Still Some Hope Left von Lady_Red-Herb ================================================================================ Kapitel 8: Alle für Einen ------------------------- Es klingelte. Ein Klingeln, dann noch eines... Und endlich begriff Piers, dass er dieses Klingeln gar nicht im Traum hörte, sondern in der Realität. „Verdammt...“, murmelte er, blinzelte leicht und stand vorsichtig auf. Er war tatsächlich doch noch richtig eingeschlafen, und Leon und die Anderen warteten vermutlich schon ungeduldig darauf, dass ihnen endlich die Tür geöffnet wurde. Einen kurzen Moment wartete der junge Soldat nach dem Aufstehen, doch dieses Mal überkam ihn kein Schwindelgefühl. Die Tabletten hatten also gewirkt. Dennoch stützte er sich kurz an der Couch ab und atmete tief durch, dann beeilte Piers sich, an die Tür zu kommen und diese zu öffnen. Wie erwartet stand vor dieser Leon, der die Hand gerade wieder zum Klingelknopf wandern lassen wollte, nun aber innehielt und sie wieder sinken ließ. „Tut mir leid, ich… muss eingeschlafen sein“, entschuldigte sich Piers, und es war ihm wirklich peinlich. Da bat er Leon, Jill und Claire um Hilfe und schlief dann einfach ein. Aber Leon schien nicht im Geringsten sauer zu sein. Im Gegenteil wirkte sein Blick eher besorgt, als er Piers musterte. Dieser war noch immer recht blass. Hinter Leon konnte der Scharfschütze nun auch Claire ausmachen, die ihm freundlich zulächelte, und neben ihr stand auch die Dritte im Bunde: Jill. Sie alle sahen Piers freundlich an, doch in jedem einzelnen Blick konnte er auch Sorge erkennen. Sorge um ihn, weil er wohl doch noch erschöpfter wirkte als er angenommen hatte, und natürlich auch Sorge um Chris, der einfach verschwunden war. „Kommt doch erst mal rein“, meinte Piers dann nach einer Weile, ehe er ein Stück von der Tür weg trat, um den Dreien Platz zu machen. Sie mussten ja nicht unbedingt hier mitten im Eingang stehen bleiben. Er schloss die Tür dann wieder, überlegte kurz und führte seine drei Gäste ins Wohnzimmer, wo er den meisten Platz vermutete. Zumindest konnten sich hier alle hinsetzen, wenn sie es wollten. Kurz verschwand der Scharfschütze anschließend in der Küche, um Trinken und Gläser zu holen, dann stellte er die Sachen auf den Wohnzimmertisch und setzte sich anschließend auf das Sofa. Auch Leon und Jill hatten sich hingesetzt, und Claire stand hinter den Beiden und lehnte sich zwischen ihnen auf die Couch-Lehne, während sie den Blick durch den Raum schweifen ließ. „Er ist also immer noch weg?“ Irgendwie hatte Claire gehofft, dass ihr Bruder doch noch von sich aus zurück kommen würde. Aber danach sah es leider nicht aus. Sie verstand nicht, was in letzter Zeit mit ihm los war, warum er immer wieder davon lief, um seinen Problemen zu entkommen. Das sah Chris gar nicht ähnlich. Sie hatte ihr Leben lang zu ihm aufgesehen, und Chris war ihrer Meinung nach der tollste große Bruder, den man haben konnte. Er war immer für sie da gewesen, und als er dann zu S.T.A.R.S. gegangen war, hatte er sich immer bei ihr gemeldet, gefragt, wie es ihr ging und ihr versichert, dass bei ihm alles gut war. Nach der Katastrophe in Raccoon City hatte er sich, da er verschwunden gewesen war, gar nicht mehr gemeldet, doch anschließend teilweise mehrmals am Tag, etwas, dass Claire dann doch ein wenig zu viel geworden war. Aber sie hatte es dennoch wirklich süß von ihrem großen Bruder gefunden, wie sehr er sich gesorgt hatte. Und auch in seiner Anfangszeit bei der B.S.A.A hatte Chris sich immer wieder bei Claire gemeldet oder sie besucht. Aber in den letzten Jahren hatte das nachgelassen. Wenn sie darüber nachdachte, hatte alles mit Afrika angefangen. Seit er dort hin gegangen war und Wesker vernichtet hatte, hatte er sich kaum noch bei ihr gemeldet. Meistens war Claire es gewesen, die Chris hatte anrufen müssen, um sich zu informieren, wie es ihm ging oder was er machte. Und seit Edonia hatte sie überhaupt nichts mehr von ihm gehört. Tatsächlich war es nun einer seiner Männer gewesen, der sie angerufen hatte, nicht einmal ihr Bruder selber. „Nein, er ist immer noch verschwunden. Und ich glaube nicht, dass ich ihn in meinem Zustand alleine finde“, erklärte Piers, während er sich etwas Wasser in ein Glas einschenkte und ein paar Schlucke trank. „Hast du eine Ahnung, wo er sein könnte?“, fragte nun Jill, die in Anbetracht der Umstände einfach mal zu einer persönlicheren Anrede gewechselt hatte. Und Piers schien auch nichts dagegen zu haben. „Das letzte Mal, nach der Sache in Edonia, habe ich Chris nach etwa einem halben Jahr in irgendeiner Kneipe gefunden. Ich kann mir gut vorstellen, dass er den gleichen Mist noch einmal macht. Dieses Mal hat er nicht vergessen. Dieses Mal erinnert er sich an alles, was passiert ist. Vielleicht will er seinen Frust jetzt erneut im Alkohol ertränken“, vermutete Piers nach kurzem Überlegen, ehe er das Glas leerte und wieder weg stellte. Genau sagen konnte er es natürlich nicht. Chris konnte auch einfach nur weg gegangen sein, irgendwo sitzen und Trübsal blasen, oder irgendetwas war ihm zugestoßen. Aber ein Gefühl sagte Piers, dass dem nicht so war. Und im Grunde konnte sich der junge Soldat auf sein Gefühl immer verlassen. Leider. Im Moment wäre es ihm wirklich lieber gewesen, dieses ließe ihn einfach im Stich, und Chris würde im nächsten Moment zur Tür herein kommen, um ihnen zu sagen, dass es einfach etwas länger gedauert hatte, weil er noch ein wenig hatte nachdenken müssen. Aber das passierte natürlich nicht, Piers und seine Gäste blieben weiterhin alleine. „Das heißt, er kann überall sein.“ „Im Grunde ja.“ „Keine unbedingt rosigen Aussichten…“ Leon seufzte leise, lehnte sich zurück und nahm sich dann ebenfalls ein Glas Wasser, welches er aber erst einmal nur nachdenklich in der Hand drehte. Es würde alles andere als leicht werden, Chris zu finden. Wenn er bedachte, dass Piers beim letzten Mal sechs Monate gebraucht hatte, und das, obwohl ihm vermutlich einige Männer der B.S.A.A. geholfen hatten, dann würde es zu Viert ewig dauern. Zudem war Piers noch immer sehr angeschlagen, und Leon wollte nicht, dass er ihnen am Ende irgendwo zusammenbrach. Damit wäre Chris nun wirklich nicht geholfen. Sie würden den jungen Soldaten nicht davon abbringen können, mit zu kommen, das war klar. Aber sie mussten aufpassen, langsam machen, Pausen einlegen. Er seufzte leise, schüttelte den Kopf und trank ein paar Schlucke von dem Wasser, ehe er das Glas wieder auf den Tisch stellte und Piers nachdenklich ansah. „Wie fit bist du? Mit einer solchen Frage hatte Piers schon gerechnet. Er seufzte leise, lehnte sich etwas zurück und schloss für einen Moment die Augen, ehe er Leon wieder ansah. „Es geht… Ich kann mich auf den Beinen halten. Vermutlich auch für längere Zeit, aber all zu lange wohl nicht...“, murmelte der Scharfschütze dann und zuckte leicht mit den Schultern. Was brachte es, den Dreien irgendetwas vormachen zu wollen? Dass er nicht ganz fit war, sah man ihm ja anscheinend deutlich an. Und vermutlich hätte ihm das Gegenteil auch niemand geglaubt. „Wir können uns von mir aus gleich auf den Weg machen“, er dann aber trotzdem noch hinzu. Piers ging davon aus, dass es das war, worauf Leon hinaus wollte. Wie lange sie noch warten mussten, wann sie gehen konnten. Weder der Special Agent, noch Jill oder Claire würden Piers drängen, da war er ganz sicher. Aber natürlich wollten sie Chris so schnell wie möglich finden, bevor diesem noch irgendetwas passierte. Und ihm selber ging es da ja nicht anders. Auch, wenn er etwas sauer war, machte er sich in erster Linie doch einfach Sorgen um seinen Captain. So etwas wie damals in Edonia wollte er nicht noch einmal erleben müssen. Erneut musterte der junge Soldat seine Helfer. Claire wirkte besonders nervös und besorgt um ihren Bruder. Ihre Finger spielten mit dem Couchbezug und krallten sich leicht in diesen, während sie nachdenklich an Leon vorbei auf dessen Glas blickte, ohne dieses jedoch wirklich anzusehen. Leon selber hatte sich wieder zurück gelehnt, und in seinem Blick erkannte Piers hauptsächlich Nachdenklichkeit. Vermutlich ging er gerade die Orte durch, an denen Chris sich am wahrscheinlichsten aufhielt. Jills Blick hingegen war zum Fenster gewandert, aber sie schien sich nicht wirklich auf irgendeinen Gegenstand zu konzentrieren. Eine Hand hatte sie in den Stoff ihrer Jeans gekrallt, mit der anderen fuhr sie sich leicht durch die nun blonden Haare. Fast hätte Piers sie durch diese an der Tür gar nicht erkannt. Auch Jill wirkte reichlich nervös und besorgt, und der Fuß, auf dessen Bein sie die eine Hand gelegt hatte, wippte immer ein wenig auf und ab. Den ruhigsten Eindruck machte tatsächlich Leon. Doch auch er war besorgt, das konnte er nicht verbergen. Schon gar nicht vor Piers. Er bemerkte die leichte Anspannung trotz allem, so sehr Leon auch versuchen mochte, sie zu verbergen. „Wenn du sagst, du bist fit genug, glaube ich dir das“, murmelte dieser dann, nahm noch einmal das Glas, um es zu leeren und beugte sich dann etwas nach vorne, wobei er die Arme auf die Knie legte und sich kurz über das Gesicht fuhr. Er war wirklich angespannt, und langsam konnte er das auch vor den beiden Frauen nicht mehr verbergen. „Und wo fangen wir an?“ Es war Claire, die diese Frage stellte und sich dabei etwas hinab beugte. Leon sah zu ihr auf und zuckte leicht mit den Schultern, ehe er nachdenklich die Stirn runzelte. „Wenn Piers’ Vermutung richtig ist, wenn Chris sich tatsächlich wieder in irgendeine Kneipe verzogen hat... dann müssen wir zuerst die Kneipen in der Nähe durchgehen.“ „Und wenn er extra weiter weg gegangen ist, damit ihn niemand so schnell findet?“ „Zum Einen bezweifle ich, dass er in dem Moment daran gedacht hat... Zum Anderen wird er sich nicht zu weit entfernen, um im Notfall schnell wieder zurück sein zu können. Er weiß, dass Piers immer noch nicht ganz fit ist. Es sieht ihm eh schon nicht ähnlich, dass er ihn in seinem Zustand allein gelassen hat.“ Diese Aussage war von Jill gekommen, die ihren Blick endlich vom Fenster hatte abwenden können. Abgesehen von Claire kannte sie Chris am besten. Sie war schon zu S.T.A.R.S.-Zeiten seine Partnerin gewesen, und als die B.S.A.A. ins Leben gerufen worden war, hatte sich daran nichts geändert. Sie waren Freunde, sie waren mehr als das, auch wenn sie es nicht offen zeigten. Während sie unter Befehl des R.P.D. für S.T.A.R.S. gearbeitet hatten, hätten sie das vermutlich auch gar nicht gedurft. Ob es nun anders war, konnte keiner von ihnen sagen. Sie regelten es professionell, trennten Berufliches von Privatem. Oft sehnte sich Jill nach mehr Nähe, und sie hatte das Gefühl, dass es Chris da nicht anders ging. Und im Nachhinein fragte sie sich, ob eine offizielle Beziehung nicht vieles leichter gemacht hätte. Vielleicht wäre Chris dann jetzt nicht in so einer Verfassung gewesen. Vielleicht hätte sie dann schon nach dem Vorfall in Edonia von seinem Zustand erfahren und helfen können. Aber so oder so war das jetzt nicht mehr zu ändern. Und Jill nahm sich vor, es in Zukunft besser zu machen. Wenn sie Chris gefunden hatten, wenn sich seine Verfassung gebessert hatte, dann würde sie ihm sagen, was sie für ihn empfand. Ob das nun klug war oder nicht. Aber so konnte es einfach nicht mit ihm weitergehen. Jill atmete tief durch, dann straffte sie leicht die Schultern und hob den Blick. „Ich bin auf jeden Fall auch bereit zum Aufbruch“, versicherte sie dann, ehe sie einen kurzen Blick zu Claire warf, die ihr leicht zunickte. Auch sie war bereit, natürlich. Man konnte deutlich spüren, wie sehr es sie nach draußen zog, um ihren Bruder zu finden. ‚Chris, was ist nur mit dir passiert? Dich für mich nicht zusammen zu reißen, okay, meinetwegen. Aber deine Schwester so im Stich zu lassen? Deinen verwundeten Partner alleine zu lassen? Das bist doch nicht du, Chris. So kenne ich dich gar nicht. Und diesen Chris will ich auch nicht kennen.' Sie seufzte noch einmal, dann schüttelte sie den Kopf und erhob sich. Nein, soweit wollte sie nicht gehen. Sie wollte Chris nicht im Stich lassen, und sie wollte ihm auch nicht unterstellen, sie im Stich gelassen zu haben, auch wenn es in gewisser Weise so war. Aber Chris hatte auch viel durchmachen müssen. Zwei Mal hatte er seine gesamte Einheit verloren. Jill konnte nicht im Geringsten nachempfinden, wie sich das anfühlen musste. Und wenn man sich selber auch noch die Schuld daran gab... Sie selber wäre daran sicherlich zerbrochen. Und sie wusste, ohne Piers wäre Chris vermutlich wirklich zugrunde gegangen. Einen treuen, zuverlässigen Partner hatte er da. Und es gab Jill ein Gefühl der Erleichterung, dass Chris in guten Händen war. Dass es Menschen gab, denen er wichtig war, und die bereit waren, alles zu tun, um ihm zu helfen. Menschen, die sogar soweit gingen, ihr eigenes Leben zu opfern. Langsam wurde Jill doch wieder etwas sauer auf ihren Freund und Partner. Piers hatte sich geopfert, damit er weiter leben konnte. Er hatte vermutlich keine Sekunde lang gezögert. Und wie dankte Chris ihm das? Indem er diese zweite Chance einfach weg warf. Das machte die Soldatin ziemlich wütend. Sie konnte sich ja denken, dass Chris sich Vorwürfe machte, dass er sich die Schuld an Piers’ vermeintlichen Tod gab, an allem, was passiert war. Aber um der gefallenen Soldaten Willen musste er sich zusammenreißen. Und auch, wenn es weh tun würde, auch das würde sie ihm ins Gesicht sagen, wenn sie ihn gefunden hatten. Vermutlich brauchte Chris einfach mal einen kleinen Tritt oder einen verbalen Schlag ins Gesicht, um zu Sinnen zu kommen. Nach dem, was Piers ihr am Telefon erzählt hatte, hatte er mit dieser Methode immerhin schon zwei Mal Erfolg gehabt. In Edonia, und auch in China, als sie Carla Radames verfolgt hatten, die sie damals noch für Ada gehalten hatten. „Jill?“ „Gehen wir. Wir müssen Chris finden, bevor er noch irgendeine Dummheit anstellt.“ Leon nickte leicht, dann stand er ebenfalls auf und sah zu Piers, der sich auch schon vom Sessel erhoben hatte. Müde wirkte der Scharfschütze, aber er schien sicher auf den Beinen zu stehen. Leon würde ein Auge auf ihn haben, damit nichts passierte. Wenn sie Chris einen halb toten Piers vor die Nase hielten, holte ihn das ganz sicher nicht zurück. Und selbst wenn doch, selbst, wenn ihn so ein Anblick erst recht zurück geholt hätte, Leon wollte das dennoch verhindern. Piers bemerkte den Blick zwar, sagte aber nichts dazu, sondern brachte nun die Gläser und die Flasche in die Küche, ging dann ins Schlafzimmer und blieb vor Chris’ Kleiderschrank stehen. Seine Klamotten hatte der Captain größtenteils weggeworfen. Er hatte nur noch die Hose, die sich in der Wäsche befand, und im Moment trug er wieder eine Jogginghose und ein Unterhemd von Chris. Also zog er sich auch jetzt einfach ein paar Sachen des Älteren drüber, auch wenn ihm diese etwas zu groß waren, und lieh sich dann noch zwei Waffen von seinem Captain aus, ehe er auch eine für diesen einsteckte. Nicht, dass er mit irgendeiner größeren Gefahr rechnete, aber seit er bei der B.S.A.A. war, ging Piers eigentlich nie unbewaffnet aus dem Haus. Er hatte einfach schon zu viele Überraschungen erlebt. Nach wenigen Minuten war er fertig, hatte sich noch etwas kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt und eine weitere Tablette genommen, ehe er sich wieder zu Leon, Claire und Jill begab und mit ihnen das Haus verließ, um sich auf die Suche nach Chris zu machen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)