A Song of Ice and Fire: A Smile of Shadows von BluejayPrime ================================================================================ Kapitel 10: Sansa ----------------- “…sometimes one feels freer speaking to a stranger than to people one knows. Why is that?" “Probably because a stranger sees us the way we are, not as he wishes to think we are.” (Carlos Ruiz Zafón –  “The Shadow of the Wind”) ~*~ SANSA Vielleicht wirkte ihr Lächeln ein bisschen weniger aufgesetzt, als sie rasch neben Tyrion den Innenhof verließ. Vielleicht musste sie Ser Loras auch bei Gelegenheit in irgendeiner Form danken, wenn es keiner mitbekam. Vielleicht hatte sie auch kurz den Gedanken gehabt, dass Arya das sicher gern gesehen hätte… Tyrion schien ihre Meinung zu teilen, auch, wenn er nichts sagte; Ser Joylin hingegen wirkte ehrlich besorgt. „Seine Gnaden ist doch hoffentlich nicht zu schwer verletzt?“ Vielleicht krepiert er dran. „Es braucht schon mehr um uns von ihm zu befreien als eine gebrochene Nase, fürchte ich“, antwortete Tyrion nonchalant, und Sansa hielt für einen Moment den Atem an, doch Ser Joylins Lächeln wurde nur ein wenig verwirrter, und er fragte nicht nach. Er war erst heute Morgen zu ihnen gestoßen, und Tyrion hatte angemerkt, dass er dem jungen Ritter wohl vor ein paar Jahren mal mit irgendeiner Erbregelung aus der Klemme geholfen hatte und ihn daher recht gut kannte; groß, blond und mit grünen Augen stand Ser Joylin der Name Lannister quasi ins Gesicht geschrieben, und er hätte äußerlich eine jüngere Ausgabe des Königsmörders sein können, so weit Sansa Jaime Lannister in Erinnerung hatte. Doch ihm fehlte der arrogante Zug um den Mund, der Ser Jaime und die Königinregentin ausmachte, und er war geradezu verblüffend unsicher im Umgang mit den anderen Lords und Ladies am Hof; seine Rüstung wirkte neu und blitzblank, als habe er in seinem Leben noch nie ein Schlachtfeld gesehen, und Sansa schätzte ihn auf vielleicht siebzehn oder achtzehn Jahre, nur wenig älter als sie selbst. „Wie lange seid Ihr schon in Königsmund, Ser?“, fragte sie leise, während sie sich – mit dem Bild von Joffreys blutigem Gesicht sicher in ihrem Hinterkopf verstaut – an ihre Manieren erinnerte. Joylin grinste ein wenig verlegen. „Äh, erst seit gestern Abend, milady“, antwortete er, „Lord Tywin hat mich überraschend herbeordert, ich sollte eigentlich – ich meine, ich bin der einzige Sohn meines Vaters, deshalb wurde ich nicht eingezogen…“ „Das hatte nicht zufällig irgendwas mit der Verlobung deiner Schwester zu tun, oder?“, fragte Tyrion unter einer hochgezogenen Augenbraue. Joylin wirkte ein wenig betreten. „Äh – ja, ich nehme an, das hing damit zusammen… meine älteste Schwester ist mit einem Ritter aus Dorne verlobt“, erklärte er Sansa, „Das Land, das ich geerbt habe, ist nicht besonders groß, aber voller Edelsteine, und ich nehme an, Lord Tywin wollte nicht, dass der Ehemann meiner Schwester das erbt…“ Sansa erwiderte sein Lächeln glatt und einstudiert. „Ich verstehe, Ser.“ Zwei Ritter der Königsgarde hasteten in Gold und Weiß gewandet an ihnen vorbei; sie erkannte Ser Boros und zu ihrer Überraschung auch Ser Jaime. Selbstverständlich hatte sie gewusst, dass er zurück in Königsmund war, doch sie hatte ihn bislang nicht zu Gesicht bekommen; ein Jahr Gefangenschaft hatte seine Züge härter und schärfer werden lassen, seine blonden Haare waren zentimeterkurze Stoppeln und seine rechte Hand war durch eine goldene Prothese ersetzt worden. Hoffentlich war das Robb. Aber es wäre vermutlich nicht die Art ihres Bruders gewesen… Er blieb stehen, sein Blick flackerte kurz über Tyrion und Sansa, blieb dann jedoch an Joylin hängen, fast entsetzt. „Was machst du hier?“, fragte er ohne jede weitere Begrüßung, Tyrions Augenbraue zuckte fragend. „…Lord Tywin hat mich herbestellt“, antwortete Ser Joylin, sichtlich verdattert ob Jaimes Feindseligkeit, „Ich, äh – verzeiht, habe ich…?“ Sansa kam nicht umhin, Tyrion einen kurzen, fragenden Blick zuzuwerfen, doch der wirkte nicht minder verwundert. Erneut huschte Jaimes Blick über Joylin von Kopf bis Fuß und es war deutlich sichtbar, dass er nach Worten rang, bevor er sich auf dem Absatz umwandte und mit wehendem Umgang den Gang hinunter verschwand, über den er gekommen war. Einen Augenblick lang starrten sie ihm alle gleichermaßen verdutzt nach, bevor Tyrion sich hörbar räusperte. „Gut, äh… ich nehme nicht an, dass du mir sagen kannst, was das zu bedeuten hatte?“ „Nein, milord“, antwortete Joylin, „Es muss Jahre her sein, seit ich Ser Jaime das letzte Mal – verzeiht, aber geht es ihm nicht gut…?“ „So könnte man es ausdrücken“, murmelte Tyrion. Joylin trat ein wenig peinlich berührt von einem Fuß auf den anderen. „Ehm – wenn Ihr erlaubt, Lord Tyrion – ich würde gerne Lord Tywin meine Aufwartung machen…“ „Oh, sicher.“ Tyrion warf Sansa einen fragenden Blick zu. „Ich nehme an, Ihr würdet gerne den Götterhain aufsuchen und… für die Genesung unseres geliebten Königs beten?“   „Ihr habt ganz schön zugeschlagen.“ Loras antwortete nicht, doch unter hellbraunen Locken konnte sie den Hauch eines Grinsens erkennen, und schmunzelte ihrerseits kaum merklich, wurde jedoch rasch wieder ernst. Es war seltsam; während der paar Wochen ihrer Verlobung hatte sie kaum registriert, wie seltsam abweisend er ab und an gewesen war, so erleichtert war sie von der Aussicht gewesen, Königsmund bald verlassen zu können, doch im Nachhinein ergab es natürlich Sinn… „Darf ich fragen, was…“ Loras warf ihr einen scharfen Blick aus goldbraunen Augen zu, und am liebsten hätte sie die Frage rasch zurückgenommen, doch stattdessen erwiderte sie seinen Blick ein wenig nervös. „Er hat gesagt, dass ich meinem Ruf nicht entspreche“, antwortete Loras ruhig, doch sie konnte das kaum merkliche Zittern seiner Fingerspitzen bemerken, als er den goldbestickten Saum seines Mantels entlangfuhr, „Deshalb läge Renlys Tod in meiner Verantwortung.“ Flüchtig presste Sansa die Lippen zusammen – nun, das erklärte zumindest seine Reaktion. Einen Moment lang zögerte sie, bevor sie sachte die Hand auf seinen Arm legte. Kurz huschte Loras‘ Blick auf ihre Finger hinunter, doch er rührte sich nicht. „Ich habe euch in Turnieren kämpfen sehen und Ihr seid einer der Helden vom Schwarzwasser“, sagte sie leise, „Lord Renlys Tod war nicht Eure Schuld.“ Loras presste mit einem leisen Schnauben die Lippen zusammen. „Wenn ich in der Nacht bei ihm gewesen wäre, hätte es niemand gewagt, Hand an ihn zu legen“, antwortete er leicht gepresst, „Aber das war ich nicht, also hat unser geliebter König nicht völlig Unrecht.“ Unsicher, wie sie darauf antworten sollte, ließ Sansa ihre Hand sinken. „Und wieso wart Ihr dann nicht bei ihm…?“ Loras stützte den Kopf in die Hände und schwieg für einen Moment; beinahe fürchtete sie, zu neugierig gewesen zu sein, als er weitersprach. „Wir haben gestritten“, sagte er müde, „Am – am Abend vorher, meine ich. Wegen Briennes Aufnahme in die Königsgarde, und wegen Margaery…“ Sansa musterte ihn ein wenig besorgt. Loras‘ Geständnis ihr gegenüber hatte selbstverständlich einiges erklärt, aber dennoch fiel es ihr schwer, nachzuvollziehen, wie es sich wohl anfühlen musste, wenn der Mann, den man liebte, die eigene Schwester heiratete – es war auf seltsame Art romantisch, aber sie war sich recht sicher, dass Ser Loras das im Augenblick nicht gerne gehört hätte. „Ich bin gegangen, und er hat kein Wort mit mir gesprochen am nächsten Tag“, fuhr Loras fort, „Und Brienne hat sich am nächsten Abend um ihn gekümmert, nicht ich… ich hätte da sein sollen, ich hätte ihn beschützen müssen.“ Er warf Sansa einen kurzen Blick zu. „Ich erwarte nicht, dass Ihr-“ „Doch“, antwortete sie leise. Eine Erinnerung wie aus einem anderen Leben flackerte flüchtig vor ihrem inneren Auge auf; ihr Vater, der sie und Arya mit einem Schiff aus der Stadt schaffen wollte, Joffrey ist kein bisschen wie der fette alte König… „Doch, ich verstehe Euch“, antwortete sie mit etwas kräftigerer Stimme, „Meine Schwester und ich haben auch gestritten, als wir uns das letzte Mal gesehen haben…“ Loras antwortete nicht, doch vielleicht wurde die Erschöpfung in seinem Blick ein bisschen weniger. Einen Augenblick lang herschte Stille, vom Wind in den Büschen und Bäumen des Götterhains abgesehen. „Margaery hat mir vorhin gesagt, der König hat beschlossen, meine Fähigkeiten einem Test zu unterziehen, aber wegen seiner, äh, Verletzung könne er es nicht selbst tun“, sagte Loras dann. Sansa spürte, wie ihr kalt wurde. „Ich verstehe“, sagte sie leise. Irgendwo in ihr keimte der Impuls auf, ihn zu umarmen und den Versuch zu unternehmen, ihm in irgendeiner Form Trost zu spenden, doch das wäre wohl gänzlich unangemessen gewesen. Loras grinste, doch es wirkte wie eine Maske. „Ich nehme an, wenn die Sache schlecht läuft, kann ich mich wenigstens bei Renly entschuldigen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)