Still Some Hope Left von Lady_Red-Herb ================================================================================ Kapitel 10: Der Held und das Virus ---------------------------------- ‚Es ist meine Schuld. Das alles, die ganze Situation… Leon, Piers… alles meine verdammte Schuld…!’ Chris konnte es einfach nicht fassen. Durch sein Verhalten hatte er alles nur noch schlimmer gemacht. Wie erwartet war Piers wohl aufgebrochen, um ihn zu suchen, und er hatte dazu auch noch Claire, Jill und Leon angeheuert. Irgendwie war Chris davon einfach nur gerührt, und das hätte er den Vieren auch unglaublich gerne gesagt, hätten sie sich in einer anderen Situation befunden. Aber so konnte er das nicht tun. Und er hatte es doch eigentlich auch gar nicht verdient, dass man sich so sehr für ihn einsetzte. Immerhin endete das doch immer in einem Desaster. Leon hatte er selber verletzt, Piers wurde von seinem ehemaligen Captain als Geisel gehalten. Und in seinem Zustand hatte der Scharfschütze nicht die geringste Chance, Wesker lebend zu entkommen. Chris hatte versagt, definitiv. Aber er durfte sich davon nicht schon wieder unterkriegen lassen. Er sah ja ein, dass das immer alles nur schlimmer machte, dass er damit einfach nicht weiter kam und sich selber und seine Freunde von einer Misere in die nächste katapultierte. „Es tut mir leid“, murmelte er leise und senkte etwas den Blick, als er mit einem Mal Jills Hand auf seiner Schulter spürte und auch Claire neben sich erblickte. „Dafür ist später noch Zeit. Jetzt müssen wir erstmal Piers retten und Wesker los werden“, erwiderte Jill mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Man sah ihr deutlich an, dass ihr zum Lächeln wirklich nicht zumute war, aber sie wollte Chris irgendwie aufmuntern, ihn zumindest soweit bringen, dass er wieder etwas hoch kam. Sie brauchten ihn nun. Nur gemeinsam konnten sie gegen Wesker etwas ausrichten, wenn überhaupt. Das Problem war im Moment nicht einmal die Stärke des Blonden, gegen die wären sie vermutlich sogar angekommen. Das Problem war, dass er Piers in seiner Gewalt hatte. Eine falsche Bewegung, und der junge Soldat war tot. Und das durfte einfach nicht passieren. Sie hatten nicht alles gegeben, um Chris wieder zu finden, nur um Piers nun zu verlieren. „Und was sollen wir tun?“, hakte Chris nach, der nun etwas die Schultern straffte, den Pfeil aus seiner Hand zog und die andere Hand auf die blutende Wunde drückte. Sanft nahm Claire die Hand ihres Bruders nun in ihre und verband die Verletzung mit einem sauberen Tuch, das sie bei sich getragen hatte. „Wesker scheint nicht anzugreifen, solange wir nichts tun. Das heißt, wir haben etwas Zeit zum Überlegen“, meinte sie leise und blickte zu dem Blonden rüber. Dieser schien tatsächlich keine Anstalten zu machen, in irgendeiner Art und Weise anzugreifen. Dazu hätte er nämlich Piers loslassen müssen und so sein Druckmittel verloren. Und dann wäre er seinen Gegnern schutzlos ausgeliefert gewesen. Er musste sich also wieder einmal in Geduld üben. „Wir können nichts tun, Zeit oder nicht. Selbst wenn wir schneller sind als Wesker und eine Kugel auf ihn abfeuern… wird er diese kaum spüren. Und dem Jungen wird er dann die Kehle durchschneiden.“ Ada hatte Leon vorsichtig gegen die Wand gelehnt, nachdem sie das Messer entfernt hatte, und bedeutete dem Special Agent nun, fest auf die Wunde zu drücken, ehe sie sich erhob und auf Chris und die Anderen zu trat, wobei sie dem Soldaten sein blutiges Messer wieder in die Hand drückte. Im Grunde war es wirklich aussichtslos. Ganz gleich, was sie auch taten, Wesker war ihnen immer einen Schritt voraus. Jede falsche Bewegung führte unweigerlich zu Piers’ Tod. Daran gab es nun einmal nichts zu rütteln. „Jetzt machen Sie schon, Captain. Greifen Sie… endlich an…!“ Chris hob den Blick und sah zu Piers, der den Kopf etwas angehoben hatte und ihn ernst und auffordernd ansah. Er wollte nicht, dass Chris Wesker wegen ihm laufen ließ. Mit dem, was er getan hatte, durfte der Blonde einfach nicht durchkommen. Er musste aufgehalten werden. Er musste endgültig vernichtet werden. „Chris!“ Ein leichtes Keuchen kam über Piers’ Lippen, als Wesker den Druck des Messers noch einmal verstärkte, und der junge Soldat versuchte, ruhig zu bleiben und sich nicht zu bewegen. Wenn er noch einmal irgendetwas sagte, oder wenn er doch wieder ohnmächtig wurde, dann bedeutete das seinen Tod. Letzteres würde dazu führen, dass er sich beim Zusammenbrechen selber die Kehle an Weskers Messer aufschlitzen würde. Aber vielleicht konnte er Chris nur so dazu bringen, den Blonden endlich anzugreifen. „Oh nein, nicht noch einmal. Ich lasse das nicht noch einmal zu. Hörst du!?“ Unweigerlich hob Piers den Kopf noch einmal etwas mehr an und sah seinen Captain verblüfft an. Da hatte er also wieder zu sich selbst gefunden. Wenigstens ein Gutes hatte die ganze Sache hier. Irgendwie beruhigend. Nur brachte es niemanden wirklich weiter. Was wollte sein Captain denn tun? Er konnte Wesker ja nicht angreifen, ohne Piers’ Leben damit zu beenden. Und wenn er nichts tat, dann standen sie in zwei Wochen noch hier rum. Oder Wesker würde ihn als Geisel mitnehmen. Und das wäre vermutlich die beste Lösung gewesen. Dann befand sich Piers möglicherweise nicht mehr in unmittelbarer Lebensgefahr, und Chris und die Anderen konnten ihn retten. Was für einen Unsinn dachte er da eigentlich gerade? Wenn Wesker ihn mitnahm, dann würde er so oder so sterben. Denn Piers konnte sich kaum vorstellen, dass der Blonde ihn in ein weiches Bett stecken und mit Medikamenten versorgen würde. Sein Körper würde eine Gefangenschaft bei Wesker vermutlich nicht lange durchhalten. Und wenn dieser von dem Virus in Piers wusste, dann war es ohnehin aus und vorbei. So oder so, Piers’ Leben neigte sich dem Ende zu. Und er war der Einzige, der hier noch irgendetwas ausrichten konnte. Das stand fest. Es gab nur eine einzige Sache, die ihn davon abhielt, sich selber in Weskers Messer fallen zu lassen. Er wollte nicht, dass Chris sich wieder Vorwürfe machte, und dass er wieder irgendeine Dummheit begann. Das durfte einfach nicht passieren. Dafür hatte er sich weder in Edonia, noch in China oder gar hier diese ganze Mühe gegeben, ihm zu helfen und ihn zu retten. „Captain… wenn ich sterbe, dann denken Sie daran, dass nichts davon Ihre Schuld war, okay?“ „Piers, nicht…“ „Ich habe doch gar keine…“, begann der Scharfschütze weiter zu reden, als er erschrocken aufkeuchte und etwas Blut auf den Boden vor sich spuckte. Wesker hatte das Messer kurz von seinem Hals gelöst und es ihm stattdessen in den Magen gerammt, dabei jedoch aufgepasst, kein lebenswichtiges Organ zu treffen. Scheinbar hatte er kein wirkliches Interesse daran, seine Geisel schon zu verlieren. Und langsam wurde es Piers klar. Wesker brauchte ihn, um sein eigenes Leben zu schützen. Wenn es keine Geisel mehr gab, gab es keinen Grund mehr, ihn nicht anzugreifen. Und gegen Chris, Jill, Claire und Ada zusammen hatte auch Wesker vermutlich keine Chance. Aber was änderte das schon? Sobald Chris oder Einer der Anderen angriff, war es ohnehin egal, ob Wesker noch eine Geisel brauchte oder nicht. Dann hätte er Piers eher erst einmal als Schutzschild benutzt. ‚Es geht einfach nicht anders. Wie ich es auch drehe und wende… Solange ich lebe, greift Chris nicht an. Und die Anderen auch nicht. Also muss ich ihnen die Entscheidung abnehmen…’ Kurz versuchte Piers, mit dem Messer im Magen tief durchzuatmen, dann hob er zitternd eine Hand an, legte sie auf Weskers, die noch immer das Messer hielt, und rammte sich dieses selber noch tiefer in den Körper hinein. Wieder spuckte der junge Soldat Blut, dann gaben seine Beine einfach nach, und sein Körper erschlaffte in Weskers Griff. „Verdammt…“, murrte dieser genervt, zog das Messer heraus und ließ Piers’ vermeintlich toten Körper einfach zu Boden fallen, ehe er sich auf den Angriff bereit machte, der natürlich kam. Wutentbrannt schrie Chris ihn an und hastete mit dem eigenen Messer auf ihn zu, während Jill ihre Waffe zückte und etwas zur Seite ging, um beim Schießen auch wirklich Wesker und nicht am Ende noch Chris zu erwischen. Claire, die als Einzige unbewaffnet war, ging erst zu Leon, um zu sehen wie es ihm ging. Als dieser ihr versicherte, dass alles in Ordnung war, und sie sich selber davon überzeugt hatte, dass die Blutung langsam nachließ, wandte sie sich um und machte einige Meter von Weskers derzeitiger Position entfernt Piers aus, der regungslos auf dem Boden lag. Sie glaubte nicht wirklich, dass der Scharfschütze noch am Leben war, aber solange auch nur die geringste Hoffnung bestand, wollte sie es versuchen. Also stand Claire wieder auf und wollte zu Piers eilen, als Ada sie am Arm festhielt und ihr eine kleine Spritze in die Hand drückte. „Hier, das könnte ihm helfen“, erklärte sie nur ruhig, ehe sie von Claires Arm abließ, um sich ebenfalls in den Kampf gegen Wesker zu stürzen. Eigentlich war sie ja eher eine Einzelkämpferin, aber man musste eben auch Ausnahmen machen können. Und alleine kam gegen den Blonden ohnehin niemand an, das wusste auch Ada. Claire wollte sich bei Ada gerade noch bedanken, als diese auch schon los hastete, um Chris und Jill zu helfen. Und auch Leon rappelte sich langsam wieder auf, wie Claire aus den Augenwinkeln heraus bemerken konnte. Es gefiel ihr nicht, aber sie wusste, dass nun jeder Kämpfer gebraucht wurde. Und ebenso wusste sie, dass Leon sich so leicht ohnehin nicht unterkriegen ließ. Er war stark, er hielt eine Menge aus. Und seine Freunde ließ er ohnehin nicht im Stich, egal, wie schlecht es ihm ging. ‚Sie packen das schon, da bin ich sicher. Gegen alle zusammen hat auch Wesker keine Chance’, sprach Claire sich in Gedanken nun selber etwas Mut zu, ehe sie weiter eilte, um Piers zu helfen. Chris und die Anderen hatten Wesker wunderbar von dem Verletzten weg gelockt, sodass Claire nun gefahrlos zu ihm konnte. Schnell hatte sie ihn dann auch erreicht, sank neben ihm auf die Knie und drehte den jungen Soldaten vorsichtig auf den Rücken. Da war Blut, überall war einfach nur Blut… aber keine Wunde. Claire traute ihren Augen nicht und ließ eine Hand über Bauch und Brust des Verletzten gleiten. Aber da war nichts. Die Wunde, die das Messer verursacht hatte, war verschwunden. ‚Das Virus, natürlich’, schoss es ihr durch den Kopf, und zum ersten Mal im Leben war sie fast dankbar für dieses. Nicht, dass sie den Bioterrorismus jemals unterstützen würde, ganz im Gegenteil. Aber das C-Virus hatte gerade möglicherweise Piers’ Leben gerettet. Vorsichtig griff Claire nach der linken Hand des Scharfschützen und drückte die Finger gegen das Handgelenk. Ihre Hoffnung wurde enttäuscht, als sie dort keinen Puls finden konnte, und flammte doch wieder etwas auf, als sie an die Spritze in ihrer Hand dachte. Vermutlich war deren Inhalt Adrenalin, oder irgendein Mittel, das eine ähnliche Wirkung erzielte. Claire öffnete Piers Jacke und riss das Shirt darunter auseinander, dann atmete se tief durch, rammte die Spritze direkt in Piers’ Herz und hoffte und betete, während sie den Kolben runter drückte und die Spritze anschließend wieder herauszog. Erst einmal tat sich gar nichts, dann aber zuckten Piers’ Finger leicht, und im nächsten Moment war ein leises Keuchen zu hören, ehe der Scharfschütze verwirrt blinzelnd die Augen aufschlug. Es war geschafft, er war am Leben. Scheinbar hatte Piers einen verdammt guten Schutzengel. Und Claire war sicher, dass das Virus auch nicht ganz unschuldig gewesen war. Und natürlich Adas Mittel, das sie ihr gegeben hatte. Müde griff sich der junge Soldat an den Kopf, dann setzte er sich vorsichtig auf und verzog leicht das Gesicht. Er schmeckte Blut in seinem Mund, und ihm war schwindelig. Aber seltsamerweise fühlte er sich besser als vorher. Obwohl das doch eigentlich unmöglich war. Er hatte sich doch… Unvermittelt fuhr seine Hand zu seinem Bauch, und auch sein Blick folgte ihr. Die Wunde war verschwunden. „Das Virus…“, murmelte er, und Claire bestätigte seine Vermutung mit einem leichten Nicken. „Das Virus hat die Wunde geheilt, wie es aussieht. Und Ada hat mir ein Mittel gegeben, das deinen Kreislauf wieder angeregt hat“, erklärte sie dann weiter, ehe ihr Blick zu Chris und den Anderen wanderte. Diese hatten aufgehört, zu kämpfen. Wesker war verschwunden, ebenso wie Ada. Chris lehnte an einem Baum, und Jill kümmerte sich erneut um die kleine Verletzung an der Hand, während Leon mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht seine Schulter betastete. Es war totenstill. Und erst jetzt bemerkte Claire, dass es schon die ganze Zeit über so gewesen war. In der Kneipe waren so viele Menschen gewesen, aber hier draußen hatte sich nicht ein einziger befunden. Und niemand schien den Kampfeslärm bemerkt zu haben. Vorsichtig stand sie auf und drehte sich einmal um sich selbst, aber es blieb dabei. Die Straße war bis auf die kleine Gruppe vollkommen verlassen. „Was zum…“, murmelte sie, schüttelte den Kopf und atmete tief durch. Sie musste zugeben, dass ihr das Angst machte. Irgendwie wollte sie in die Kneipe stürmen, um zu sehen, ob da noch jemand war, aber aus irgendeinem Grund fürchtete sie sich auch davor. „Piers…!“ Es war Chris’ Stimme, die Claire aus ihrer Schockstarre erwachen und sich wieder umdrehen ließ. Ihr Bruder kam herbeigeeilt und ließ sich neben dem Scharfschützen in die Hocke sinken, der abwehrend die Hände hob. „Mir geht’s gut, Captain, keine Sorge. Ich…“ Doch weiter kam Piers nicht. Sein Kopf machte einen Ruck zur Seite, als Chris ihm einen sanften, dennoch erstaunlich heftigen Schlag verpasste. Im nächsten Moment schlang er wie in väterlicher Liebe die Arme um den Jüngeren und drückte ihn etwas an sich. „Mach das nicht noch einmal, hörst du? Oder du bekommst es mit mir zu tun“, murrte er leise, ehe er sich löste und anschließend wieder erhob. „Tut mir Leid, Captain“, erwiderte Piers leise und merklich verwirrt, denn damit hatte er nun wirklich überhaupt nicht gerechnet. Dann ließ er sich von Chris auf die Beine helfen und etwas stützen, als seine beine doch wieder nachgeben wollten. Piers fühlte sich besser, aber er war doch noch immer ein wenig schlapp. Er seufzte leise, dann blinzelte er etwas und blickte stirnrunzelnd die menschenleere Straße entlang. Und nun bemerkten langsam auch die Anderen die Totenstille, die hier in der Straße herrschte. Sie wirkte wirklich wie ausgestorben. Selbst die Musik aus der Kneipe war einfach nicht mehr zu hören. Mit einem leichten Stirnrunzeln hob Leon seine Pistole an, richtete diese auf die Tür der Kneipe und ging langsam auf diese zu, während Chris es ihm mit dem Messer gleichtat. An der Tür angekommen, atmeten sie beide tief durch, dann nickten sie sich zu, Chris öffnete die Tür, und Leon richtete die Waffe in das Innere, und damit in gähnende Leere. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)