Black Butler- Schicksal von F88 ================================================================================ Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- Kapitel 8   Eine Umarmung. Gott, wie er eine sanfte, zärtliche Umarmung von seinem Butler gewollt, ja, regelrecht herbeigesehnt hatte. Der Wunsch Sebastian ganz nahe zu sein und das Verlangen nach dessen Wärme, war gestern Nacht so groß gewesen, dass er auf die Frage nach seinen Wünschen nicht anders hatte reagieren können, als ehrlich zu antworten. Und das war wohl der Punkt, welchen Ciel am meisten erschreckte. Er hatte es gewollt und war nicht in der Lage gewesen dieser menschlichen Regung, diesem Impuls zu widerstehen! Welch ein Leichtsinn, welch törichte Gelassenheit! Und das in der Anwesenheit seines Butlers! Wie konnte er nur? Wie hatte er nur so ehrlich sein können? War er denn wirklich so schwach, dass er seinen eigenen Emotionen erlag, wenn er einmal nicht aufpasste?! Das war ja geradezu erschreckend! Ciel seufzte leise. Zum Glück war Sebastian die Ernsthaftigkeit seiner Worte gestern Nacht völlig entgangen, wodurch es Ciel möglich gewesen war die Situation zu überspielen. Nein, die Nähe seines Butlers tat ihm nicht gut. //Ich muss unbedingt besser aufpassen, was ich Sebastian gegenüber sage.//, gestand sich der junge Herr zähneknirschend ein. Wie er es doch hasste Fehler zu machen. Besonders dann, wenn deren Folgen so verheerend sein konnten wie in diesen Fall. „Herr!“, durchbrach die dunkle, energische Stimme seines Butlers seine Gedanken. Erschrocken zuckte Ciel zusammen als diese so unvermittelt neben ihm erklang. Langsam hob der junge Herr seinen Blick und sah direkt in ein paar Rubine, welche ihn ernst und streng musterten.  Kurz blinzelte der Earl verwirrt. Was machte denn Sebastian hier? Und dann fiel es ihm wieder ein. Sein Diener war für den erkrankten Privatlehrer kurzfristig eingesprungen. Und irgendwie gewann Ciel gerade den Eindruck, dass er etwas Wichtiges verpasst hatte. Denn der Butler sah ihn mit einer Mischung aus Ungeduld und Frustration an. Eigentlich ein Blick, welchen er sonst nur den drei Hausangestellten gegenüber zeigte. Und wenn Sebastian so schaute, war der Teufel wirklich mit seiner Geduld am Ende. //Das kann ja heiter werden.//, dachte sich Ciel sarkastisch. „Ja, was ist?“, erkundigte sich der Junge mit wahrer Unschuldsmiene. Die wunderschönen Augen des Butlers wurden eine Spur schmaler bei den Worten seines Herrn. Sofort bereute der Earl seine Frage. „Was es gibt?“, wiederholte Ciels Gesprächspartner mit angespannter Stimme, und sah streng auf seinen vor ihm sitzenden Schüler. Oha! Die Tonlage von Sebastians Stimme ließ keinen Zweifel daran, wie wenig angetan der Teufel von einem Butler von dem Verhalten des Jüngeren war. „Ich hatte Euch eine Frage zu unserem heutigen Thema gestellt.“, erklärte der Schwarzhaarige kühl. Dem jungen Herrn brach förmlich der kalte Angstschweiß aus. //Welches Thema denn?//, fragte er sich schon fast panisch. Hatten sie überhaupt über ein bestimmtes Thema geredet? Er konnte sich an nichts dergleichen erinnern! Irritiert musste Ciel feststellen, dass Sebastians komplette Stunde an ihm vorbeigerauscht war, ohne dass er auch nur die leiseste Ahnung davon hatte, worum es in dessen Unterricht gegangen war. //Das…gibt Ärger.// Dessen war sich der schwarzhaarige Earl vollkommen sicher.   Der teuflisch gute Butler seufzte und schüttelte sein Haupt. Dass sein Schützling nicht bei der Sache war hatte er ja bemerkt. Schließlich musste er seinen jungen Herrn gut und gerne viermal ansprechen, ehe dieser auf ihn reagierte. Aber so dermaßen abgelenkt zu sein passte nicht zu dem Bengel. „Ihr habt mir gar nicht zugehört, richtig?“  Bei seiner Frage klang der Teufel resigniert aber auch verärgert. Da übernahm er schon netterweise die Pflichten des Hauslehrers damit sein Herr eine ordentliche Bildung erhielt, und der Bengel erdreistete es sich wirklich in seinem Unterricht zu träumen! Das war schon wirklich unverfroren!   Schuldbewusst senkte sich der Blick des Jüngeren, und vermied es tunlichst seinem Butler in die Augen zu sehen. Er wusste auch so, dass Sebastian nicht sonderlich erfreut dreinblickte. Verdammt, was konnte er denn dafür, dass die bloße Anwesenheit seines Vertrauten ausreichte, damit er seine Umgebung völlig vergaß? Das diese wunderschöne Stimme ihn geradezu einlud zu träumen und alles andere auszublenden? Warum nur musste sein Diener, dieser Teufel von einem Butler, solch eine verheerende Wirkung auf ihn haben? Warum musste er, wenn er Sebastian betrachtete, auch Gefahr laufen sich in dessen Anblick zu verlieren? //Liebe…//, dachte sich Ciel murrend, //…ist in Sebastians Unterricht nicht gerade hilfreich.//  Verdammt, jetzt himmelte er seinen Butler schon am helllichten Tag an!  Bei dem schuldbewussten Gesicht seines jungen Herrn, kam der Teufel nicht drumherum sich zu fragen, was bitte mit Ciel los war. Sein Herr war doch sonst so pflichtbewusst. Und an dem Thema konnte es auch nicht liegen. Der junge Herr war schließlich ziemlich intelligent und würde spielend mit diesem fertig…vorausgesetzt, dass der Bengel wusste worüber sie hier eigentlich sprachen. Und um ehrlich zu sein, beschlich den Teufel dahingehend erhebliche Zweifel.   „Aha, ganz wie vermutet. Also, streckt Eure Hände vor.“ Bei dieser Aufforderung biss sich der Angesprochene leicht auf die Lippen. Er hatte es ja geahnt. Da kam sie, seine Bestrafung, weil er Sebastian nicht zugehört hatte. Schwer schluckend und sichtlich zögerlich, kam der junge Herr der Aufforderung seines Lehrers nach. Mit seinem typischen Butler lächeln schlug Sebastian, mit einer kleinen Reitpeitsche, auf die ihm dargebotenen Handinnenflächen seines Herrn. Zwar glitt kein einziger Schmerzenslaut über die Lippen des Jungen, dafür aber verzog dieser schmerzhaft sein Gesicht.   „Zur Strafe werdet Ihr diese zehn deutschen Gedichte je zehnmal ins Englische übersetzen. Und da Ihr ja meintet besseres zu tun zu haben, als meinem Unterricht Folge zu leisten, werdet Ihr Euch die heutigen Lektionen selbst aneignen müssen. Ich rate Euch dringend gründlich zu sein, da ich Euch heute Nachmittag über dieses Thema abfragen werde.“ Damit ließ der Teufel ganze Berge an Büchern, welche sein Herr durcharbeiten musste, auf den Schreibplatz des Jungen fallen. Entsetzt sah Ciel von den Büchern hinauf in das Gesicht seines Butlers. Das meinte dieser doch nicht ernst. Wie bitte sollte er das vom Pensum her schaffen? Als Sebastian Ciels Blick bemerkte legte sich ein kleines, hochmütiges, böses Grinsen auf seine Lippen.   „Was denn, Herr? Wollt Ihr mir etwa sagen, dass Ihr diese Kleinigkeit nicht bewältigt bekommt? Möchtet Ihr mich vielleicht bitten, etwas nachsichtiger mit Euch zu sein? Ja, möchtet Ihr das, mein junger Herr?“ Die dunkle Stimme des Teufels troff nur so vor Häme und Spott.  //Na los doch. Fleh mich um Gnade an, Kleiner.//, durchstrich dieser amüsante Gedanke seinen Geist. Er wartete nur darauf, dass sein junger Herr ihn begann anzubetteln. Oh ja, er liebte es, diesem Bengel einen kleinen Dämpfer verpassen zu können. Er mochte es, die Position eines Hauslehrers inne zu haben. Damit hatte er so einige Freiheiten, welche ihm als Butler versagt blieben. Und Hölle noch eins, diese würde er auch zu nutzen wissen!   Ein kühles, arrogantes Lächeln zuckte um Ciels Mundwinkel. Kannte ihn sein Diener denn wirklich so schlecht? Er und betteln? „Es ist nicht meine Aufgabe zu betteln. Schließlich bin ich, im Gegensatz zu dir, kein Hund.“ „Ach. Ist das so, Herr?“, hauchte der Butler leise und beugte sich zu seinem Herrn hinab. Mit seiner linken Hand stützte sich Sebastian an der Armlehne von Ciels Stuhl ab, während seine rechte Hand sich nur wenige Zentimeter über Ciels Kopf befand, wo er sich dort an der Rückenlehne festhielt. Dadurch kamen sich Herr und  Diener sehr nahe. Nur noch eine Handbreit trennte sie beide voneinander. Dunkles Blau sah in kaltes, dämonisches Violett.   „Ihr wart es doch, der um sein Leben bettelte und mit mir den Vertrag schloss. Ihr seid der Wachhund der Königin. Nicht ich. Ihr seid mehr Hund als ich es je sein könnte, mein junger Herr.“, wisperte der Teufel leise mit düsterer Stimme. Ruhig aber mit kaltem Blick erwiderte Ciel den seines Butlers. „Ich habe dich nicht angefleht.“, zischte er leise. „Nein? Aber ich muss sagen in Eurer Angst, in Eurer Verzweiflung wie Ihr damals in diesem Käfig gesessen, die verfluchten Worte ausgesprochen und somit mich gerufen habt, saht Ihr unglaublich hübsch aus. Ja, die Verzweiflung steht Euch immer noch am besten, Herr. Geradezu betörend schön wart Ihr damals in meinen Augen. Vergesst das nie, mein junger Herr. Denn ich bin nur solange Euer treuer Hund, wie ich dies sein will. Oder der Vertrag dies von mir verlangt. Ihr jedoch gehört Euer Leben lag mir. Ihr seid Mein.“, wisperte er leise ehe er sich wieder aufrichtete. Das dämonische Violett wurde nun wieder durch ein kühl funkelndes paar Rubine ersetzt. „Und jetzt schlage ich vor, dass Ihr endlich Eure Aufgaben erledigt, mein Herr.“, setzte der Teufel hinterher und sah dem verwirrten Jungen bedeutungsvoll in die Augen, wobei er nicht anders konnte, als herablassend und überheblich zu lächeln.   Es dauerte einen Augenblick bis Ciel seine Sprache wiederfand. //Diese verdammte Vertrags-Lockerung!//  „Wenn ich also mein Leben lang dir gehöre Sebastian, so bedeutet das doch im Umkehrschluss auch, dass du ein Leben lang mir gehörst. Und als mein Butler, der du nun einmal Zweifelsohne bist, musst du mir gehorchen. Ohne zu meckern, ohne zu knurren musst du getreulich meine Befehle ausführen. Ganz wie der Vertrag, dieses Halsband, welches dich an mich kettet, es vorsieht. Ich lasse dich von der Leine wann es mir passt. Ich bestimme die Länge deiner Leine. Du Butler, bist wahrlich mehr Hund als ich. Du solltest außerdem nicht vergessen, dass du den Vertrag mit mir wolltest. Du warst gierig auf meine Seele, Bestie. Und so wurde ich zu deinem Herrn und kann frei über dich verfügen.“, erinnerte Ciel seinen Diener kalt und mit schneidender Stimme. „Und jetzt schlage ich vor, dass du dich verziehst, ehe ich mir überlege dich zu züchtigen.“, zischte der Junge und verwies seinen Butler aus seinem Studierzimmer.     Für den Rest des vormittags sowie dem frühen Nachmittag über, wechselten Herr und Diener nicht ein Wort miteinander. Ciel war immer noch so wütend auf Sebastian, dass er sich nicht wirklich auf seine, von ihm gegebenen Aufgaben, hatte konzentrieren können. Dementsprechend fürchterlich viel auch das Ergebnis des Testes aus. Zur Strafe hatte es sich Sebastian nicht nehmen lassen, den Jungen noch einige Male die Peitsche spüren zu lassen. Er ließ seinen Herrn solange den Test und die Gedichte korrigieren, bis dieser nicht einen einzigen Fehler mehr gemacht hatte.   „Seht Ihr, Herr? Es geht doch.“, meinte Sebastian mit ruhiger, aber dennoch äußerst spöttischer Stimme, als er seinem jungen Herrn endlich einen fehlerfreien, übersetzten Text zurückgab. Der junge Herr zischte leise. Er würde sich an seinem Butler dafür rächen. Soviel stand für ihn fest. „Nun, da dies erledigt ist, können wir ja endlich weitermachen. Euer Zeitplan hat sich ganz erheblich nach hinten verschoben. Diesen Rückstand müssen wir jetzt wieder aufholen, Herr.“ „Wessen Schuld ist das denn?“ „Nun ja, dadurch, dass Ihr heute so wenig kooperativ seid, würde ich sagen, dass Ihr selbst schuld an diesem Dilemma habt.“, entgegnete Sebastian und sah, über den Rand seines Notizbuches hinweg, den Jüngeren vielsagend an. „Das ist ja wohl die Höhe, du…!“ Ein leises, zögerliches Klopfen ließ Ciel innehalten. „Ja!“, rief er aufgebracht ohne seine Augen von seinem Butler abzuwenden und diesem weiterhin Todesblicke zuzuwerfen. Zögerlich, wegen dem aggressiven Ton in der Stimme des jungen Herrn, betrat Maylene dessen Studierzimmer. „Verzeihung junger Herr, aber unten in der Eingangshalle wartet ein Gast auf Euch.“ Das rothaarige Hausmädchen war so nervös und eingeschüchtert, dass sie sich nicht traute ihren Blick zu heben und vorsorglich lieber Richtung Boden sah. Nur zu gut hatte sie gehört, dass Ciel und Sebastian wohl einen kleinen Streit hatten. Und so war es ihr äußerst unangenehm in diesen hinein zu platzen.   Überrascht drehte sich Ciel zu seinem Dienstmädchen um. Die Verwirrung stand dem Jungen sichtlich ins Gesicht geschrieben. Einen Gast? Sonderbar. Soviel er wusste erwartete er heute keinerlei Besuch. Falls doch, hätte ihm Sebastian dies gewiss rechtzeitig mitgeteilt. Schließlich verwaltete dieser die Termine seines jungen Herrn und achtete aufs Genaueste darauf, dass Ciel diese auch wahrnahm. Und zwar pünktlich! Der Butler war viel zu sehr Perfektionist, als dass es dieser riskieren würde, dass sein Herr unvorbereitet einem Besucher, oder womöglich auch noch einem Geschäftspartner, gegenüberstand. Wer konnte dieser ominöse Gast nur sein? Soma und Agni gewiss nicht. Die Beiden befanden sich momentan auf einer Reise quer durch England und schieden somit aus. Auch seine Verlobte kam nicht infrage. Maylene hätte Lizzy nicht ankündigen zu brauchen. Der blonde Wirbelwind, welcher seine Verlobte nun einmal war, hätte nicht gezögert, einfach so bei ihm hereinzuschneien. Ob es doch einer seiner Geschäftspartner war? Aber eigentlich pflegten diese mit ihm einen Termin zu vereinbaren und nicht einfach so uneingeladen vorbeizukommen.  Mit zusammengezogenen Augenbrauen huschte Ciels Blick zurück zu Sebastian. Auch dieser schien überrascht zu sein.    „Einen Gast?“, fragte der teuflische Butler mit gerunzelter Stirn nach. Er war sich absolut sicher, dass sich für den heutigen Tag keine Besucher angekündigt hatten. „Ja. Ein gewisser Count Damian Harrington wünscht mit dem jungen Herrn zu sprechen.“, antwortete die Grünäugige auf die verwunderte Frage des Butlers. „Hatte Count Harrington für heute einen Termin?“, erkundigte sich Ciel, welcher sich nicht vorstellen konnte, dass dieser nur auf gut Glück vorbeischaute.   „Laut seiner Aussage meinte Euer Gast, dass Ihr ihn erwarten würdet, junger Herr.“   Die Gesichtszüge des Jungen verfinsterten sich leicht. Damian war einer seiner Geschäftspartner. //Einen Termin also.//, dachte sich Ciel unangenehm überrascht. Count Harrington galt in der Geschäftswelt als äußerst zuverlässig. Wenn dieser also steif und fest behauptete, dass er und Ciel eine Verabredung für den heutigen Tag hatten, bestand daran kaum ein Zweifel. Der Count müsste sich dann schon sehr vertan und den Tag ihres Treffens vertauscht haben. Aber wie gesagt, Damian galt in solchen Dingen als äußerst gewissenhaft. Aber…das würde doch im Umkehrschluss bedeuten…   Noch immer ruhte Ciels Blick auf seinem Butler. „Weißt du etwas darüber?“, erkundigte er sich bei seinem Diener mit ruhiger Stimme. „Nein. Ich weiß nichts von einem Termin des Counts mit Euch, Herr.“, beantwortete Sebastian dessen Frage. „Bist du dir da auch sicher?“, fragte Ciel noch einmal eindringlich nach.   Sebastians Augen wurden bei dieser skeptischen Frage schmal. Dass sein junger Herr an ihm und seinen Worten zweifelte, kratzte doch etwas an seinem Ego. Und so erwiderte er für kurze Zeit einfach nur den eindringlichen Blick seines jungen Herrn. Wie es schien meinte der Bengel seine Frage wirklich ernst. Ciel wollte, dass er auf Nummer sicher ging und noch einmal einen Blick in sein Notizbuch warf. Seufzend zog der Butler ein kleines, schwarzes Notizbuch aus der Innentasche seines Fracks. Mit einer einzigen Bewegung hatte der teuflisch gute Butler die richtige Seite, mit dem heutigen Datum darauf, aufgeschlagen. Er als Teufel war doch nicht wie diese vergesslichen Menschen, welche es nicht mal fertig brachten, sich mehrere Dinge gleichzeitig zu merken. Also wirklich. Als ob er, Sebastian Michaelis, einen Termin seines jungen Herrn vergessen würde! Lächerlich. …Oder auch nicht. Denn als seine roten Augen über die aufgeschlagenen Seiten huschten, musste er schwer schlucken. Das war’s dann wohl mit seiner selbstgefälligen Arroganz. Er hatte wirklich einen Fehler gemacht. Hier, in dem kleinen Büchlein, welches Sebastian in Händen hielt, stand es Schwarz auf Weiß. Ungläubig starrte Sebastian auf seine Eigene Notiz. Auf seine eigene, filigrane, saubere Schrift. Wie es schien hatte Count Harrington die Wahrheit gesagt. Dieser hatte heute einen Termin mit Ciel. Es gab keinerlei Zweifel. Es ließ sich nicht leugnen, so sehr Sebastian auch hoffte sich verlesen zu haben. Er hatte den Termin vergessen! Wie hatte ihm dies nur passieren können?   „Also?“, durchbrach Ciel die entstandene Stille, und tippte ungeduldig mit seinem Zeigefinger auf seinen Oberarm. Der junge Herr bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Das sah er alleine schon an dem Blick des Teufels. Wie es schien hatte sein sonst ach so perfekter Butler es versäumt, ihn an die Verabredung mit dem Count zu erinnern. //Was ist nur los mit Sebastian?//, dachte sich Ciel unweigerlich. Früher wäre dies undenkbar gewesen. „Verzeiht Herr. Wie es scheint habe ich mich geirrt, was Eure Verpflichtungen für den heutigen Tag anbelangen.“, gestand er recht kleinlaut.   Kurz fuhr sich Ciel durch sein schwarzes, bläulich schimmerndes Haar. So wenig es ihm auch behagte, unvorbereitet einem anderen Geschäftsmann gegenübertreten zu müssen, so blieb ihm doch nun keine Wahl mehr. Er konnte unmöglich das Treffen mit Count Harrington absagen oder gar verschieben. Es sollte schließlich nicht heißen, dass er auf Grund seines jungen Alters unfähig war geschäftliche Termine wahrzunehmen und seine Kollegen darum vertröstete. Jetzt musste Ciel das Beste aus der entstandenen Situation machen. Um Sebastian würde er sich kümmern, wenn er dazu Zeit hatte. Count Damian ging jetzt vor.   „Na schön. Maylene, führ unseren Gast in den Salon und biete ihm eine Tasse Tee an, während dieser dort auf mich wartet.“ „Sehr wohl, junger Herr.“, bestätigte das Dienstmädchen den Befehl ihres Herrn und verließ das Studierzimmer, um sich um den werten Gast zu kümmern. „Und du, Sebastian, suchst mir die Unterlagen, welche ich für die Geschäftsbesprechung benötige, zusammen.“, ordnete Ciel im strengen Tonfall an. „Natürlich.“, antwortete dieser mit einer leichten Verneigung, ehe er begann die gewünschten Unterlagen zusammenzusuchen.    Ohne weiter auf Sebastian zu achten, verließ der junge Herr sein Studierzimmer, durchquerte mehrere Flure und lief die Treppe hinab in die Eingangshalle, wo er rechts abbog und den Salon betrat.    „Count Harrington. Ich freue mich, Euch auf meinem Anwesen begrüßen zu dürfen. Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Fahrt.“   Begrüßte Ciel seinen Geschäftspartner mit der gebührenden Höflichkeit, und reichte dem älteren Herrn die Hand. Nichts deutete darauf hin, dass Ciel von dem Erscheinen des Älteren überrascht worden war. Count Harrington, ein großer schlaksiger Mann um die 30 Jahre, mit rotblondem Haar und stechenden, hellgrauen Augen, lächelte leicht, als er sich von dem Sessel, in welchem er gerade Platz genommen hatte, erhob.   „Verehrter Earl Phantomhive. Ich freue mich hier zu sein.“, entgegnete der schlaksige Mann und ergriff die ihm dargebotene Hand für einen kräftigen Händedruck. „Bitte, nehmen Sie doch wieder Platz, Count Harrington. Im Stehen lässt sich schwer über Geschäfte reden.“ Mit einer entsprechenden Geste, bot Ciel seinem Gesprächspartner an sich zu setzen. Er selbst ließ sich auf dem gegenüberliegenden Sofa nieder und schlug seine Beine übereinander. „Ich hoffe, Euch geht es wieder gut, Earl Phantomhive.“ Erklang die leicht rauchige, aber kräftige Stimme Damians im freundlichen Ton. Seine Frage musste Ciel wohl offen im Gesicht gestanden haben, denn der Ältere lächelte leicht. „Ich habe gehört, dass Ihr mit einer schweren Lungenentzündung im Krankenhaus gelegen habt.“, half Damian Ciel auf die Sprünge. „In der Tat, ja. Doch inzwischen bin ich wieder völlig genesen. Vielen Dank der Nachfrage, Count Harrington.“ „Das freut mich außerordentlich zu hören, mein Lieber. Es wäre doch ein Jammer, wenn wir beide erneut nicht ins Geschäft kämen, weil Euch eine Krankheit ans Bett fesselt.“ Stimmte ja. Eigentlich hätten sich der junge Herr und der Count bereits vor gut zwei Wochen treffen sollen. Doch ein Tag vor dem vereinbarten Termin war Ciel zusammengebrochen. Ein kühles, wenngleich nicht unfreundliches Lächeln, huschte über die Lippen des jungen Lords. „Macht Euch diesbezüglich keine Gedanken, Count Harrington.“, beschwichtigte der junge Herr.  Ein leises Klopfen erklang und keine Sekunde später betrat Sebastian den Raum. Zügig lief dieser auf seinen jungen Herrn zu und blieb links von ihm stehen. „Ich bringe Euch die gewünschten Dokumente, Herr.“,  begründete der Butler sein Erscheinen und reichte Ciel die eben erwähnten Unterlagen. „Gut, dann können wir ja zum geschäftlichen Teil kommen, wenn Ihr nichts dagegen habt, Count Harrington.“, meinte Ciel, als er die ihm gereichten Schriftstücke entgegen nahm. Diese legte er auf dem kleinen Cafétisch vor sich ab und sah abwartend zu seinem Gegenüber.   „Das wäre auch in meinem Interesse.“, bestätigte Damian freundlich. „ Ach, eine Sache wäre da noch, bevor wir beginnen über das Geschäft zu sprechen.“ „Ja?“, erkundigte sich der schwarzhaarige Junge interessiert. „Ich hätte da noch eine Bitte an Euch.“ Eine Augenbraue hob sich fragend von dem Jüngeren. „Eine Bitte? Welcher Art?“, erkundigte sich Ciel misstrauisch. „Nun ja. Als ich mich auf dem Weg zu Euch machte, befanden sich meine Kinder in meiner Begleitung. Ob Ihr es wohl gestatten würdet, dass diese Euer Anwesen betreten? Sie warten draußen und sind bestens erzogen.“  Kurz überdachte der junge Herr diese Bitte. Unauffällig sah er zu Sebastian, welcher seitlich versetzt zu ihm stand.  Ein wenig wunderte sich Ciel schon, was seinen Geschäftspartner dazu veranlasste, seine Kinder zu einem geschäftlichen Termin mitzubringen. //Warum eigentlich nicht?//  „Selbstverständlich Count Harrington. Ihre Kinder sind mir genauso willkommen wie Ihr es seid.“, versicherte Ciel. //Wenn das mal nicht den Vertragsabschluss begünstigt.//, dachte sich der schwarzhaarige Junge durchtrieben. „Mein Butler wird sich persönlich um das Wohl Ihrer Kinder kümmern. Nicht wahr, Sebastian?“ Bei seinen letzten Worten warf der junge Herr seinem Diener einen erwartungsvollen Blick zu. Leicht verneigte sich der Teufel mit seinem typischen Lächeln. „Natürlich. Eure Kinder sind bei mir in den besten Händen, Count Harrington. Ich werde mich genauso gut um diese kümmern, wie ich es mit meinem Herrn machen würde.“, versicherte Sebastian.   Als der Teufel seinen Oberkörper wieder aufrichtete, erkannte dieser, dass sein junger Herr bei seinen Worten anfing zu Grinsen. //Was hat das zu bedeuten?//  Der Butler wusste aus Erfahrung, dass der Bengel, wenn er so schaute und dabei grinste, wieder irgendetwas im Schilde führte. Aber was? Sebastian merkte auf als sich der junge Herr von seinem Sitz erhob.   „Da bin ich aber erleichtert, Earl Phantomhive.“, gestand Count Damian dem Jüngeren. „Gern geschehen, Count Harrington.“, versicherte Ciel. „Wenn Ihr mich für einen Moment entschuldigen würdet?“, bat der junge Herr als er sich erhob. Sein Gast nickte kurz und überflog bereits die Dokumente für ihre Geschäftsverhandlung. Ciel bedeutete mit einer Kopfbewegung, dass Sebastian ihm folgen sollte, und der Butler kam unverzüglich dieser stummen Aufforderung nach. Damit verließen Herr und Diener gemeinsam den Salon.   Immer wieder hatte Sebastian seinem jungen Herrn fragende Blicke zugeworfen, welche Ciel jedoch ignorierte, während sie die Flure des Anwesens entlang liefen. „Was habt Ihr vor?“ „Gar nichts.“, wiegelte der Schwarzhaarige mit Engelszunge und Unschuldsmiene ab. „Warum glaube ich Euch das nur nicht?“, fragte Sebastian mit nachdenklicher Pose. Der Angesprochene hob lediglich seine Schultern. „Das ist nicht mein Problem. Also, worauf wartest du noch? Hol endlich die Kinder rein.“, verlangte Ciel von seinem Butler und verschränkte seine Arme vor der Brust, als sie in der Eingangshalle angelangt waren. „Wie Ihr wünscht.“ Kurz verbeugte sich der Teufel vor seinem Herrn und lief mit eiligen Schritten auf die Eingangstüre zum Anwesen zu.    //Welcher Vater lässt seine Kinder, bei dieser Kälte, bitte draußen vor der Türe stehen? Und warum hat der Bengel vorhin das Wort ’Kinder’ so seltsam betont?//, fragte sich der teuflisch gute Butler im Stillen, ehe er die Eingangshallentüre nach Draußen öffnete. Sebastian konnte ja nicht ahnen, dass er diese beiden Mysterien so schnell, vor allem gleichzeitig, lösen würde. Ungläubig, mit weit aufgerissenen Augen, starrte der Teufel nach draußen. Ganz langsam schloss er die Türe und drehte sich bedächtig zu seinem wartenden Herrn um. Er lehnte sich mit dem Rücken an diese und fixierte den vor ihm stehenden Jungen, mit geradezu abgründigem Blick. //Dieser Bastard!// Feixend sah der junge Herr seinen Diener an. Das wunderschöne Rubinrot wich einem kühlen Violett. „Niemals!“, stieß Sebastian hervor.  Auf keinen Fall würde er das machen. Ein leises, böse amüsiertes Kichern erklang. „Ihr!“, grollte der Butler mit düsterer Stimme. Dem Violettäugigen war sofort klar, dass der Bengel genau gewusst hatte, worauf er sich da einließ.    „Aber, aber, Sebastian. Was ist denn los mit dir? Solch eine Kleinigkeit wirst du doch gewiss mit links erledigt bekommen. Oder möchtest du mir etwa sagen, dass diese Aufgabe zu viel für dich ist? Möchtest du mich vielleicht darum bitten, dass ich nachsichtiger mit dir bin, ja? Möchtest du das, Sebastian?“, säuselte Ciel mit lieblicher, vor Häme triefender Stimme, leise zu seinem Butler.   Ein überheblicher, siegessicherer Glanz hatte in den Meeren des Jungen Einzug gehalten, welche nun herausfordernd zu Sebastian herauf sahen. Aus kalten Amethysten wurde der Blick es Jungen erwidert. Ohne seinen jungen Herrn aus den Augen zu lassen, griff der Teufel zu der Türklinke hinter sich. Wortlos öffnete der Butler die Türe, an welcher er sich bis gerade eben gelehnt hatte,  und trat zwei Schritte bei Seite. Die Kinder des Counts rannten in die Eingangshalle. Sofort erfüllte diese ein lautes Jaulen, Winseln und Kläffen.   „Welcher Mensch bezeichnet seine Hunde als Kinder?“, fauchte der Teufel und bedachte die Hundemeute mit kaltem, abwehrendem Blick. „Einige. Außerdem sind das keine einfachen Hunde sondern Jagdhunde, Sebastian.“, belehrte Ciel und wedelte tadelnd mit seinem Zeigefinger. „Natürlich. Wie konnte ich das nicht wissen.“, brummte der Teufel griesgrämig und versuchte einen der zehn Hunde loszuwerden, welcher voller Begeisterung in seine Schuhe biss. „Verdammt, lass das!“, befahl Sebastian, doch der Jagdhund dachte nicht im Traum daran auf den Butler zu hören. Stattdessen begannen nun auch die Anderen sich wie wild um den armen, bemitleidenswerten Teufel zu scharen und ihn zu beschnuppern. Oder wahlweise an seinen Hosenbeinen zu zerren. „Ich habe gesagt, ihr sollt das lassen!“, zischte Sebastian erneut und bedachte die Hunde mit einem geradezu mörderischen Blick, welcher diese zurückweichen ließ. „Na, na, Sebastian. Du sollst dich gut um die Tiere kümmern und sie nicht verängstigen. Jagdhunde sind sensibel.“, ermahnte Ciel streng und kraulte einem der Vierbeiner liebevoll über den Kopf. „Ich werde es beherzigen.“, presste der Teufel mühevoll hervor. Kurz sah sich Ciel den verzweifelten Kampf zwischen seinem Butler und der Hundemeute an. Er liebte seine Idee! //Rache, kann ja so süß sein.//, dachte er versonnen und kraulte den Jagdhund weiterhin hinter den Ohren, welcher begeistert mit dem Schwanz wedelte.   Aus schmalen Augen besah sich der Teufel dieses Szenario. Er hasste Hunde! Aber sein junger Herr… Wenn er es beschreiben müsste, so würde Sebastian sagen, dass der Junge in Anwesenheit der Hundemeute…glücklich wirkte. So absurd dies auch klingen mochte. Wie konnte man in Gesellschaft von einem Rudel Hunde bitte Glücksgefühle entwickeln? Innerlich gab sich der Butler einen Ruck. Was hatte er auch so prahlen müssen? Von wegen, er würde die Kinder genauso zuvorkommend behandeln, wie er es mit seinem jungen Herrn machen würde. Wer hätte denn auch mit so etwas rechnen können? //Verdammte Menschen und ihre blöden Vorlieben und Beschreibungen. Hunde als Kinder zu bezeichnen…so bescheuert können auch nur Menschen sein.//    „Und was soll ich jetzt mit diesen Flohschleudern machen, Herr?“ „Geh mit ihnen Gassi, streichle sie. Egal was. Nur sorg dafür, dass sie mich nicht bei meinem Geschäftsgespräch mit Count Harrington stören. …Ach ja, ehe ich es vergesse: Du lässt die Tiere am leben. Alle. Egal wie sehr sie dich auch ärgern mögen.“, setzte Ciel mahnend hinzu. Er hatte keine Lust dem Count erklären zu müssen, warum einer seiner besten Jagdhunde auf mysteriöse Weise verstorben, sprich, getötet worden war. Für  weitere Geschäftsbeziehungen wäre es nicht gerade förderlich, wenn Ciel erklären müsste, dass Sebastian der Täter war. Danke. Darauf konnte er verzichten. Jagdhunde, besonders solch exzellente, waren geradezu unverschämt teuer.   Sebastian knurrte unmerklich. Soviel Selbstbeherrschung hätte sein junger Herr ihm schon zutrauen können. Er wusste selbst, was es bedeutete, wenn er die Hunde von einem Geschäftspartner seines Herrn eliminieren würde. Also wirklich! War er nun ein perfekter, teuflischer Butler, oder war er es nicht? Also bitte! Er würde niemals etwas tun, was dem Hause Phantomhive und somit Ciel, Schaden zufügen würde. Das wäre gegen seine Butler-Ehre. Gegen seinen Stolz. Also blieb dem Teufel nichts anderes übrig, als die Füße still zuhalten und dem Befehl des jungen Herrn getreulich auszuführen. Egal, wie wenig angetan er von diesem war.  „Wie Ihr wünscht.“, antwortete der Teufel pflichtbewusst und verneigte sich kurz, ehe Ciel nun zu seinem Gast zurückkehrte. Der Butler sah seinem jungen Herrn solange nach wie er konnte, ehe dieser aus seinem Blickfeld verschwand. //Dieser kleine Mistkerl! Verdammter, verwöhnter, Sklaventreiber! Eines Tages…//    Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)