Nothing to lose von ChogaRamirez (Arkham Origins) ================================================================================ Kapitel 56: Ihr beide seid doch echt total bekloppt. ---------------------------------------------------- "Ich glaube, ich hätte Angst gehabt, wie du reagierst, wenn ich mit dir kochen will ...", sage ich nachdenklich. "Zurückweisung ist - wie man gemerkt hat - nicht ganz mein Ding. Und ich bin wohl einfach davon ausgegangen, dass du schon so toll genug bist." Ich schenke dir ein schiefes Lächeln. Jetzt, wo du darauf hinweist, sieht man dir natürlich an, dass du ebenfalls keine angenehme Nacht hattest. Ich bin fast ein bisschen erleichtert, dass dir die Sache doch näher gegangen ist, als du gezeigt hast. "Hmmmm", mache ich nachdenklich. Dann fällt mir ein, was mir vorhin schon durch den Kopf gegangen ist. "Mom hat Jimmy langwierig den Flohwalzer beigebracht. Er hat sich recht schwer getan und man hat das Lied fast jeden Tag hier im Haus gehört. Den kannst du doch bestimmt?" Ein wenig erstaunt hebe ich eine Augenbraue an und sehe dich für einen Moment so an, als ob du eher nach Arkham gehörst als ich. Dann zucke ich aber mit den Schultern und drehe mich wieder dem Klavier zu. Ich überlege einen Moment, um mir die Noten für den Flohwalzer ins Gedächtnis zu rufen, ehe ich die Finger auf die Tasten lege und anfange, zu spielen. Allerdings spiele ich nur ein paar Takte, bevor ich wieder aufhöre, den Kopf zu dir drehe und dich auffordernd ansehe. "Der Flohwalzer ist einfach zu lernen. Wie wär's?" Demonstrativ rutsche ich ein Stück auf dem Klavierhocker zur Seite. Kurz halte ich die Luft an und mustere dich eingehend. Ich befürchte fast, dass ich mich verhört habe. Oder dass das ein Scherz ist. Allerdings spricht die Tatsache, dass du zur Seite rutscht, für sich. "Dein Ernst?", frage ich dennoch, während ich mich aus der Decke schäle und auf bloßen Füßen zu dir hinüber tapse . Unsicher lasse ich mich auf die Bank sinken und betrachte die Tasten. "Mom wollte immer, dass ich spielen lerne. Ich habe es für Zeitverschwendung gehalten ... Sie würde sich sicher freuen, wenn ich ihr mal was vorspielen könnte." "Ja, mein Ernst", erwidere ich und meine Mundwinkel zucken kurz. "Du kannst zwar nicht gleich Bach oder Beethoven spielen, aber ich sollte es schon noch hinbekommen, dir den Flohwalzer beizubringen." Ich werfe dir einen kurzen Blick zu. "Ich spiele es dir einmal kurz vor, dann erkläre ich dir die Akkorde." Ich warte keine Antwort von dir ab, sondern beginne gleich damit, ein Stück des Flohwalzers zu spielen. "Siehst du, es ist eigentlich ganz einfach", sage ich nach Beendigung und sehe dich wieder an. "Wir fangen ganz klein mit fünf Tasten an." Ich lasse meine Hände über den Tasten schweben. "Mit der rechten Hand werden diese beiden Töne nacheinander gespielt ..." Mit zwei Fingern der rechten Hand betätige ich zwei schwarze Tasten nacheinander. "Danach wird mit der linken Hand dieser Ton gespielt ..." Mit einem Finger der linken Hand drücke ich wieder eine schwarze Taste. "Dann wird dieser Akkord zweimal gespielt ..." Ich spreize Zeigefinger und den kleinen Finger der rechten ab, um gleichzeitig zwei schwarze Tasten zu drücken. "So, jetzt du", sage ich, nehme meine Hände von den Tasten und sehe dich auffordernd an. Ein Lächeln umspielt meine Lippen, als die vertraute Melodie erklingt. Wenn ich so darüber nachdenke, vermisse ich wirklich die Zeit, als das Haus jeden Tag von Musik erfüllt war. Auch wenn es mich früher eher genervt hat. Aufmerksam sehe ich zu, als du mir die Akkorde erklärst. Beziehungsweise: Es versuchst. Denn als du scheinbar erwartest, dass ich gleich loslege, kann ich dich nur verwirrt anblinzeln. "Eddie, ich habe jetzt schon vergessen, wo du als erstes drauf gedrückt hast ..." Lachend schüttle ich den Kopf. "Bitte nochmal ganz langsam für die Nicht-Virtuosen unter uns." Nur ganz knapp kann ich mich davon abhalten, mir die flache Hand an die Stirn zu schlagen und seufzend den Kopf zu schütteln. Mit einer hochgezogenen Augenbraue werfe ich dir einen missbilligenden Blick zu und frage mich, ob du dich gerade nur so dämlich anstellst, oder ob du wirklich keinen blassen Schimmer von Musik hast. Da es ja heißt »Im Zweifel für den Angeklagten« hoffe ich wirklich auf Letzteres. Mit einem lautlosen Seufzen drehe ich dir den Oberkörper zu, nehme deine Hände und positioniere sie so auf den Tasten, dass du bequem die entsprechenden Akkorde spielen kannst. Meine eigenen Hände liegen genau über deinen, sodass ich dir besser zeigen kann, welche Tasten du spielen musst. "Okay, dann noch mal für Dumme ..." Langsam spiele ich noch einmal die fünf Töne mit deinen Fingern und vermeide dabei jegliche Blickkontakt. Richtig wohl ist mir bei der Sache nicht, nachdem was gestern mal wieder alles vorgefallen ist, aber ich bin überzeugt, dass ich dass gut genug ausblenden kann. Ich kann nicht verhindern, dass ein leichter Rotschimmer meine Wangen überzieht, als du meine Hände nimmst. Ob das so eine gute Idee ist nach den gestrigen Ereignissen? Na ja, letztendlich geht es gerade nur ums Klavierspielen, nicht wahr? Völlig unverfänglich. Ein bisschen pikiert sehe ich dich beim Wort »Dumme« an, lasse es aber unkommentiert. So bist du eben. Mit deiner Hilfe spiele ich die entsprechenden Töne und obwohl deine Nähe etwas ablenkend ist, schaffe ich es, sie mir zu merken und anschließend selbstständig zu spielen. "Geht doch." Zufrieden sehe ich dich an. "Die nächsten bitte, Maestro." Mit einer hochgezogenen Augenbraue sehe ich dir dabei zu, wie du die gezeigten Töne spielst. Die ersten drei Töne bekommst du schon ganz gut hin, nur beim letzten Akkord hakt es noch etwas. Aber für den Anfang ist schon mal nicht so schlecht. "Gut ...", sage ich dann, ohne dich anzusehen. "So geht es dann weiter." Ich demonstriere die entsprechende Reihenfolge erst langsam alleine, dann die Melodie vom Anfang bis zu diesem Punkt und zum Schluss noch einmal die neuen Akkorde alleine. Nachdem ich meine Hände wieder von den Tasten genommen habe, mache ich eine vage wegwerfende Handbewegung, um dir zu signalisieren, dass du es jetzt versuchen sollst. Diesmal gebe ich mir etwas mehr Mühe, mir die Töne gleich beim ersten Mal einzuprägen. Als du geendet hast, atme ich kurz durch und lege dann die Hände auf die Tasten. Die Töne, die ich schon gespielt habe, bekomme ich hin, bei den neuen benutze ich in der Mitte versehentlich eine falsche Taste. "Mist", murmle ich, setze kurz ab und fange noch einmal von vorne an. Diesmal klappt es und tatsächlich erkennt man die ersten Klänge des Flohwalzers. Zufrieden lache ich auf. "Noch etwas holprig, aber mit ein bisschen Übung sollte das was werden", kommentiere ich deine Leistung und gebe mir dabei sogar Mühe, es nach einem Lob klingen zu lassen. "Ich habe doch gesagt, dass es gar nicht so schwer ist. Mit dem entsprechenden Ehrgeiz könntest du es in zehn Minuten spielen." Ich bringe meine Hände wieder über den Tasten in Position. "So, aufpassen. Ich spiele mal das ganze Stück." Überrascht ziehe ich die Augenbrauen nach oben. In zehn Minuten? Soll das jetzt ein Witz sein oder ist das tatsächlich einer dieser seltenen Momente, in denen du mir mal was zutraust? Geschmeichelt und zusätzlich angespornt beobachte ich, wie du mir den gesamten Flohwalzer vorspielst. Wenn man es sich genauer ansieht, ist es eigentlich wirklich einfach. Ich muss zwar ein paar Mal neu ansetzen und schaffe nur den vorher geübten Teil wirklich sicher, aber ich bekomme es tatsächlich hin, deine vorgegebenen Töne nachzuspielen. "Bei dir klingt es zwar besser, aber es wird, oder?" Ich lächle dich breit und zufrieden an, um dir zu zeigen, dass ich keine Widerrede erlaube. "Auch wenn es jetzt sehr klischeehaft klingt, aber Übung macht den Meister", erwidere ich lapidar und erhebe mich von der Klavierbank. "Ich mache jetzt erst einmal Kaffee und du spielst solange, bis es sitzt." Ich gebe mir zwar Mühe, möglich ruhig und langsam zur Küche zu gehen, aber es fühlt sich für mich trotzdem nach einer Flucht an. Klavier spielen, gut und schön. Aber deine unmittelbare Nähe tut mir nicht gut. Denn es reicht nur ein Zeichen der Schwäche, ein Zittern der Finger, und meine ganze Fassade klappt wie ein Kartenhaus in sich zusammen. "Zu Befehl, Sir!" Ich salutiere grinsend in deine Richtung. Das erinnert mich vage an früher. »Ich mache Kaffee und du programmierst das so, dass es funktioniert«. Egal, was du einem beibringst, herrisch bist du dabei allemal. Aber als brave, heute überraschend versöhnlich gestimmte Schülerin leiste ich folge und übe anständig weiter. Dabei verspiele ich mich zwar gefühlte tausend Mal, aber es klappt immer besser und gerade, als du mit einem Kaffee in der Hand wiederkommst, spiele ich bereits die dritte fehlerfreie Runde. Von der Küche her höre ich dir dabei zu, wie du den Flohwalzer übst. Ab und zu verspielst du dich und vor meinem inneren Auge sehe ich schon, wie du am liebsten frustriert auf die Tasten schlagen würdest, so wie du es früher gerne mal mit der Computertastatur gemacht hast, wenn es nicht so lief, wie du es wolltest. Ich lasse mir betont viel Zeit mit dem Kaffee und erst, als du zum ersten Mal das Stück fehlerfrei spielst, hole ich mir eine Tasse aus dem Schrank. Während du auch zum zweiten Mal fehlerfrei spielst, trinke ich eine Tasse Kaffee und kehre mit einer frisch aufgefüllten Tasse zurück ins Wohnzimmer, als du bereits beim dritten Mal bist. "Das waren zwar mehr als zehn Minuten, aber ich habe doch gesagt, dass du das hin bekommst." Mit der Tasse in der Hand setze ich mich wieder neben dich auf die Klavierbank. "Ein kleines bisschen am Tempi anziehen und dann passt das." Natürlich. Kein Lob ohne einen kleinen Dämpfer. Ob du das tust, weil es mich anspornen soll, oder ob du einfach nicht willst, dass jemand genauso perfekt ist wie du, kann ich nicht sagen. Jedenfalls lässt es mich genervt die Augen verdrehen. "Aber natürlich. Wie du wünscht." Tatsächlich schaffe ich es, dir das Stück vorzuspielen und dabei an Tempo zuzulegen, ohne mich zu vertun. Nachdem ich die erste Runde gespielt habe, beginne ich gleich von Neuem. Es fängt an, mir Spaß zu machen. "Sag mal, Edward, was soll das Geklimper am frühen Morgen? Hat der Stress gestern noch nicht gereicht?" Die Tür geht auf und Dad kommt herein, ebenfalls Kaffee in der Hand. Als er uns so vertraut nebeneinander am Klavier sieht und vor allem bemerkt, dass es meine Hände auf den Tasten sind, macht er den Mund auf, als wolle er etwas sagen, lässt es dann aber und schlägt sich seufzend gegen die Stirn. "Ihr beide seid doch echt total bekloppt", stöhnt er, macht auf dem Absatz kehrt und wirft die Tür hinter sich zu. Ich starre kurz auf die Stelle, an der er eben noch gestanden hat, ehe ich anfange zu lachen. "Er hat schon Recht, oder?" Als Jim plötzlich im Raum ist, verschlucke ich mich fast am Kaffee. Ich will gar nicht wissen, was er jetzt denkt, weil wir beide hier so vertraulich am Klavier sitzen. Aber dass er uns für bescheuert erklärt, sagt schon viel aus. Kaum, dass er die Tür wieder hinter sich zugemacht hat, fange ich ebenfalls an zu lachen und verschütte fast den Kaffee über den Tasten. "Na, wo er recht hat ...", stimme ich dir grinsend zu und schenke dir einen amüsierten Blick. "Wie wär's? Komm einfach ein paar Tage mit nach Arkham", schlage ich in einem Tonfall vor, der deutlich macht, dass es ein Scherz ist. Lachend schüttle ich den Kopf. "Sorry, aber ein Tag in dieser Einrichtung und Cobblepot muss seine Nase wahrscheinlich nochmal richten lassen ..." Angewidert denke ich an die anzüglichen Kommentare, die er mir bei meinem letzten Besuch an den Kopf geworfen hat. Arkham ist nicht unbedingt der Ort, an dem ich gerne wäre. "Also, was jetzt? Ich kann den Flohwalzer und das lange nicht so gut wie du. Spielst du mir noch was?" "Cobblepot kann sich mit einer gebrochenen Nase nur verbessern", erwidere ich immer noch grinsend, werde dann aber ernst, als du fragst, ob ich dir noch etwas auf dem Klavier vorspiele und sehe dich einen Moment nachdenklich an. Mir fällt zwar spontan etwas ein, was ich jetzt spielen könnte, allerdings bin ich mir unsicher, ob es überhaupt angebracht ist. Ich starre kurz in meine Kaffeetasse, ehe ich mir einen Ruck gebe und sie dir in die Hand drücke. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)