Majestulös von Phase (Beiträge zu den Quartalswettbewerben) ================================================================================ Kapitel 4: Der Notfallplan -------------------------- Die europäische Meisterschaft war nur noch einen Tag entfernt und die Majestics hatten sich in den letzten Monaten ausgiebig darauf vorbereitet. Sie hatten nicht nur mit ihren Beyblades trainiert, sondern auch darin, sich gegenseitig zu vertrauen und ein Team zu werden. Nach dem Debakel des Kampfes gegen die Bladebreakers war ihnen schmerzlich klar geworden, dass sie auf Dauer nur dann vorankommen würden, wenn sie eben auch ihre sozialen Fähigkeiten verbesserten. Sämtliche positive Entwicklungen wurden jedoch über den Haufen geworfen, als das Unerwartete passierte: Robert wurde krank. Eine Grippe fesselte ihn ans Bett, sodass es nicht so aussah, als wäre es ihm möglich, den ersten Kämpfen beizuwohnen. Damit hatten sie nicht nur ihr bestes Pferd im Stall verloren, sondern auch ihren Teamcaptain. Und da Robert nie einen Stellvertreter ernannt hatte, weil er wohl geahnt hatte, wie es enden würde, stand nun die Frage im Raum, wer während seiner Krankheit seine Rolle während der Meisterschaften einnehmen würde. Damit nahm das Unglück seinen Lauf. Sie befanden sich bereits im Clementine Hotel in Basel und hatten ihre Zimmer und den Trainingsraum, der ihnen zugeteilt worden war, bereits bezogen. Nun standen sie im Vorzimmer von Olivers Hotelsuite und diskutierten miteinander. „Ich werde sicherlich nicht antreten, wenn so ein Hohlkopf wie du das Kommando hat!“, fuhr Johnny aufgebracht Enrico an, der mit den Schultern zuckte und die Bemerkung erstaunlich gelassen überging. „Ach, und du bist besser geeignet? Nenne mir einen Grund, warum ausgerechnet du, der Kindskopf unseres Teams, Roberts Platz einnehmen solltest!“ „Das verrate ich dir gerne, Enrico. Ich bin auf der europäischen Rangliste auf Platz zwei – direkt hinter Robert. Und damit bin ich besser als du“, Johnny tippte ihm mehrfach herausfordernd auf die Brust, bis Enrico seine Hand gereizt beiseite Schlug und die Arme verschränkte. „Das soll dich zu einem besseren Anführer machen? Mach‘ dich bitte nicht lächerlich. Deine aufbrausende und herablassende Art wäre für unser Team während des Turniers sicherlich alles andere als förderlich.“ „Ich lasse mich immerhin nicht permanent von irgendwelchen Mädchen ablenken. Dir geht es doch bei allem immer nur um deinen Spaß – wir müssen das Turnier aber ernst nehmen, um weiter zu kommen!“ So ging das schon eine gute Stunde. Oliver rieb sich genervt mit seinen Fingern über die Schläfen, denn die Lautstärke der beiden Streithähne verursachte bei ihm allmählich Kopfschmerzen. Anfangs hatte er versucht, die beiden zu beschwichtigen und ihnen klar zu machen, dass er in diesem Fall sowieso die einzige sinnvolle Wahl war. Das hatte dazu geführt, dass die beiden ihn böse angestarrt hatten, bis er sich mit einem Seufzen aus dem Wortgefecht herausgehalten hatte. Mit etwas Glück waren die beiden bald heiser, so dass er ihnen verständlich machen konnte, dass er immer noch der Vernünftigste hier im Raum war und er somit Robert vertreten würde. Da jeweils Enrico und Johnny durchdrehen würden, wenn der anderen Teamchef würde, war er außerdem nunmal tatsächlich die einzige Alternative. „Wie kommt es überhaupt“, meinte er nach einer Weile, in der er sich katastrophale Szenarien mit jeweils Johnny und Enrico als Captain ausgemalt hatte, „dass Robert nie festgelegt hat, wer seinen Platz einnimmt, wenn er mal ausfällt?“ Er hatte augenblicklich die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Teamkollegen, die ihn ein wenig irritiert ansahen. Johnny runzelte nachdenklich die Stirn, ließ Enricos Hemdkragen los und senkte seine Hand, mit der er dem Italiener eben noch gedroht hatte. „Hat er nicht mal gesagt, dass er eine Art Notfallplan hat, sollte mal etwas schief laufen?“ „Davon höre ich zum ersten Mal“, murmelte Enrico und strich seine Kleidung glatt. „Das wiederum könnte daran liegen, dass du bei sämtlichen Besprechungen lieber an deinem Smartphone herumspielst und auf Twitter und Facebook unterwegs bist, anstatt zuzuhören“, kommentierte Johnny ungewöhnlich gelassen. Nun, da er sich an den Notfall-Plan erinnert hatte, war er sich ziemlich sicher, dass Robert ihn zum Stellvertreter ernannt hatte. Immerhin kannte Robert sein Potenzial und sie waren sehr gut miteinander befreundet. Oliver hingegen war der festen Überzeugung, dass für Robert er die einzige sinnvolle Alternative war, während Enrico klar war, dass er der einzige war, der in Frage kam: es war einfach gut fürs Image, wenn er Chef wurde. „Wo hat er denn diesen Notfallplan?“, erkundigte sich Enrico nun durchaus interessiert und lächelte. „Ich denke bei unserer Beyblade-Teamausrüstung. Alles andere würde ja wenig Sinn ergeben“, vermutete Oliver und erhob sich von seinem Sitzplatz, „Aber bitte versprecht mir, dass ihr Roberts Entscheidung akzeptieren werdet und dann aufhört euch zu zoffen – egal wie sie ausfallen wird.“ „Natürlich“, bestätigten Enrico und Johnny fast gleichzeitig und sie beäugten sich skeptisch. „Dann sollten wir nun wohl am besten Mal in unseren Unterlagen im Trainingsraum nachsehen, ob wir etwas finden.“ Gemeinsam gingen sie in den Trainingsraum, dazu mussten sie zunächst den Aufzug nehmen. Auf dem Weg gab es ein paar Sticheleien zwischen Enrico und Johnny, die Oliver mit einem genervten Augenrollen überging. Im Raum angekommen öffnete Oliver den Safe, in dem das Team alles Wichtige untergebracht hatte, bei dem die Gefahr bestand, dass irgendjemand – seien es nun Fans oder Saboteure – es entwendete. Es war nicht so schwer, wie sie erwartet hatten, den Notfallplan zu finden, denn es war ein relativ schwerer, schlanker Umschlag, den Robert versiegelt hatte, sodass die Gefahr, dass jemand seinen Beschluss las, ohne, dass es dazu einen Anlass gab, relativ gering ausfiel. Immerhin wollte es sich niemand mit Robert verscherzen, da seine Bestrafungen meist äußerst unangenehm waren. Oliver brach vorsichtig das Siegel, öffnete den Umschlag und fischte ein Handy und einen Bogen beschriebenes Papier heraus. „Was schreibt er?“, erkundigte sich Enrico neugierig, während Johnny irritiert das Handy anstarrte: „Und was hat es bitteschön damit auf sich?“ „Das werden wir beides erfahren, wenn ihr mich denn mal vorlesen lassen würdet“, murmelte Oliver genervt und begann die sorgfältige und edle Schrift zu lesen: „Meine werten Teamkollegen, Dass ihr diesen Brief hier in den Händen haltet und lest bedeutet, dass ich aktuell verhindert bin (ich hoffe es ist nichts Ernstes und ich weile zumindest noch unter den Lebenden). Jedes Team braucht gerade aus solchen Gründen einen Stellvertreter für seinen Teamcaptain und ich habe mich wirklich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wer von euch dreien am Geeignetsten ist, um diese Position einzunehmen. Ihr habt alle gute Eigenschaften, die euch als Anführer auszeichnen würden: Johnny, du bist stark und nur schwer klein zu kriegen. Dagegen bist du, Oliver, sehr diszipliniert und du behältst auch stets den Überblick, während ich zugeben muss, dass du, Enrico, wirklich außergewöhnlich geschickt bist – nicht nur mit deinem Beyblade, sondern auch darin, deinen Gegner abzulenken. Auf der anderen Seite wird die Entscheidung für mich auch nicht einfacher, wenn ich mir anschaue, welche Charakterzüge jeden einzelnen von euch zu einer schlechten Wahl machen. Johnny, du bist leider viel zu aufbrausend und daher leicht zu manipulieren, ganz davon abgesehen, welche Gefahr dein Dickkopf darstellen kann. Oliver hingegen – du bist viel zu sehr ein Feingeist und ich bezweifle wirklich, dass es dir gelingt, dich dauerhaft gegen Enrico und Johnny durchzusetzen. Nur indem man eine Angelegenheit ignoriert, wird sie noch lange nicht gelöst. Du, Enrico, bist wiederum zu verantwortungslos, um ein Team zu führen. Als Playboy würdest du vermutlich dein eigenes Wohl und dein Ansehen über das stellen, was das Richtige für das Team wäre. Und egal für welchen von euch dreien ich mich entscheiden würde, ein Konflikt wäre so oder so vorprogrammiert. (Zudem ist mir übrigens bewusst, dass jeder einzelne von euch dreien jetzt erst einmal eingeschnappt und wütend ist. Kommt damit klar und lernt endlich euch wie Erwachsene zu benehmen.) Ihr versteht in welchem Dilemma ich mich befinde? Wie kann ich also die richtige Entscheidung für das Team treffen? Ich finde das ein wenig viel verlangt. Ich bin nach reichlichen Überlegungen daher nach wie vor der festen Überzeugung, dass es das Beste ist, wenn ich keinen Stellvertreter ernenne. Ihr habt alle drei herausragende Fähigkeiten, die ihr kombinieren solltet um gemeinsam den besten Weg zu finden – als Team und nicht indem ihr versucht euch gegenseitig zu übertrumpfen. (Und solltet ihr doch mal der Versuchung erliegen, denkt bitte daran, dass ich es problemlos mit euch dreien gleichzeitig aufnehmen kann.) Sollte es doch zu schwerwiegenden Schwierigkeiten kommen, benutzt das beigelegte Telefon. Sollte mir nichts allzu schlimmes widerfahren sein, werde ich zwar mein reguläres Handy ausgeschaltet haben, um meine Ruhe zu haben, aber mein Notfalltelefon wird an sein. Die Nummer ist unter der Ziffer 1 eingespeichert. Aber ich ermahne euch, nur anzurufen, wenn es wirklich irgendein Problem gibt, dass ihr nicht auf die Reihe bekommt! In diesem Sinne wünsche ich euch viel Erfolg als Team und wünsche euch alles Gute. Freundliche Grüße, Robert.“ Die drei Beyblader starrten den Brief an. „Soll das ein schlechter Scherz sein?“, Johnnys Stimme klang aufgebracht, doch Oliver seufzte nur. „Ihr erinnert euch daran, wie wir ausgemacht haben, die Entscheidung zu akzeptieren?“ Eine Weile lang herrschte Schweigen. Enrico war der erste, der die Stille durchbrach: „Wer hat Robert eigentlich zu unserem Chef gemacht?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)