Still Some Hope Left von Lady_Red-Herb ================================================================================ Kapitel 23: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt --------------------------------------------- „Geht’s wieder?“ Piers blickte besorgt auf seinen Captain hinab, den er nach dessen halben Zusammenbruch irgendwie in das Haus gehievt und auf die Couch verfrachtet hatte. Er war wirklich leichenblass, nickte aber dennoch leicht und nahm dankend das Glas Wasser entgegen, das Piers ihm gerade hin hielt. Egal wie stur Chris auch gewesen war, sie wären ohnehin nicht mehr weit gekommen. Irgendwann wäre der Soldat so oder so zusammengebrochen. Er musste einsehen, dass das, was er hier tat, einfach sinnlos war. Wie sollte er so gegen Wesker bestehen? Es war ja schon fast unmöglich, einen Kampf zu überleben, aber ihn dann auch noch zu gewinnen?! „Was habe ich mir nur dabei gedacht? Wo habe ich dich da mit hinein gezogen…?“, murmelte er, während er das Glas in seiner Hand anstarrte und dann nur lustlos daran nippte. Doch das Wasser tat gut, es erfrischte ihn ein wenig. Und zumindest das ärgste Schwindelgefühl war wieder verschwunden. Nur Chris’ Beine fühlten sich selbst im Sitzen noch wie Pudding an. So schnell kamen sie vermutlich nicht wieder hier weg. Aber was hätte ein baldiger Aufbruch auch schon geändert? Dann wären sie nur ein paar Minuten eher gestorben. Chris’ Sturheit wäre ihnen beinahe wieder zum Verhängnis geworden. Und es erschütterte ihn, wie bereitwillig ihm Piers in den sicheren Tod gefolgt wäre. „Warum tust das eigentlich, Piers? Warum folgst du mir immer noch, ohne auch nur eine Sekunde lang zu zögern?“, fragte er deshalb nun auch leise und müde, während er das Glas weiter anhob und schließlich mit einem Zug leerte. Dann stellte er es auf den kleinen Tisch vor der Couch, lehnte sich zurück und schloss müde die Augen. „Soll das ein Witz sein, Captain?“ Bei dieser Frage öffnete Chris die Augen nun doch wieder. Hatte es für Piers nach einem Witz geklungen? Nein, er hatte die Frage sehr ernst gemeint. „Sie sind mein Captain, ich bin Ihr Soldat. Und ob das HQ nun noch existiert oder nicht, ändert es daran nicht das Geringste. Und einer muss ja aufpassen, dass Sie keinen Unsinn anstellen, Chris.“ Ein ganz leichtes Lächeln lag bei diesen Worten auf Piers’ Lippen, das dessen Augen jedoch nicht erreichte. Er sorgte sich einfach um seinen Captain. Und er hatte irgendwie das Gefühl, für diesen da sein zu müssen, ihm verpflichtet zu sein. Was für eine Rolle spielte es denn, ob die B.S.A.A. als solche noch existierte oder nicht? Sie waren noch am Leben, und keiner von ihnen hatte gekündigt oder war entlassen worden. Und so lange waren und blieben sie Captain und Soldat. Und solange würde Piers Chris folgen, sofern dieser nicht etwas wirklich völlig Unmögliches von ihm forderte. Piers war seinem Captain treu ergeben, aber er ließ es sich auch nicht nehmen, dem Älteren dennoch seine Meinung kund zu tun. Er hatte seinen eigenen Willen, und genau den zeigte er auch. Das hielt er für das Richtige. Und scheinbar fand Chris das ja auch gut so. Natürlich war es möglich, dass Piers da ab und an übertrieb, und dass er sich vielleicht auch mal zu viel herausnahm, aber bisher hatte Chris dennoch immer auf ihn gehört, wenn auch manchmal ein wenig zu spät. Aber allein die Tatsache, dass der Captain sich seine Worte immer wieder zu Herzen nahm, bestätigte Piers in seinem Tun. Schweigend blickte Chris nach Piers’ Worten auf das leere Glas hinab und dachte nach. So sah Scharfschütze das also. Er hatte sich Chris gegenüber als einer seiner Soldaten verpflichtet, und nun würde er mit ihm bis ans Ende der Welt gehen. Das war einfach so rührend, und gleichzeitig so ungerecht. Piers hatte das nicht verdient. Er hatte es nicht verdient, sich so für Chris aufopfern zu müssen. „Sagen Sie jetzt, was Sie wollen, Sie bringen mich nicht von meiner Meinung ab“, hörte er den jungen Soldaten nun sagen, als dieser sich neben ihm auf die Couch fallen ließ. Chris wusste ja, wie stur Piers war. Und somit wusste er auch, dass es wirklich nichts gebracht hätte, ihn davon überzeugen zu wollen, ihn alleine weitergehen zu lassen. Außerdem war damals in China er selber es gewesen, der gesagt hatte, dass er nicht ohne Piers gehen würde. Er hatte darauf bestanden, den Scharfschützen irgendwie aus der Unterwasser-Einrichtung raus zu bringen. Egal, wie lange es auch gedauert hätte. Das einzige Mal, dass Piers bereit gewesen war, Chris gehen zu lassen, und da hatte dieser es nicht zugelassen. Verhindern hatte er es aber letztendlich trotzdem nicht können. Da hatte er nun wirklich nicht das Recht, Piers darum bitten zu wollen, ihn dieses Mal doch gehen zu lassen. Zumal es ja eh nichts gebracht hätte. Und für unnötige Diskussionen war Chris im Moment auch viel zu erschöpft. Außerdem war er ja doch irgendwie dankbar dafür, dass Piers bei ihm war. Dieser war im Moment eindeutig der Vernünftigere. Er hielt Chris davon ab, seine dummen Gedanken in die Tat umzusetzen und einfach drauf los zu stürmen. Wäre der Captain alleine unterwegs gewesen, läge er jetzt vermutlich irgendwo auf der Straße, oder er hätte es zu Wesker geschafft und wäre von diesem getötet worden. Damit wäre weder seinen Freunden, noch Claire oder dem Rest der Welt in irgendeiner Art und Weise geholfen gewesen. „Piers…“, begann Chris nach einer Weile des Schweigens, und er richtete seinen Blick wieder auf das leere Glas vor sich auf dem Tisch. „Was ich damals im Aufzug gesagt habe… das gilt immer noch. Ich will, dass du mein Nachfolger wirst. Ich weiß“, begann er dann schnell, weiter zu reden, als Piers etwas sagen wollte „dass die B.S.A.A. in Nordamerika vermutlich nur noch sehr wenige Mitglieder hat. Aber ich will sie nicht aufgeben. Der Bioterrorismus wird weiterhin bestehen, und ich will ihn weiterhin bekämpfen.“ Und es war klar, dass Piers ihn da nicht im Stich lassen würde. Ebenso wenig wie Jill. Und vielleicht würde sich ihnen auch Claire anschließen. Möglich war es durchaus. Und Chris wollte sie auch gerne wieder näher bei sich haben. In den letzten Jahren war er ihr ein schlechter Bruder gewesen. Irgendwie musste er das wieder gutmachen. Außerdem fand er, dass Claire mit der B.S.A.A. mehr erreichen würde als mit TerraSave. Er fand es einerseits schon toll, dass Claire versuchte, den Bioterrorismus ohne Waffengewalt zu bekämpfen, aber das war einfach so gut wie unmöglich. Und vielleicht hatte seine Schwester das auch mittlerweile eingesehen. Mit Waffen umgehen konnte sie ja. Und Chris hätte sich Claire auch gut in der Verwaltung vorstellen können. Sie musste ja nicht unbedingt aufs Schlachtfeld stürmen. „Captain, Sie wissen, dass Sie auf mich zählen können. Trotzdem… bin ich immer noch nicht sicher, ob ich dazu bereit bin“, murmelte Piers und seufzte leise auf. Ja, er war weit gekommen, er hatte bis zum Schluss an Chris’ Seite durchgehalten. Aber das bedeutete doch noch lange nicht, dass er in der Lage war, ein Team anzuführen. Dazu gehörte mehr, als seine Meinung zu sagen und durchhalten zu können. Und auch seine Talente als Fahrer und Scharfschütze machten ihn noch lange nicht zu einem guten Captain. Piers war zwar für gewöhnlich nicht der Typ, der an sich zweifelte, aber in diesem Fall war er wirklich unsicher. Das war er schon damals in China gewesen. „Ich meine… ich spiele mich zwar gerne mal auf, aber das reicht noch lange nicht, um ein Team anzuführen. Ich könnte niemals so überzeugend und gleichzeitig mitfühlend sein wie Sie, Chris.“, fuhr er dann fort und ließ ein leises Seufzen hören. Und nun war es Chris, der grinsen musste, und kurz kam sogar ein leises Lachen über seine Lippen. Er hatte nicht gewusst, dass Piers tatsächlich so sehr an sich zweifelte. Ausgerechnet er. Aber Chris hatte sich nicht aus Spaß an der Freude für ihn als Nachfolger entschieden, das musste Piers klar sein. Auch, als das restliche Team noch am Leben gewesen war, hatte Chris seine Entscheidung bereits getroffen. Er selber konnte so auf keinen Fall weiter machen, das wurde ihm immer deutlicher bewusst. Er war eigentlich schon viel zu lange dabei. Nicht einmal ganz 40 und schon zu alt, das war irgendwie erschreckend. Aber bei dem, was er schon alles erlebt hatte, war es vermutlich auch wirklich kein Wunder. Und niemand würde ihm da Vorwürfe machen. Chris hatte sein Leben dem Kampf gegen den Bioterrorismus verschrieben und in diesem sein Bestes gegeben. Nun war es an der Zeit, der nächsten Generation Platz zu machen. Und er würde den Kampf ja auch nicht ganz aufgeben. Er würde sich diesem weiter widmen, anders konnte er schon gar nicht mehr. Und er war mit fast 40 seiner eigenen Meinung nach ohnehin zu alt, um noch großartig eine andere Richtung einzuschlagen. Solange er noch halbwegs fit war, wollte er sich auf jeden Fall weiterhin dem Kampf gegen die BOWs widmen. Und wenn auch vom Schreibtisch aus, oder indem er neue Soldaten ausbildete. Das würde sich zeigen, wenn es dann soweit war. Wenn er den Kampf gegen Wesker überlebt hatte, und erst einmal wieder eine kurze Zeit der Ruhe eingekehrt war. „Ich bin sicher, dass du es kannst, Piers. Ansonsten hätte ich dich nicht dafür ausgewählt. Ich vertraue dir, das weißt du. Und du hast mich nie im Stich gelassen, egal, was für ein schlechter Captain ich auch war. Du hast immer treu zu mir gestanden und mir trotzdem ohne zu zögern die Meinung gesagt, auch wenn du wusstest, sie würde mir nicht gefallen. Du bist ein hervorragender Soldat, clever und geschickt. Du bist in der Lage, deine Meinung zu sagen, egal, welche Folgen das haben kann. Und du bist in der Lage, selbst mich als deinen Captain zu überzeugen und dafür zu sorgen, dass ich mir deine Worte zu Herzen nehme.“ Das war nur die Wahrheit, nichts weiter. In Chris’ Augen war Piers der perfekte Kandidat für seine Nachfolge. Er hätte keinen besseren finden können. Aber zwingen würde er den Scharfschützen sicherlich nicht. Das brachte ja auch nichts. Er seufzte leise, schloss noch einmal die Augen und lehnte sich etwas weiter zurück. Die Couch war so angenehm weich. „Erst einmal haben wir ohnehin andere Sorgen. Wir müssen Wesker aufhalten, ob es nun eigentlich zum Scheitern verurteilt ist oder nicht. Denk einfach darüber nach, es eilt ja nicht“, entschied Chris dann nach einer Weile und blieb nun so sitzen. Er war einfach nur erschöpft, physisch und psychisch. Der Soldat brauchte etwas Ruhe, wenn er zumindest eine ganz kleine Chance gegen Wesker haben wollte. Und im Moment kam er mit seinen zitternden Beinen ohnehin nicht sonderlich weit. Da war er eher eine Last für Piers. Und auch der hatte sicherlich nichts dagegen, sich nun ein paar Minuten lang auszuruhen. Chris hoffte nur, dass keiner der Anderen Wesker begegnete, und dass dieser Jake noch nicht getötet hatte, oder sonst etwas mit ihm angestellt. Der Soldat dachte an das Mittel, das Wesker ihm injiziert hatte. Ein Virus würde bei Jake nichts bringen, aber dieses Mittel vermutlich schon. Und wenn sich Jake am Ende Seite an Seite mit Wesker gegen Piers und ihn stellte, dann waren sie wirklich verloren, egal, wie fit sie auch waren. Aber darüber dachte Chris nur noch am Rande nach, während seine Sinne sich langsam schon verabschiedeten. Ganz leise gähnte er sogar, dann sank er etwas zusammen, und das Kinn kippte ihm auf die Brust. Die ruhigen Atemzüge des Älteren verrieten Piers, dass er eingeschlafen war. Er selber blieb allerdings wach. Wirklich müde war er nicht, und er wollte zudem aufpassen, damit nichts passierte. Neben Wesker lief hier vermutlich noch ein Irrer herum, und es bestand die Möglichkeit, dass hier auch doch noch Infizierte waren. Und Piers wollte auf keinen Fall von einem Angriff überrascht werden. Also machte er es sich auf der Couch halbwegs gemütlich, betrachtete eine Weile lang seinen friedlichen schlafenden Captain und heftete seinen Blick dann abwechselnd auf die Tür und die Fenster, um es sofort mitzubekommen, wenn sich irgendjemand oder irgendetwas näherte. Währenddessen hatte nun auch er endlich Zeit, ein wenig nachzudenken. Über das, was er tat, über das, was er tun sollte. Piers wollte sehr gerne Chris’ Nachfolge antreten, das war nicht das Problem. Aber er hatte eben einfach Angst, dabei zu versagen. Wie für Chris war die B.S.A.A. auch für ihn wie eine große Familie gewesen. Auch ihn hatte es schwer getroffen, als sie in Edonia und China ihre Teams verloren hatten. Und je mehr Männer gestorben waren, desto mehr hatte er sich dazu angestachelt, dafür zu sorgen, dass zumindest Chris heile aus der ganzen Sache raus kam. Er konnte sich kaum vorstellen, wie schwer es für den Captain gewesen sein musste, all die Männer zu verlieren, für die er sich verantwortlich gefühlt hatte. Und selbst nach China hatte er dann die Kraft gefunden, doch noch irgendwie weiter zu machen. Da Piers seine Nachfolge nicht hatte antreten können, hatte Chris seinen Job als Captain des Alpha-Teams fortgeführt. Und Piers bewunderte ihn dafür wirklich sehr. Er wusste nicht, ob er selber in der Lage sein würde, die Nerven zu bewahren, wenn es darauf ankam. Ja, es war ihm bisher gelungen, und er war es gewesen, der Chris immer wieder hoch geholt hatte. Aber das war etwas anderes. Da war er selber nicht der Anführer gewesen, auf dessen Schultern die gesamte Verantwortung lastete. Wenn er selber an Chris’ Stelle gewesen wäre, wenn er sich selber die schuld an den ganzen Toden gegeben hätte… Piers war nicht sicher, ob er dann nicht schon weitaus eher zusammengebrochen wäre als Chris. Ob er sich nach dem Vorfall in Edonia nicht schlicht und ergreifend das Leben genommen hätte. Spätestens jedoch nach den Ereignissen in China. Er selber hätte niemals die Kraft gefunden, anschließend einfach weiter zu machen, das Risiko einzugehen, so einen Verlust auch noch ein drittes Mal erleben zu müssen. Nachdenklich blickte er nun doch wieder zu Chris und sah diesen einfach nur an. Er sah alles andere als gut aus. Müde, krank, als wäre er einfach völlig am Ende. Und das war sicherlich auch. Doch noch immer raffte er sich irgendwie auf, auch wenn Piers ihn hin und wieder pushen musste. Es war erstaunlich. So wollte er selber gerne auch sein. Zwar schien er doch oft etwas stärkere Nerven zu haben als sein Captain, aber dafür fehlte ihm allem Anschein nach dessen Sanftmütigkeit und Einfühlungsvermögen. Piers ging viel zu schnell an die Decke, und gerade bei Leuten wie Finn war er schnell genervt. Der hatte ihn einfach aufgeregt mit seiner naiven Art und seiner kindischen Begeisterung für Chris. Und dann war er auch noch so verplant gewesen. Und dennoch war Finn ein wundervoller Mensch gewesen, und er hätte das Zeug zu einem hervorragenden Soldaten gehabt. Im Grunde war er doch kaum anders gewesen als Piers selber. Er war begeistert von Chris gewesen, hatte ihm vermutlich nacheifern wollen. Er hatte das nur auf eine andere Art und Weise getan und gezeigt. Aber genau das war es, was Piers an sich selber zweifeln ließ. Er wollte einfach nicht, dass er irgendwann Captain war und sein Team ihn verachtete, weil er nicht in der Lage war, sich in seine Männer hinein zu versetzen. ‚Aber vielleicht muss ich es einfach versuchen. Ich kann es ja möglicherweise lernen. Und Chris wird mich dabei auch unterstützen, da bin ich sicher. Er ist fest davon überzeugt, dass ich der perfekte Nachfolger bin. Und das würde er nicht einfach so behaupten, dazu ist ihm die B.S.A.A. zu wichtig…' Pier seufzte leise und schüttelte den Kopf. Er musste es einfach versuchen. Vor allem, da im Moment ohnehin niemand sonst da war, der Chris’ Nachfolge hätte antreten können. Jill vielleicht, ja. Aber ansonsten gab es niemanden mehr. Der Scharfschütze musste einfach darauf vertrauen, dass sein Captain ihm beibringen würde, was er wissen musste. Und dann musste er selber sich einfach ein wenig zusammenreißen und offener und freundlicher werden. Im Grunde war er ja ein ganz lieber Kerl, er zeigte es nur nicht wirklich. Das lag zum Teil auch einfach daran, dass er bei der Arbeit immer konzentriert war und perfekte Ergebnisse erzielen wollte. Das ließ ihn meistens verbitterte wirken als er eigentlich war. Ja, irgendwie würde Piers das schon hinbekommen. Wenn Chris das sagte, dann glaubte er daran. Immerhin wusste der Captain, wovon er sprach. Einen Versuch war es allemal wert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)