Ein unerträglicher, nicht enden wollender Schmerz von rokugatsu-go ================================================================================ Kapitel 7: That I will see the light ------------------------------------ Mit wachsender Erschöpfung schleppte Kakashi sich durch die Tür seiner Wohnung in Konoha. Er ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und blieb an Ort und Stelle stehen, um seine Wohnung zu betrachten. Wie lange war er nicht mehr hier gewesen? Wie lange hatte dies alles eigentlich gedauert? Kakashi ignorierte das Gefühl, sich fremd in seiner eigenen Wohnung zu fühlen und schob es auf die Müdigkeit, die sich immer mehr in ihm ausbreitete. Er blickte aus dem Fenster auf das Dorf, das er so lange nicht mehr gesehen hatte und das sich in Abwesenheit aller so verändert hatte. Inzwischen dämmerte es bereits. Der Krieg, der sich immer noch so an fühlte als wäre er nicht real gewesen, sondern ein grauenhafter Albtraum, war vor vier Tagen beendet worden. Und vor etwa einer Stunde waren die, die ihn überlebt hatten, durch das große Tor heimgekehrt. Tsunade hatte ihm eigentlich gesagt, dass er im Krankenhaus auf sie warten sollte, damit sie sich seine Wunden ansehen konnte. Doch Kakashi hatte freundlich abgelehnt und darauf verwiesen, dass seine Verletzungen nicht weiter schlimm waren und er seine Erschöpfung auch zuhause auskurieren konnte. Tsunade hatte ihn daraufhin kritisch beäugt und er hatte ihr als Kompromiss versprechen müssen, sich am nächsten Tag bei ihr im Krankenhaus zu melden. Kakashi hat es schon immer bevorzugt, für sich selbst zu sein, besonders wenn er mit seinen Dämonen zu kämpfen hatte. Nun da er aber allein in seiner stillen Wohnung stand, hatte er zum ersten Mal seit langem Angst, dass seine Dämonen zu stark für ihn sein könnten. Jetzt, wo alles vorbei war, er mit seinen Gedanken ganz allein war und Zeit hatte, über alles nachzudenken, fürchtete er, dass es ihn überwältigen könnte, dass er es nicht aushalten könnte. Vollends begreifen würde er es definitiv nicht. Kakashi blickte auf sein Bett, auf das er sich am liebsten einfach fallen gelassen hätte, doch plötzlich überkam ihn eine Angst davor, einzuschlafen und zu träumen. Nein, wenn er jetzt im Traum wieder einmal Obito oder Rin sterben sähe, würde er es nicht ertragen. Jetzt nicht. Den unheilvollen Gedanken abschütteln wollend, setzte er sich in Bewegung und begann, seine verdreckte und blutige Uniform abzustreifen. Als er sie in die Ecke werfen wollte, um sich später ihrer endgültig zu entledigen, fiel sein Blick auf das Foto, das ihn, Minato, Obito und Rin zeigte. Ein Gefühl der Panik kroch in ihm hoch und er legte den Rahmen um, so dass die Bildseite nicht mehr zu sehen war. Er fühlte sich schuldig, als er dies tat. „Es tut mir leid“, sagte er leise, „bitte entschuldigt, aber es ist noch zu früh. Bitte lasst mir noch etwas Zeit, um das alles zu verarbeiten.“ Kakashi ging weiter, denn er sehnte sich nach einer heißen Dusche, von der er sich erhoffte, Blut, Dreck und Muskelschmerzen abzuwaschen. Wie er im Bad auf die Dusche zusteuerte, warf er einen flüchtigen Blick auf den Spiegel und erstarrte für einen Moment. Mit großen Augen betrachtete er ungläubig sein eigenes Spiegelbild und begann zu realisieren, dass er nicht nur psychisch nie wieder derselbe sein würde. Sein Sharingan war weg und plötzlich fühlte er wieder diese Hilflosigkeit, die ihn überfallen hatte, als sie Kaguya gegenübergestanden hatten und er vollkommen nutzlos gewesen war. Was sollte er jetzt tun? Jetzt, wo er das Sharingan nicht mehr hatte. „Zum sechsten Hokage sollst du werden, Kakashi.“ Eine Mischung aus Wut und Fassungslosigkeit machte sich in Kakashi breit, als er an Obitos Worte dachte. Was hatte er sich dabei gedacht? Wie kam er auf so etwas? Nach alldem, was passiert war? Nach alldem, was er falsch gemacht hatte? Er war nicht geeignet, Hokage zu werden. Wie konnte Obito ihn nur umso etwas bitten? Kakashi stieg in die Dusche, drehte das Wasser auf und ließ es auf sich nieder prasseln. Er war kein Hokage. Er würde nie einer sein. Er hatte alles falsch gemacht, was es falsch zu machen gab. Unzählige Shinobi waren in diesem Krieg und dessen Vorbereitung umgekommen. Asuma ging auf sein Konto, Jiraiya und auch Neji. Gais Verletzungen würden nie wieder heilen und Yamato war ein Wrack. Kakashi fühlte sich nicht geeignet Hokage zu sein. Jemand wie Naruto war geeignet, um Hokage zu werden. Jemand wie Naruto, der nie von seinem Weg abkam und nie jemanden im Stich gelassen hatte. Und es war Kakashis Schuld gewesen, dass jemand wie Naruto beinahe von seinem eigenen Kameraden getötet worden war. Wütend schlug Kakashi mit seiner Faust gegen die Fliesen der Wand. Auch bei Sasuke hatte er alles falsch gemacht, obwohl er so Vieles hatte richtig machen wollen. Er hatte Sasuke so stark machen wollen, dass er Sakura und Naruto hätte beschützen können. Doch Kakashi hatte es nicht geschafft, ihm dies klarzumachen. Letztendlich hatte Naruto auch da seine Fehler ausbügeln müssen. Und es kam der Moment, den Kakashi gefürchtet hatte. Mit einem Mal prasselten die Bilder aus dem Krieg auf ihn nieder wie das Wasser auf seinen geschundenen Körper. Nur dass er Erstere weder ertragen noch abschalten konnte. Er lehnte seine Stirn gegen die Fliesen und schlug mehrmals mit beiden Fäusten gegen die Wand. Instinktiv hoffte Kakashi, dass er diesen Schmerz genauso wie jeden anderen Schmerz davor nur eine Weile in dieser erbarmungslosen Härte aushalten musste, bis er langsam, sehr langsam weniger werden würde. Aber was sollte er nun tun? Zurück in die Anbu? „Zum sechsten Hokage sollst du werden, Kakashi.“ „Obito, du weißt nicht, was du sagst“, sagte Kakashi zu sich selbst und drehte das Wasser ab, als er merkte, wie ihn langsam die Kräfte verließen. Mühsam schleppte er sich zurück in seinen Wohnraum, streifte sich notdürftig frische Kleidung über und fiel, nun endgültig von seinen Kräften verlassen, aufs Bett.   Er erwachte, als die Morgendämmerung langsam einsetzte. Zu seiner eigenen Überraschung war sein Schlaf ganz und gar traumlos gewesen. Es erstaunte ihn weniger, dass er sich nicht rühren konnte. Aus dem Augenwinkel konnte er das umgelegte Teamfoto ausmachen. „Zum sechsten Hokage sollst du werden, Kakashi.“ Immer und immer wieder kam ihm Obitos letzter Wunsch in den Sinn. Ausgeschlossen. Dieses Mal nicht. Tut mir leid, Obito, dachte er verbittert. Außerdem lag es nicht in seinem Ermessen, wer Hokage wurde.... Kakashi stutzte in seinen eigenen Gedanken. Was hatte Tsunade, noch bevor sie nach Konoha aufgebrochen waren, zu ihm gesagt? „Ich möchte mit dir reden, wenn wir wieder in Konoha sind.“ „Über was?“ „Du weißt doch noch, was Sarutobi gemacht hat, als der dritte Weltkrieg beendet worden war?“ Kakashi war nicht mehr dazu gekommen zu antworten, denn Tsunade war weg gerufen worden. Ihm war klar, was sie meinte. Aber sie konnte es nicht meinen. Nicht nach alldem. „Zum sechsten Hokage sollst du werden, Kakashi.“ „Obito, sei still“, raunte Kakashi in seine Bettdecke. Ein Hokage stand im Licht, im Hellen. Nicht wie er, dem das Licht nicht geneigt war. Das Zwielicht war seine Welt. Aus dem Zwielicht heraus dem Hokage dienen, das hatte er den Großteil seines Lebens gemacht und sicher war er nicht glücklich damit – er sollte ja auch nicht glücklich sein; er sollte dienen. Und für Obito die Welt betrachten. Das waren seine einzigen Lebensinhalte gewesen. Als Kakashi allmählich bemerkte, dass bereits wieder der Abend dämmerte und seine Gedanken ihn den ganzen Tag beschäftigt hatten, klopfte es an seine Tür. „Kakashi-sensei? Sind Sie da?“ Sakura. „Kakashi-sensei? Wenn Sie da sind, machen Sie bitte auf.“ Sie klangt besorgt und das versetzte ihm einen Stich ins Herz. „Vielleicht ist er nicht da?“ Sai war bei ihr. „Wahrscheinlich kann er sich mal wieder nicht bewegen“, antwortete Sakura. „Sollen wir die Tür aufbrechen?“ „Moment“, rief Kakashi dazwischen, „ich bin da. Gebt mir eine Minute. Oder zwei.“ Selbst das schien aber wie eine arg optimistische Einschätzung, stellte er fest, als er sich mühevoll und ächzend aufsetzte, seine Maske richtete und sich zur Tür schleppte. Als er die Tür öffnete sah er, dass Sakuras Gesichtsausdruck zu ihrem sorgenvollen Tonfall passte und selbst Sai sah etwas nervös aus. „Ist etwas passiert?“, fragte Kakashi beunruhigt und im Hinblick auf Naruto und Sasuke. „Sie sollten sich heute bei Tsunade melden und haben es nicht getan“, sagte Sakura vorwurfsvoll. „Wir haben uns schon Sorgen um Sie gemacht.“ „Um mich?“ „Ja“, antwortete Sai. „Wir waren gerade alle bei Naruto und Sasuke, als Tsunade uns fragte, ob wir sie heute schon gesehen hätten. Naruto wurde dann so nervös, dass er selbst nach Ihnen sehen wollte. Sasuke beschimpfte ihn daraufhin als Idioten und schlug vor, dass wir nach Ihnen sehen.“ Sai schickte ein Lächeln hinterher. Und plötzlich überkam Kakashi ein ganz anderes Gefühl, eins das er vor kurzem schon einmal gehabt hatte, das aber so neu für ihn war, dass es ihm ungewohnt erschien. Er hatte es gefühlt, als sein ursprüngliches Team, seine ihm einst aufgezwungenen Schützlinge, gemeinsam Kaguya besiegten. Das Gefühl kam ihm vor wie eine Mischung aus Stolz und tiefster, inniger Verbundenheit. Etwas, das er in dieser Form noch nie gespürt hatte. Und nun, in diesem Moment, fühlte er es erneut, diesmal gepaart mit einer Art Schuldbewusstsein und Dankbarkeit, dass sie sich um ihn sorgten, und mit dem Wunsch, für sie da zu sein, sie von allen möglichen Sorgen fernzuhalten und sie zu beschützen. „Zum sechsten Hokage sollst du werden, Kakashi.“ Endlich verstand er es. Obito hatte ihn indirekt erneut darum gebeten, jemanden zu beschützen. Und obwohl Kakashi sich so schrecklich bewusst war, dass er beim ersten Mal entsetzlich versagt hatte, wusste er auch, dass Obito ihn darum gebeten hatte, weil er es selbst nicht mehr konnte. Naruto und die anderen waren das Licht dieser Welt und Obito wusste, dass das Licht beschützt werden musste. Obito hatte immer noch Vertrauen in ihn. Und Kakashi würde ihn nicht enttäuschen, er würde alles geben, um sie zu beschützen, selbst wenn er dabei zerbräche. Für sie würde er alles ertragen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)