Yajuu 2 von Avyr (-beyond redemption-) ================================================================================ Kapitel 27: Der Vertrag ----------------------- Es war kurz vor Sonnenaufgang, als sich Luca erschöpft auf das Dach des Hauses begab, um dort nachzudenken. Über eine Treppe im Dachboden kam man nach oben und er nutzte diesen Ort oft, wenn ihn Probleme oder Sorgen plagten. Schon wieder hatte er Lua verloren und jetzt waren im Haus auch noch lauter fremder Leute. Wie sollte er das den Kleinen nur wieder erklären. Da räusperte es sich hinter ihm. Langsam entglitt ihm alles und das wirkte sich nicht gerade positiv auf seine Psyche aus. „Luca, ich glaube, du bist uns langsam echt eine Antwort schuldig.“, raunte es ungeduldig hinter ihm. Die Zwillinge waren schon lange keine kleinen Kinder mehr, es war nur eine Frage der Zeit, bis sie all dies nicht mehr übersehen würden. „Wo ist Tiara?“, fragte Luca. Wenigstens sie sollte noch ein bisschen friedlich leben können. Sie war noch so jung. „Wir haben sie ins Bett gebracht, aber jetzt wollen wir keine Ausflüchte mehr hören. Die letzten Wochen und Monate haben wir über alles großzügig hinweg gesehen, aber all diese fremden Leute in unserem Haus und diese Geheimnistuerei, wir wollen jetzt endlich wissen, was hier eigentlich los ist.“, erklärte ihm Seth. „Richtig.“, stimmte ihm sein Bruder zu. Luca seufzte und drehte sich zu den beiden um. „Hört zu, dass ist alles ziemlich kompliziert. Ich habe euch deswegen nichts verraten, weil wir wollten, dass ihr in all das nicht mit hinein gezogen werdet.“ „Luca, wir sind nicht mehr neun. Außerdem sind wir doch eine Familie oder?“, beklagte sich Yara und Luca bescherte das sogleich ein schlechtes Gewissen. Er wünschte sich, dass Lua jetzt hier wäre, denn sie wusste immer die richtigen Worte in solchen Situationen zu finden. Aber sie war nicht hier. Er musste da jetzt allein durch. „Also gut…“, seufzte er und fühlte sich plötzlich unendlich müde. Zwar hatten ihn die Kämpfe ausgelaugt und nach seinem schnellen Ausflug zu Piks Assistenten hätte er sich noch müder fühlen sollen, aber all diese Empfindungen kamen erst jetzt, da Yara und Seth ihn konfrontierten. „Die Wahrheit ist, dass außer Pik niemand unserer Gäste ein Mensch ist, ok? Wir haben schon lange mit diesen Übernatürlichen zu tun.“ „Also auch Kyria, nicht wahr?“, fragte Seth bestätigend. „Richtig, sie ist eine Exile und… Lua ist es auch.“ Diese Worte kamen ihm nur schwer über die Lippen. Natürlich war ihm bewusst, dass Lua eigentlich auch keine Exile war, aber er hatte jetzt nicht vor das auszuweiten. „Hat sie… uns deswegen damals verlassen?“, fragte Yara kleinlaut. Trotzdem reagierten die beiden um einiges ruhiger, als er erwartet hatte. Offensichtlich hatten sie sich das Meiste schon selbst gedacht, es nur noch nicht bestätigt gefunden. Jetzt wussten sie es. „Ja.“, war Lucas schlichte Antwort. „Sie wollte euch beschützen.“, fügte er dann jedoch noch an. „Wieso kam sie dann zurück? Nicht, dass wir uns nicht gefreut hätten, aber das alles muss doch einen Grund haben.“ „Nun, in dieser Stadt gehen sehr viele Dinge vor, die normale Menschen nicht wissen sollten. Lua kam zurück, weil sie hier etwas zu erledigen hatte.“ Er versuchte es so leicht wie möglich zu erklären, ohne lügen zu müssen. „Und wo ist sie jetzt?“, fragte Seth und durchbohrte ihn mit einem tiefgreifenden Blick. „Ich weiß es nicht… Sie ist spurlos verschwunden.“, gab Luca zurück. Was hätte er hier lügen sollen. Natürlich sah er den beiden an, dass sie sich instant zu sorgen begannen und versuchte die Sache so gut es ging herunterzuspielen. „Aber macht euch keine Sorgen, wir sind bereits an der Sache dran.“ Er sah den beiden an, dass sie das nicht großartig beruhigte. „Sag Luca, bist du auch ein Exile?“ Diese Frage überraschte ihn. „Nein.“, platzte es aus ihm heraus. Nun tauschten die Zwillinge wieder vielsagende Blicke, die aber nur die beiden deuten konnten. „Entschuldige diese Frage, aber irgendwie hast du dich in letzter Zeit auch verändert und daher dachten wir… naja, aber anscheinend ist dem nicht so.“ „Ich verstehe, naja, ich an eurer Stelle hätte wohl dasselbe gedacht.“, brummte Luca nun. „Wieso hast du uns eigentlich nie verraten, als was du arbeitest? Seit dem umgibt dich immer so eine finstere Aura. Erst als Lua wiederkam, ist das wieder besser geworden. Auch du verbirgst etwas vor uns.“ Die Zwillinge hatten ja Recht. Sein Geheimnis war ja auch nicht gerade ohne. Schließlich war er immer noch ein Auftragsmörder für Lucius und ein Mensch war er auch nicht mehr. Aber konnte er ihnen jetzt nicht erklären, was eine Chimäre war. Zumal ja sowieso niemand davon erfahren durfte, was aus ihm geworden war. „Jungs, es gibt die Dinge, die kann man einfach nicht leichtfertig aussprechen. Es tut mir Leid, dass ich euch nicht alles erzählen kann, aber eines Tages sage ich es euch…“ Nun ging er in Richtung Treppe, blieb zwischen den beiden stehen und legte je eine Hand auf ihre Schulter. „Ich mag kein Exile sein, mein Blut hat sich dennoch verändert.“ Damit ging er zurück ins Haus und ließ die Zwillinge zurück. … Drei Tage waren vergangen, seit sie das Labor gestürmt hatten. Seraphis war noch immer nicht aufgewacht, dafür ging es Pik jedoch wieder gut genug, um zu seinem Job zurück zu kehren. Luca begleitete seinen Freund in sein Büro, während Kyria auf Seraphis achtgab. Noch bevor sie das Büro betraten, vernahm Luca jedoch eine fremde Aura. Sie stand nur vage in der Luft und war weder einer Person noch einem Ort zuzuordnen. Auch Pik schien es zu bemerken, reagierte darauf aber gelassen. Kaum hatte sich die Bürotür hinter den beiden geschlossen und sich Pik in seinen Sessel gesetzt, da erschien praktisch aus dem Nichts eine Person. „Sei gegrüßt Pik, du hast mich rufen lassen?“, fragte die seltsame Frau mit honigsüßer Stimme. Ihr Aussehen war ziemlich schräg. Ihre Kleidung erinnerte an eine Mischung aus Punk und Harlequin und alles war nach den Farben rot und schwarz abgestimmt. Selbst ihre kurzen, gewellten Haare waren nach diesem Stil. „Du bist ja ganz schön schnell in Erscheinung getreten, Joker.“, meinte Pik unbeeindruckt und mit seinem geschäftsmännischem Lächeln. „Na, es ist solch eine Seltenheit, dass du mich rufen lässt. Daher dachte ich mir, dass es sich ja nur um etwas Interessantes handeln muss. Ich meine, wie oft hast du mich schon gebraucht? Zweimal?“, antwortete sie galant. „Bisher ergaben sich eben keine Gelegenheiten, in denen ich dich hätte rufen können.“, gab Pik trocken zurück. Er schien sie nicht besonders zu mögen, aber Luca teilte seine Meinung. Da war einfach etwas an in dieser Person, die seine Alarmglocken läuten ließen. Dabei hatte sie nicht einmal eine Waffe dabei. „Wieso hast du eigentlich diesem Köter da erlaubt, dabei zu sein? Du kennst doch die Regeln. Nur die obersten Vier dürfen überhaupt von meiner Existenz wissen.“ Eine gewisse Kälte schlich sich in ihre Stimme, doch ihr Lächeln blieb unbeirrt bestehen. „Ich schätze es nicht, wenn du meine Freunde Köter nennst.“, gab Pik nun ebenso kühl zurück, „Das ist Luca und ich habe ihm erlaubt hier zu sein, weil die Angelegenheit, wieso ich dich herbat, unmittelbar mit ihm zu tun hat.“ „Ah ich wollte dich nicht verärgern, Pik. Entschuldige mein Verhalten. Ich hätte wissen sollen, dass du gute Gründe dafür hast.“, entschuldigte sich das Mädchen plötzlich und klang dabei ernsthaft betroffen. Anscheinend hatte sie etwas für Pik übrig oder sie spielte das nur sehr gut. „Also, worum geht es nun?“, fragte sie schließlich. „Ich möchte, dass du Jemanden für uns findest.“, damit zückte Pik ein Bild von Lua und schob es auf den Tisch vor Joker, „Ihr Name ist Lua und sie ist spurlos verschwunden. Ich bin mir sicher, dass du schon weißt, was in dem Labor neulich ist, also spare ich mir die Erklärungen.“ Joker nahm das Bild an sich und betrachtete es kurz. „Hm, ein hübsches Mädchen, eine Schande, dass sie weg ist. Und du hast richtig vermutet. Ich bin über die Geschichte bereits gut im Bilde. Eine merkwürdige Sache, die für viel Wirbel gesorgt hat. Wusstest du zum Beispiel schon, dass die Hunter plötzlich einen neuen Chef bekommen haben und die Halbvampirin von vorher ebenfalls unauffindbar ist?“ Luca begann sich zu fragen, wer genau dieser Joker war. Ein Mensch war sie offensichtlich auch nicht, aber was sie war, blieb ihm ein Rätsel. Jedenfalls schien sie sehr viele Dinge zu wissen. Dinge, die sie nicht wissen konnte. „Aber egal. Darum geht es ja jetzt nicht oder die Tatsache, dass du dabei geholfen hast ein wichtiges Forschungsobjekt zu stehlen.“, lachte Joker unschuldig. Luca beobachtete Pik und sie ganz genau. Pik war in voller Alarmbereitschaft, gab sich aber gelassen. Vor ihr durfte man sich scheinbar nicht zu sicher fühlen. „Also, hilfst du uns nun?“, fragte Pik sie offen. Joker blickte noch einmal auf das Bild. „Nun, ich vermute, dass Mädchen ist etwas ganz besonderes, wenn du mich schon fragst, sie zu finden. Ich nehme an, ich soll mich nicht zeigen?“ „Richtig. Vorerst sollst du nur ihren Standort ausfindig machen und uns darüber informieren. Es kann sein, dass ich noch weitere Schritte anordne, das kann ich aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.“ Pik wirkte nun wirklich wie ein Geschäftsmann. Kaum zu glauben, dass er so ernst sein konnte. „Gut, ich mach´s. Doch was wirst du mir als Bezahlung anbieten?“ Joker begann wieder zu Lächeln und blickte Pik tief in die Augen. Stille kehrte ein. Luca begann sich zu fragen, ob Pik ihr wirklich die Stirn bieten konnte, da sich keiner die Blöße zu geben schien. Es war wie ein Katz und Mausspiel. Der, der als erste einen Fehler machte, verlor. Nur war es schwer zu sagen, wer nun die Katze und wer die Maus war. Pik setzte nun ebenfalls ein Lächeln auf, auch wenn es eiskalt wirkte. „Wie ich dich kenne, hast du bereits ganz klare Vorstellungen deiner Bezahlung. Wie wäre es, wenn du sie mir einfach verrätst?“ „Reserviert, wie eh und je, mit dir macht das Spielen keinen Spaß, Pik. Nun gut, ich sage dir, was ich fordere. Vor einiger Zeit bat mich jemand um einen Gefallen, doch es ist schwer diesen zu erfüllen. Da kommst du ins Spiel. Es gibt eine Akte in euren Archiven, in die ich gerne Einblick hätte. Sie trägt die Bezeichnung XC70.“ „Das ist alles?“, wunderte sich Pik und auch Luca wunderte sich im Stillen, denn was sie verlangte, war jetzt nicht besonders schwer zu bewerkstelligen. „Ja, das ist alles. Du weißt, dass ich als Joker keinen Zutritt zu den Archiven habe.“, erklärte Joker ruhig und bestimmt. Pik schien zu überlegen, ob es einen Haken an der Sache gab, fand ihn jedoch nicht und so stimmte er schließlich ihren Forderungen zu. „Super, dann mache ich mich gleich auf den Weg, um eure Lua zu finden. Vergiss die Akte nicht, Pik!“, lachte sie fröhlich und ebenso plötzlich wie sie gekommen war, war sie auch wieder verschwunden. „Und du meinst, dass sie das alleine schafft?“, zweifelte Luca nun, nachdem er sicher war, dass sie wieder allein waren. „Sei unbesorgt. Joker ist zwar etwas merkwürdig, aber was ihre Aufträge betrifft absolut zuverlässig. Du musst wissen, Joker ist eine waschechte Hexe und ihr Pendel findet so ziemlich alles, was man suchen könnte. Glaube mir, wenn jemand Lua finden wird, dann sie.“ Pik klang überzeugend und so beruhigte es Luca ein bisschen. Allerdings hatte er in seinem Leben noch nie eine echte Hexe gesehen. Er wunderte sich, wie viel von den Legenden nun wirklich auf sie zutraf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)