Brightest Light von Flordelis (Miracle) ================================================================================ Kapitel V - Was soll denn vorgefallen sein? ------------------------------------------- Unter anderen Umständen vermied Kieran es, irgendjemanden, besonders Richard, zu sich kommen zu lassen. Er empfand seine Umgebung als passend für ihn, aber nicht für seine Freunde. Aber wenn er mit der Ausrede, krank zu sein, weiter fortfahren wollte, konnte er Richard unmöglich vorschlagen, sich woanders zu treffen und es ganz ablehnen wollte er auch nicht. So konnte er nicht verhindern, dass sein bester Freund einige Stunden später auf dem drehbaren Bürostuhl in Kierans Zimmer saß und sich dabei interessiert umsah. Der Bewohner selbst, legte derweil die Arbeitsblätter fein säuberlich auf einen Stapel auf seinem Schreibtisch. „Weißt du, mir fällt gerade auf, dass ich das erste Mal hier bin.“ Richard vollführte eine vollständige Drehung mit dem Stuhl. „Sonst kommst du immer zu mir.“ „Na ja, hier ist es auch nicht sonderlich spannend.“ Er besaß keinen Fernseher und sogar sein Netbook verwendete er rein für die Schule, weswegen sich keinerlei Spiele darauf befanden. Er besaß Bücher, echte Bücher sogar, statt der digitalen oder der Chip-Alternative, die viele aufgrund der Anspruchslosigkeit und Leichtigkeit bevorzugten; außerdem konnte man in diesen Alternativen auf zusätzliche Inhalte zugreifen, die der Autor eingebaut hatte. Ihm schien, als wäre alles in dieser Zeit darauf ausgelegt, mehr Informationen einzublenden. Eigentlich fand Kieran das gut, aber manchmal überkam ihn das Gefühl, dass es einfach viel zu viel von allem war. Jedenfalls waren Bücher aber auch nichts sonderlich Interessantes, sein Besucher hatte sie sogar nur kurz gemustert, weil er es vermutlich nicht hatte glauben können, dass Kieran solche besaß. „Ein spannendes Zimmer hätte auch nicht zu dir gepasst“, erwiderte Richard. Noch immer ließ er den Stuhl unruhig hin und her wirbeln, was Kieran eines ganz offensichtlich verriet: „Warum bist du so nervös?“ Sofort hielt sein Freund wieder inne und blickte ihn ernst an. Zu sehr, wie er fand, weswegen er bereits bereute, Richard überhaupt gefragt zu haben. Die zusammengezogenen Brauen hatten bei ihm nur selten etwas Gutes zu bedeuten. „Kieran, was hast du gestern eigentlich gemacht, nachdem wir das Kino verlassen haben?“ „Das weißt du doch. Ich bin nach Hause gegangen.“ Dass es die falsche Antwort gewesen war, wusste er sofort, denn Richards Blick verfinsterte sich weiter. Er brach sofort innerlich in Panik aus, fragte sich, was der andere alles wusste und woher und wie er sich herausreden sollte, wenn er die Dämonen erwähnte. Doch das tat Richard gar nicht: „Faren sagte, dass er dich mit einer Frau am Flussufer entlanglaufen gesehen hat.“ Kieran widerstand der Versuchung, sich auf die Lippen zu beißen, um sich nicht weiter in Schwierigkeiten zu bringen und konzentrierte sich stattdessen darauf, was er aus der Aussage ziehen konnte. Faren war also nach seiner Verabredung mit Yuina in derselben Gegend gewesen und hatte ihn und Aydeen gesehen. Aber Kieran konnte sich nicht erinnern, ihn ebenfalls gesehen zu haben und angesprochen worden war er natürlich auch nicht. Das konnte er nutzen – auch wenn ihm nicht so ganz klar war, weswegen er Aydeen vor Richard verheimlichen wollte. „Er muss sich geirrt haben. Ich war am Flussufer, aber allein.“ Und auch das war die falsche Antwort. Zur Erwiderung holte Richard sein Handy hervor, das wesentlich moderner als das von Kieran war, tippte mehrmals auf das Display und hielt ihm dann den Bildschirm hin. „Wie erklärst du dann das?“ Tatsächlich war er gemeinsam mit Aydeen zu sehen, überraschend gestochen scharf, obwohl herangezoomt worden war. Er war ihr zwar nicht zugewandt, aber sie starrte ihn geradezu an, während sie gleichauf nebeneinander herliefen. Warum war ihm dieses Starren in der Nacht zuvor noch nicht aufgefallen? „Wenn du schon andere Pläne für den Abend hattest“, fuhr Richard fort, „wäre es nicht so schlimm gewesen, mir das mitzuteilen.“ „Du verstehst das völlig falsch. Ich habe diese Frau unterwegs getroffen und weil es dunkel und sonst niemand in der Gegend war, hat sie mich begleitet. Ich weiß nicht mal, wer sie ist.“ Nein! Warum habe ich das jetzt gesagt? Warum sagte er Richard nicht einfach, dass er Aydeen in der letzten Nacht kennen gelernt und sich mit ihr angefreundet hatte, weil man diese dunkle Gegend gemeinsam bewältigt hatte? Was hinderte ihn nur daran? Äußerlich war ihm seine Panik nicht anzumerken, während er auf Richards Reaktion wartete und sich auch fragte, weswegen sein Freund so wütend reagierte. Aber bei genauerem Nachdenken konnte er das durchaus verstehen; wenn Kieran sich immerhin nachts mit Frauen traf und deswegen nicht zum Schlafen kam, wären Richards Sorgen allesamt überflüssig, denn dann war er immerhin selbst Schuld an seiner Müdigkeit. Aber da schien noch etwas anderes zu sein, das Kieran allerdings nicht einordnen konnte. Plötzlich entspannte Richard sich allerdings wieder. Seine Stirn glättete sich, er senkte sofort den Blick und steckte das Handy in die Tasche zurück. „Tut mir leid, dass ich dir all diese seltsamen Fragen stelle. Ich war nur wütend, weil ich wirklich dachte, du wolltest eigentlich gar nicht mit mir ins Kino. Oder du würdest nachts Dinge tun, von denen du mir nichts erzählst.“ Der letzte Satz sprach Kierans schlechtes Gewissen auf vielen Ebenen an, aber er versetzte diesem einen imaginären Tritt, damit es schwieg und schüttelte den Kopf. „Das würde ich nie tun.“ Ihm blieb nur zu hoffen, dass sein Freund niemals erfuhr, was er alles nachts tat, sonst wäre er fraglos in arger Erklärungsnot. Schließlich erhob Richard sich von dem Stuhl. „Ich sollte langsam wieder gehen, meine Eltern warten sicher schon. Sie denken, ich bringe dir nur kurz deine Arbeitsblätter vorbei. Kommst du morgen wieder in die Schule?“ Kieran nickte. „Natürlich, du siehst ja, ich bin nicht so krank.“ Richard lächelte erleichtert. „Ja. Dann ...“ Er hielt noch einmal inne und starrte Kieran durchdringend an. Ehe dieser es sich versah, hatte Richard bereits eine Hand auf seine Wange gelegt. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte, stand deswegen wie festgewurzelt einfach nur da und starrte seinen Gegenüber geradezu erschrocken an. Richard schien das allerdings nicht zu registrieren und sah ihn weiterhin durchdringend an. In einem Anfall von Tagträumerei stellte Kieran sich vor, wie Richard ihn im nächsten Moment einfach zu sich ziehen und in einen Kuss verwickeln würde. Er war hin- und hergerissen zwischen, sich das einfach wünschen oder hoffen, dass es nicht geschah, weil er nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte und er ihn mit der falschen Reaktion nicht verschrecken wollte. Der Auslöser seiner Verwirrung achtete allerdings weiterhin gar nicht auf seinen Blick, sondern ließ die Hand plötzlich wieder sinken. „Ich hatte recht.“ „Huh?“, fragte Kieran vollkommen aufgelöst, als er aus seinem Traum geweckt wurde. „Was ...?“ „Der Kratzer ist verschwunden.“ Also das war der Grund für diese Berührung gewesen. Dieses Thema musste ihn wirklich lange beschäftigt haben – und es enttäuschte Kieran auch ein wenig. Seine Wange brannte noch regelrecht, obwohl die Hand nicht mehr darauf lag, und verhieß ihm, wie einfach und angenehm es wäre, jetzt seinem Verlangen nachzukommen. Richards forschender Blick gab ihm allerdings ein nicht sonderlich angenehmes Gefühl. Doch bevor sein Gegenüber noch etwas sagen konnte, klopfte es plötzlich an der Tür, die im nächsten Moment auch bereits geöffnet wurde. Cathan entschuldigte sich lächelnd für die Störung. „Ich wollte nur wissen, ob du hier essen möchtest, Richard.“ Der Angesprochene wich sofort zurück und wandte sich Cathan zu. „Guten Abend, Mr. Lane. Danke für die Einladung, aber ich muss wieder nach Hause. Meine Mutter wartet bestimmt auch schon mit dem Essen.“ Zum Abschied hob Richard nur kurz die Hand und war dann bereits aus dem Zimmer und kurz darauf aus der Wohnung verschwunden. Kieran wartete, bis die Wohnungstür zufiel, dann seufzte er leise, was Cathans Aufmerksamkeit sofort auf ihn lenkte. „Was ist denn passiert?“ „Nichts weiter. Hast du etwa gekocht? Du sollst doch nicht so viel stehen.“ „Wenn du jetzt mit mir diskutieren willst, werden wir noch mehr stehen“, erwiderte Cathan. „Also komm in die Küche, ja?“ Tatsächlich folgte Kieran dieser Aufforderung und begab sich zum Essen in die Küche, wo sein Vater einen Auflauf zubereitet hatte, der nun auf seinen Verzehr wartete. „Also ...“, begann Cathan nach einer Weile, in der sie schweigend gegessen hatten, „was ist passiert?“ Kieran hob den Blick nicht von seinem Teller, „Was meinst du?“ „Richard wirkte gerade ziemlich verlegen – und du ebenfalls. Ist irgendwas vorgefallen?“ „Nein. Was soll denn vorgefallen sein?“ „Das frage ich ja.“ Er hasste es, wenn sein Vater auf diese Art und Weise eine Unterhaltung zu führen versuchte und nicht beachtete, dass Kieran eigentlich gar nicht reden wollte. Und schon gar nicht über ein solches Thema, weswegen er einen anderen Anlauf wagte: „Als du in meinem Alter warst, wolltest du bestimmt nicht mit deinen Eltern über Dinge reden, die dich verlegen machen.“ Damit gab er nun zwar zu, dass er wirklich verlegen gewesen war, aber nicht, weswegen. Der Grund konnte durchaus variabel sein, wie Kieran fand, also hatte er sich oder seine Gefühle nicht verraten und Cathan dennoch bestätigt, was diesen freuen sollte. Und tatsächlich schmunzelte sein Vater zufrieden. „Schon verstanden. Übrigens musst du heute Nacht nicht patrouillieren und kannst dich deinen Hausaufgaben und der Erholung widmen.“ Dummerweise hatte Cathan mitbekommen, dass Kieran krank war, als dieser nach dem Treffen mit Aydeen wieder nach Hause gekommen war, um zu schlafen. Natürlich machte sein Vater sich Sorgen um ihn, obwohl Kieran genau das eigentlich immer vermeiden wollte. „Was ist, wenn ein Dämon jemanden angreift?“ „Mach dir keine Gedanken. Ich habe ein paar Anrufe getätigt und ein alter Bekannter, der mir noch etwas schuldete, hat einen seiner Schüler geschickt, damit du dich ausruhen kannst.“ Sehr zufrieden mit sich selbst, neigte Cathan den Kopf von der einen auf die andere Seite. „Aber das wird keine Gewohnheit, so oft habe ich ihm das Leben nicht gerettet.“ Kieran fand es immer wieder erstaunlich, wie viel sein Vater bereits erlebt und was er in dieser Zeit alles getan hatte – und zumindest einmal kam es ihm wohl auch gelegen. Auch wenn ihn dennoch das Gefühl überkam, dass es nicht richtig war. „Ist das wirklich okay?“, hakte er deswegen nach. Cathan nickte. „Natürlich. Auch du solltest dich ab und an ausruhen, besonders wenn du mit der Schule beschäftigt bist.“ „Wie seltsam.“ Kierans Stimme wurde frostig. „Als ich dir sagte, dass ich mit der Schule anfangen werde, hast du mir vorgeworfen, meine Zeit zu verschwenden und dass ich mich lieber auf die Dämonenjagd konzentrieren sollte, so wie die Schüler deiner Konkurrenten.“ Das Gesicht seines Vaters wurde augenblicklich ernst, er zog die Brauen zusammen. „Und du weißt genau, warum. Dein Abschlusszeugnis war geradezu überragend, du hättest sicher jeden Job bekommen, den du wolltest und der sich mit den Patrouillen besser vertragen hätte. Dieser Schulbesuch ist also Zeitverschwendung! Du machst das nur, weil Richard es tut! Du hast keine eigenen Ambitionen, Ziele oder Wünsche in deinem Leben! Kein Jäger bleibt nur Jäger, jeder von uns hat eine Arbeit, die sich mit unserer Berufung verträgt, denn sonst schafft man es nicht lange. Und ich sehe an dir, dass es wirklich so ist. Aber du jagst nicht einmal, weil du es als deine Berufung empfindest, sondern weil es dir dein Pflichtgefühl vorschreibt, was genauso schlimm ist!“ Kieran blickte ihn nur schweigend an und fühlte sich wieder in die Zeit zurückversetzt, als sie darüber diskutierten, dass er nicht jagen gehen, sondern lieber eine weitere Schule besuchen wollte. Schon damals war er aufgrund des Gefühlsausbruchs seines Vaters wortlos gewesen. Dabei hätte Kieran so viel darauf erwidern können. Dass er durchaus Wünsche hegte, dass er Ambitionen besaß, die er nur noch nicht in richtige Bahnen lenken konnte und dass er ein Ziel vor Augen hatte, für das er nun aber kämpfen musste, deswegen das Pflichtgefühl. Aber diesmal wusste er, was folgen würde, weswegen er wieder nichts sagen konnte – und tatsächlich enttäuschte Cathan ihn nicht: „Ich wünschte langsam, ich hätte dich nie darum gebeten, dich mit Richard anzufreunden.“ Wieder einmal suchte er jegliche Schuld bei Richard und war offenbar immer noch überzeugt, dass Kieran ohne den Einfluss seines Freundes tatsächlich zu einem vollwertigen Jäger geworden wäre. Aber er konnte seinem Vater auch nicht sagen, was sich in ihm geändert hatte, denn das würde ihm noch mehr Sorgen und ein schlechtes Gewissen bereiten und noch dazu würde es dafür sorgen, dass er ihm verbot, weiter zu jagen und das konnte Kieran nicht hinnehmen. Und er konnte Cathan auch nicht sagen, dass es Richard war, wegen dem er seine Meinung geändert und mit dem Jagen begonnen hatte. Er wollte und konnte seinem Vater das alles nicht erklären und er wollte sich auch nicht mit ihm streiten, nachdem der Tag an und für sich gut gelaufen war. Weil er so aber auch nicht einfach hier sitzen bleiben wollte, stand er schweigend auf und verließ die Küche, dabei ignorierte er Cathans Ruf, dass er nicht immer würde wegrennen können, sobald es ernst wurde und schloss seine Zimmertür hinter sich. Um gar nicht darüber nachzudenken, was gerade geschehen war, setzte er sich sofort an die Hausaufgaben und vertiefte sich darin. Immer wieder wanderten seine Gedanken zu der Diskussion zuvor und er überlegte schon, zu Cathan zurückzugehen, um das Thema doch weiter zu besprechen und ihm alles zu sagen, was er dachte, egal was sein Vater dazu denken würde. Kurz bevor er am Ende angekommen war, hörte er, wie der Fernseher im anderen Zimmer angemacht wurde, also würde Cathan sich zumindest nicht mit ihm aussprechen wollen, was Kieran jegliche Ambitionen nahm, aufzustehen und mit dem anderen zu sprechen. Doch gerade, als er mit den Aufgaben fertig wurde und sich nach einer neuen Ablenkung sehnte, klingelte sein Handy wieder, mit einer neuen Nachricht von Richard: Sorry, ich muss vorhin echt seltsam geklungen haben. Mach dir keine Gedanken mehr darum, ja? Wir sehen uns morgen. Durch die Abwesenheit sämtlicher Smileys konnte Kieran sofort sagen, dass es ein wirklich ernstes Thema für Richard war und er mit Sicherheit gerne darüber reden würde. Dennoch antwortete er ihm nicht auf die Nachricht. Cathans Worte hatten ihn doch ein wenig zum Nachdenken angeregt, besonders was das Thema der Wünsche betraf, aber er glaubte nicht, dass er das allein angehen könnte. Dafür brauchte er Hilfe – und er wusste auch, von wem er diese am ehesten bekam. Also beschloss er, eine neue Nachricht an eine andere Person zu schicken und hoffte, dass diese ihn nicht einfach im Stich lassen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)