Nothing to lose von ChogaRamirez (Arkham Origins) ================================================================================ Kapitel 42: Keine zwei Sekunden aus der Anstalt raus und schon eine zwielichtige Übergabe noch zwielichtigerer Ware. -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Ich muss verrückt gewesen sein, dieses Angebot anzunehmen. Absolut durchgeknallt. Vollkommen bescheuert. Allein die Idee, ein ganzes Wochenende – dieses Wochenende – bei dir und Barbara in eurem Haus zu verbringen, grenzt an Wahnsinn. Noch verrückter ist die Tatsache, dass Dr. Crane diesem wahnwitzigen Unterfangen freudestrahlend zugestimmt hat. Okay, freudestrahlend ist vielleicht ein wenig übertrieben, denn er war irgendwie ziemlich komisch drauf, als er mir in der letzten Sitzung – quasi fünf Minuten vor zwölf – mitgeteilt hat, dass du mich heute Nachmittag abholst und erst Sonntag Abend zurück bringst. Keine Ahnung, wie du es geschafft hast, Crane zu überreden, dass er mich mal zwei Tage raus lässt, aber du hast es geschafft. Und ehrlich gesagt fühle ich mich nicht gerade wohl in meiner Haut, während ich hier in meiner Zelle darauf warte, dass es soweit ist. Ich fühle mich eher so, als warte ich darauf, auf den elektrischen Stuhl gebracht zu werden, statt mich auf das haftfreie Wochenende zu freuen. Aber ich sollte zumindest froh sein, dass ich nicht in diesem totschicken orangenen Overall mit dem noch schickeren Arkham-Logo auf dem Rücken draußen rumlaufen muss, denn einer meiner netten und äußerst liebenswürdigen Aufseher drückt mir vor der zeitweiligen Entlassung einen Stapel Klamotten in die Hand und gibt mir gerade mal zehn Minuten Zeit, den Overall gegen den Stapel zu tauschen. Ich sollte ebenfalls froh darüber sein, dass ich nicht mit Handschellen in den Besucherbereich geführt werde, wo du bereits auf mich wartest. Du begrüßt mich zwar freundlich, wirkst aber gleichzeitig ein wenig pikiert, als du mir offenbarst, dass ich während der ganzen Zeit außerhalb von Arkham eine elektronische Fußfessel tragen muss. Passt ja hervorragend zum Outfit. Auf dem Weg zu deinem Dienstwagen bist du ziemlich wortkarg, was mich aber nicht sonderlich stört. Ich habe selber keine Ahnung, was ich sagen soll und deswegen ist es mir nur recht, dass du nicht krampfhaft versuchst, ein Gespräch zu beginnen. Kurz bevor wir deinen Wagen erreicht haben, hält ein Auto, welches mir gut bekannt ist, ein paar Plätze weiter. Mit einer hochgezogenen Augenbraue mustere ich das Auto. Wieso muss der Typ auch immer erst im letzten Moment auftauchen …? "Du erinnerst dich an meinen Anwalt …", murmle ich und nicke in Richtung des Wagens, als du mich fragend ansiehst. Ich warte keine Antwort ab, sondern gehe zügig hinüber, wo Goldberg sich inzwischen auch aus seinem Wagen bequemt hat. Ohne viele Worte zu wechseln drückt er mir einen unscheinbaren braunen Umschlag in die Hand und verabschiedet sich wieder, nachdem ich den Inhalt kontrolliert habe. "Edward", sage ich warnend und beobachte, wie du überprüfst, was auch immer dein Anwalt dir da zugesteckt hat. Na, das fängt ja super an. Keine zwei Sekunden aus der Anstalt raus und schon eine zwielichtige Übergabe noch zwielichtigerer Ware. "Wärst du so freundlich mir zu sagen, was zum Teufel du da hast?" Ich bin auch so schön nervös genug. Im Nachhinein bin ich nicht ganz sicher, ob diese Idee wirklich so toll war. Immerhin weiß Barbara noch von nichts. Und dich ein Wochenende lang in meinem Haus zu beherbergen, könnte durchaus in einem Desaster enden. Andererseits steht es mir ja offen, dich sofort wieder in Arkham abzuliefern, wenn du es übertreibst. "Nur ein bisschen Papierkram ...", erwidere ich ausweichend, nachdem ich wieder an deinem Wagen bin und den Umschlag in die Innentasche meiner Jacke gesteckt habe. "Keine Panik. Es ich nichts, was die nationale Sicherheit gefährdet." Ich fummle ein bisschen am rechten Hosenbein herum, um irgendwie den Stoff über die Fußfessel zu bekommen, was sich als schwieriger als gedacht heraus stellt. Aber ich schaffe es mit ein bisschen Überredungskunst und schnappe mir die kleine Sporttasche, in der ein bisschen persönlicher Kram und Klamotten für dieses Wochenende sind. "Können wir dann?", frage ich und sehe dich abwartend an. Und ein nicht gerade kleiner Teil von mir hofft, dass du mich postwendend wieder bei Crane ablieferst. Meine Augen sind misstrauisch verengt, als du deinen »Papierkram« verstaust. Das gefällt mir nicht. Allerdings will ich genauso ungern einen Streit deswegen vom Zaun brechen oder die Aktion sofort für gescheitert erklären. "Wenn ich dich dabei erwische, wie du mit deinen Papieren irgendwelchen Mist anstellst, überfahre ich dich eigenhändig mit deinem Mustang." Nach einem letzten warnenden Blick halte ich dir auffordernd die Tür zu meinem Dienstwagen auf. "Bitte, der Herr. Einem netten kleinen Wochenende in Freiheit entgegen." "Was soll ich denn für Mist anstellen, während ich unter deiner ständigen Überwachung bin und jeder Schritt von mir aufgezeichnet wird?", stelle ich eine Gegenfrage und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. "Und es ist unfair, den armen Mustang da mit hinein zu ziehen." Ich folge deiner Aufforderung, lasse mich auf dem Beifahrersitz nieder und werfe die Sporttasche hinter mich auf den Rücksitz. Während du dich ans Steuer setzt, schnalle ich mich an und verfalle dann in Schweigen, bis wir aus der Sichtweite von Arkham sind. "Besteht die Möglichkeit, dass wir einen kurzen Abstecher in die nächste Mall machen?", frage ich und werfe dir einen vorsichtigen Blick zu. "Die Klamotten sind furchtbar und ich würde sie gerne gegen etwas ... na ja, sagen wir ... Angemesseneres tauschen." Zur Unterstreichung meiner Worte zupfe ich an dem wirklich hässlichen Strickpullover mit Rautenmuster herum. Kurz löse ich meinen Blick von der Straße und schiele zu dir herüber. "Angemessen, so so", murmle ich nachdenklich. Machst du dir also sogar Gedanken über dein Outfit? Ich würde mir gerne einbilden, dass du dich meiner Tochter so gut wie möglich präsentieren willst. Viel wahrscheinlicher ist es in diesem Fall jedoch, dass du einfach ein eitler Tropf bist. Was ich dir in diesem Fall nicht mal verdenken kann, der Pullover ist nämlich in der Tat potthässlich. "Ich will stark hoffen, dass du nicht vorhast, durch irgendeinen ausgeklügelten Plan abzuhauen?", brumme ich. "Sollte das der Fall sein, würde ich dafür sorgen, dass dieser Pulli deine neue Patientenkleidung wird, wenn du zurück kommst." Mit einem noch recht entspannten Lächeln auf den Lippen biege ich an der nächsten Kreuzung in Richtung der Mall ab. "Wenn du dir so viele Gedanken darüber machst, ob ich untertauche, dann komm doch einfach mit", schlage ich lapidar vor. "Sollte nicht lange dauern und ich habe sicherlich nicht vor, Stunden mit »shoppen« zuzubringen ..." Ich zucke kurz mit den Schultern. "Orange ... Rauten ... Ist Alles grausam ... Das alleine ist schon Motivation genug." Und ich behalte recht. Es dauert keine halbe Stunde, ehe wir zusammen wieder die Mall verlassen und ins Auto steigen. Den Pullover habe ich mittlerweile gegen ein weißes Hemd, einen dunkelgrünen Pullunder und ein schwarzes Sportsakko getauscht. Die beigefarbene Leinenhose von Arkham ist das einzige Kleidungsstück, was ich behalten habe. Zusätzlich habe ich mir noch weitere Klamotten geholt, was mich insgesamt knapp dreihundert Dollar gekostet hat. Goldberg hat zum Glück genügend Scheine in den Umschlag gesteckt, weswegen es mich nicht sonderlich stört, so viel ausgegeben zu haben. Gutes Aussehen kostet nun mal und solange ich das nötige Kleingeld habe, gebe ich es gerne dafür aus. "So", sage ich mit einem erleichterten Seufzen, als wir wieder im Auto sitzen. "Jetzt kann es ja endlich losgehen." Ich bin froh, dass wir das ohne Zwischenfälle überstanden haben. Mit dir hier draußen herumzuspazieren ist immerhin ein Risiko und um einiges nervenzehrender, als ich mir das ausgemalt hatte. Deswegen bin ich recht froh, dass ich den Wagen wieder anlassen und dich endlich nach Hause kutschieren kann. "Bist du nervös?", frage ich. Wen eigentlich, dich oder mich selbst? Fragend hebe ich eine Augenbraue, während ich dich ansehe. "Habe ich denn einen Grund, nervös zu sein?" Ich mustere dich einen Moment, ehe ich lautlos seufze. "Barbara hat keine Ahnung, richtig?" Na ganz große klasse ... Dabei hatte dieser Tag halbwegs gut angefangen. Wenn Babs wirklich nichts über meinen - nicht ganz freiwilligen - Besuch weiß, wird die Hölle los sein, wenn wir da sind. "Ich hielt es für besser, ihr nichts zu sagen ..." Mein Blick ist stur geradeaus auf die Straße geheftet. "Sie hätte niemals erlaubt, dass ich dich mitbringe. Dafür ist sie zu verletzt. Wenn ich sie vor vollendete Tatsachen stelle, kann sie nicht mehr viel tun. Außer dich mit einem Küchenmesser aus dem Haus zu jagen vielleicht." Ich lache nervös auf, weil mein eigener Witz erschreckend plausibel klingt. "Vielleicht versuchst du einfach ... na ja ... nett zu sein?" Ich sehe dich kurz hoffnungsvoll an. "Na ja ...", erwidere ich mit einem schiefen Grinsen. "Wenigstens ist sie dann zur Abwechslung mal auf dich sauer ..." Ich lasse meinen Blick nachdenklich aus dem Seitenfenster schweifen und schweige für einige Sekunden. "Ich denke, ein Küchenmesser wäre mein kleinstes Problem ..." "Ich bezweifle, dass sie sich noch daran erinnern wird, dass ich da bin, sobald sie einen Blick auf dich wirft ..." Rasch werfe ich dir ein aufmunterndes Lächeln zu. "Aber hey, du packst das schon. Wenn ich einem außer mir selbst zutraue, mit dem unbändigen Zorn der Barbara Gordon fertig zu werden, dann dir." Das klingt alles recht einfach, aber eigentlich habe ich eine Heidenangst, was als nächstes passieren wird. "Wenn Barbara wirklich keinen Bedarf hat, dich zu sehen, dann werde ich dich wohl noch heute zurückbringen müssen." "Meinetwegen können wir auch gleich umdrehen ...", murmle ich, während ich dir einen skeptischen Blick zuwerfe. Ich ahne, dass du dir bereits das Schlimmste in Gedanken ausmalst. "Wenn du dich dann wohler fühlst ..." Ich raufe mir kurz die Haare und grinse schief. "Ich hätte vielleicht wirklich Beruhigungsmittel mitgehen lassen sollen ..." "Jetzt mal keine Panik", sage ich - hauptsächlich zu mir selbst - und klammere mich am Lenkrad fest. "Sie hat jedes Recht wütend zu sein und letztendlich ist es ihre Entscheidung. Aber es ist ein Beweis, dass dir nicht alles egal ist, wenn du mit ihr sprichst. Selbst wenn mit ihr sprechen bedeutet, dass du ruhig bist, während sie dich anschreit." "Man könnte fast meinen, dass du hier derjenige bist, der kurz dafür ist, in Panik auszubrechen", erwidere ich mit einer hochgezogenen Augenbraue, während ich dich mustere. Du bist eindeutig nervöser als ich. Gut, auch ich fühle mich nicht gerade wohl in meiner Haut und je näher wir eurem Haus kommen, desto mehr fängt mein Magen an zu rebellieren. Zum Glück habe ich heute das Mittagessen ausfallen lassen. Na ja, bei dem Fraß, den sie uns in Arkham vorsetzen ... Und nachdem, was ich mit Crane erlebt habe, ist eine wütende Barbara fast schon einfach. "Mir ist klar, dass sie zu recht wütend ist. Aber kannst du meinen Zweifel nicht wenigstens ein bisschen verstehen?" "Kann ich schon. Aber du darfst nicht vergessen, dass sie meine Tochter ist, Edward", seufze ich. "Sie geht definitiv vor, egal wie gut deine Gründe sind. So ist das mit Familie." Ich lange kurz zu dir hinüber und drücke deine Schulter. "Das wirst du schon noch merken, wenn du nicht vorher Muffensausen bekommst und alles hinschmeißt." So unbeschwert es auch klingen sollte, ein bisschen Bitterkeit ist da in meiner Stimme. Ich befürchte immer noch, dass Alles gut geht, Barbara sich versöhnlich zeigt - und letztendlich alles daran scheitert, dass du im letzten Moment einen Rückzieher machst. "Ich denke, dass ich in der Lage sein werde, ihr verständlich zu machen, wieso das Alles passiert ist. Allerdings kann ich nicht dafür garantieren, dass sie es auch gut aufnimmt. Sie steigert sich gerne in Sachen hinein ..." Ich seufze lautlos und verspüre das dringende Bedürfnis nach einer Kippe. "Weißt du ...", sage ich nach einem Moment des Schweigens. "Ich habe keine Ahnung, wie ich das hinbekommen soll. Ich meine diesen ganzen Familienkram und so ..." "Von hineinsteigern kann hier wohl kaum die Rede sein. Oder bist du der Meinung, für Barbara wäre das alles halb so schlimm und du bist der einzige Leidtragende in dieser Angelegenheit?", sage ich streng. Deine Ehrlichkeit stimmt mich allerdings schon wieder versöhnlich. "Das schöne an diesem Familienkram ist ja, dass man ihn nicht allein hinbekommen muss. Du kannst zu mir kommen, wenn du Probleme hast. Und Barbara wird dich sicher auch nicht überfordern wollen. Wahrscheinlich wird sie solche Angst haben, dich wieder zu verjagen, dass sie dich nur noch mit Samthandschuhen anfasst." Eigentlich liegt mir eine sarkastische Antwort auf der Zunge, aber da ich keine Lust habe, dass du mich jetzt aus dem Wagen wirfst, schlucke ich sie runter und ziehe es vor, schweigend aus dem Seitenfenster zu sehen. Im Prinzip hast du ja recht. Für Barbara ist es sicher auch nicht gerade einfach. Aber im Gegensatz zu mir hat sie genug Leute, die ihr unter die Arme greifen. Allen voran du – und die Fledermaus. Schon alleine bei diesem Gedanken bekomme ich schon wieder schlechte Laune. Und jede Wette, Crane würde sich gerne als dein Schwiegersohn anbieten. Crane … Tja, er ist mittlerweile zu einer fast unberechenbaren Komponente geworden. Und ich muss echt aufpassen, was ich in Arkham tue und lasse. Irgendwie muss ich zusehen, dass ich ein paar Druckmittel gegen ihn in die Hand bekomme, um zu verhindern, dass er wieder mit seinen Experimenten anfängt. Ohne, dass ich es wirklich bemerke, weil ich so in Gedanken versunken bin, biegen wir auf eure Straße ein. Eigentlich würde ich gerne noch irgendetwas sagen, aber mir fällt nichts ein, was in dieser Situation angemessen wäre. Also stelle ich den Wagen schweigend in der Auffahrt ab und starre das Garagentor an. Barbara wird gerade da drinnen sein und von nichts wissen. Ein Buch lesen, fernsehen, aber auf alle Fälle nicht damit rechnen, dass ich dich gleich mitbringe. Tief in mir regen sich jetzt schon die Schuldgefühle. Sollte ich meiner schwangeren Tochter diesen Stress wirklich zumuten? Ich fahre mir ratlos durch die Haare. Es ist das Beste, rede ich mir ein. Solange du dich nicht benimmst wie der letzte Idiot und wieder Alles in den Sand setzt. "Na los", seufze ich schließlich. "Stürzen wir uns mal in die Höhle des Löwen." Ich steige aus und warte, bis du deine Tasche geholt hast und zu mir gekommen bist. Dann verriegle ich den Wagen und gehe dir voran zur Haustür, die ich mit zittrigen Händen öffne. "Babs, Liebling?", rufe ich und winke dich herein. "Ich habe Besuch mitgebracht." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)