Chihiro und Kohaku von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 6: Das Wasserfass ------------------------- Das Wasserfass Haku war am Ende des ersten Tages im Bergwerk fix und fertig. Letztendlich war es aber nicht ganz so schlimm gekommen, wie er zunächst befürchtet hatte. Zuerst hatten sie alle Loren in den Fahrstuhl entladen, was relativ leicht gewesen war und dann war Torooru cirka für eine halbe Stunde nach oben gefahren, so dass Haku sich ein wenig umsehen konnte. Er wechselte zurück in seine menschliche Gestalt, so dass er sich besser bewegen konnte, als in seiner großen Drachenform. Die Nachbarhöhle gegenüber des Aufzuges, die durch einige Grubenlampen erleuchtet wurde, war an der Decke eine Lüftungsschacht mit Ventilator versehen, durch den relativ kühle Luft in den Raum geblasen wurde, so dass es hier vielleicht noch 30°C waren. Rechts neben dem Eingang zu dieser Höhle war ein grob gezimmerte Holzbaracke und die Ausmaße des Bettes darin ließen auf den Troll als Bewohner schließen. Interessanterweise war die Hütte mit einer separaten Luftzufuhr versehen, die oben direkt vom Hauptlüftungsschacht über ein Rohr abgezeigt wurde, so dass es darin fast kalt zu nennen war, zumindest im Vergleich zur Umgebung. Gegenüber der Hütte waren auf dem blanken Steinboden etwa zwei dutzend mehr oder weniger schmutzige Futons ohne Decken ausgebreitet, aber die waren hier auch wirklich nicht notwendig. An der Wand gegenüber dem Durchgang zur Kaverne standen drei Fässer nebeneinander aufgestellt, die Wasser enthielten, was er fühlen konnte, denn immerhin war er ja ein Flussgott mit starker Verbundenheit zum Wasser. Die Deckel der drei Fässer waren jedoch mit Vorhängeschlössern versehen, ließen sich nicht öffnen und die Schlüssel würde wohl Torooru haben. Dann entdeckte er in einer Nische der Felswand eine fast reglose Gestalt, die dort in eine schmierige Decke eingewickelt lag und fiebrig vor sich hin bibberte, trotz der brühwarmen Luft. Haku sah nach und es handelte sich um einen der Froscharbeiter, der abgesehen von seinem allgemein schlechten Zustand völlig dehydriert schien. Er meinte ihn zu kennen und zuletzt vor etwa einem halben Jahr oben im Badehaus gesehen zu haben. Der Froschmann musste jedenfalls unbedingt Wasser bekommen, sonst würde er die nächsten Tage hier nicht überleben, dachte Haku. Für Amphibien, wie die Froschgeister, musste die trockene, heiße Umgebung hier unten tatsächlich wie die Hölle sein. Nach einer Möglichkeit suchend, dem Froscharbeiter Wasser zu geben, fand Haku einige verschmutzte Essschalen auf einem Felssims aufgestapelt und um an das Wasser in den Fässern zu kommen, nahm er kurz seine Drachengestalt an und knackte problemlos das Vorhängeschloss des linken der drei Fässer mit seinen Klauen. Mit einem der Schälchen flößte Haku dann dem halb bewusstlosen Frosch insgesamt vier mal Wasser ein, bis dieser schließlich stöhnend wieder zu Sinnen kam und mit ihn seinen Augen fixierte. "Meister Haku? .... .", hatte er geflüstert und war dann friedlich eingeschlafen. Kurz darauf hatte Haku den Aufzug wieder kommen hören und war zu den Loren zurückgekehrt. Als er dann mit dem Troll zusammen das zweite mal in rasender Fahrt durch den Tunnel nach unten geschossen kam, stellte Haku fest, dass der andere Lorenzug gerade einmal halbvoll geladen war. Beim Hochziehen hinterher waren die Loren längst nicht so Randvoll beladen, wie beim ersten Mal und er hatte das Gefühl, als würde er eine ganze Lore weniger ziehen. So kam er nach nur einer dreiviertel Stunde mit dem inzwischen etwas ruhiger gewordenen Troll oben an. Diese Prozedur wiederholte sich noch drei weitere Male und bei der letzten Fuhre ließ Haku es bewusst etwas langsamer angehen, da er wusste, dass sie ohnehin genügend Zeit hatten. Kurz nachdem er am Aufzug angelangt war, kamen auch schon die ersten Froscharbeiter aus dem Tunnel geschlichen, die wie Haku jetzt sah, alle auch nur Lendenschurze trugen. Sie waren den Tunnel noch nicht einmal so schnell emporgestiegen, wie er selbst mit fünf Loren hinter sich, und hatten trotzdem nicht einmal mehr die Kraft miteinander zu sprechen. Torooru entlud allenthalben kommentarlos die Loren ein weiteres Mal in den Aufzug und verschwand mit der Ladung nach oben, während die Froscharbeiter zu ihren Schlafplätzen strömten. Plötzlich entstand nebenan ein heftiger Tumult, als die Frösche das offene Wasserfass entdeckten und augenblicklich darüber herfielen. Haku beobachtete, wie sie fast eine Prügelei anfingen, als es darum ging, wer wann wie viel Wasser bekommen sollte. Einige Zeit später kehrte der Troll mit dem Abendessen zurück, einem Tonfass voller Fischsuppe und einem weiteren Fass voll mit gekochtem Reis, die auf dem Boden des Aufzuges standen. Er ließ vier der Froscharbeiter antanzen, die jeweils zu zweit eines der Fässer hinüber in die Wohnhöhlung schleppten und vor der Baracke des Trolls abstellten. Hinter ihnen hergestapft kam der Troll, nestelte mühsam, wegen seiner kurzen Arme, einen kleinen Schlüssel los, den er an der Bundschnur seines Lendenschurzes getragen hatte und ging dann in seine Baracke. Dort hörte man, wie er irgendetwas aufschloss, bevor er dann mit einem großen Schlüsselbund wieder erschien. Die Froscharbeiter hatten sich mittlerweile wortlos in einer ordentlichen Schlange vor den Wasserfässern aufgestellt, ein jeder mit seiner Schale in der Hand. Haku der das ganze interessiert beobachtet, nahm sich ebenfalls eine Schale und reihte sich, misstrauisch beäugt von den Fröschen, als letzter in die Schlange ein, denn er verspürte mittlerweile ebenfalls einen beträchtlichen Durst. Das Wasserfass, welches er vorhin aufgebrochen hatte, hatten die Frösche wieder sorgfältig verschlossen und das kaputte Vorhängeschloss so davor befestigt, dass es aussah, als währe es immer noch fest verschlossen. Der Troll war derweil zu den Wasserfässern herübergestapft und öffnete fast feierlich das Schloss des rechten der drei Wasserfässer, welches sich als noch fast voll herausstellte. "So ähr Faolpälze, jätz gäbs Wassär, jädär nor einä Schalä, on danach Ässän.", grunzte er, woraufhin sich jeder der Frösche brav eine Schale mit Wasser nahm und dann so taten, als würden sie gierig Trinken, während sie in Wirklichkeit nur daran nippten. Torooru betrachtete die ganze Aktion mit zunehmenden Misstrauen, denn irgendetwas schien nicht zu stimmen. "Was äst dänn los mät äuch? Är wärkt ärgäntwä allä so fräsch! Habt är ätwa näch gänog gäschoftät?", wunderte er sich, als schließlich Haku an der Reihe war und betrachtete mit verkniffenem Gesichtsausdruck die Froscharbeiter, die mittlerweile eine ebenso akkurate Schlange vor den beiden Fässern mit dem Abendessen gebildet hatten. Einige hatten es immer noch nicht geschafft, ihre Wasserration auszutrinken und gossen sich den Inhalt mehr über ihren Körper als dass sie ihn tranken. Haku bekam endlich auch seine Schale mit Wasser, die er gierig auf einen Zug leerte, und stellte sich dann ebenfalls für das Abendessen an. Torooru verschloss das Wasserfass nun sorgfältig wieder und wollte gerade hinüber zu seiner Baracke gehen, und die Essenausgabe überwachen, als am dritten Wasserfass das geknackte Schloss plötzlich von alleine aufging und leicht hin und her schaukelte. Er stutzte, ging zu dem Wasserfass hinüber, untersuchte das Schloss, nahm es weg, öffnete den Deckel und sah hinein. Dann stapfte er scheinbar Ruhig hinüber zu seiner Baracke, trug die beiden Fässer hinein, sicherte die Tür sorgfältig mit einem weiteren Vorhängeschloss und baute sich dann vor den Froscharbeitern auf. "Wär hat das Fass gäöffnät?", polterte Torooru dann los, "Är wärdät allä solangä kein Ässän mär bäkommän, bäs äch äs weiss!". Die Froscharbeiter schwiegen betreten und blickten mehrheitlich zu Boden oder in irgendeine andere Richtung, als die zum Troll. Haku dachte kurz nach und sah dann ein, dass es letztendlich keinen Sinn haben würde, zu versuchen, die Sache zu verschleiern, denn wenn der Troll ein wenig nachdenken würde, müsste er irgendwann feststellen, dass nur Haku es gewesen sein konnte, der das Schloss geknackt hatte, denn er war der einzige, der dazu überhaupt die Kraft und die Gelegenheit hatte. Die Frösche hätten es prinzipiell zwar auch tun können, wenn sie eine Spitzhacke benutzt hätten, aber die hatten sie unten im Tunnel gelassen, so dass hier auf den ersten Blick kein geeignetes Werkzeug vorhanden war, mit dem sie das Schloss hätten knacken können. Also ging er nach vorne, stellte sich vor den Troll, blickte ihm ruhig und furchtlos in die Augen und sage: "Ich bin es gewesen. Der kranke Mann da hinten brauchte etwas zu trinken, also habe ich ihm Wasser gegeben." Das Gesicht Toroorus begann nun vor Zorn rot anzulaufen und irgendwie schien er noch größer zu werden. "Do bäst wohl Wahnsännäg gäwordän! Das Wassär moss för dä ganzä Wochä reichä! Do värdammtär Drachä, do glaobst välleicht, do könntäs där alläs raosnähmän?" Damit schlug er zu und traf Haku in die Magengrube. Haku seinerseits hatte den Schlag problemlos kommen sehen und hätte ihm leicht ausweichen können, denn der Troll bewegte sich weniger wie ein Tänzer, sondern eher wie ein Catcher und durch seine kurzen Hebel und seine riesige Faust entwickelte er zwar die Wucht eines Dampfhammers, hatte aber nur eine geringe Reichweite. Er wollte aber auf gar keinen Fall nachgeben, denn er glaubte, dass er richtig gehandelt hatte, als der dem kranken Froschmann das Wasser gegeben hatte und dafür, dass die andern Frösche dann über das offene Fass hergefallen waren, konnte er nichts, das lag ganz einfach an den unzumutbaren Zuständen hier unten. Das machte ihn Zornig, sollte der Troll ihn doch Schlagen wenn er wollte. Also spannte er nur in Erwartung des Schlages seine Muskeln an und nahm den Schlag ohne jede sonstige Gegenwehr. Die Wucht des Schlages, der erheblich heftiger war, als er erwartete hatte, trieb ihm die Luft aus den Lungen und der getroffene Bereich wurde augenblicklich Taub. Haku fühlte, wie er rückwärts meterweit durch die Luft geschleudert wurde. Irgendwie schaffte er es, sich in der Luft herumzudrehen und in seine Drachengestalt wechselte, bevor er gegen den Felsen prallte. Nach einem harten Aufprall krallte er sich mit seinen eisenharten Klauen in den Felsen, so dass dutzende kleiner Steinsplitter mit lautem Knallen wegplatzten und durch die Gegend spritzten. Panik erfüllt stoben die Froschmänner auseinander, verkrochen sich in Felsnischen oder rannten in die Nachbarkaverne. Wütend fixierte Haku den Troll und knurrte ihn dann wutschnaubend an, der immer noch vor der Baracke stand und jetzt Hilfe suchend sich umschaute, bis er dann seinen geliebten Knüppel ergriff, der neben der Eingangstür lehnte. Torooru, sich jetzt dafür verfluchend, in einem Wutanfall den vermeintlich schwachen Jungen geschlagen zu haben, wusste jetzt nicht mehr was er machen sollte, denn er rechnete sich keine besonders großen Chancen gegen Drachen aus, auch mit Knüppel nicht. Vielleicht hätte er mit einer Spitzhacke größere Chancen gehabt, aber die waren alle unten am Flöz. Hastig zog er sich deshalb in seine Baracke zurück, schaffte es aber nicht mehr, die Tür zu schließen, bevor Haku die Distanz in einem großen Satz oder einem kurzem Flug, das war nicht so genau zu unterscheiden, überbrückt hatte. Immer noch knurrend steckte er seinen Kopf in die Baracke, um nach dem Troll zu sehen, und wurde dann von einem harten Schlag mit dem Knüppel am Kopf getroffen. Jedoch war dieser Schlag nicht gut genug gezielt gewesen, prallte gegen den Ansatz seiner Hörner und zerbrach den Knüppel mit lautem Knacken. Nun gänzlich ohne Waffen, sah sich der Troll dem starren, wütenden Blick Hakus ausgesetzt, der sich jetzt weiter mit seinen vorderen Fängen in die Baracke schob und sackte auf dem Bett in sich zusammen, den Kopf in Erwartung der Attacke des Drachen unter den Armen begraben. Aber die Attacke kam nicht, denn als Haku die Hilflosigkeit und Angst seines Gegners sah, verrauchte sein Zorn im Nichts und nach kurzer Zeit zog er sich zurück. Vor der Baracke blieb er eine Weile stehen und überlegte, was er tun konnte, aber es ihm fiel nichts weiter ein. So nahm er wieder seine menschliche Gestalt an, griff sich eine leere und einigermaßen saubere Schale, nahm sich ruhig die ihm zustehende Ration vom Abendessen, setzte sich neben dem Eingang mühsam im Schneidersitz auf den Boden, denn seine ganze Bauchpartie schmerzte jetzt höllisch vom Schlag des Trolls, und begann zu essen. Die Froschmänner hatten sich während dieser Zeit nicht gerührt und kamen jetzt nach und nach wieder zurück, um sich ebenfalls schweigend ihre Rationen vom Abendessen zu nehmen. Dabei machten sie jedoch einen großen Bogen um Haku, vor dem sie nach dieser Vorstellung einen höllischen Respekt bekommen hatten, hatte er doch den Troll spielend in seine Schranken verwiesen. Dumpf vor sich hinbrütend und den Schmerz ignorierend, mampfte Haku das Essen mit zunehmendem Appetit in sich hinein, wurde sich erst jetzt gewahr, wie viel Hunger er eigentlich durch die harte körperliche Arbeit des Lorenziehens bekommen hatte. Früher, als er noch in seinem Fluss gelebt hatte, hatte er nie etwas essen müssen, denn sein Fluss hatte ihn mit einem immerwährenden Strom an Lebensenergie, dem Ki, versorgt. Aber auch später im Badehaus hatte er nur selten etwas gegessen und die wenigen Male, in denen er überhaupt etwas Appetit verspürt hatte waren, als er von einigen seiner Zwangsmissionen für Yubaba zurückgekehrt war, auf denen er wer weiß was für diese gemacht hatte. Jetzt aber war er nach dem Essen eigentlich fast noch hungriger als davor und überlegte, ob er hinübergehen und sich noch eine weitere Portion nehmen sollte. Aber er beherrschte sich, denn er fand dass es ungerecht den anderen gegenüber währe, wenn er seine überlegene Stärke ausnutzen und sich persönliche Vorteile verschaffen würde, indem er mehr aß, als ihm zustand. Denn dann währe er nicht besser als Torooru. Schließlich erinnerte er sich an den kranken Frosch, der die ganze Zeit ohne sich zu rühren in seiner Felsnische gelegen hatte und auch etwas zu essen bekommen musste. Ein Stöhnen unterdrückend erhob sich Haku wieder und brachte dem kranken Froschmann eine Schale mit Fischsuppe, die er ihm mit einem Holzlöffel nach und nach einflösste. Dieser erwachte bei dieser Fütterungsprozedur aber kaum aus seinem Erschöpfungsschlaf. Dass die anderen Froschmänner sei Tun verwundert beobachteten, bemerkte Haku nicht, denn das einzige woran er denken konnte war, dass Chihiro sich genau so um ihn gekümmert haben musste, als er schwer verletzt im Kesselraum lag, wie es ihm Kamaji später berichtet hatte. Diese Gedanken machten ihm das Herz leicht und ließen ihn die deprimierende Realität vergessen. Torooru grübelte mittlerweile auf seinem enormen Bett liegend über die Situation nach. Diese verdammte Hexe Yubaba, dachte er, dass sie ihm zu seinen sonstigen Problemen auch noch diesen Drachen aufgehalst hatte. Dieser verfluchte Drache. Was der anrichten konnte hatte sich ja jetzt bereits am ersten Tag hier unten gezeigt und er hatte keine Idee, was er dagegen unternehmen konnte. Der Drache war einfach stärker als er selbst. Fast bewundernd hatte er mit ansehen müssen, wie dieser fünf Loren alleine den Tunnel hinauf gezogen hatte. In seinen besten Zeiten hatte er alleine nicht mehr als drei Loren auf einmal ziehen können und da war er noch jung gewesen. Trotzdem hatte er immer über zwei Stunden für eine Strecke benötigt und die war früher noch längst nicht so lang gewesen, wie jetzt und mehr als einmal pro Tag hatte er es damals auch nicht geschafft. Er bezweifelte, dass er diese Leistung immer noch vollbringen konnte, doch dieser Drache hatte heute fünfmal dieses Kunststück vollbracht, einfach so. Das war einfach ungeheuerlich und beängstigend. Wie dieser winzige Junge dann einfach den härtesten Schlag wegstecken konnte, zu dem er fähig war, war einfach unbegreiflich, einen Schlag, der jeden der Froschmänner auf der Stelle getötet hätte, was er durchaus beabsichtigt hatte. Dabei hatte er sich im Recht gefühlt, hatte Haku doch damit, dass er das Fass aufgebrochen und dadurch die Froschmänner animiert hatte, es leer zu saufen, sie alle in größte Schwierigkeiten gebracht. Wie sollten sie jetzt über die Woche kommen, denn die drei Fässer mussten bis zur nächsten Woche halten. Mit nur zwei Fässern würde ihnen zwei zu früh Tage das Wasser ausgehen und das bedeutet, dass sie entweder ihre Förderquote nicht einhalten konnten, oder verdursten mussten. Tausend mal schon hatte er Yubaba ersucht, ihnen die Wasserrationen zu erhöhen, aber mit einem Hinweis auf die Optimierung von Produktionsprozessen hatte sie stets abgelehnt. Dabei gab es oben im Badehaus nun wirklich genügend Wasser und es hätte ja auch schon das Abwasser der Badegäste genügt. Darum ging es Yubaba aber letztendlich nicht. Sie wollte hier eigentlich nur die überflüssigen Froscharbeiter loswerden, denn hätte sie das Bergwerk nicht, dann wäre oben im Badehaus irgendwann vor lauter Fröschen kein Platz mehr für die Gäste. Hier unten konnte sie die überflüssigen und unfähigen loswerden, ohne gegen den Schutz zu verstoßen, den diese aufgrund ihres Arbeitsvertrages vor ihr genossen. Sie ließ sie einfach zu Tode schuften. Im Grunde taten ihm ja die Froschmänner leid, aber was sollte er tun? Auch dieser kranke Froschmann, der es fast hinter sich gebracht hatte, tat ihm leid, aber dadurch, dass der Drache ihm Wasser gegeben hatte, hatte er dessen Leidenszeit nur verlängert und sie außerdem alle in Schwierigkeiten gebracht! So schlimm wie jetzt war es allerdings nicht immer gewesen, wie er sich erinnerte. Begonnen war der Bergbau seinerzeit von der Hexe Aburaba worden, der Mutter von Yubaba und Zeniba. Diese hatte ursprünglich das Badehaus vor über einhundert Jahren gegründet und als sämtliche Wälder in der näheren Umgebung abgeholzt worden waren, um als Feuerholz für die Heißwassererzeugung zu dienen, hatte sie mit ihrer Magie das Kohlevorkommen unter dem Badehaus entdeckt. Da in jener Zeit in ganz Japan keine Experten für Bergbau zu finden waren, hatte sie sich schließlich außerhalb Japans umgesehen und einen Trupp Zwerge aus Oberbayern engagiert. Diese übernahmen die Leitung des Bergbauunternehmens, erledigten den Tiefbau und den Tunnelvortrieb und hauten die Kohle aus den Flözen. Für die Schwerstarbeit, wie das Lorenziehen, die Beseitigung von Geröll und die Be- und Entladung der Loren, wurden drei Minotauren aus Kreta, vier Centauren von der Peloponnes und eben zwei Bergtrolle aus Norwegen engagiert. Wen auch immer Aburaba für das Projekt gewinnen konnte. Der Arbeitsvertrag, den ihm die junge freundliche Hexe Zeniba damals im Auftrag ihrer Mutter vorgelegt hatte, war wirklich sehr Attraktiv gewesen, ermöglichte er es ihm doch, seiner jungen Frau Frieda und seiner kleinen Tochter Ingeborg, ein besseres Leben zu bieten, als in seiner armseligen Höhle in den Bergen. Nur ein paar Jahre, hatte er gedacht, und er würde als wohlhabender Mann wieder in seine Heimat zurückkehren können. Die Arbeitsbedingungen waren wirklich sehr gut gewesen, die Unterkünfte oben im Badehaus großzügig und der Verdienst mehr als ausreichend. So hatte er den Arbeitsvertrag mehrfach verlängert, wie eigentlich alle aus der Gruppe, bis auf seinen einen Trollkollegen, den frühzeitig das Heimweh gepackt hatte, denn sie fühlten sich wohl, bis eines Tages Aburaba gestorben war und Yubaba und Zeniba gemeinsam die Leitung des Badehauses übernahmen. Yubaba erledigte das finanzielle und personelle Management, während Zeniba sich um den Einsatz der Arbeitskräfte, die Küche und das Wohlergehen der Gäste kümmerte. Ein weiteres mal hatte er seinen Arbeitsvertrag damals verlängert und dabei überhaupt nicht die veränderten Vertragsklauseln bemerkt, die ihn seines Namens beraubten, so dass er hinterher nur noch Torooru hieß, was auf Japanisch einfach Troll heißt. Das war jetzt vor fast achtzig Jahren gewesen. Anfangs hatte sich nicht viel verändert, die Arbeitsbedingungen blieben gut und ebenso sein Verdienst. Doch als er schließlich seinen Arbeitsvertrag kündigen wollte, um zu seiner Familie nach Norwegen zurückzukehren, konnte er sich nicht mehr an seinen richtigen Namen erinnern, und er wurde von Yubaba gezwungen zu bleiben. Einige Jahre später begannen dann die Probleme im Bergwerk, als sie in eine merkwürdige weiche Felsschicht vorgedrungen waren. Einer der Zwerge nach dem anderen verschwand auf mysteriöse Weise spurlos von der Bildfläche und schließlich wurde auch einer der Centauren getötet. Man fand seine halb aufgelösten Überreste in einem neu gegrabenen Nebenschacht. Er selbst war es schließlich gewesen, der herausfand, was die Ursache dafür war. Eines Tages, bei Schichtende war er sorglos ohne Lampe zum Aufzug zurückgestapft, als er plötzlich in ein weiches, haariges Zeug hineingeriet, das von der Tunneldecke herunterhing. Im ersten Moment dachte er sich nichts schlimmes und wollte es einfach beiseite wischen, doch dann explodierte der Schmerz auf seiner Haut überall dort, wo dieses Zeug ihn berührte und er fühlte, wie er vom Boden weg gehoben wurde. Urplötzlich wurde ihm bewusst, dass es um sein Leben ging und seine entsetzlichen Schmerzen ignorierend arbeitete er sich wütend unter Aufbietung all seiner Kräfte durch die wollige Masse hindurch bis hin zu deren Ursprung und schaffte es irgendwie den Hauptkörper des Wesens zu zerreißen und töten. Stundenlang hatte er danach in dem Tunnel hilflos gelegen, bedeckt von den Fäden, bis ihn jemand gefunden und versorgt hatte. Seitdem war sein ganzer Körper von fürchterlichen Narben bedeckt, überall dort, wo die Nesselfäden der Felsanemone, wie sie die Kreatur schließlich aufgrund ihres Aussehens und ihrer grellen Farben genannt hatten, begonnen hatten, sein Fleisch aufzulösen. Er war der einzige gewesen, der jemals einer Felsanemone entkommen war. Nach und nach hatten sich diese Wesen dann im gesamten Tunnelsystem ausgebreitet, stülpten sich in vollständiger Dunkelheit aus ihren Felsspalten zwischen den Holzverschalungen hindurch, ließen ihre Nesselfäden in den Tunnel hängen und harrten ihrer Opfer. Trotz des Bekanntseins der Felsanemonen, wurde die Belegschaft es Bergwergs weiterhin dezimiert, denn immer wieder gerieten unvorsichtige Zeitgenossen, denen plötzlich der Brennstoffvorrat ihrer Grubenlampen zur Neige ging, in deren Fänge. Yubaba begann damals die fehlenden Arbeitskräfte im Bergwerk durch Froscharbeiter zu ersetzen, die sich jedoch als wenig geeignet für die harte Arbeit unter Tage erwiesen unter den dort herrschenden trocken heißen Bedingungen. Doch immer noch blieben die Arbeitsbedingungen für die Zwerge, Centauren, Minotauren und ihn erträglich, denn alle wohnten immer noch im Badehaus und fuhren nur zur Arbeitsschicht in das Bergwerk ein. Es gab genügend Wasser und genügend zu Essen, hinreichend gutes Baumaterial zur Abstützung der Tunnel und bis auf die lästigen Felsanemonen war die Arbeit nicht übermäßig hart. Vor etwa fünfzig Jahren dann schließlich bekam Zeniba von den Machenschaften ihrer Schwester Wind, von den unredlichen Arbeitsverträgen, von Unterschlagungen und von Erpressungen einiger Badegäste, die sie kompromittiert hatte. Es gab einen riesigen Krach zwischen Yubaba und Zeniba, der letztendlich zur Trennung der beiden führte. Nachdem Zeniba weg war, wurde es nach und nach immer schlimmer, denn Yubaba nahm ihnen zuerst die Quartiere im Badehaus weg, da sie diese für die Frösche benötigte, wie sie sagte, und brachte sie alle unten im Bergwerg unter. Sie bräuchten dann ja keine kostbare Arbeitszeit mit dem Ein- und Ausfahren in den Berg mehr zu verschwenden, begründete sie diesen Schritt. Nach und nach wurden die Arbeitsmittel, die ihnen zur Verfügung standen immer schlechter, das wenige Holz, dass ihnen noch geliefert wurde um die Tunnelwände abzustützen, war von schlechter Qualität und das Essen und das Wasser wurde rationiert. Yubaba entschuldigte diese Maßnahmen damit, dass die Zeiten schwierig seinen und sie alle sparen müssten. Aufgrund des schlechten Materials begannen sich alsbald die ersten Unfälle zu ereignen, Seile rissen, mit denen die Loren gezogen wurden, die dann wie wild gewordene Geschosse unkontrolliert die Schienen hinab rasten und jeden überfuhren, der sich in ihrem Weg befand, morsche Balken brachen plötzlich so dass ganze Tunnelabschnitte einstürzten und Leute unter sich begruben und die mittlerweile uralten Grubenlampen wurden immer unzuverlässiger, gingen plötzlich aus, so dass immer wieder jemand von den vermaledeiten Felsanemonen erwischt wurde. Einer nach dem anderen von der ursprünglichen Bergarbeitercrew starb durch Unfälle oder schließlich einfach Altersschwäche. Vor nun fast dreißig Jahren war der letzte der Zwerge in seinen Armen gestorben. So lange nun schon war das Bergwerk hier sein Reich, in dem er mehr oder weniger tun und lassen konnte, was er wollte. Er wusste genau, dass Yubaba letztendlich abhängig von ihm war, denn keiner außer ihm war in der Lage, den Bergbau hier unten im Gange zu halten. So konnte er sein Leben hier unten noch einigermaßen erträglich gestalten und dafür sorgen, dass zumindest er überlebte und so die Hoffnung aufrecht erhalten, eines Tages vielleicht doch zu seiner Familie nach Norwegen zurückkehren zu können, in die grünen Wälder seiner Jugend und die herrlich kalten und weißen Winter der Berge. Immerhin konnte er sich gute Hoffnungen machen, Yubaba vielleicht zu überleben, weil er als Troll eine Lebenserwartung von bis zu 200 Jahren hatte und er war, als er hie angeheuert hatte, noch keine 30 gewesen. Nach ihrem Tod würde er vielleicht endlich hier wegkommen können. Wie sehr er diese Hexe hasste, die ihn hier unten gegen seinen Willen gefangen hielt und ihn vor allem von seiner Familie fernhielt. Sie führten nun einen ständigen Kleinkrieg miteinander um Ressourcen wie Wasser und Baumaterialien und er "bestrafte" sie jede Woche, indem er ihr absichtlich ihren kostbaren Teppich beschmutzte, was sie jedes mal in Rage brachte. Und nun hatte sie ihm auch noch diesen Drachen auf den Hals geschickt, der ihn jetzt vor den versammelten Froscharbeitern gedemütigt hatte, wahrscheinlich um ihm das Leben noch unerträglicher zu machen, oder gar, um ihn loszuwerden? Nein, dass konnte nicht sein, denn wie sollte der Drache wissen, wie man ein Bergwerk leitet. Trotzdem musste er diesen Drachen irgendwie unter Kontrolle bekommen, doch wie? Wie hielt Yubaba eigentlich ihn selbst unter Kontrolle? Der Schlüssel dazu lag in dem Vertrag. Wenn man gegen den Vertrag verstieß, dann konnte Yubaba mit einem tun, was sie wollte. Er brauchte dem Drachen also nur Anweisungen zu geben und der musste ihm gehorchen, seinem Vorgesetzten! Hatte Yubaba heute Morgen in ihrem Büro nicht genau das gesagt? Viel zu lange hatte er sich auf seine körperliche Überlegenheit verlassen, um sich Respekt vor den Arbeitern zu verschaffen, denn das verstecken hinter Paragraphen und Autoritäten lag nicht in seiner Natur. Aber jetzt blieb ihm nichts anderes übrig und er hatte auch schon eine Idee, wie er den Drachen klein kriegen konnte. Morgen würde er damit beginnen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)