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Hey, riddle diddle...

von

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„Ich kreise unaufhörlich, aber ich bin kein Kreisel, ich überblicke alles, aber ich bin kein Wachmann, ich erhelle alles, aber ich bin kein Feuer.“ Edward hatte die Hände lässig hinter dem Kopf verschränkt und saß auf einer Kiste in dem Motorboot, das die Jungs aufgetrieben hatten. Sein geliebter Stock lehnte an seinem Oberschenkel, der kühle Nachtwind zerrte an seiner Kleidung, die Wellen brachten das Boot zum Schaukeln. Er wandte den Kopf zu Peter, dem Handlanger, der sich in der vergangenen Woche als erster Offizier herausgetan hatte. „Was bin ich?“

 

Peters Gesicht nahm einen angestrengten Ausdruck an. „Ich weiß nicht, Mr. Riddler“, sagte er. Peter hatte einen Kopf aus Holz, aber zumindest wurde sein Gehirn durch bedingungslosen Gehorsam ersetzt. Außerdem war er ein Schmeichler, weswegen Edward ihn gern in seiner Nähe hatte. „Was?“

 

Edward deutete auf Jokers Riesenrad, das in der Ferne aufragte. „Ein Riesenrad natürlich, Dumpfbacke.“

 

„Natürlich, Mr. Riddler.“

 

Edward hatte sich gut in Arkham City eingelebt. Er hatte sich einen genaueren Überblick über die Stadt verschafft, kannte die Teile Gothams, die von dem Gefängnis verschluckt worden waren und wusste zumindest von den meisten seiner Verbrecherkumpanen, wo sie sich häuslich eingerichtet hatten.

 

Strange war ebenfalls wachsam. Einer seiner Helikopter hatte bereits die Position seines Versteckes ausfindig gemacht. Edward war schon dreimal aus seinem Unterschlupf gekommen und direkt in einen Scheinwerferkegel getreten. Er kümmerte sich aber nicht weiter darum. Strange hatte ihn sicher nicht auf diese Stadt losgelassen, um ihn nun wieder gefangen zu nehmen. Sollte er doch wissen, wo Edward sich aufhielt. Er hatte nichts dagegen, dem verrückten Doktor einen kleinen Vorsprung zu gönnen, chancenlos wie er gegen ein Genie seines Formates war.

 

„Sind Sie sich sicher, dass Jokers Jungs uns so einfach in sein Gebiet lassen werden?“, fragte Peter mit leichter Besorgnis in der Stimme.

 

„Gut möglich, dass die schießen, bevor sie Fragen stellen…“, gab Adam, der Kräftigste in der Gruppe, zu bedenken.

 

„Das bezweifle ich.“ Edward zuckte desinteressiert die Achseln. Erstens wäre es eine Zumutung, wenn irgendwelche Trottel ihm den Zutritt zu einem Gebiet verwehrten, das er nicht einmal in Besitz nehmen wollte. Und zweitens besaß er keine Hemmungen, Jokers Männer über den Jordan zu schicken, ehe sie die Chance bekamen, ihm eines seiner umwerfenden Haare zu krümmen. „Wenn die Informationen, die ihr gesammelt habt, stimmen, werden die Typen sowieso andere Sorgen haben als meine Befugnis, das Gebiet von ihrem Boss zu betreten.“ Er bedachte die anderen im Boot mit einem hämischen Grinsen. „Was euch angeht, wäre ich mir da nicht so sicher.“ Peter tauschte einen besorgten Blick mit dem Hünen am Steuer, Adam schluckte sichtbar.

 

Die Docks waren ebenso verlassen, wie der Rest der Stadt. Keine Spur von einem Empfangskomitee nach Clown-Art. Edward war ein wenig enttäuscht. Andererseits hatte er seinen Besuch ja auch nicht angekündigt. Sobald das Summen des Motors verhallt war und das Boot ruhig im Wasser lag, erhob Edward sich von seinem gemütlichen Plätzchen und richtete seine Manschetten. Der Wind pfiff so stark durch den Hafen, dass er beim Aussteigen seinen Hut festhalten musste, damit er ihm nicht ins Meer geweht wurde.

 

Peter sprang hastig vom Boot und streckte eine Hand aus, ganz fürsorglich, um sicherzugehen, dass Edward ohne zu schwanken an Land ankam. Er schickte ihm einen giftigen Blick. Edward hatte nichts dagegen, umgarnt zu werden. Aber seine Jungs durften wohl annehmen, dass er fähig war, selbstständig ein Fahrzeug zu verlassen.

 

„Sollen wir das Boot hierlassen?“, fragte Adam. „Vielleicht ist es besser, wenn wir es wieder aufs Wasser fahren. Oder zumindest abdecken-“

 

„Reg dich ab, du Feigling“, lachte Edward. „Die sollen ruhig wissen, dass wir hier sind.“

 

Es dauerte auch gar nicht lang, bis sie es herausfanden. Sie waren kaum hundert Schritte vom Hafenbecken entfernt, da stellten sich ihnen drei Berserker mit hässlichen Clownsfratzen in den Weg, Gewehr bei Fuß. „Hey!“, grölte einer von ihnen und winkte  drohend mit der Waffe. Edward musterte das Ding mit gehobenen Brauen. Wo hatte Joker denn so schweres Geschütz her? Strange verteilte Waffen scheinbar wie Süßigkeiten… „Keinen Schritt weiter oder ich puste euch eure verfickten Schädel von den Köpfen!“

 

Edward versuchte gar nicht erst, sein amüsiertes Kichern zu unterdrücken. Er schob sich an Peter vorbei, der an seiner Seite klebte wie ein Schatten. „Verzeihen Sie die späte Störung, die Herren“, bat er spöttisch und breitete die Arme aus, damit die Männer genau sehen konnten, wem sie da drohten. „Aber ich habe ein Anliegen, dass ich mit eurem Boss besprechen muss.“

 

Er konnte die Augen hinter den Masken nicht sehen, aber er stellte sich vor, wie sie vor Erkenntnis geweitet waren. Der Kerl, der bereits gesprochen hatte, ließ sein Gewehr ein Stück sinken und machte einen Schritt auf sie zu. „Riddler?“

 

„Der einzig wahre“, entgegnete Edward inbrünstig und ließ den Stock einmal in seiner Hand wirbeln. „Sei so gut und richte Joker meine Ankunft aus.“

 

„Ich…“ Die Clowns tauschten einige Blicke, als würden sie versuchen, ein Problem zu diskutieren, ohne ihn daran teilhaben zu lassen. „‘tschuldigen Sie, Riddler, aber der Boss ist zur Zeit…“, er schien nach dem richtigen Wort zu suchen, „…unpässlich.“

 

„Lass das den Boss doch selbst entscheiden, Schwachkopf.“ Das dumpfe Geräusch seines Stockes, der auf den Boden schlug, ertönte, als Edward direkt vor den Handlanger trat. „Was ist mit der Dame des Hauses?“

 

„Naja, also… Harley könnte Sie schon empfangen… Ziemlich sicher, Riddler, sie-“

 

„Warum schwafelst du dann noch?“, mahnte Edward. „Besorg mir eine verdammte Audienz bei deiner Prinzessin des Verbrechens.“

 

Mehr brauchte es nicht, um die Männer zu überzeugen. Während zwei von ihnen weiter auf ihrem Posten verblieben, wurden Edward und seine Jungs vom Wortführer der Gruppe tiefer in das Industriegebiet hineingeführt. Unterwegs stießen sie auf den ein oder anderen Unterling des Jokers, der mit einem Gewehr im Anschlag auf und ab patrollierte. Gründlich waren sie, denn jeder einzelne schlug sofort an wie ein kläffender Wachhund, als er die Fremden erspähte. Was letztendlich dazu führte, dass sich jeder wortreich bei Edward entschuldigte, sobald er ihn erkannte.

 

Kein Wunder, dass er in Hochstimmung war, als Jokers Mann ihm schließlich mit einer einladenden Geste die Tür zum Stahlwerk aufhielt und dabei sogar einen Diener machte, der gar nicht zu so einer grobschlächtigen Gestalt passen wollte. Edward schlenderte wortlos hinein und blickte sich interessiert um. Eine Mischung aus Fertigungsanlage und Vergnügungspark. Nichts womit man nicht rechnen würde, wenn sich ein Clown im Stahlwerk einnistete. In der Ecke entdeckte er eine lebensgroße Gegensprechanlage, die ein groteskes Abbild von Quinn darstellte. Reizend…

 

„Ich rufe Harley“, sagte der Handlanger. Das Gewehr war auf seinen Rücken gewandert. Entweder war er schlau genug, ihm Vertrauen vorzuheucheln, oder blöd genug, es ihm tatsächlich entgegenzubringen. Der Mann schlurfte hinüber zu der Metall-Harley, drückte einen Knopf und zuckte, als eine schrille Stimme erklang. Edward konnte es ihm nicht verübeln, er fuhr selbst ein bisschen zusammen, als das sirenenartige Gequietsche durch den Raum schallte.

 

„Was?! Ich hoffe es ist sehr, sehr wichtig. Ich habe euch gesagt, ich kümmere mich um Mr. J. Keiner darf mich stören, wenn ich mich um Mr. J kümmere!“ Edward kniff die Augen zusammen und betrachtete die Gegensprechanlage. Wenn das sein einziges Pflegepersonal war, würde Joker es nicht mehr lange machen.

 

„H-Harley, es ist Besuch gekommen.“

 

„Oh, wer ist es diesmal?! Wieder irgendwelche Mistkerle, die für meinen Mr. J arbeiten wollen?! Oder irgendein kleiner Fisch, der beschützt werden will?!“

 

Edward räusperte sich verhalten. „Eigentlich ein großer Fisch, der ein paar gute Freunde wiedersehen wollte.“

 

Schweigen. Dann – auf einer Frequenz, die wahrscheinlich nur ein Hund richtig verstehen konnte: „EDDIE!“

 

„Hallo, Harley.“ Er erwischte sich dabei, wie er die Sprechanlage anlächelte.

 

„Ich bin in einer Sekunde bei dir!“, quiekte Harley und hielt ihr Versprechen. Keinen Wimpernschlag später stob sie hinter ihm durch eine weitere Tür und sprang ihm um den Hals. Edward gab ein klägliches Keuchen von sich, als sie ihre schlanken Arme um seine Mitte warf und zudrückte, als versuche sie, ihn aus seinem Anzug zu quetschen. Obwohl sie ihm Schnappatmung verursachte, erwiderte er die Umarmung kurz, bevor er sie an den Schultern von sich schob.

 

„Du siehst gut aus, Harley“, sagte er. Er versuchte nicht, Jokers kleinem Püppchen Honig ums Maul zu schmieren, Harley sah wirklich gut aus. Diese Lederkluft unterstrich nicht nur einige wirklich vorzügliche Vorzüge, sie erinnerte ihn außerdem daran, dass er keine Frau mehr zu Gesicht bekommen hatte, seit er seine letzte Sitzung in Arkham gehabt hatte. Und eine schnöde Ärztin in unförmigem Kittel war nun nicht vergleichbar mit Harley Quinn. Und das obwohl die früher selbst nichts anderes gewesen war. „Da hat man’s, Verbrechen macht sexy…“, murmelte er.

 

Harley grinste begeistert und drehte sich um die eigene Achse wie ein kleines Mädchen in seinem ersten Tutu. „Mein neues Outfit“, erklärte sie. „Heiß, nicht wahr?“ Edward pflichtete ihr mit einem etwas verlegenen Nicken bei. „Nur für Mr. J, natürlich, also komm bloß nicht auf dumme Gedanken, Eddie.“ Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Okay?!“

 

„Wo denkst du hin, Harley.“ Er räusperte sich und schielte über die Schulter zu seinen Jungs, die mehr oder weniger erfolgreich ihre begierigen Blicke verbargen. Tja, der Unterschied zwischen ihm und Leuten wie denen war, dass seine Libido nicht sein Leben kontrollierte. Für niedere Triebe blieb glücklicherweise kein Platz, wenn man einen Verstand wie seinen besaß. „Wo ist dein Herzblatt?“, fragte er möglichst beiläufig.

 

Scheinbar nicht beiläufig genug. Er hatte vorgehabt, so zu tun, als wisse er von nichts, um es Harley leichter zu machen, zu lügen. Stattdessen hatte er jedoch von einer Sekunde auf die andere ein schluchzendes Bündel an sich kleben. Harley rieb schniefend das Gesicht an seiner Schulter und er machte sich ernsthafte Gedanken, wie er die dicke Schminkschicht aus seinem Jackett bekommen sollte, wenn es in Arkham City doch keine Waschmaschine gab. Er konnte seine Klamotten schlecht am Meer gegen einen Stein schlagen…

 

„Harley… Ich muss mit Joker sprechen“, sagte er in geschäftsmäßigem Tonfall. Harley wimmerte leise. „Ich brauche etwas von ihm, um mich an Batman zu rächen.“ Ihre kleine Hand krallte sich ärgerlich um seine Krawatte. Sie zog daran, sodass sie Nase an Nase waren.

 

„Du willst dich an Batsy rächen, Eddie?“, fragte sie mit einer Stimme, die überraschend hasserfüllt klang. Stell dich hinten an“, zischte sie und stieß seinen Kopf ruppig zurück. Ihre Wangen waren noch immer von nassen Spuren überzogen, aber ihre Augen schienen vor Wut zu glühen. „Das ist alles seine Schuld. Mein Armer Schatz. Immer muss Batsy alles kaputtmachen! Am liebsten würde ich ihn mit seinem lächerlich unmodischen Cape erwürgen.“

 

„Wer will das nicht“, sagte Edward versöhnlich. Er stützte sich ruhig auf seinen Stock und beobachtete, wie Harley mit geballten Fäusten auf und ab stürmte. Seine Jungs sprangen hastig auseinander, um ihr den Weg freizumachen. „Ich frage dich stellvertretend für deinen Freund, Harley: kann ich auf Jokers Unterstützung bauen?“

 

Harley hielt mitten in ihrer Raserei inne und wandte sich ein wenig verdutzt zu ihm um. „Das musst du Mr. J schon selbst fragen, Eddie.“

 

Er zog fragend eine Augenbraue nach oben. „Ist er in der Verfassung?“

 

„Natürlich“, erwiderte sie voller Überzeugung, doch das Zittern ihrer Unterlippe entging ihm nicht.

 

Edward entschied, Harleys Bedenken zu ignorieren und sich auf das einzulassen, was sie ihm an Zuversicht vorspielte. Vielleicht war da irgendwo tief in ihm eine gewisse menschliche Regung, die möglicherweise Mitleid sein konnte. Aber im Augenblick gab es wichtigere Dinge. Rache. Rätsel. Unbegrenzter Zugang zu Jokers Gebiet. „Nach dir, Harley.“

 

Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht – ohne Zweifel, um vor ihrem Liebsten nicht schwach zu erscheinen – und führte ihn tiefer in die Eingeweide des Stahlwerkes hinein. Edward blickte sich aufmerksam um, während er ihr folgte, versuchte, sich den Grundriss der Anlage vorzustellen, und spähte nach geeigneten Verstecken, an denen man eine Falle oder eine Trophäe platzieren konnte.

 

Harley brachte ihn in das ehemalige Büro der Werkleitung, in dem sie sich mit ihrem Clownprinzen eingerichtet hatte.

 

Joker sah gar nicht gut aus und diesmal gab er sich keine Mühe, das Gefühl in seiner Magengrube kleinzureden. Als Joker sich zu ihm umdrehte, rauschte eine Welle von Sorge durch ihn hindurch. Krank. Nicht mehr und nicht weniger; ungesund, fahl, wund und krank. Was würde passieren, wenn Joker weg war? Tot… Wie würde die Verbrecherwelt damit umgehen? Wie würden Oswald und Harv und Ivy und er selbst und all die anderen reagieren? Würden sie es schaffen, zusammenzuhalten und eine Lücke zu füllen, die kaum zu füllen war? Oder – und das war sehr viel wahrscheinlicher – würden sie sich gegenseitig die Köpfe einschlagen; nicht, weil es etwas nutzte, sondern schlichtweg weil es einen Anlass dazu gab?

 

Edward hielt einem langen Blick mit Joker stand, der ihn bis über beide Ohren angrinste, ehe er den Kontakt abbrach und stattdessen das Büro musterte. Blinkende Pfeile auf dem Boden, einige medizinische Geräte in der Ecke. Kein Arzt in Sicht. Versuchte Joker, sich selbst zu verarzten? „Du siehst beschissen aus, Joker.“

 

„Wenn ich ein Gesicht wie du hätte, wäre ich mit solchen Behauptungen vorsichtig, Eddie“, gackerte der Joker. Edward verdrehte die Augen und schob ein altmodisches Schnurtelefon hin und her, das auf einem der Schreibtische stand. „Was verschafft mir die Ehre, Puzzleprinz?“

 

„Er sagt, er braucht Hilfe, um gegen Batman anzukommen, Mr. J“, sprudelte Harley sofort los und hängte sich an Jokers Arm.

 

„Ich habe nie gesagt, dass ich ohne Hilfe nicht gegen ihn ankommen würde“, presste Edward hervor. So unterhaltsam Harley auch sein konnte, es wäre ihm lieber, Joker schickte seine Gespielin hinaus und sie konnten das unter vier Augen klären.

 

„Und trotzdem bist du hier, Eds“, erinnerte Joker ihn selbstgefällig.

 

„Mh-hm“, machte Harley langgezogen, schlang einen Arm um Jokers Hüfte und schob ihre Hand in seine Hosentasche. Joker pflückte sie ruppig heraus und stieß Harley zur Seite.

 

„Ich bitte nicht um Hilfe.“ Edward lehnte sich gegenüber von Joker gegen einen Tisch und faltete die Hände über seinem Stock. Seinen Daumen zog beinahe zärtlich die Konturen des Fragezeichens nach. „Ich brauche eine … Erlaubnis.“

 

„Du gibst also zu, dass ich in der Position bin, dir etwas zu verbieten?“, bemerkte Joker feixend.

 

„Ich gebe zu, dass du in der Position bist, einen meiner Jungs zu erschießen, wenn er dein Gebiet betritt“, schnappte Edward. „Ich respektiere anderer Leute Territorium.“

 

„Meistens jedenfalls…“, flüsterte Harley laut genug, dass jeder es hörte. Joker tätschelte ihr zur Belohnung den Kopf.

 

„Ja … meistens“, lenkte Edward ein. „Um ehrlich zu sein interessiert es mich keinen Deut, was ihr hier in Arkham City zu schaffen habt. Ich habe nicht vor, euch in die Quere zu kommen. Und ich erwarte, dass ihr es genauso mit mir haltet.“

 

„Mit dir?“ Joker gab ein schrilles Lachen von sich. „Welche großen Pläne hast du denn, Eddie?“

 

„Ja, Eddie. Du hast kein Gebiet, nicht viele Männer, soweit ich gesehen habe keine Waffen, kein-“

 

„Danke, Harl. Mach ihn nicht gleich völlig nieder.“

 

„Ich habe Informationen“, sagte Edward ungehalten. Er machte eine wütende Geste in die Luft. „Ich weiß so einiges, was hier vor geht.“

 

„Das will ich hoffen.“ Joker lächelte mitleidig. „Sonst bleibt dir ja nichts.“

 

„Okay, könnten wir den verbalen Pisswettbewerb kurz ruhen lassen und zum Thema kommen?“, brummte Edward genervt. „Alles, was ich will, ist deine Erlaubnis, einige Rätsel in deinem Gebiet zu verteilen und ein oder zwei Räume zu nutzen, die Broker mir verschafft.“

 

„Fine?“

 

„Ebender.“

 

Joker bedachte ihn mit einem nachdenklichen Blick, der vor allem durch die offenen Stellen seiner Gesichtshaut bedrohlich wirkte. Edward konnte nicht einschätzen, ob der Clown nur gefährlich spielte oder tatsächlich eine Bedrohung für ihn darstellte, doch er bewegte seinen Zeigefinger ein Stückchen weiter nach rechts, sodass er auf dem unscheinbaren Knopf zum Liegen kam, der die versteckte Klinge in seinem Stock herausschnellen ließ.

 

Seine Vorsicht erwies sich zumindest für den Moment jedoch als unbegründet. Joker schüttelte grinsend den Kopf und zuckte die Achseln. „Was soll’s? Man soll einem Kind ja nicht den Zucker verbieten.“ Das ergab so wenig Sinn, dass sogar Harley die Stirn runzelte. „Bau deine Spielzeuge ruhig auf, Eddielein.“

 

„Gut. Meine Jungs werden sich sobald wie möglich an die Arbeit machen.“

 

„Erwarte nicht, dass meine mit anpacken.“

 

„Gott bewahre. Ich verabscheue Pfuscher.“

 

Joker lachte erfreut. „Weißt du, Eddie, eigentlich kommst du mir ganz gelegen. Wird wohl nicht mehr lange dauern, bis Batsy sich hier blicken lässt, um Stranges Müll wegzuräumen. Und so gerne ich auch mit ihm spielen würde-“ Joker hustete lautstark in seine Hand und ließ sie sofort in die Hosentasche gleiten. Edward hätte seinen Hut darauf gewettet, dass Blut an seinem fleckigen Handschuh klebte. „Momentan sieht es ein bisschen schlecht aus und es ist ganz gut, wenn er unterwegs beschäftigt wird.“

 

„Ich glaube nicht, dass du dir große Sorgen machen musst, was das angeht.“ Edward stieß sich von dem Tisch ab und schlenderte hinüber zu einem der dreckigen Fenster. Dahinter erstreckte sich das Industriegebiet, das noch weiter entfernt in die Amüsiermeile überging. Sogar einen Teil der Mauer, die sie alle hier festhielt, konnte er sehen. „Wir beide sind immerhin nicht die einzigen, die hier sind. Und jeder hier hat irgendein Hühnchen mit der fliegenden Ratte zu rupfen.“

 

„Und jeder beansprucht den ersten Platz in der Reihe für sich“, fügte Joker belustigt hinzu. Edward musste sich nicht umdrehen, um das Grinsen in seiner Stimme zu hören. „Du doch auch, stimmt’s oder hab ich Recht?“

 

Edward ließ sich zu einem schiefen Lächeln hinreißen. „Natürlich hast du Recht. Der Unterschied zwischen mir und“, er deutete abfällig aus dem Fenster, „denen ist, dass ich derjenige sein werde, der diese Rache bekommt. Bildet euch einfach ein, ich würde es stellvertretend für euch alle tun.“

 

„Pah…“, kam es von Harley, die sich anscheinend zu langweilen begann. „Manchmal bist du so arrogant, Eddie.“

 

„Da kann man der Dame“ – ein Husten – „nur beipflichten. Also, was ist jetzt?“

 

Edward wandte sich wieder zu seinen Kameraden um. Tja, was jetzt? Er musste seine Jungs mobilisieren. Die nächsten Tage würden sie damit verbringen, im ersten Gebiet Fallen aufzustellen. Broker musste ihm die ersten Räume zeigen, damit er ein Konzept ausarbeiten konnte. Er brauchte mehr Handlanger, damit alles schneller und reibungsloser vonstattengehen konnte. Es war notwendig, sich genauer umzuschauen, herauszufinden, was es in der Stadt gab, damit er seine Rätsel schreiben konnte. Er- „HEY!“

 

Edward zuckte zusammen, als Harley direkt vor seinem Gesicht in die Hände klatschte. „Erde an Riddler“, nölte sie. Er blinzelte kurz, dann verdrehte er die Augen. Manchmal beneidete er Joker. Was auch immer er mit Harley hatte, es war definitiv ungesund, aber es war immerhin etwas. Und dann kamen Augenblicke wie diese und er war heilfroh, dass er nicht derjenige war, der sich Harleen Quinzell damals angelacht hatte. (Und es bestand kein Zweifel, dass sie sich sofort in ihn verliebt hätte, wäre sie seine Ärztin gewesen.) „Träumst du?“

 

„Ich denke nach“, berichtigte Edward. Er zupfte leicht pikiert an seinem Jackett. „Übrigens, J…“

 

„Für dich immer noch Joker“, murrte Harley.

 

„Wie kann ich dienen, Eds?“ Jokers spöttisches Grinsen strafte die Worte Lügen.

 

Edward blickte sich um und kratzte sich nachdenklich im Nacken. „Das ist doch ein Stahlwerk…“

 

Joker zog eine Augenbraue nach oben. „Und die Leute sagen, Harley wäre doof.“ Seine Freundin verschränkte schmollend die Arme vor der Brust. „Ja, du Blitzmerker, das ist ein Stahlwerk.“

 

„Also gibt es hier … Stahl?“

 

„Wie gesagt, Eddie, es ist ein Stahlwerk.“

 

Edward verdrehte genervt die Augen. „Und benötigst du diesen Stahl für irgendwas? Und wo wir schon dabei sind: was ist mit anderem Baumaterial, dass sich hier im Industriegebiet finden lässt? Und Werkzeug? Und-“

 

„Nicht so gierig, Eddie“, unterbrach Joker mit einem hämischen Lachen. Du weißt, dass alles zu einem Preis kommt.“

 

„Einem sehr hohen, wenn man mit dir verhandelt, ja“, stöhnte Edward. „Aber könnten wir nicht eine Ausnahme machen? Es wird dir nicht wehtun, mir zu überlassen, was dir gar nicht gehört, Joker. Komm schon.“ Edward versuchte sich an seinem besten Dackelblick, der zwar Harley verzückt die Hände zusammenschlagen ließ, bei Joker jedoch keine Regung hervorrief. „Für einen alten Freund?“

 

Joker schüttelte grinsend den Kopf. „Weißt du was? Du bekommst, was du brauchst. Und weißt du auch wieso?“

 

„Ich fürchte, das wirst du mir gleich sagen…“

 

Joker kam fröhlich zu ihm herübergehüpft und beugte sich ein Stück nach unten, sodass seine Nase die von Edward beinahe berührte. Edward konnte den leicht fauligen Atem seines Gegenübers riechen und die nässenden Wunden in seinem Gesicht glitzern sehen. Joker bleckte auf raubtierhafte Weise die Zähne. „Ich lasse dich tüfteln und werkeln und dann, wenn du es geschafft hast, werde ich dir Bats vor der Nase wegschnappen und mich daran erfreuen, wie du allein mit deinem fruchtlosen Werk zurückbleibst.“

 

„Ja. Oder du wirst zusehen, wie ich erreiche, was ich will, und dich ärgern, dass du keinen höheren Preis als dein eigenes Vergnügen gefordert hast.“
 

„Aber, Eddie! Vergnügen ist das Höchste, was es gibt!“ Joker stieß eine Salve irren Gekichers aus, direkt in Edwards Gesicht, und brachte ihn dazu, sich angewidert abzuwenden.

 

„Wie. Auch. Immer“, presste Edward hervor. „Kann ich den Kram sehen?“

 

Joker und Harley tauschten einen Blick und mit einer Miene, die von tiefster Zuneigung zeugte, drückte Harley ihrem Liebsten die Schulter. „Ruh du dich mal aus, Schatz. Ich zeige Eddie den blöden Stahl.“

 

„Das ist mein Mädchen!“

 

Edward wandte sich schnell von den beiden ab. Wie es aussah, wenn die beiden irren Clowns Zärtlichkeiten austauschten, war eine Vorstellung, die er lieber seiner Fantasie überließ, anstatt sie sich anzusehen. Vor allem da er wusste, wie Joker „sein Mädchen“ für gewöhnlich durch die Gegend prügelte. Er widmete seine Aufmerksamkeit also einer lebensgroßen Puppe, die – gemessen an dem knappen Outfit in charakteristischen Farben – wohl Harley darstellen sollte. Sie hatte keinen Kopf… „Interessante Deko“, murmelte er.

 

Harley quietschte ein verlegenes „Damit mein Schatzi mich immer bei sich hat“. Edward schaute gerade lang genug hin, um zu sehen, wie sie Joker die Arme um den Körper legte und sein Becken in den Schwitzkasten nahm. Wahrscheinlich hatte Joker den Kopf der Puppe persönlich abgetrennt, um das Gesicht der kleinen Klette nicht auch dann noch sehen zu müssen, wenn sie gar nicht im Raum war. Er ließ den Blick über die Wand hinter der Puppe gleiten. Eine übergroße Fotografie von Joker, übersät mit schmierigen, roten Küssen. Ah, ja…

 

„Können … können wir jetzt gehen?“, fragte er über die Schulter. Harley war soeben dazu übergegangen, ihren Kopf an Jokers Brust zu reiben wie ein schnurrendes Kätzchen. Apropos. Er fragte sich, ob Selina bereits ihren Weg nach Arkham City gefunden hatte.

 

Quinn zog einen Schmollmund, aber sie löste sich von Joker und kam mit federnden Schritten zu ihm. „Dann mal los, Eddie. Schnapp dir dein Stöckchen und ab geht’s!“

 

„Das ist kein Stöckchen…“, grunzte Edward und bedeutete ihr, voranzugehen.

 

Harley führte ihn erneut quer durch das Stahlwerk. Er hielt die Augen offen, versuchte sich die Räume einzuprägen. Um Rätsel anbringen zu können. Und für den Fall, dass er irgendwann einmal schnell von hier verschwinden musste. Was gar nicht mal so unwahrscheinlich war, denn Joker hatte seine ganz eigene Denkweise. Es war anzunehmen, dass er seine Meinung völlig grundlos ändern würde. Oder aber er hatte bereits einen Grund, es in naher Zukunft zu tun, wer konnte das schon sagen.

 

Edward musste sich eingestehen, dass Joker dem Stahlwerk tatsächlich seine ganz eigene, persönliche Note verliehen hatte. In seinem eigenen Unterschlupf sah es noch nicht sonderlich nach ihm aus. Allerdings legte er auch keinen gesonderten Wert darauf, dass jeder Hornochse sofort den Eingang zu seinem Heiligtum fand. Trotzdem… Die bunten Lichter, übertriebenen Joker-Köpfe und Schmierereien hatten ihren ganz eigenen Flair.

 

Er runzelte die Stirn. Eine Idee begann sich in seinem Kopf zu formen. Sein Versteck sollte natürlich unscheinbar bleiben, aber hatte er nicht ohnehin vor, seine Zeichen überall in der Gefängnisstadt zu verstreuen? Warum das Ganze nicht etwas pompöser? Hier und da ein kleiner, hübsch ausgestalteter Schrein seiner Großartigkeit und irgendwo an einem zentralen Punkt ein aufragendes Monument mit seinem Namen darauf. Ja. Das klang doch sehr vielversprechend.

 

Er räusperte sich gespielt beiläufig. „Sag mal, Harley…“ Sie drehte ihm den Kopf zu, ihre Zöpfe wippten dabei um ihr Gesicht. „Was ist eigentlich mit der Kirche?“

 

„Ich bin nicht religiös, Eddie.“

 

Die Art, wie sie ihren Mister J anbetete sprach zwar eindeutig gegen diese Aussage, doch Edward ging nicht weiter darauf ein. „Nein, ich meine die Kirche hier in Arkham. Eigentlich Niemandsland, oder?“

 

„Mmhh… Mehr oder weniger. Keiner von uns jedenfalls, aber die Ärzte haben sich da ein Lager eingerichtet.“ Sie zuckte die Achseln. „Ich war mit Mr. J ein paar Mal dort, um welche von denen … auszuborgen. Wir haben eine hier, willst du sie kennenlernen?“ Harley grinste bis über beide Ohren, als wäre es die grandioseste Idee aller Zeiten, ihn mit irgendeiner von Strange abgestellten Medizinerin bekannt zu machen.

 

„Um ehrlich zu sein interessiere ich mich eher für das Gebäude als für die Leute darin.“

 

Harley verengte die Augen. „Vorsicht, Eddie. Ich dachte, du willst uns kein Gebiet streitig machen?“

 

„Harley. Das ist nicht euer Gebiet.“

 

Noch nicht.“

 

Er hob beschwichtigend die Hände. „Schon gut, Harley. Ich will mich in den Mist nicht einmischen. Abgesehen davon hatte ich für eine Weile genug mit Strange zu tun.“ Er sah dabei zu, wie Harley beschwingt über ein Geländer hüpfte und nahm anschließend die zugehörige Treppe. „Wie seid ihr übrigens hier gelandet?“

 

„Gestrandet wohl eher“, nuschelte Harley. „Ist eine ziemlich lange Geschichte. Jedenfalls sind wir nicht wegen Strange hier.“

 

„Aha.“ Das warf eigentlich mehr Fragen auf, als es beantwortete, aber Edward beschlich die leise Ahnung, dass Harley wieder in Tränen ausbrechen würde, wenn er genauer nachbohrte, was sie und ihren Schatzi an diesen unheilvollen Ort geführt hatte. Und das war so ziemlich das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte.

 

Harley zeigte ihm verschiedene Hallen des Stahlwerkes, in denen es Baumaterialien zu holen gab. Und nicht nur das. Ohne es zu wissen, präsentierte sie ihm eine unglaubliche Auswahl an Antworten. Antworten auf Rätsel, die nur darauf warteten, von ihm entworfen zu werden. Jokers Trickkiste, ein hübsches Plakat von Boyle Cryogenics, Harleys Hammer. Keine Spur von ihren „Babys“, diesen sabbernden Plagen, die sie so anbetete. Edward fragte sich, was mit den Tieren passiert war, seit sie und Joker inhaftiert waren.

 

Der ersten Überraschung begegneten sie in der Schmelzkammer, in die Harley ihn eigentlich nur führte, um ihm einige Vorräte an leuchtend grüner Farbe zu zeigen, die dort gelagert wurden. Bemerkenswerterweise war es sogar ihr eigener Einfall, dass Edward die Farbe sicherlich gut gebrauchen könne. Scheinbar hatten Joker und seine Jungs sie benutzt, um grinsende Clownsfratzen an Wände zu schmieren und Jahrmarktkulissen für das Industriegebiet zu bemalen. Alle durfte er nicht haben, aber Harley versicherte mit einem koketten Augenzwinkern, dass er sich ruhig ein paar der Farbtöpfe nehmen könne, immerhin steckten sie alle im selben Boot und er sei schließlich ein „lieber Freund“. Er suchte nach einem Hintergedanken, fand aber keinen. Möglicherweise erlebte er gerade einen seltenen Moment von Großzügigkeit unter Schwerverbrechern.

 

Die eigentliche Überraschung bestand jedoch in der Ärztin, die in einem der Büros an einen Stuhl gefesselt war und… Du liebe Güte, er hätte nicht erwartet, dass Harley ihr Diplom überhaupt aufgehoben hatte. Machte sie sich eigentlich Vorwürfe, weil sie selbst ihrem Liebsten trotz ihrer medizinischen Grundausbildung nicht helfen konnte? Jemand wie Jonathan würde sich sicher eingehender damit beschäftigen…

 

Neben der Frau Doktor stand ein riesenhafter Kerl ohne Shirt und linken Arm. Dafür hatte er einen beeindruckenden Hammer in seiner verbliebenen Hand. Er war eifrig dabei, die zitternde und flehende Ärztin anzubrüllen. Die Dame sah nicht so aus, als wäre sie noch dazu im Stande, irgendjemanden zu kurieren, geschweige denn den Joker höchstpersönlich.

 

Edward betrachtete den Mann eine Weile. Er wusste wen er vor sich hatte. Jedenfalls zur Hälfte. Er konnte sich nie merken, welcher der beiden welcher war. „Abramovici“, sagte er schließlich mit einem Nicken.

 

„Riddler“, kam die Antwort, gefolgt von einem Klatschen, als Abramovici der Ärztin einen Hieb mit dem Griff des Hammers verpasste, ohne sie überhaupt anzusehen.

 

Edward sah zu, wie die Frau sich wimmernd in ihren Fesseln wand. Er wartete, bis ihr schmerzerfülltes Gemaule etwas abgeebbt war, ehe er wieder das Wort ergriff. „Immer wieder überraschend, wer einem hier so über den Weg läuft. Wie geht’s deinem Bruderherz?“ Aus einem unerfindlichen Grund schien das nicht das beste Gesprächsthema zu sein, denn er erntete von Abramovici nur einen äußerst angesäuerten Blick, die Ärztin bekam einen Schlag mit noch mehr Schwung und Harley schürzte die Lippen und schüttelte langsam den Kopf, als versuchte sie ihm zu vermitteln, dass er die Thematik ruhen lassen sollte.

 

Edward kam der stummen Aufforderung nach. Er konnte sich seinen Teil denken. So viele Möglichkeiten gab es ja nicht: Entweder war der Sichelschwinger auf freiem Fuß, tot oder – noch schlimmer – arbeitete für einen der anderen Superverbrecher, was ihn automatisch zum Konkurrenten seines Bruders machte. Edward war zwar der Meinung, dass Abramovici einer Persönlichkeit wie ihm etwas mehr Aufmerksamkeit schuldig war, doch er würde diese nicht einfordern. Zumindest nicht, wenn der Mann gereizt war und seinen Hammer bei sich hatte.

 

Harley räusperte sich hörbar und drückte ihm aus dem Nichts heraus einen Farbeimer in die Hand. „Ist das okay?“

 

Edward musterte das kleine Rinnsal getrockneter, neongrüner Farbe an der Seite des Topfes. „Das ist genau richtig, Harley, danke.“ Er stellte den Eimer auf eine Arbeitsfläche. Die Ärztin schrie beim Klang des dumpfen Geräusches laut auf. „Dann habe ich soweit alles gesehen?“

 

Harley breitete die Arme aus. „Unser gesamtes, lauschiges Heim. Naja. Vielleicht nicht das gesamte. Du warst nicht in unserem Schlafzimmer.“ Er würde sich eher den Schmelzofen von innen ansehen als einen Fuß in den Raum zu setzen, in dem Joker und Harley… Wie auch immer! „Und jetzt?“

 

„Ich gehe zurück zu meinen Jungs, damit sie anfangen können, das Zeug zu uns zu schaffen. Begleitest du mich?“

 

„Hm…“ Harley scharrte etwas auffällig mit den Füßen. „Wie … wie lange willst du denn-“

 

„Du kannst ruhig zu Joker zurückgehen, wenn du möchtest.“ Sie machte den Mund auf, als würden ihr die Regeln der Gastfreundschaft gebieten, dass sie zumindest so tat, als würde sie protestieren. Allerdings überlegte sie es sich keine Sekunde später anders und nickte eifrig. „Das ist ganz lieb von dir, Eddie, du weißt schon, ich will den armen Mr. J nicht so lang allein lassen, vielleicht braucht er mich“, quasselte sie und sprang auf ihn zu, um ihm wieder einmal die Luft abzudrücken. Dass sie dabei die für eine Umarmung angemessene Zeit überschritt und einfach an ihm kleben blieb, war ein mehr als deutliches Zeichen, dass sie nicht so fröhlich war, wie sie zu wirken versuchte. „Oh, Eddie! Es ist alles so schrecklich!“

 

Edward schickte einen hilfesuchenden Blick zu Abramovici, der ihn ebenso verwirrt erwiderte und die Achseln zuckte. Die Ärztin betrachtete die Szenerie mit schreckgeweiteten Augen. Scheinbar rechnete die Zivilbevölkerung Gothams nicht damit, dass sogar Kriminelle Sorgen hatten. „Ähm… Harley. Äh.“ Er ließ seine freie Hand über ihrem Rücken schweben und versuchte einen geeigneten Punkt zu finden, um sie abzulegen. Er wollte nicht riskieren, dass sie Joker erzählte, er habe sie betatscht.

 

„Du bist der erste von uns, mit dem wir überhaupt reden können“, heulte Harley in seine Schulter. Er war dazu übergegangen, sie ungeschickt zwischen den Schulterblättern zu tätscheln. Wenn Joker das herausfand, würde er ihn sofort vor die Tür setzen… „Überall nur minderbemittelte Handlanger und all unsere Freunde haben eigene Sorgen.“ Harley zog hörbar die Nase hoch und er machte sich ernsthafte Sorgen um sein Jackett. Abramovici und die Ärztin hatten ihre kleine Auseinandersetzung für einen Moment vergessen und starrten das Schauspiel mit großen Augen an. „Nicht mal Ivy ist da! Red ist sauer auf Mr. J wegen der Sache in Arkham und wir können nur reden, wenn ich zu ihr komme. Aber ich kann doch nicht weg von Mr. J!“

 

Er wartete geduldig, ob noch mehr folgen würde, aber Harley schniefte nur vor sich hin, bis sie sich schließlich von ihm löste. Sie wischte sich fahrig über die Wangen, um die Spuren ihrer Tränen zu beseitigen. „Entschuldige, Eddie…“, murmelte sie beschämt. Sie fuhr zu Abramovici herum. „Was gaffst du denn so, Mr. Hammer?“ Der Einarmige widmete sich ohne zu Murren wieder der Ärztin und Harley gab Edward einen raschen Abschiedskuss auf die Wange. „Wir sehen uns, hm?“

 

„Sicher“, sagte er eilig. Eigentlich wollte er nur so schnell wie möglich weg von Harley und ihrer unberechenbaren Emotionalität. Er glaubte kaum, dass Harley den Platz ihres Geliebten einnehmen konnte, wenn der erst einmal das Zeitliche gesegnet hatte. Wahrscheinlich würde sie vollkommen zerbrechen. Edward musste sich eingestehen, dass er das gewissermaßen bedauerte. Vor allem wollte er aber nicht derjenige sein, zu dem sie dann gerannt kam, wenn es so weit war. Er hatte beileibe andere Probleme. Eine dumme Nuss wie Harley würde ihn bei seinen Plänen nur aufhalten. „Ich geh dann mal.“ Er tippte zum Abschied an die Krempe seines Hutes und nahm den Farbeimer mit. Er trat aus dem Büro heraus in die mit Lichtern und Clownsgesichtern geschmückte Schmelzkammer. „Lass dich von den Veränderungen nicht runterziehen, Harley.“
 

Und dann bescherte ihm Harley die zweite Überraschung, als sie mit verblüffend gefasster Stimme entgegnete: „Tja… Je mehr sich die Dinge verändern, desto mehr bleiben sie sich gleich, nicht wahr?“

 

Er warf einen verblüfften Blick über die Schulter, zurück in den kleinen Raum und auch als er seine Unterlinge gefunden hatte, die mit einigen von Jokers Lakaien um einen Tisch saßen und pokerten, bewahrte er sich diese gar nicht mal so dummen Worte. Harley hatte doch Recht – zumindest ein bisschen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sherlysoka
2014-03-18T16:53:21+00:00 18.03.2014 17:53
Ohhh ist das genial! *-*
Warum sind denn hier nur keine kommis?
Meiner Meinung nach gibt es eh zu wenig DC-Kram auf Mexx :/
Du hast auf jedenfall die Atmosphäre des Spiels wunderbar wiedergegeben! Auch die Beziehung zwischen Joker und Harley ist wunderbar dargestellt.
Das ganze aus der Perspektive des Riddlers zu schreiben ist mehr als geschickt! ;D
Ich feier deinen Schreibstil& hoffe auf mehr!
LG, Roxy ^^
Antwort von:  PunkinPie
18.03.2014 17:57
Erster Kommentar und nur Lob! *Freudentanz*
Vielen lieben Dank - und ich trage mit Vergnügen dazu bei, mehr DC an den Mann zu bringen ^-^


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