Nothing to lose von ChogaRamirez (Arkham Origins) ================================================================================ Kapitel 44: Lohnt es sich, die Irrenanstalt und den König der Verrückten gegen eine erzwungene Familienidylle zu tauschen? -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Resigniert lasse ich kurz den Kopf hängen, bevor ich dich wieder ansehe. Vermutlich kannst du den niedergeschlagenen Ausdruck in meinen Augen sehen. Aber das spielt keine Rolle mehr für mich. Ich habe sowieso Alles verloren, was mir auch nur andeutungsweise etwas bedeutet hat. "Was du damit machst, ist allein deine Entscheidung. Ich bezweifle, dass ich dafür noch eine Verwendung habe ..." Kurz huscht ein trauriges Lächeln über mein Gesicht. "Ich verschwinde dann. Pass auf dich auf, okay ...?" Ich warte keine Antwort von dir ab, sondern schnappe mir einfach die kleine Sporttasche und verlasse die Küche, um Jim mitzuteilen, dass sein toller Plan mehr als nur nach hinten losgegangen ist und ich jetzt wieder zurück nach Arkham sollte. Geradezu schockiert starre ich auf die Stelle, an der du eben noch gestanden hast. Ich blinzle verwirrt. Was ich davon halten soll, weiß ich nicht wirklich ... Könnte alles Täuschung sein ... Oder ...? "Scheiße", fluche ich und werfe sofort einen entschuldigenden Blick auf meinen Bauch. Eigentlich wollte ich mir das Fluchen dem Kind zuliebe abgewöhnen. Mit dem Umschlag in der Hand sprinte ich dir nach und erwische dich gerade rechtzeitig, bevor du die Treppe runter in den Keller gehen kannst, um an die Tür von Dads Büro zu klopfen. Ich fasse dich am Handgelenk, um dich davon abzuhalten. "Edward, ich bin um ehrlich zu sein völlig überfordert mit alledem", flüstere ich. Deine Hand lasse ich los, obwohl es mir überraschenderweise auch nach allem, was vorgefallen ist, noch widerstrebt. "Ich habe Angst. Und ich bin verletzt. Aber ..." Ich zucke betrübt mit den Schultern. "Ich kann dich nicht wirklich hassen. Also bitte. Bitte erklär mir, warum du dich so aufführst. Bitte gib mir die Möglichkeit, das Alles zu verstehen." Meine Stimme wird immer flehender und ich klammere mich mit einer Hand an den Umschlag, die andere liegt auf meinem Bauch. "Du kannst danach immer noch gehen. Aber lass mich nicht so zurück, okay? Bitte ..." Noch einmal greife ich nach deiner Hand, diesmal um dich zurück in die Küche zu ziehen. "Ich werde dich auch nicht mehr anschreien", verspreche ich. "Ich bin es sowieso leid, immer zu schreien und zu streiten ..." Ich weiß nicht, ob du es bemerkst, aber als du plötzlich neben mir stehst, zucke ich heftig zusammen. Verflucht sei Crane und sein Experiment! Im ersten Moment sehe ich dich vermutlich ziemlich ängstlich an, ehe sich mein Gesichtsausdruck zu deutlich verwirrt ändert. Gerade hast du mir noch die Pest an den Hals gewünscht und jetzt das? Und da behauptet Crane, ich hätte extreme Stimmungsschwankungen ... Mit einer irritiert angehobenen Augenbraue lasse ich mich von dir zurück in die Küche ziehen und bleibe dann unschlüssig mitten im Raum stehen, nachdem du meine Hand losgelassen hast. "Ähm ...", murmle ich verwirrt und schüttle kurz andeutungsweise den Kopf, um irgendwie wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Wenn du schon überfordert bist, was soll ich dann davon halten? "Das ist alles ziemlich kompliziert ... Und ziemlich schwer zu erklären ...", sage ich leise und raufe mir nervös die Haare. "Ich bin ja eigentlich gar nicht auf dich wütend. Es ist nur ..." Ich breche ab und werfe dir einen fast schon flehenden Blick zu, in dem die stumme Hoffnung liegt, dass du mich nicht dazu zwingst, wirklich zu erklären, dass ich Crane abgrundtief hasse. So verloren, wie du in der Küche stehst, wirkst du in etwa so, wie ich mich fühle. "Was?", frage ich zögerlich. "Was ist es? Edward ..." Weil ich es nicht fertig bringe, dich anzusehen, befasse ich mich damit, den Umschlag zu öffnen. "Von meiner Warte sieht es so aus, als hättest du mich dummerweise geschwängert und dich dann entschieden, dass dir das völlig schnuppe ist, immerhin kann ich ja einfach abtreiben. Du hast mir Dinge an den Kopf geworfen, die deutlich vermittelt haben, was du von mir hältst. Es sieht aus, als wäre dir egal, wie es mir geht. Und das du jetzt hier bist ist ziemlich verwirrend ..." Ich schaffe es, mit zitternden Händen den Umschlag aufzumachen und ertaste Papier. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. "Ich hatte einen beschissenen achtzehnten Geburtstag ...", seufze ich. "Dad wollte mir auch eine Karte schenken, aber ich hab sie nicht mal angenommen, weil ich so fertig war." Ich ziehe die vermeintliche Karte aus dem Umschlag und stutze, als ich stattdessen Dokumente in meinen Händen halte, die ich erst nicht zuordnen kann. "Hatten sie kein schöneres Papier in Arkham?", witzele ich, aber das Lächeln gefriert mir auf den Lippen, als ich genauer lese. Besitzdokumente. Und nicht nur irgendwelche. "Der Mustang?", keuche ich völlig verdattert. "Du ... was?" Schockiert sehe ich dich an. In meinem Kopf rattert es. "Warum?" Mir kommt der Gedanke, dass du dich mit dem Wagen vielleicht frei kaufen willst. Auto gegen Vaterpflichten, klingt doch plausibel. Aber ein Blick auf dich lässt mich ahnen, dass dir danach nicht wirklich der Sinn stand. "Edward ...", flüstere ich, stocke, weil ich mal wieder anfange zu weinen, und setze neu an. "Eddie, das ... danke." Ich schniefe leise und wische mir die Tränen mit dem Ärmel weg. Ein vorsichtiges Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich sehe, wie geschockt du über den Inhalt des Umschlages bist. Aber du scheinst dich zumindest zu freuen. Na ja, ich hoffe zumindest, dass ich deine Reaktion richtig interpretiere. "Na ja ...", murmle ich leise und reibe mir angestrengt und angespannt den Nacken. "Ich denke nicht, dass ich so schnell wieder Verwendung für ihn habe und bevor er sich im GCPD kaputt steht, hielt ich es für das Beste, wenn sich Jemand um ihn kümmert, der ihn auch zu schätzen weiß ..." Ich werfe dir einen vorsichtigen Blick zu. "Dein Dad hat mal erwähnt, dass du ihn am liebsten sofort mitnehmen würdest. Du hattest Geburtstag ... Zähl Eins und Eins zusammen ..." Kurz zucke ich mit den Schultern. "Ich denke mal, du wirst dich gut um ihn kümmern, oder?" Ich muss den Kopf senken und schwer schlucken. Auch wenn der Mustang nur ein Auto ist, hat er mich viele Jahre lang begleitet und so komisch es auch ist - der Abschied fällt mir nicht gerade leicht. Ich kann gar nicht anders, als dein Lächeln zu erwidern. Es bedeutet mir viel, dass du mir den Wagen anvertrauen willst. Ich weiß, wie wichtig er dir ist. Und dass du ihn mir schenkst, obwohl ich mich schon mal mit einem Schlüssel darüber hergemacht habe. Was ich im Nachhinein ziemlich bereue. Vorsichtig mache ich ein paar Schritte auf dich zu, bis ich vor dir stehe. "Ich wollte den Wagen nicht für mich, weißt du. Aber diese ganzen schmierigen Idioten haben sich schon die Finger danach geleckt. Ich wollte nicht, dass diese Kerle dein Auto bekommen ... Also das ..." Ich deute auf die Dokumente in meiner Hand. "Das bedeutet mir viel, Eddie. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich werde gut auf ihn aufpassen." Hastig blinzle ich ein paar Tränen weg. "Auch wenn es nicht das beste Familienauto ist", versuche ich mich halbherzig an einem Witz, aber die Tränen fließen trotzdem weiter. Etwas ängstlich sehe ich dich an. "Wäre es zu viel für dich, wenn du mich mal in den Arm nimmst? Völlig unverbindlich natürlich ..." Unwillkürlich verkrampfe ich ein wenig, als du auf mich zu kommst und schließlich direkt vor mir stehen bleibst. Zwar ist mir deine Nähe nicht so unangenehm wie die von vielen Anderen, aber aufgrund der unschönen Situation, die uns hier in eurer Küche zusammen geführt hat und der Tatsache, dass ich zurzeit sowieso ein wenig schreckhaft bin, reagiert mein Körper inzwischen schon automatisch. "Wenn du den Wagen nicht behalten willst, kann ich das verstehen", erwidere ich leise. "Wenn er regelmäßig gewartet wird und der Lack wieder in Ordnung ist, dann ist er aktuell etwa fünfzigtausend Dollar wert und er steigt jedes Jahr im Wert." Mit einem schiefen Grinsen zucke ich kurz ungelenk mit den Schultern. "Also für den Fall, dass du daran denkst, ihn zu verkaufen, solltest du zumindest wissen, was er wert ist … Und sei beim Schalten ein bisschen sensibel. Er ist manchmal eine echte Diva …" Bei deiner Frage mache ich automatisch einen Schritt nach hinten und plötzlich steigt das Gefühl der Panik wieder in mir hoch. Und dieses Mal hat es nicht zwangsläufig etwas mit Crane zu tun. Und auch wenn mir bewusst ist, dass du meine Reaktion auf dich beziehen wirst, kann ich gar nicht anders. "Ich … Ähm …", murmle ich hastig, um meine Unsicherheit und aufsteigende Panik zu überspielen. "Ich halte das für keine gute Idee …" Ich schenke dir ein deutlich unsicheres schiefes Lächeln und packe die Tragegriffe der Sporttasche fester. "Und ich sollte jetzt besser zurück nach Arkham …" Auch wenn mein Herz mir gerade lautstark zu verstehen gibt, dass ich ein riesengroßer Idiot bin, ziehe ich es vor, auf meinen Verstand zu hören. Es ist einfach besser – sowohl für dich, als auch für mich – dass wir weiterhin getrennte Wege gehen und so viel Abstand wie möglich zwischen uns bringen. Schon alleine, um dich von dem kriminellen Gesindel und Arkham fernzuhalten, muss ich diesen Weg gehen – auch wenn es mir widerstrebt. "Nimm's deinem Dad nicht übel", werfe ich noch schnell hinterher. "Er hat es nur gut gemeint. Wenn du Jemanden die Schuld geben willst, dann gib sie mir. Ich wollte eigentlich nur, dass du weißt, dass es nicht deine Schuld ist. Wenn es für dich einfacher ist, dann nehme ich die ganze Schuld auf mich. Ein paar Probleme mehr machen den Kohl auch nicht fett ..." "Wow ...", flüstere ich und starre auf die Dokumente in meiner Hand. "Nein, ich werde den Wagen definitiv behalten. Warum ihn verkaufen? Dann bin ich halt eine coole Mom mit Sportflitzer. Das kommt sicher gut an in der Vorschule." Ich ringe mir ein Lachen ab, werde aber schnell wieder ernst. "Dann nicht ..." Beschämt lasse ich den Kopf hängen. Was für eine dumme Idee. Warum solltest du mich noch anfassen wollen? Wahrscheinlich hast du jetzt Angst davor, dass gleich das nächste Unglück passiert. Ich schaue traurig auf meinen Bauch. Und sonderlich verführerisch bin ich auch nicht mehr. Da bleiben wohl keine Argumente. Als du ankündigst, zu gehen, atme ich trotzdem tief durch und schüttle den Kopf. "Nein, Edward. Du musst nicht zurück. Du hast ein freies Wochenende, genieß das. Ich halte mich fern versprochen. Verbring Zeit mit Dad, mach dir einen Kaffee." Ich mühe mich für ein Lächeln ab, nach dem mir gar nicht zumute ist. "Es ist unser beider Schuld. Auch wenn ich immer noch nicht verstehe, was eigentlich mit dir los ist." Ich zucke mit den Schultern. "Aber das ist kein Grund, dich zu irgendwas zu zwingen. Keine Angst. Mir ist klar, dass das mit uns beiden für dich nicht dasselbe war. Ich werde mich dir nicht an den Hals werfen." Ganz instinktiv schlinge ich beide Arme um meine Körpermitte. "Es ist gut ... Soll ich dir das Bett im Gästezimmer beziehen?" Auch wenn es mir leid tut, dass du so enttäuscht bist und ich gerne so etwas wie »Es ist nicht deine Schuld« sagen würde, bekomme ich die Worte nicht über die Lippen. Wenn ich es wirklich sagen würde, würdest du nur wieder nachharken, wessen Schuld es dann ist. Und für ein Kreuzverhör habe ich momentan wirklich nicht die Nerven. Also lasse ich die Schultern und den Kopf hängen und hebe ihn erst wieder an, als du sagst, dass ich ruhig hier bei euch bleiben soll. Irritiert sehe ich dich an und blinzle ein paar Mal verwirrt. Ich muss zugeben, dass ich damit nicht gerechnet habe und irgendwie ist das zu schön, um wahr zu sein. Du führst doch wohl nicht etwas im Schilde, oder? Steckst du am Ende schon mit Crane unter einer Decke? "Ich weiß nicht …", murmle ich unsicher. Es ist sehr verlockend, ein ganzes Wochenende fern von Arkham und ganz besonders Crane zu sein. Aber lohnt es sich, die Irrenanstalt und den König der Verrückten gegen eine erzwungene Familienidylle zu tauschen? "Nur wenn dir das wirklich recht ist …" "Ja, ähm ..." Ich fummle nervös in meinen Haaren. "Das ist wirklich kein Problem. Dad scheint sich ja Mühe gegeben zu haben, dich hierherzubekommen. Da will ich ihm seinen Geniestreich doch nicht ruinieren ..." Ich räuspere mich verhalten. Ich weiß nicht wirklich, was ich noch sagen soll. Es kommt mir vor, als würden noch immer tausend Dinge zwischen uns stehen. Nur leider finde ich absolut keinen Zugang zu dir, der mir erlauben würde, sie aus der Welt zu schaffen. Ich seufze abgespannt. "Ich gehe Dad bescheid sagen", informiere ich dich und bin mir selbst darüber im Klaren, dass ich die Chance nutze, aus der unangenehmen Situation zu flüchten. Kurz verziehen sich meine Mundwinkel zu einem fast schon krampfhaften Lächeln, als du Jims Überredungskünste als Geniestreich betitelst. Wenn du wüsstest, dass eigentlich gar nicht so viel überreden notwendig war, würde deine Reaktion sicherlich anders ausfallen. Aber es ist gut so, wie es jetzt ist. Na ja ... Zumindest versuche ich mir das einzureden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)