Eine beschwerliche Reise von Kawaii_Fruit (Kratos & Anna) ================================================================================ Kapitel 4: Lavendelduft ----------------------- Schnell bahnte er sich seinen Weg durch den Wald. Lange wollte er die beiden, trotz seines großen Vertrauens zu Noishe, nicht alleine lassen. Er rechnete ständig damit, plötzlich vor einem Suchtrupp der Desians zu stehen. Wenig später hatte er Asgard erreicht. Das Dorf war nicht sonderlich groß, doch es reichte bei Weitem, um die benötigten Vorräte zu besorgen. Suchend blickte er sich nach möglichen Feinden um, doch nichts Auffälliges sprang ihm ins Auge. Mithos musste inzwischen längst haben, dass es auf der Menschenfarm bei Asgard nicht mit rechten Dingen zu ging. Es war keine große Leistung, das Verschwinden des Testsubjekts A012 in Verbindung mit seinem schlagartigen Verschwinden zu bringen. Interessiert betrachtete er die verschiedenen Geschäfte und betrat schließlich einen kleinen Gemischtwarenladen. Er musste sich auf leichte, gut transportierbare und vor allen Dingen haltbare Nahrungsmittel beschränken. Letzten Endes entschied er sich für einen kleinen Sack Reis, ein Bündel geräuchertes Fleisch und verschiedene getrocknete Obst- und Gemüsesorten. Die getrockneten Tomaten jedoch lehnte er mit dezent zuckendem Mundwinkel ab. Nachdenklich kramte er das erforderliche Gald hervor, als sein Blick an einem kleinen Stapel Päckchen am Rande des Tresens hängen blieb. Die Verkäuferin folgte seinem Blick. „Brauchen sie noch Seife?“, fragte sie freundlich und griff nach einem der bräunlichen Päckchen. „Ja, das wäre wohl besser.“, antwortete er mit dem Gedanken an Annas langen Aufenthalt in der Zelle. „Können sie mir vielleicht sagen, wo ich hier Kleidung kaufen kann?“ Mit einem Plumps landete Anna im taufeuchten Gras und blickte in den blauen Himmel. Noishe kauerte sich neben sie. Tief sog die junge Frau die frische Luft ein und rollte sich auf die Seite, um in Noishes Gesicht blicken zu können. „Sag Noishe, was ist dein Herrchen nur für ein seltsamer Kerl?“ Noishe zuckte interessiert mit den Ohren. „Wenn er zu den Desians gehört hat, kann er doch nichts Gutes im Schilde führen.“, überlegte sie laut. Die Ohren des Hundes schnellten nach oben und ein empörtes Schnaufen entfuhr seiner schmalen Schnauze. Fast vorwurfvoll betrachtete er sie mit seinen runden, klaren Augen. Anna blickte ihn verdutzt an. „Du bist ja scheinbar intelligenter als ich dachte.“, stellte sie fest und streichelte den Rücken des Tieres. „Du meinst also dieser Mann will mir gar nichts Böses?“, fragte sie interessiert. Der Arshis legte den Kopf schief und beantwortete ihre Frage mit einem leisen Bellen. Anna kicherte. Der fremde Retter und sein seltsames Reittier waren ihr nicht geheuer, doch die Sonne, das Gras und der Wald verdrängten all ihre Sorgen. So sehr hatte sie sich danach gesehnt wieder frei zu sein. Und nun war der Tag tatsächlich gekommen und sie verdankte es diesem seltsamen Gespann. Alles war besser als weiter in Kvars dreckigem und dunklen Gefängnis zu verkommen. Noch immer fragte sie sich, wie sie hatten entkommen können. Sie hätten fliegen müssen wie die Vögel, um diese hohe Mauer zu überwinden. Und tatsächlich hatte sie doch den Boden unter den Füßen verloren. Kopfschüttelnd verwarf sie den Gedanken. Das war einfach unmöglich. Sie musste sich getäuscht haben. Vielleicht war sie auch gar nicht bei Bewusstsein gewesen und hatte sich das Ganze im Nachhinein eingebildet. Das musste es sein. Seufzend setzte sie sich auf. Jetzt galt es nur noch herauszufinden, was ihr seltsamer Retter sich von seiner Heldentat erhoffte. Ein leises Rascheln im Gebüsch ließ Anna aufhorchen. Auch Noishe war aus seinem Dösen aufgeschreckt und starrte in den Wald. Erst als er begann aufgeregt mit dem Schwanz über den Boden zu peitschen, lockerte sich Annas Anspannung. Wenig später tauchte Kratos zwischen den Bäumen aus dem Schatten auf. An seiner Seite trug er ein Bündel mit allerlei Einkäufen. „Kommt mit, da vorne ist ein Bachlauf im Wald.“ Mit einem Blick auf Anna ergänzte er: „Du musst dich waschen, wenn wir nicht auffallen wollen.“ Erschrocken blickte sie an sich herunter. Tatsächlich hatte sie in Gefangenschaft niemals die Gelegenheit erhalten sich zu waschen. Sie spürte eine unangenehme Hitze in ihren Wangen, als ihr bewusst wurde, wie grauenvoll sie in diesen dreckigen, braunen Lumpen aus kaputtem Leinen wirken musste. Ganz zu schweigen von ihrem Geruch. Abrupt stand sie auf, verdrängte allen Schmerz in ihren überstrapazierten, dürren Beinen und stapfte in die Richtung aus der er gekommen war. Er packte sie an der Schulter, als sie gerade an ihm vorbei hasten wollte. „Jetzt warte doch.“ Mit gesenktem Blick drehte sie ihr Gesicht weg. Irritiert hob er eine Augenbraue und begann in dem Bündel zu kramen. Wenig später zog er zwei kleine Päckchen hervor und drückte sie in ihre Hand. „Zieh das an und wirf das verdreckte Zeug weg wenn du fertig bist.“, erklärte er. „Soll ich dir den Bachlauf-“ „Nein danke.“, schnitt sie ihm das Wort ab. „Ich bin kein Kind, ich finde ihn alleine.“, murrte sie und verschwand im Wald. Verwundert blickte er zu Noishe. „Scheint als wäre meine Fähigkeiten mit anderen Menschen umzugehen über die Jahre wirklich ziemlich eingerostet.“, stellte er schulterzuckend fest und begann die Vorräte auf zwei kleine Umhängetaschen zu verteilen. Es dauerte länger als sie erwartet hatte, bis sie den besagten Bachlauf erreichte. Noch immer empört über Kratos‘ fehlendes Einfühlungsvermögen ging sie am Rande des Baches auf die Knie und zog sich die alten Lumpen über den Kopf. Angeekelt legte sie die alte Kleidung beiseite und griff nach dem kleineren der beiden Päckchen. Es duftete nach Lavendel. Schon auf dem Weg durch den Wald war ihr der intensive Duft aufgefallen. Vorsichtig entfaltete sich das knittrige Papier und enthüllte ein kleines, rundes Stück Seife. Vorsichtig setzte sie einen Fuß auf die rutschigen Steine am Boden des schmalen Baches. Ein Schauder schüttelte sie, als ihre Haut das eiskalte Wasser berührte. Doch das Privileg sich waschen zu dürfen, war nach der langen Gefangenschaft etwas Besonderes. Immer wieder lugte sie argwöhnisch in die Richtung der kleinen Lichtung, doch kein Geräusch verriet einen heimlichen Beobachter. Als auch nach eifrigem Schrubben der letzte Dreck nicht von ihren Knöcheln verschwinden wollte, gab sie es auf. Die Kälte des Wassers raubte jedes Gefühl in ihrem Körper. Zitternd trat sie zurück auf die Wiese und nahm das zweite Paket in die Hand. Vorsichtig löste sie die Kordel, mit der das Papier fest verschnürt war. Mit einem jähen Gefühl von Scham wurde ihr bewusst, dass sie ihm Unrecht getan hatte. Er hatte sie eben nicht bloßstellen wollen. Mit einem Seufzen faltete sie das Papier auseinander… und ihre Augen weiteten sich. Fein säuberlich gefaltet präsentierte sich ihr ein beiges, knöchellanges Kleid. Verschiedene gestickte Muster verzierten Kragen und Ärmel und ein schmaler brauner Gürtel umschlang das Kleid auf Taillenhöhe. Vorsichtig hob sie es beiseite und entdeckte darunter ein ledernes Paar Schuhe und einen Umhang. Sie hatte ihm tatsächlich Unrecht getan. Freudig und beschämt zugleich schlüpfte sie in das neue Kleid und schnürte ihre Schuhe. Noch immer vor Kälte bebend legte sie den Umhang an. Zögernd hob sie die Kordel der Verpackung auf und band ihre maronenbraunen, schulterlangen Haare zu einem nassen Zopf zusammen. Sie griff nach der restlichen Seife und machte sich unsicher auf den Rückweg. Als Anna das Lager erreichte, war die Sonne bereits untergegangen. Ein kleines Feuer knisterte friedlich in der Mitte der Lichtung, als sie zwischen den Bäumen hervortrat. Kratos hatte sich unweit des Lagers niedergelassen und rührte in einem kleinen metallischen Topf, den er behelfsmäßig mit Ästen über dem Feuer aufgehängt hatte. Er blickte nicht auf, als sie sich ein Stück entfernt auf die Wiese setzte. „Kratos?“, fragte sie schließlich. Noch immer rührte er desinteressiert in der Suppe. „Danke…“, murmelte sie. Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu. „Es gibt nichts, wofür du mir danken solltest.“, erklärte er trocken. „Aber Sie haben mir das Leben gerettet, mich von diesen Kerlen fortgebracht und mir auch noch neue Kleidung gekauft.“, protestierte sie. Erst jetzt schien sie seine volle Aufmerksamkeit gewonnen zu haben. „Es gibt auch keinen Grund mir solchen Respekt entgegen zu bringen.“ Mit einem Mal entdeckte die etwas in seinen Augen, das sie zuvor nicht bemerkt hatte. Sie wirkten müde und erschöpft. Fast ein wenig traurig. „Warum haben Sie-“, sie stockte. „Warum hast du mir geholfen?“, fragte sie zögerlich, in der Hoffnung ihm nicht zu nahe zu treten. Sie begann nervös auf ihrer Unterlippe zu kauen, als er erneut den Blick abwandte und schwieg. „Tut mir leid…“, wisperte sie. Nachdenklich legte sie das Kinn auf die angezogenen Knie und betrachtete das flackernde Feuer. Immer wieder stoben Funken in die kühle Nachtluft und tanzten umher wie ein Schwarm kleiner Glühwürmchen. Eine lange Weile schwiegen beide. Schließlich hob er zu sprechen an. „Du brauchst dir keine Sorgen wegen des Feuers zu machen. Selbst wenn ein Suchtrupp der Desians durch den Rauch aufmerksam werden sollte, wird Noishe sie früh genug hören, damit wir rechtzeitig verschwinden können.“ Erschrocken hob sie den Kopf. „Woher weißt du, was ich denke?“, fragte sie irritiert. „Dein Blick hat dich verraten.“ Er griff nach einer hölzernen Schüssel und goss die köchelnde Flüssigkeit aus dem Kochtopf hinein. Schnuppernd nahm Anna die Schüssel entgegen und bemerkte, dass es sich um eine schlichte Reissuppe handelte. Fast gierig nippte sie an der heißen Brühe und verbrannte sich prompt die Zunge. Bevor die Desians sie entführt hatten, hätte sie solches Essen nur mit Überwindung hinunterschlucken können. Doch jetzt war sie mehr als dankbar für das warme Abendessen. Ein scheues Lächeln huschte über ihre schmalen Lippen, als sie bemerkte, dass er sie aufmerksam beobachtete. Es dauerte nicht lange, bis sie die Schüssel geleert hatte. Mit einem glücklichen Seufzen stellte sie die Schüssel zu Boden und warf ihm einen dankbaren Blick zu. „Du bist wirklich nett.“, stellte sie fest und musste beinahe kichern, als sie seinen erstaunten Blick registrierte. Es freute sie, dass auch er im innersten scheinbar menschliche Gefühle besaß. Das machte ihn gleich deutlich sympathischer. Schnell hatte er sich gefasst, griff nach der Schüssel, säuberte sie und verstaute sie wieder im Gepäck. Mit einem tiefen Durchatmen fasste Anna sich ein Herz und stellte die Frage, die schon seit ihrer Flucht auf ihrer Zunge brannte. „Was hast du jetzt mit mir vor? Kannst du mich… vielleicht nach Luin bringen?“ Erwartungsvoll beobachtete sie, wie er innehielt und sie erneut fixierte. „Luin ist deine Heimat, oder? Wir können dort nicht hin.“ Sie konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen. „Wieso denn nicht?“, fragte sie mit einem Hauch von Verzweiflung in der Stimme. „Was glaubst du, wo die Desians zuerst suchen werden?“ Der Gedanke traf sie wie ein Schlag. Geknickt senkte sie den Kopf und zog ihren Umhang enger um ihre bebenden Knie. Sie wagte es nicht in seine Augen zu blicken. „Ich kann dich zurück nach Luin bringen, wenn die Desians ihre Suche nach dir aufgegeben haben.“, ergänzte er nach einem Moment der angespannten Stille. Für Anna war das nur ein schwacher Trost. Niedergeschlagen vergrub sie ihr blasses Gesicht in dem wollenen Umhang und schwieg. Hosted by Animexx e.V. 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