Nothing to lose von ChogaRamirez (Arkham Origins) ================================================================================ Kapitel 5: Wenn mein Verdacht stimmt, dann hab ich wirklich alles versaut, was man versauen kann ... ---------------------------------------------------------------------------------------------------- Mein Atem geht stoßweise, als ich in Dads Wagen um eine Kurve biege - weit über der Geschwindigkeitsbegrenzung. Irgendjemand, den ich geschnitten haben muss, hupt mir hinterher. "Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß", knirsche ich wütend. Ich bin völlig am Ende mit den Nerven. Der Verdacht ist mir das erste Mal letzte Woche gekommen. Eine böse kleine Vorahnung, eher Angst als Gewissheit. Jetzt sind zwei Wochen vorbei und meine Ahnung wird immer drohender. Eigentlich habe ich Niemanden, an den ich mich damit wenden kann. Wahrscheinlich bist du auch nicht der richtige Ansprechpartner. Aber der Einzige, der mir in den Sinn gekommen ist. Mein Vater und meine Mutter fallen völlig heraus. Batman ist mein Mentor, aber völlig ungeeignet für so ein Thema. Edward ... na ja. Der ist in Arkham und so ziemlich der Letzte, mit dem ich im Moment reden will. "Oh, verdammt ...", seufze ich leise, als ich mit quietschenden Reifen vor Wayne Manor zum Stehen komme. Der Hausherr ist um diese Zeit für gewöhnlich nicht da. Meistens komme ich dann zu dir, um an meinem Anzug zu arbeiten oder zu trainieren. Heute habe ich etwas weniger erfreuliches vor. Ich stelle den Motor ab, schnappe meine Tasche mit ihrem brisanten Inhalt und verlasse den Wagen. Während ich auf die Tür zugehe, versuche ich, mir die Tränen wegzuwischen, die trotzdem unaufhörlich weiter fließen. Mit zitternden Fingern betätige ich die Klingel. Als es an der Eingangstür läutet, wandert mein erster Blick auf die große Standuhr, die hier im gemütlichen Kaminzimmer steht. Es hat sich für heute kein Besuch angekündigt. Andernfalls wäre Master Bruce nicht in seiner Firma. Während ich durch die Räume gehe, um ins Foyer zu kommen, überlege ich natürlich, wer da vor der Tür steht, wenn ich öffne. Ein Name kommt mir schnell in den Sinn. Allerdings wollen wir uns eigentlich erst wieder in zwei Tagen treffen. Im Foyer angekommen, öffne ich die große Eingangstür und sofort erhellt ein Lächeln mein Gesicht. Ich freue mich jedes Mal, wenn du zu Besuch kommst. Mittlerweile habe ich dich sehr lieb gewonnen, fast wie eine Art Enkeltochter. Allerdings runzle ich die Stirn, als ich deinen Gesichtsausdruck und deine Körperhaltung sehe. Du scheinst sehr aufgeregt zu sein. "Miss Gordon", sage ich höflich. "Master Bruce ist nicht da, wie Sie wissen. Also nehme ich an, dass Sie zu mir wollen." Ich mustere dich ein wenig skeptisch und trete zur Seite. "Aber kommen Sie doch erst einmal herein. Sie sehen aufgewühlt aus. Ist alles in Ordnung?" Eigentlich hatte ich vorgehabt, die Sache souverän anzugehen und mich halbwegs stark zu geben. Stattdessen springe ich dir in die Arme, bevor du überhaupt richtig ausgeredet hast. "Oh, Alfred!", schluchze ich. "Ich habe einen ganz schlimmen Fehler gemacht!" Kurz lasse ich los, um mir die Nase zu schnäuzen. Ich will deinen Anzug nicht einsauen. "Und jetzt ..." - schnief - "jetzt ist alles ruiniert! Mein Leben ... Alles geht den Bach runter." Diese Erkenntnis lässt die Tränen gleich noch mehr fließen. Dabei dachte ich, ich habe das ständige weinen hinter mir gelassen. Na ja. Die Chancen stehen gut, dass ich solche Anfälle demnächst auf die Hormone schieben kann ... "Aber, Miss Gordon ...", sage ich mitfühlend und klopfe dir sachte auf den Rücken. "Was ist denn passiert?" Mit einer Hand in deinem Rücken bugsiere ich dich vorsichtig ins Innere des Anwesens und schließe dann die Tür. "Wie wäre es mit einem schönen heißen Tee und dann erzählen Sie in Ruhe, was passiert ist. Einverstanden?" Ich frage mich natürlich, was für dich so schlimm sein kann, was dich dazu bringt, so zu reden, als ob dein noch sehr junges Leben bereits vorbei wäre. Mehr als ein entkräftetes Nicken bringe ich nicht zustande. Ich folge dir in die Küche. Im Moment will ich einfach nicht allein sein. Also sehe ich dir dabei zu, wie du mir einen Tee aufbrühst - natürlich auf die elegante britische Art und nicht mit Teebeutel. Immer noch leise weinend lehne ich mich gegen die Anrichte. Meine Hände sind fest um den Tragriemen meiner Tasche geschlossen. Bevor ich beschlossen habe herzufahren, war ich eigentlich nur eine kleine Besorgung machen. Eine kleine, lebensverändernde Besorgung. Ich habe mich aber nicht imstande gefühlt, das Ding in unser Haus zu bringen und dort zu benutzen. Als ich dir eine dampfende Tasse Tee mit einem aufmunterten Lächeln hinstelle, wirkst du immer noch wie ein kleines Häufchen Elend. Seit wir in die Küche gegangen sind, hast du kein Wort mehr gesprochen. Ein mehr als deutliches Indiz, dass dir wirklich viel durch den Kopf geht. Mit deinem Vater wird es wohl nichts zu tun haben. Wenn Commissioner Gordon etwas zugestoßen wäre, wüsste ich das. Aber vielleicht deine Mutter oder dein kleiner Bruder. Vielleicht hast du auch die Befürchtung, dass du deinen High School Abschluss nicht schaffst, obwohl ich mir das nicht vorstellen kann. Du bist immerhin sehr intelligent. Was bleibt dann noch übrig? Nun ja, das Problem mit Edward Nashton hat sich mehr oder weniger in Wohlgefallen aufgelöst, seit er in Arkham ist. Er hat bisher nicht versucht, von dort zu fliehen und in diesen vier Wochen hast du auch kein Wort über ihn verloren. Du scheinst endlich über ihn hinweg zu sein. Aber vielleicht hat dir ein Junge aus der Schule das Herz gebrochen. "Nun, Miss Gordon ...", sage ich und stelle ein Porzellanschälchen mit Kandiszuckerstückchen auf den Tisch und reiche dir einen Löffel. "Ich bin mir sicher, dass Nichts so schlimm sein kann, dass wir dafür nicht eine Lösung finden." Meine zusammengepressten Lippen beben, als ich schweigend Zuckerstücke in meinen Tee häufe, bis es ungesund wird. Der Löffel klirrt gegen die Tasse, als ich umrühre. Wie soll ich die Worte bloß herausbringen? Am liebsten würde ich vor Scham im Boden versinken. "Ich fürchte, dass ist nicht so einfach ... Wenn mein Verdacht stimmt, dann hab ich wirklich alles versaut, was man versauen kann ..." Fahrig reibe ich mir über das nasse Gesicht. Um das Geständnis noch etwas hinauszuzögern will ich an meinem Tee nippen, verbrenne mir aber die Zunge. "Es geht um Edward. Ich meine Nigma. Ich meine Riddler." Ja, Barbara. Reife Leistung. "Ich ... ich hab nicht auf Batman gehört, Alfred. Es ist ... meine Schuld, dass er das Versteck an der Pioneers Bridge geräumt hat." Na, zumindest das kleinste Übel wäre damit heraus. Ich höre dir schweigend zu und gebe dir so viel Zeit, wie brauchst. Ich kann dir deutlich anmerken, dass es dir nicht leicht fällt, überhaupt etwas zu sagen. "Was genau meinen Sie damit, dass es Ihre Schuld ist, dass der Riddler sein Versteck geräumt hat?", frage ich schließlich nach, nachdem du geendet hast und wieder in deine Teetasse starrst, als befinde sich ein Goldschatz auf dem Grund. "Ich gehe vermutlich richtig in der Annahme, dass er etwas damit zu tun hat, als Sie in der Silvesternacht aufgebrochen und erst sehr spät wieder zurück gekommen sind. Aber was auch immer in dieser Zeit passiert ist ... Edward Nashton ist in Arkham. Also haben Sie nicht viel falsch gemacht, Miss Gordon." Wenn es doch nur so einfach wäre. Jetzt redest du mir noch gut zu. Aber wie wird es aussehen, wenn ich die nächste Karte auf den Tisch lege? Und die danach? Betrübt lasse ich den Kopf hängen. "Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, ihn zu verhaften. Hab alle Mahnungen von Batman ignoriert. Dumm und ungehorsam", schelte ich mich selbst. Leise seufze ich. "Ich hätte ihn gekriegt. Ohne Probleme. Er hat mich an sich heran gelassen, weil er mich nicht ernst genommen hat. Und er war angeschlagen. Aber ... ich habe ihn gehen lassen. Und das wahrscheinlich zufriedener, als er vorher war", füge ich grimmig hinzu. Ja. Und ich bin diejenige, die es nun ausbaden muss. "Es ist doch nicht schlimm, dass Sie ihn haben gehen lassen", widerspreche ich dir sachte. "Sie sind noch nicht so erfahren wie beispielsweise Master Bruce." Durch deinen letzten Satz bedingt, lege ich den Kopf leicht schief. "Was genau meinen Sie mit »zufriedener als vorher«?" Und genau an dieser Stelle wird es peinlich. Mit knallroten Wangen rühre ich in meinem Tee und versuche den Kloß aus meinem Hals zu bekommen. "Na ja. Wir haben uns gestritten. Ziemlich heftig sogar. Ich hab ihn geohrfeigt, ihn angeschrieen und er war auch außer sich. Und dann -", die nächste Worte nuschle ich in meinen nicht vorhandenen Bart, "- haben wir uns irgendwie geküsst und eines kam zum anderen und ... ja." Ich zucke beschämt mit den Schultern. "Danach habe ich mich selbst verachtet. Ich wollte ihn festnehmen, habe ihn angegriffen und auf seinen Arm gezielt. Auf den Schwachpunkt, wie ich es gelernt hab." Ich sehe dich reuevoll an. "Am Ende habe ich ihn mit eigenen Händen zusammengeflickt und ihm so eine Chance gegeben, mich zu überlisten." Deine Worte überraschen mich. Sie überraschen mich wirklich, da ich eigentlich angenommen habe, dass du mittlerweile ein wenig vernünftiger geworden bist. Aber in einigen Dingen bist du nach wie vor ein typischer Teenager. Daran ist auch nichts Verwerfliches - wenn man nicht gerade nachts in einem Kostüm durch die Stadt jagt auf der Suche nach kriminellen Individuen. Ich schenke dir ein mildes, aufmunterndes Lächeln. "Ich bin mir sicher, dass es weitaus Schlimmeres gibt, als sich ablenken zu lassen von einer Person, die Sie so gut kennen." Ich bin mir nicht sicher, ob ich erwähnen soll, dass ich dieselben Informationen über deine Beziehung zu Edward Nashton habe wie auch Batman. Ich möchte nicht, dass du dich noch unwohler fühlst, als du es ohnehin schon tust, denn ich kann mir vorstellen, wie schwer es dir fällt, mich in diese Dinge einzuweihen. "Oh, Alfred ..." Deine verständnisvollen Worte habe ich eigentlich gar nicht verdient. Du bist immer so freundlich, so fürsorglich, verlierst so gut wie nie ein böses Wort. Und ich? Ich bin nur ein dummes Mädchen, dass sich wahrscheinlich selbst die Zukunft verbaut hat. "Es kommt noch schlimmer", flüstere ich. Ich beuge mich zu dir und greife nach deiner Hand, weil ich mich an irgendetwas festhalten muss. "Wir ... wir haben recht überstürzt miteinander geschlafen. Das war bei Gott nicht geplant und keiner hat an Konsequenzen gedacht und ... Und jetzt bin ich seit zwei Wochen überfällig", presse ich endlich hervor. So. Da ist es raus. "Oh ...", entfährt es mir bei deiner Offenbarung. Das ist ja wirklich mal eine Neuigkeit. Automatisch drücke ich deine Hand um dir damit zu signalisieren, dass ich dich nicht verurteile. "Wissen Sie denn schon genau, ob es daran liegt, dass Sie ein wenig unvorsichtig waren?", frage ich vorsichtig nach. Es gibt natürlich auch andere Gründe, aber der Grund, der dir im Kopf herum spukt, ist natürlich am naheliegensten. Mit einem schweren Schlucken sehe ich auf meine Tasche, die noch immer über meiner Schulter baumelt. "Ich habe einen Test gekauft", flüstere ich kaum hörbar. "Aber ich hab es nicht fertig gebracht, damit nach Hause zu gehen." Schon wieder kullern die Tränen. "Könnte ich ... könnte ich ihn vielleicht hier machen? Ich glaub, ich schaff das nicht allein ..." "Aber natürlich, meine Liebe ...", sage ich prompt und zaubere ein Stofftaschentuch aus meinem Jackett, welches ich dir zustecke. Es ehrt mich, dass du so viel Vertrauen zu mir hast, um mit deinen Problemen zu mir zu kommen. Vermutlich hast du große Angst vor der Reaktion deines Vaters, wenn er davon erfährt. Aber das liegt noch in der Zukunft. Zu erst einmal müssen wir uns jetzt um die Gegenwart kümmern. "Es ist alles nur halb so schlimm", sage ich leise und drücke wieder deine Hand. "Selbst wenn sich Ihre Befürchtung bestätigt, ist das kein Weltuntergang. Auch dafür gibt es eine Lösung." "Danke", schluchze ich und falle dir einmal mehr um den Hals. "Danke, dass Sie immer da sind, egal was für ein Problem ich habe." Und das muss etwas heißen, denn meine Sorgen sind in letzter Zeit grundsätzlich nicht die einer Siebzehnjährigen. "Ich habe solche Angst", wimmere ich. "Dieses Jahr mache ich den Abschluss. Wie soll ich das schaffen? Und die Anderen in der Schule werden mich fertig machen. Die zerreißen sich doch jetzt schon das Maul über mich und Eddie - sogar nach mehr als einem Jahr bekomme ich das noch zu hören. Damals war es Spaß für uns, aber jetzt ..." Verzweifelt starre ich vor mich hin. "Und wie soll ich das meinen Eltern erklären?", frage ich mit leichter Panik in der Stimme. "Gott, wie soll ich das Batman erklären? Ich wollte an seiner Seite kämpfen und jetzt bin ich schwanger von einem Verbrecher, der in Arkham behandelt wird!" "Nun ja ...", widerspreche ich erneut. "Noch wissen wir doch noch gar nicht, ob Sie wirklich schwanger sind. Aber selbst wenn Sie es sind ..." Ich mache eine kurze Pause und seufze leise. Mir solchen Problemen wurde ich bisher noch nicht konfrontiert. "In ein paar Monaten haben Sie Ihren Schulabschluss, dass ist also sicher kein großes Problem. Ich kann zwar nicht für Ihre Eltern sprechen, aber was Master Bruce betrifft ... Ich bin mir sicher, dass er es verstehen kann, warum es dazu gekommen ist." Ich klopfe dir aufmunternd auf die Schulter. "Aber bevor Sie weiter den Teufel an die Wand malen, sollten Sie erst einmal diesen Test machen." Wirklich Glauben schenken kann ich deinen Worten nicht. Dafür scheint mir im Moment alles viel zu aussichtslos zu sein. "Ja, wahrscheinlich haben Sie Recht", sage ich also halbherzig, ohne genauer darauf einzugehen. Ich bezweifle, dass Batman noch etwas von mir wissen will, nachdem ich Alles so versaut habe. Er weiß ja nicht mal von meinen nächtlichen Ausflügen als Batgirl. Und dann muss ich ihm auch noch von einem Kind erzählen? Seufzend umfasse ich meine Tasche. "Dann werde ich mal ins Badezimmer gehen." Der Test ist relativ schnell gemacht. Meine Hände zittern als ich damit aus dem Bad komme. Jetzt heißt es warten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)