Sekunden erst von dem harten Aufprall und dem plötzlich auftretenden Husten erholen, bevor sie mir klarer Stimme antworten konnte: "Keine Zeit mehr, Captain. Brennendes Handelsschiff und zwei weitere Galeonen. Wir müssen uns beeilen. Gebt den Befehl, den Kurs von hier aus auf nordöstliche Richtung zu legen. Die letzte Lücke in der Blockade. Dort drüben." Sie nickte mit dem Kopf in die angegebene Richtung. "Brennendes Handelsschiff?", hakte Teague nach. "Seid Ihr euch sicher, dass die Black Pearl dort hindurchpasst, Mädchen?" "Unsere einzige Möglichkeit." "IHR HABT SIE GEHÖRT!", rief Teague laut und verständlich, damit die ohnehin schon sehr beunruhigte Crew ihn über das Chaos hinweg wahrnehmen konnte. "SETZT KURS AUF NORDOSTEN, UND ZWAR ZACKIG, WENN IHR NICHT BEI LEBENDIGEM LEIBE VERBRENNEN WOLLT!" Diese Worte zeigten eine gewisse Wirkung, denn die Besatzung machte sich schnurstracks daran, die Segel so zu trimmen, dass sie dem Befehl nachgehen konnten, und auch Cotton schien sich förmlich auf das Ruder zu stürzen. Männer riefen durcheinander, packten gemeinsam an und besetzten ihre Posten, während Sarah aus dem Augenwinkel Notiz von Jack und Barbossa nahm, die in diesem unheilbaren Durcheinander wie in Zeitlupe auf sie und Teague zukamen. "Und woher wollt Ihr wissen, Missy, dass das geladene Schwarzpulver in den Magazinen der beiden Schiffe, zwischen denen wir gleich hindurchsegeln werden, bereits explodiert ist und uns nicht mehr schaden kann?" Mit diesen Worten riss Barbossa der Schiffbrüchigen mit einem tödlichen Glimmen in den Augen sein Fernrohr aus den Händen, um es zurück in seine Manteltasche zu stecken. "Gar nicht", quittierte die junge Frau seine Frage. "Entweder wir versuchen es mit besagtem Risiko, oder wir segeln direkt in ein Feuer zwischen den Philippinen. Was ist Euch also lieber, Captain, sterben oder vielleicht sterben?" Der Angesprochene verzog das Gesicht. "Danke, nein. Ersteres habe ich bereits hinter mir." "Also werdet Ihr wohl oder übel das Risiko anneh- ... Moment. Was habt Ihr gerade eben gesagt?" "Unwichtig", winkte der Piratenlord schnell ab und hinkte hinüber zum Bug der Black Pearl, um sich das Feuer näher ansehen zu können (oder um eventuellen Fragen einer gewissen jungen Frau zu entgehen). Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als dort hindurchzusegeln, zu warten und zu hoffen, schoss es Jack durch den Kopf. Und als seine geliebte Black Pearl den nordöstlichen Kurs beibehielt, die Lücke zwischen Fregatte und Galeone passierte und mit halbem Segel ihren Weg nach Singapur fortsetzte, musste der Captain für einen Augenblick hoffend die Augen schließen. Die enorme, stickige Hitze der Luft und die Asche, die der Wind mit sich trug, sagten ihm, dass sie nun genau zwischen dem brennenden Flammen seien mussten. Er und einige Mitglieder seiner Crew konnten einen kurzen Hustenanfall nur schwer unterdrücken, wie das gigantische Inferno weiterhin die kleine Flotte zu verschlingen schien, als wäre sie nichts, hin und wieder ein glühendes Holzstück über ihre Köpfe hinwegflog und von den einst mächtigen, weißen Segeln kaum noch etwas übrig war. Der Gedanke an die vielen Menschen, die an Bord dieser Schiffe ihr Leben gelassen haben mussten, löste in Jack ein sehr ungutes, alarmierendes Gefühl aus, das er jedoch schnell zu verdrängen wusste. Es waren wohl Hunderte von leblosen Körpern an Bord der drei zerstörten Schiffe, von denen sich das Feuer nährte und einen beißenden Gestank von verbranntem Fleisch hinterließ. Der Bug der nachtfarbenen Galeone rammte urplötzlich ein größeres Stück verkohltes Holz, das zwischen den Flammen auf den glitzernden Wellen trieb, und Jack blickte beunruhigt über die Reling und an der Bordwand seines Schiffes hinunter, als ein unerwarteter Ruck die Galeone durchfuhr. Das Ebenholz knarrte und knackte, die noch wenigen offenen Segel blähten sich in der enormen Hitze und ein Funken des Feuers verirrte sich an Deck, wurde von Jim jedoch sofort ausgetreten, um einen Brand zu verhindern. Die Crew rief in heller Aufregung durcheinander, einige lehnten sich über die Reling, um das Geschehen genauer betrachten zu können und andere warfen sich bange und verunsicherte Blicke zu. "Ich hoffe ma', der Captain weiß was er tut", sorgte sich Thomas und fixierte den neben ihm stehenden Jim Truscott. "Die Pearl hat laut Jacks Erzählungen schon einiges überstanden", antwortete dieser. "Wenn sie selbst einen Beschuss der Flying Dutchman und Davy Jones' gigantischen Kraken überstehen konnte, kann sie auch ein Feuer überstehen." "Naja, genau genommen hat'se den Kraken ja nich' wirklich überstanden ..." Thomas klang alles andere als zuversichtlich und bangte in Gedanken bereits um sein Leben. Selbst Gibbs war trotz der starken Hitze des Feuers inzwischen blass wie ein Leinentuch. Doch die Pearl ließ das Chaos unversehrt hinter sich und hier und dort waren einige erleichterte Seufzer zu hören, als die bedrohliche Situation endlich vorüber war. Das Schiff hatte keinerlei Schaden genommen, was bei den vielen Funken, die durch die Luft geflogen waren, ein ehrliches Wunder darstellte. Auch die Crew war wohlauf und keiner hatte sein Leben lassen müssen. Barbossa war, mit seinem kleinen Kapuzineräffchen auf der Schulter, inzwischen zu der kleinen Gruppe von Captains, Schiffbrüchigen und jüngeren Besatzungsmitgliedern zurückgekehrt, die sich nach dem nicht gerade alltäglichen Ereignis angeregt miteinander unterhielten. "Ich muss dir danken, Sarah. Ich weiß nicht, wie das hier geendet wäre, wenn du nicht die Initiative ergriffen hättest." "Ich stand in deiner Schuld", lächelte die Schiffbrüchige. "Wenn ihr mich nicht aus dem Wasser gefischt hättet, wäre ich vielleicht auf irgendeiner gottverlassenen Insel gestrandet." "Dann ist deine Schuld hiermit beglichen." Jack nickte der jungen Frau mit einem schwachen Schmunzeln zu. "Also habe ich auch Euch zu danken, Captain Barbossa", wandte sich Sarah plötzlich an Hector. Irritiert schüttelte er den Kopf und bedachte die junge Frau mit einem Blick, als wäre sie nun vollends des Wahnsinns verfallen. "Mir? Wofür denn, Missy?" Die Angesprochene setzte ein breites, vielsagendes Grinsen auf. "Für das Fernrohr, das ihr mir ja so bereitwillig überlassen habt", kicherte sie dann, und ein paar Wenige fielen in ihr erheitertes Lachen mit ein - abgesehen von Barbossa natürlich, der nur die Stirn in Falten legte, die Arme verschränkte und sich arg beherrschen musste, um nicht eine bissige Bemerkung fallen zu lassen. "Wir können froh sein, dass wir Eure törichte Spontanidee heil überstanden haben, Miss Blackwood!", knurrte Hector mit verengten Augen. "Was, glaubt Ihr, wäre passiert, wenn eines der Pulvermagazine genau dann explodiert wäre, als w-" Barbossa wurde abrupt unterbrochen und schreckte wie auch einige andere zusammen, als eines der inzwischen völlig zerstörten Schiffe buchstäblich in die Luft flog und das Feuer letztendlich eine vollkommene Blockade bildete, wie die Flammen auch auf die letzte Galeone überschlugen. Der ohrenbetäubend laute Knall musste selbst dreihundert Seemeilen von ihnen entfernt noch hörbar gewesen sein. In einigen Gesichtern der Männer an Deck konnte man eindeutig herauslesen, dass sie gerade alle an ein- und dasselbe dachten: Hätte die Black Pearl die Lücke zwischen den beiden Schiffen nur wenige Sekunden später passiert, hätte sie alle dasselbe Schicksal wie das der ehemals lebenden Besatzungen erwartet. "Nun, Captain Barbossa", spöttelte Sarah, "so, wie ich das sehe, haben wir genau den richtigen Zeitpunkt abgepasst, um der Explosion zu entgehen." Hector ballte die Hände zu Fäusten. Oh ja, so langsam begann er wirklich, diese Frau mit jeder einzelnen Faser seines Körpers zu hassen! _.;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;._ Als die tiefschwarze Nacht sich bereits näherte und ihre dunklen Wolken langsam über den Himmel zogen, waren die beiden Galeonen und die Fregatte nur noch ein leuchtender Fleck am Horizont und auch der markante Geruch des Feuers beherrschte nur noch vereinzelt die Luft. Ein tiefbraunes Augenpaar, umrandet mit schwarzer Kohle, fixierte diesen glühenden Punkt, während dessen Besitzer die Arme hinter den Rücken verschränkt hatte und nachdenklich auf den scheinbar endlosen Ozean hinausblickte. Die Gedanken in Jacks Kopf schienen zu rasen und keinerlei Ruhe geben zu wollen, bis seine Fragen wohl beantwortet werden würden. Woher war das plötzliche Feuer gekommen - und was war seine Ursache? Weshalb waren es vier ganze Schiffe, die den Flammen zum Opfer fielen? Und welcher Nation hatten das Handelsschiff und die beiden begleitenden Galeonen angehört? Wäre sein Wunsch, jemanden zu finden, der all diese Fragen - oder wenigstens eine davon! - beantworten konnte, nicht erhört worden, hätte er wohl die ganze Nacht kein einziges Auge zudrücken können - aber so sollte es nicht sein. Denn was als Nächstes geschah, ließ den Piraten vor Schreck so heftig zusammenzucken, dass der keine paar Inches entfernt stehende Gibbs bereits begann, sich ernsthafte Sorgen um seinen Kommandanten zu machen. Nur ein flüchtiger, dunkler Schatten schien es zuerst gewesen zu sein, etwas, dass der Captain normalerweise als kurze Einbildung abstempelte, aber dem war nicht so. Direkt vor ihm hatte dieser Schatten plötzlich Gestalt angenommen, und langsam zeigten sich die frauliche Figur, die dunkelbraunen, fast schwarzen Dreadlocks und die ebenso nachtfarbenen Augen. Die Lippen zierte ein trauriges, bitteres Lächeln und in ihrem Blick lag eine tiefe Verzweiflung, die Jack so noch nie an ihr gesehen hatte. "Tia Dalma!", keuchte der Piratenlord völlig entgeistert und wich einen Schritt zurück. Die Crew, die gerade noch eben angestrengt ihrer Arbeit nachgegangen war, ließ diese nun, völlig nebensächlich geworden, links liegen. Männer kletterten aus den Wandten, um zu sehen, ob das eben Gesagte des Captains der Wahrheit entsprach und sie wirklich die wohl gefürchtetste Meeresgöttin an Bord hatten, Cotton überließ das Steuer willkürlich einem anderen Bukanier, Teague und Barbossa zogen respektvoll ihre Hüte und Jim ließ erschrocken seinen Becher Grog fallen, der am Boden in kleine, glitzernde Scherben zerschellte. Das Sarah aber stocksteif und wie zu Stein erstarrt versuchte, zwischen den beiden Captains so unsichtbar wie möglich zu wirken, fiel zunächst keinem der Anwesenden auf. "Seht ihr, was sie anrichtet?", begann die heidnische Meeresgöttin zu sprechen. "Seht ihr, wie sie tötet, getrieben von Vergeltung, unbändiger Macht und Zorn, die sie den Sterblichen zu Unrecht entgegenbringt?" Ehrfurchtsvoll lauschte die Crew Calypsos Worten - keiner rührte sich, kein einziger schien es auch nur zu wagen, einen Mucks von sich zu geben. "Nyx." Es war nur ein kaum hörbares, schwaches Flüstern von Seiten des Bukaniers. "Die Zeit läuft, Jack." Langsam wandte sich die Göttin in Menschengestalt an den Captain der Black Pearl. "Und sie bleibt nicht stehen. Ihr müsst euch beeilen!" "Das würde ich sehr gern, Liebes. Aber Singapur ist noch gute anderthalb Monate entfernt." Tia Dalma seufzte verbittert, senkte den Kopf und schien einige Sekunden der völligen Stille über etwas nachzudenken, das wohl alles andere als unwichtig war. "Dann werde ich dafür sorgen, dass die Pearl die Küste Asiens schneller erreicht." Jack zog unweigerlich die Luft ein. "Sagtest du mir nicht vor einiger Zeit, dass du nicht in das Geschehen der sterblichen Welt eingreifen darfst?" "Das ist wahr", antwortete Calypso mit leichter Verunsicherung in der tiefen Stimme. "Doch werde ich alles dafür tun, damit diese Tyrannei einer einzigen, fehlgeleiteten Göttin endlich ein Ende nimmt." Der Piratenlord nickte langsam. "An deiner Entscheidung habe ich wohl kaum etwas anzuzweifeln", erwiderte Jack respektvoll. Tia Dalma sagte zunächst nichts. Eine unheilvolle, finstere Stimmung verwandelte die Atmosphäre in brodelnde Anspannung, jedes einzelne Augenpaar hatte sich auf die Meeresgöttin gerichtet und viele hatten ehrfürchtig das Haupt gesenkt, während sie an den Reihen der Männer entlangschritt und der Wind mit ihrer üblichen, in dunklen Braun- und Rottönen gehaltenen Tunika spielte. "Du ..." Dieses Wort schien wohl nicht nur Barbossa zu überraschen, vor dem Calypso plötzlich direkt angehalten hatte und nun mit einem langsamen Fingerzeig auf ihn zu deuten schien. Hector schluckte und legte irritiert den Kopf schief, die stumme Frage in den hellblauen Augen schien Tia Dalma jedoch nicht zu interessieren. Ehe er überhaupt wusste, wie er sich auf die völlig unerwartete Reaktion der Göttin hin verhalten sollte, schnellte eine olivbraune Hand bereits hervor und packte jemanden - jedoch nicht den Piratenfürst des Kaspischen Meeres, sondern eine kleine, unscheinbare Person direkt hinter seinem Rücken. Sarah wurde grob hinter ihrem vermeintlichen Versteck hervorgezerrt. "Glaubtest du wirklich, ich würde dich nicht sehen?", wisperte Calypso und schüttelte fast schon enttäuscht den Kopf. Barbossa beobachtete die Szene interessiert und so, wie wohl jeder andere, mit unübersehbarer Neugier. Was ging hier vor? "Es wäre töricht gewesen, zu glauben, dass Ihr mich früher oder später vergessen werdet, Calypso." Sarah wirkte keineswegs geschockt oder ärgerlich. Nein, sie schien wohl nahezu gefasst auf diese Situation gewesen zu sein. Vielleicht werde ich endlich erfahren, ob sich etwas … verändert hat, überlegte die Schiffbrüchige stumm. Doch über Vergangenes und meine eigene Schuld zu sprechen, das wird keineswegs ausbleiben. Vielleicht ist es sogar der letzte Tag, den ich leben werde. Ich kann mir vorstellen, dass Gnade nicht gerade zu ihren Stärken gehört, wisperte eine unruhige Stimme hinter ihrer Stirn. Die Luft knisterte förmlich vor Spannung. Einige Sekunden lang hielt die Stille an, sodass man das vertraute Ächzen und Knarren des Holzes wahrnehmen konnte, die spritzende Gischt zu hören war und das tiefe Blau des Meeres intensiv hervorstach. Langsam hob die Schiffbrüchige den Kopf, wohl ahnend, dass dieser Tag unumgänglich gewesen wäre. "Wir haben zu lang geschwiegen ... Sarah Blackwood." Die Angesprochene holte tief Luft, ehe sie mit fester Stimme und einem merkwürdigen Funkeln in den Augen antwortete - Barbossa hätte schwören können, gerade eben ein wenig Angst in ihrem Blick gelesen zu haben. "Ich weiß." Die zittrige Stimme der sonst so beherrschten und selbstbewussten jungen Frau verblüffte nicht nur die drei Captains. Mit diesen Worten wies die junge Frau in Richtung des Niederganges und bedeutete der Göttin, ihr zu ihrer Kajüte zu folgen – wissend darüber, dass sie es im Nachhinein nicht verhindern konnte, mit Fragen bombardiert zu werden, fügte sie sich in ihrem Schicksal. Bevor sich die Ansammlung von Besatzungsmitgliedern und Captains auflöste (Keiner von ihnen riskierte es, über das soeben Geschehene zu sprechen) und Calypso der Schiffbrüchigen auf ihre ganz eigene Art und Weise folgte, wandte sie sich noch einmal zum Captain der Queen Anne's Revenge um. "Sie ist nicht die Einzige, mit der ich sprechen werde." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)