Nothing to lose von ChogaRamirez (Arkham Origins) ================================================================================ Kapitel 47: Dad, der Mann sitzt nicht in Arkham, weil Alles in Ordnung ist. --------------------------------------------------------------------------- Als ich die Haustür mit dem Fuß hinter mir zuwerfe, weil ich bis obenhin mit Einkaufstüten bepackt bin, ist meine Laune großartig. Besser kann es gar nicht laufen. Mein entzückendes Töchterchen scheint versöhnt. Du bleibst hier. Und kochen kannst du auch noch. Natürlich bin ich etwas übereifrig, aber ich male mir trotzdem wunderbare Familienessen mit dir, Babs und meinem Enkel aus. "Na, ihr zwei Hübschen?", grüße ich fröhlich und hieve meine Erstehnisse auf den Tisch. Pfeifend beginne ich, die Einkäufe auszupacken. "Übrigens ist mir aufgefallen, dass du bescheiden warst und nur Grünzeug aufgeschrieben hast." Ich werfe dir einen väterlichen Blick zu. "Das geht natürlich nicht. Du hast abgenommen seit dem letzten Mal. Da müssen wir was tun." Ich ziehe die Packung Steaks aus einer Tüte, die ich mitgebracht habe. Mein aufgesetzter halbwegs fröhlicher Gesichtsausdruck fällt ein wenig in sich zusammen, als ich dir dabei zusehe, wie du nicht nur Auberginen, Zwiebeln, Zucchini, Tomaten, Paprikaschoten und Knoblauch aus den Einkaufstüten hervor holst, sondern auch noch Steaks. Ich weiß im ersten Moment nicht einmal, was ich dazu sagen soll. Es hatte schließlich einen guten Grund, warum ich nur »Grünzeug«, wie du es so treffend betitelt hast, aufgeschrieben habe. Ich kenne kein Rezept für Ratatouille, in dem man Steaks verwendet. Ein wenig zögerlich komme ich zu dir an die Anrichte und betrachte mit einer skeptisch angehobenen Augenbraue erst deine Einkäufe, dann dich. "Steak ...?", frage ich mit einem deutlich misstrauischen Unterton in der Stimme. "Das hatte ich jetzt nicht mit eingeplant ... Aber okay ..." "Ach, die hauen wir uns einfach parallel dazu in die Pfanne", sage ich unbeschwert und zwinkere dir zu. "Du bist dürr geworden, Edward." Zur Bekräftigung klopfe ich mit dem Handrücken gegen deinen Brustkorb. Man sieht dir wirklich an, das Arkham dir zu schaffen macht. "Außerdem bekommst du unsere werdende Mutter hier nicht mit Gemüse satt", füge ich hinzu und ernte ein empörtes Schnauben von Barbara. "Ich habe schon immer gut gegessen!", beschwert sie sich. Scheinbar ist es ihr unangenehm, in deiner Gegenwart auch nur eine Andeutung über Gewichtszunahme zu machen. Mir liegt ein Kommentar bezüglich meiner angeblichen Gewichtsabnahme auf der Zunge, doch ich schlucke ihn runter und kremple stattdessen die Ärmel des Hemdes bis zum Ellenbogen hoch und blende dabei so gut wie möglich Barbaras Blick aus, der auf meinen linken Unterarm geheftet ist, an dem man noch ziemlich deutlich die lange Narbe sehen kann. "Gut, wo habt ihr die Messer und Pfannen versteckt?", frage ich und sehe dich dabei an. Und erst, als ich diese Frage gestellt habe, wird mir bewusst, dass du mir am Ende nicht mal ein Messer in die Hand gibst, weil du befürchtest, dass ich damit Amok laufe. Ich hebe eine Augenbraue und schiele kurz zu Babs. "In der Küche kennt er sich schon mal nicht aus", sage ich mit nicht wirklich ernst gemeintem Vorwurf in der Stimme. "Ich will gar nicht wissen, was ihr stattdessen getrieben habt." Barbara läuft knallrot an, verzieht sich an den Küchentisch, steht aber sofort wieder auf und rettet sich zu dir an die Theke. Gut, vielleicht war das etwas zu direkt. Sie öffnet den Schrank, in dem unsere Pfannen und Töpfe sind, anschließend zieht sie das Schubfach mit dem Besteck auf. Als sie ein Messer herausholt, starrt sie erst auf dein Gesicht, dann auf deinen Unterarm und schließlich zu mir. "Warum übernimmst du nicht das Schnibbeln, Liebling?", schlage ich mit gezwungenem Frohsinn vor. Letztendlich kann ich die für einen Polizisten typische Vorsicht doch nicht komplett über Bord werfen. Babs sieht jedenfalls mehr als erleichtert aus. "Okidoki, Chefkoch. Was soll ich machen?" Deinen Kommentar, dass ich mich in eurer Küche nicht auskenne, übergehe ich mit einer angehobenen Augenbraue. Mich jetzt deswegen zu rechtfertigen wäre nicht gerade eine kluge Entscheidung. Es wundert mich auch nicht sonderlich, dass du wieder auf ausgerechnet dieses Thema zu sprechen kommst. Und es überrascht mich auch nicht, dass du mir nicht zutraust, Gemüse zu schneiden. Obwohl ich persönlich Barbara nicht unbedingt zutraue, dass hinzubekommen. Aber gut, sei's drum ... Kurz und präzise gebe ich ihr Anweisungen, wie sie das Gemüse schneiden soll, während ich mich schon mal um die Steaks kümmere. Dass du dich derweil an den Küchentisch setzt und uns mit Argusaugen beobachtest, als wärst du unsere Anstandsdame, stößt mir allerdings sauer auf, aber es gibt vermutlich Schlimmeres. Zumindest bekommst du nicht mit, dass ich ein wenig angewidert das Gesicht verziehe, als ich die Steaks in die Pfanne werfe, weil ich mit dem Rücken zu dir stehe. Das Schweigen in der Küche, wird nur noch vom Rascheln der Zeitung unterbrochen, was mich allerdings nicht stört. Eigentlich bin ich ganz froh, dass keiner von euch versucht, mich in ein Gespräch zu verwickeln. So komme ich erstaunlich gut voran und eine knappe halbe Stunde kann ich euch verkünden, dass das Essen fertig ist. "Also ich muss schon sagen, du hast in der Küche einiges auf dem Kasten", lobe ich zwischen zwei Bissen. Das Essen ist wirklich großartig und obwohl ich normalerweise anständig Fleisch bevorzuge, muss ich zugeben, dass das Gemüse der Hammer ist. "Zumindest wird mein Enkel nicht verhungern", scherze ich. Neben mir stöhnt Barbara kaum merklich auf. Was immer sie hat, ich beschließe, es zu ignorieren. Babs scheint es ebenfalls zu schmecken. Was an sich nicht schwer ist, ihr schmecken inzwischen die absonderlichsten Dinge. Aber sie schlingt ihr Essen förmlich herunter, auch wenn sie sich Mühe gibt, sich zu zügeln. Gelegentlich wirft sie dir einen Blick zu. Allerdings werden diese Blicke von Mal zu Mal düsterer. Barbara schaut ein wenig besorgt. Ich schicke dir einen prüfenden Blick. Gut, du leerst deinen Teller nicht so enthusiastisch wie wir. Aber erstens bist du deine Kochkünste sicher einfach schon gewohnt und zweitens soll das kochen ja erst einmal satt machen. "Babs, nun schenk dem Koch doch mal ein Lächeln", mahne ich und stupse sie auffordernd an. Sie sieht dir nur kurz in die Augen, als würde sie nach etwas suchen und starrt dann wieder auf ihren Teller, um die letzten Reste ihres Steaks zu verputzen. Während ihr euch auf eure gefüllten Teller stürzt, als ob ihr halb verhungert wärt, stochere ich eher lustlos mit der Gabel im Gemüse herum. Das Steak, was du mir trotz meines Protestes auf meinen Teller gepackt hast, versuche ich so gut es geht zu ignorieren. Allerdings ist das nicht gerade einfach, da der Geruch des Fleisches - du wolltest dein Steak ausgerechnet blutig haben - langsam aber sicher für Übelkeit bei mir sorgt. Deswegen bekomme ich auch nur ein paar Bissen Aubergine und Paprika runter. Das Gespräch, was du krampfhaft versuchst mit Barbara in Gang zu bekommen, blende ich schon nach kurzer Zeit erfolgreich aus, da aus irgendeinem für mich unerfindlichen Grund meine Blicke immer wieder zu deinem Steak hinüber flackern. Ich bin mir nicht sicher, ob es an Cranes Experiment liegt, aber ich bekomme die Bilder, wie ich meinen Vater umbringe, nicht mehr aus dem Kopf. Und das schlägt mir zusätzlich auf den Magen. Als du mich dann mit dem Ellenbogen anstupst und fragst, ob alles in Ordnung ist, zucke ich so heftig zusammen, als ob ich einen Stromschlag bekommen habe. Gleichzeitig lasse ich die Gabel fallen, die klirrend zu Boden fällt und springe mit einem panischen Blick abrupt auf. "Ich ...", setze ich an, aber meine Stimme versagt. Um die Situation irgendwie wieder in den Griff zu bekommen, raufe ich mir kurz die Haare und merke dabei, wie meine Hände zittern. Mein sicherlich ziemlich wirrer Blick flackert kurz zu euch und mir wird klar, dass ich gerade eine handfeste Panikattacke bekomme. In dem Moment, als du ansetzt, etwas zu sagen, ergreife ich die Flucht. Ich muss unbedingt raus hier. So weit weg wie möglich. Ich zittere wie Espenlaub und atme heftig, als ich die Hintertür förmlich aufreiße und in euren Garten flüchte. Völlig verdattert starre ich auf deinen leeren Platz. Was zum Teufel? Ich sehe zu Barbara herüber, die nur traurig ihr Gemüse aufspießt. "Was war das denn?", keuche ich überrascht. Mein Essen habe ich soeben vergessen. Barbara wirft mir einen bösen Blick zu. "Ist dir nicht aufgefallen, dass es ihm nicht gut geht?" "Was? Nein! Es war doch alles in Ordnung." "Dad, der Mann sitzt nicht in Arkham, weil Alles in Ordnung ist." Täusche ich mich oder werde ich gerade von meiner eigenen Tochter getadelt? Wahrscheinlich übt sie für die Erziehung ihres Kindes. "Willst du nicht mit ihm reden?" Ich fixiere die Tür, als würdest du gleich hereinkommen und ganz laut »April, April« rufen. "Dad …" Babs seufzt, als wäre ich schwer von Begriff. "Eddie und ich wären uns vorhin beinahe an die Gurgeln gegangen. Wenn du nicht willst, dass deine Tochter mitsamt Enkel im Garten erschlagen wird, solltest du mir und Edward das ersparen ..." Dass es zwischen euch beiden nicht so gut lief, ist gleich die nächste schockierende Information. Da geht die Idylle wieder dahin. "Dann rede ich mit ihm ..." Ich springe auf und gehe sogar zum Kühlschrank, um zwei von meinen Feierabendbieren zu holen. Kann ja nicht schaden ... "Zumindest habe ich wieder was über Edward gelernt", sagt Barbara, als ich schon halb zur Tür heraus bin. Ich drehe mich um und sehe, wie sie dein Steak aufspießt und auf ihren eigenen Teller packt. Mit traurigem Ausdruck macht sie sich daran, auch das zu verspeisen. "Er ist Vegetarier." Mit einem flauen Gefühl, weil Barbara nicht mal das über dich wusste, gehe ich nach draußen. Wo habt ihr euch da nur reingeritten? "Edward?", frage ich zögernd. Der Garten liegt bereits im Dunkeln. "Edward, geht es dir gut?" Nein. Ganz offensichtlich nicht. Das es bereits dunkel draußen ist und für Mitte April reichlich frisch, bekomme ich nur am Rande mit, als ich ziemlich durcheinander und schwer atmend auf und ab tigere. In mir schreit Alles danach, so weit wie möglich zu verschwinden. Ganz weit weg von Allem, was irgendwie mit Arkham, meinem Vater oder euch zu tun hat. Da ich aber keine Ahnung habe, wo ich überhin hin soll und sich mein Interesse, wieder von der Polizei gejagt zu werden, stark in Grenzen hält, muss ich wohl oder übel hier bleiben. Dass du ebenfalls nach draußen kommst, bekomme ich nicht wirklich mit. "Nein …", murmle ich leise vor mich hin und realisiere nicht einmal, dass ich gerade damit anfange, Selbstgespräche zu führen. "Das ist Alles nicht real …" Mittlerweile ist es wohl unumstritten, dass Crane mir mit seinem verdammten Experiment wirklich richtig zu schaffen macht. Erst, als du vorsichtig ein paar Schritte näher kommst, bemerke ich deine Anwesenheit, weil die Stufen der Terrasse knarzen. Panisch drehe ich mich zu dir um und starre dich im diffusen Licht des Hauses mit weit aufgerissenen Augen an. "Nein!", schreie ich fast und meine Stimme ist ein paar Oktaven höher als gewöhnlich, was auf meine Panikattacke zurück zu führen ist. "Keinen Schritt näher!" Unwillkürlich gehe ich ein paar Schritte zurück. Ziemlich überfordert stehe ich da und zerbreche mir den Kopf, weil ich nicht wirklich weiß, wie ich damit umgehen soll. Das ist heftig. Und offensichtlich der Grund, aus dem du in Arkham und nicht in Blackgate bist. Seufzend entscheide ich mich letztendlich, mich auf die Stufen zu setzen. Die Biere stelle ich vorerst neben mich. Nicht unbedingt das Richtige in diesem Moment ... "Es tut mir leid", sage ich ehrlich. Vor allem nach Barbaras Zurechtweisung komme ich mir ziemlich mies vor. "Ich habe dich überfordert und hab das Ganze nicht mal mitbekommen ... ich wollte dich nicht unter Druck setzen." Für einen Moment starre ich dich an, ehe ich mir die Handballen an die Schläfen presse und mit zusammen gekniffenen Augen heftig den Kopf schüttle. Ich muss irgendwie diese Bilder aus meinem Kopf bekommen, sonst drehe ich tatsächlich noch durch und laufe wirklich Amok. Dass ich in die Knie gehe und mir sogar Tränen in die Augen steigen, merke ich erst, als ich mich selbst leise schluchzen höre. Deine Anwesenheit habe ich schon wieder komplett ausgeblendet. Auch wie lange diese Panikattacke überhaupt dauert, kann ich nicht sagen. Dass Einzige, was ich mit Bestimmtheit sagen kann, ist, dass ich immer noch wie Espenlaub zittere und es dieses Mal daran liegt, dass ist friere. Nach einer gefühlten Ewigkeit, nachdem ich mich wieder halbwegs im Griff habe, nehme ich mir die Brille ab und fahre mir mit dem Handrücken über die Augen, um die verräterischen Spuren zu beseitigen. Erst dann hebe ich den Kopf an und sehe sich fast schon verzweifelt an. "Ich schaffe das nicht ...", sage ich leise. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)