Nothing to lose von ChogaRamirez (Arkham Origins) ================================================================================ Kapitel 84: It's All Coming Back to Me Now ------------------------------------------ Ich weiß nicht, was mich in diesem Moment mehr erstaunt: Harveys Musikwunsch oder dass du dich für Meat Loaf begeistert. Meine Augenbraue wandert unwillkürlich zu neuen Höhen und ich muss kurz den Kopf schütteln, um die Bilder deiner Hochzeit, die sich unwillkürlich vor meinem inneren Auge abspielen, wieder lozuwerden. Barbara hatte mir mal ein paar eurer Hochzeitsfotos gezeigt und wenn ich nicht aufpasse, steige ich am Ende noch bei dieser leicht sentimentalen Stimmung mit ein. Letztendlich zucke ich knapp mit den Schultern, nachdem ich einen Moment überlegen musste, wie dieses Lied gleich wieder ging. Meat Loaf ist nicht unbedingt mein Favorit, aber ich kenne ihn und ich bin auch nicht gleich versucht, mir irgendwas Spitzes in die Ohren zu stecken. Ob ich richtig spiele, kann ich nicht sagen, da ich den Song nur vom Hören kenne, aber zumindest verzieht keiner von euch das Gesicht. Also scheine ich es ganz gut hinzubekommen. Nach Ende des Songs greife ich nach dem Apfel, denn auch wenn es mir nicht gefällt, macht sich die mangelnde Nahrungsaufnahme der letzten Tage schon nach den zwei Gläsern Whiskey bemerkbar. Ich seufze schwer, als die letzten Töne unseres Liedes verklingen. Vielleicht hätte ich mich doch für etwas entscheiden sollen, was weniger Erinnerungen wachruft. Aber ich habe einfach nicht widerstehen können. Barbara und ich haben uns damals zu diesem Lied das erste Mal geküsst und es demnach auch als ersten Tanz für unsere Hochzeit gewählt. Sie hat es gern auf dem Klavier gespielt - überraschenderweise auch besser als du. Wahrscheinlich hast du Recht und Klavierspielen ist nicht unbedingt dein größtes Talent. Aber es klingt immer noch gut genug, um meine Stimmung rapide zu senken. "Schau nicht so traurig, Jim", mahnt Harv. "Die Sache ist jetzt doch schon eine Ewigkeit her." Das ist sie nicht, aber ich sehe davon ab, ihm eine genaue Zeitangabe zu nennen. Wenn ich eine Uhr hätte, könnte ich ihm auf die Stunde genau sagen, wann Barbara ihre Sachen und unseren Sohn gepackt hat und gegangen ist. Harvey füllt eilig mein Glas auf. "Fang jetzt nicht an, zu flennen, das haben wir hinter uns." Ich schicke ihm einen bösen Blick, dass er das so einfach heraus posaunt. Wirklich wütend sein kann ich aber nicht, solange er in diesem Zustand ist. "Was macht denn eigentlich Sarah?" "Ich hab nichts mehr von ihr gehört, seit sie Gotham verlassen hat ...", brumme ich und greife nach meinem Glas. Irritiert hebe ich eine Augenbraue und sehe dich unsicher an. Die Stimmung ist während des Liedes merklich gekippt und ich fürchte, dass ich nicht ganz unschuldig daran bin, weil ich ja zugestimmt habe, dir deinen Musikwunsch zu erfüllen. Deswegen fühle ich mich auch unwohl mit euch beiden und rutsche ein wenig auf dem Hocker hin und her. Ich kenne die Geschichte von dir, deiner Exfrau und deiner ehemaligen Kollegin größtenteils vom Hörensagen. Ein bisschen was davon habe ich oberflächlich im GCPD mitbekommen, aber da es mich bisher nicht interessiert hat, habe ich mich damit auch nicht beschäftigt. Auch Barbara hat hin und wieder davon erzählt, trotzdem halte ich es für besser, wenn ich mich aus diesem Thema raus halte. Am Ende kommst du nur auf die Idee, dass ich in deinem Privatleben herum geschnüffelt habe. Da ich nicht besonders gut darin bin, mit solchen Situationen umzugehen, weiß ich nicht, was ich jetzt machen soll. Ich könnte natürlich irgendwas Fröhliches spielen, aber das wirkt dann sicher zu aufgesetzt. Ich könnte euch natürlich auch alleine lassen - was mir ehrlich gesagt sogar am liebsten wäre - aber dass wäre auch nicht das Richtige. "Sie hat sich nach New York versetzen lassen", werfe ich ein, ehe mir bewusst wird, dass ich genauso wie Harvey mit Anlauf und Begeisterung in dieses Fettnäpfchen gesprungen bin. "Habe ich gehört", werfe ich deswegen schnell hinterher, nachdem eure Köpfe zu mir herum geflogen sind. Am liebsten wäre ich jetzt sauer auf euch beide. Aber ihr könnt nichts dafür und eigentlich ist es meine eigene Schuld. Ich räuspere mich leise. "Kommt ihr mit raus? Ich könnte eine Zigarette vertragen und wir dürfen drinnen nicht mehr rauchen." Etwas sagt mir, dass du diesem Vorschlag nicht ganz abgeneigt sein dürftest. Eigentlich habe ich ihn aber gemacht, weil ich nicht will, dass Babs zufällig die Treppe herunterkommt und hört, wie wir über Sarah reden. Ich will sie damit nicht aufregen. Als wir uns draußen versammelt haben, lasse ich eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug herum gehen. Die Gläser und die Flasche haben wir mitgenommen. "Sarah hat es in Gotham nicht mehr ausgehalten. Außerdem hat ihr die Sache mit uns zu schaffen gemacht. Die Gerüchteküche hat ziemlich gebrodelt -" "Oh, und wie!", wirft Harv ungeniert ein. "Die wildesten Geschichten hab ich gehört ..." Er lacht schmutzig, bemerkt dann meinen pikierten Blick und schweigt beschämt. "Ich war der Kerl, der sich die Vorgesetzte geangelt hat. Aber Sarah war das Flittchen, das eine Ehe zerstört hat. Das hat ihr sehr zu schaffen gemacht." Ich seufze gequält und lasse mich auf die Bank sinken. "Manchmal frage ich mich, ob alles anders gekommen wäre, wenn ich so klug gewesen wäre wie Sarah: Diese verdammte Stadt verlassen. Vielleicht hätte ich meine Familie dann noch ..." Ich bin ehrlich gesagt sehr erleichtert, als du vorschlägst, nach draußen zu gehen. Für Mitte Mai ist es mittlerweile recht kühl draußen, weswegen ich die Ärmel relativ schnell wieder runter schiebe. Mit einem dankbaren Nicken nehme ich die Zigarette entgegen und bin froh, dass ich so nicht mehr gezwungen bin, irgendein weiteres Wort über Sarah Essen zu verlieren. Als ich noch im GCPD gearbeitet habe, kannte ich sie vom Sehen, aber wirklich Kontakt hatte ich mit ihr nicht. Man hat sich höchstens mal am Kopierer getroffen oder wenn einer der Polizisten Probleme mit seinem Computer hatte, die ich dann wieder beheben durfte. Im Nachhinein betrachtet habe ich als Leiter der Cyber Crime Unit erstaunlich viel Zeit damit verbracht, die großen und kleinen Wehwehchen der IT zu beheben, die hauptsächlich auf die unzureichenden Kenntnisse der Benutzer zurückzuführen sind, anstatt mich um Internetkriminalität zu kümmern. Harvey scheint Freude daran zu haben, von einem Fettnäpfchen ins Nächsten zu hüpfen, aber das liegt vermutlich größtenteils am Alkohol. Ich jedenfalls versuche mich aus diesem Gespräch rauszuhalten und denke mir meinen Teil. Mir sind natürlich auch einige Gerüchte zu Ohren gekommen und auf der Weihnachtsfeier damals war die erotische Spannung zwischen dir und Sarah fast schon greifbar. "Zu so etwas gehören immer Zwei ...", sage ich leise, während ich mich krampfhaft an meinem Glas festhalte. "Ich meine ... Du wirst sicherlich einen Grund gehabt haben, um ... na ja ... dass zu machen, was du gemacht hat ..." "Das ist allerdings wahr", stimme ich zu und werfe dir einen vielsagenden Blick zu. "Meine Ehe stand vor dem Aus, weil ich ständig bis zum Hals in Arbeit gesteckt habe. Meine Frau konnte aber nicht verstehen, warum diese Arbeit so wichtig war. Sarah schon. Ihr ging es ja genauso ..." Betrübt starre ich in mein Glas. "Im Nachhinein ist mir klar, dass ich Barbara und die Kinder schrecklich vernachlässigt habe und ich hasse mich dafür. Aber zu diesem Zeitpunkt, habe ich nicht nachgedacht." Harv betrachtet uns eine Weile. Sein leichtes Schwanken will nicht so ganz zu seinem grüblerischen Gesichtsausdruck passen. "Ihr beide seid euch wirklich ähnlich", lallt er schließlich und lässt mich die Stirn runzeln. "In schweren Zeiten sucht ihr Trost bei Frauen, die eindeutig nicht gut für euch sind." Seine Stimme wird fast väterlich, wenn auch nach wie vor betrunken. "Und ihr denkt nicht über die Konsequenzen nach, wenn ihr einfach über diese Frauen herfallt." Er sagt es mit einem belustigten Grinsen, trifft damit aber so ziemlich ins Schwarze. Ich bin mit Sarah im Bett gelandet und habe meine Familie endgültig kaputt gemacht. Du bist mit Babs im Bett gelandet und nun ist sie mit gerade mal achtzehn Jahren schwanger und das von einem Mann, der andere Sorgen als Kindererziehung hat. Da ich nicht wirklich weiß, was ich zu deinen Worten sagen soll, lasse ich es. Ich habe ohnehin schon viel zu viel zu diesem Thema gesagt und das Beste wird es sein, wenn ich ab jetzt die Klappe halte. Ich fühle mich dabei sowieso schon unwohl genug und muss es nicht noch weiter steigern, bloß weil ich mich nicht beherrschen kann. Unsicher starre ich in mein Glas, in dem noch eine kleine Pfütze Whiskey ist, als Harvey das Wort ergreift und mich dazu veranlasst, ruckartig den Kopf anzuheben und ihn erstaunt und fragend anzusehen. Seine Worte lassen mich mit einem Schlag noch unwohler fühlen und ich wünsche mir in diesem Moment, dass ich bloß nichts gesagt hätte. Aber nun habe ich den Salat und es bringt sicherlich herzlich wenig, wenn ich jetzt sage, dass nicht ich die Initiative ergriffen habe, sondern Barbara. Aber ganz unschuldig bin ich auch nicht an der Situation, schließlich habe ich ja mitgemacht. Eigentlich bin ich versucht, mich irgendwie zu verteidigen, aber in meinem Hirn herrscht gähnende Leere, weswegen ich nur ein unintelligentes "Ähm ... Ich ..." zustande bekomme, ehe ich den letzten Rest Whiskey trinke und an meiner Zigarette ziehe. Nur nichts mehr sagen, sage ich mir selbst in Gedanken. Einfach Klappe halten und stur lächeln. Harv und ich sehen erst dich und dann einander an, ehe wir in amüsiertes Gelächter ausbrechen. "Jetzt guck nicht so bedröppelt", meint Harv lachend und auch ich nicke. "Wir haben das doch inzwischen zur Genüge ausdiskutiert", füge ich hinzu. "Ich habe nicht mehr vor, dir deswegen den Kopf abzureißen. Wenn man's genau nimmt ... Du bringst momentan wenigstens Alles in Ordnung und kämpfst dafür, dass die Dinge ins Reine kommen. Das habe ich nicht gemacht. Ich habe einfach aufgegeben. So gesehen habe ich mir mehr vorzuwerfen als du, Edward." Ich schenke dir ein aufmunterndes Lächeln. "Und ich bin froh, dass meine Tochter einen Kerl abbekommen hat, der sie besser behandelt, als ich mit meiner Frau umgesprungen bin." Harv tut so, als würde er sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischen. "Ihr beide seid ja so süß. Und jetzt nehmt euch in den Arm und knuddelt!" Er macht einen Versuch, mich in deinen Arm zu schubsen, der aber nur darin endet, dass er sich an der Hauswand festhalten muss, um nicht umzukippen. Als ihr zu Lachen anfangt, zucke ich unwillkürlich kurz zusammen und sehe euch unsicher an. Eigentlich sollten eure Worte eine beruhigende Wirkung haben, doch irgendwie bewirken sie eher das Gegenteil und ich möchte vor Scham im Boden versinken. Auch deine Worte machen es nicht besser, doch als du dann meinst, dass Barbara »mich abbekommen« hat, hebe ich irritiert eine Augenbraue und blinzle dich verwirrt an. Habe ich etwas verpasst oder seit wann bist du der festen Überzeugung, dass ich mit deiner Tochter eine feste Beziehung führe? Ich setze in dem Moment an, etwas zu sagen, als Harvey dich in meine Richtung schubsen will und automatisch mache ich einen Schritt rückwärts. Ich schenke Harvey einen mitleidig angehauchten Blick, ehe ich ihn am Oberarm zu fassen bekomme und ihn dann ein wenig umständlich dazu bringe, sich auf die Bank zu setzen. "Ich würde sagen, dass du erst mal genug hast", sage ich, drücke meine Zigarette im Aschenbecher aus, stelle mein Glas ab und gehe vor Harvey in die Hocke gehe. Er sieht mich mit verklärtem Blick an und ich schnippe abwechselnd links und rechts neben ihm mit den Fingern, um seine Reaktion zu testen. Du hast in der Zwischenzeit geistesgegenwärtig ein Glas Wasser aus der Küche geholt, welches du Harvey in die Hand drückst. "Er ist nicht besonders trinkfest, oder?", frage ich an dich gewandt und stehe wieder auf. "Geben wir ihm eine halbe Stunde, um wieder klar im Kopf zu werden. Seine Frau wird begeistert sein ..." Ich sehe dich prüfend an, ehe ich mir seufzend durch die Haare fahre. "Ich weiß nicht was Barbara dir gesagt hat, aber da läuft nichts Festes", sage ich leise und komischerweise verursachen diese Worte ein kleines Stechen in meinem Herzen. Seufzend beobachte ich, wie Harv glucksend sein Wasser süffelt. "Darf ich mal ganz ehrlich sein?" Ich werfe dir einen ernsten Blick zu, der deutlich zeigen dürfte, dass jetzt nicht unbedingt Nettigkeiten zu erwarten sind. "Deine ständigen Beteuerungen, dass du nichts Festes mit Barbara willst, sind nicht nur unglaublich nervig, weil man seine Worte ständig zehn mal überdenken muss, damit der Herr sich nicht zu sehr bedrängt fühlt, sie sind auch schlichtweg geheuchelt. Ich habe es verstanden, Edward. Babs ebenfalls, das kannst du mir glauben." Ich verschränke die Arme vor der Brust und fixiere dich mit einem strengen Blick. "Ich glaube, der einzige hier, der noch nicht verstanden hat, dass er nichts Festes will, bist du. Ich habe nämlich allmählich das Gefühl, dass du nicht uns, sondern dich selbst überzeugen willst, wenn du das alle paar Sätze so betonen musst." Die Worte sind nicht nur ungemein ehrlich und für deinen momentanen Zustand vielleicht viel zu kritisch, sie klingen auch noch so hart, dass sogar Harv die Klappe hält und uns gebannt anstarrt. Im Moment fällt es mir schwer, Mitleid zu empfinden, was sich wohl nur zur Hälfte auf den Alkohol schieben lässt. Es stimmt, was ich sage. Inzwischen ist es einfach nur noch nervig und meine Lust, dich permanent mit Samthandschuhen anzufassen, hält sich derzeit in Grenzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)