Wie ein Telefonat Folgen hatte von Marron ================================================================================ Kapitel 2: Johnny ----------------- Johnny hatte wirklich nicht vorgehabt, diese Grenze zu überschreiten. Ganz sicher nicht, er hatte lediglich bemerkt, dass Robert in letzter Zeit etwas fahrig und nervös geworden war. Darauf hatte er sich keinen Reim machen können, was nervig war. „Ich geh mal kurz schauen, ob er wirklich telefoniert“, hatte er gegenüber Oliver und Enrico gesagt und sich dann erhoben. „Lass das besser!“, hatte der Franzose gemahnt. Er jedoch hatte alle Sorgen über einen aufkommenden Streit mit einem Schulterzucken weggewischt. So eine Sache war eben nichts für Feiglinge! Hah, als ob er sich davor fürchtete, von Robert zusammengestaucht zu werden! Das tat der Deutsche immerhin beinahe jeden Tag – und sah dabei viel besser aus, als der Schotte je laut zugegeben hätte. Mit dem Kopf schüttelnd war er also dem Teamkapitän nachgegangen. Zuerst war nur dumpfes Gemurmel zu hören gewesen, aber dann stand er vor der angelehnten Tür und wollte sie gerade aufschieben, als er die Worte hörte: “Vater, ich fürchte, ich hab mich verliebt.“ Wie erstarrt war der Schotte nach dieser Äußerung gewesen und von Konfrontation konnte wahrlich keine Rede mehr sein. Seine Gedanken überschlugen sich. Wer? Seit wann? Wo war das passiert? Kannte er sie? Er knirschte unmerklich mit den Zähnen, als er sich ein hübsches Mädchen an Roberts Seite vorstellte. Ohne zu wissen, wer es eigentlich genau war, beschloss er schon, diese Person nicht leiden zu können. Bestimmt war sie in hundert Jahren nicht gut genug für den Deutschen... Er war beinahe dankbar, als Roberts Vater ihn fragte, wer es sei. Gespannt lugte er durch den Spalt und sah, wie Robert auf dem Stuhl hin und her zappelte, rot wurde und schließlich seufzte. „Und du versprichst mir, dass du mich erst anhörst, bevor du dich äußerst?“ Irgendwie klang der sonst so selbstsichere Teamkapitän gerade ein wenig eingeschüchtert. Johnny konnte es ihm nicht verübeln – für Robert war das hier wirklich schwierig. Wahrscheinlich war es das erste Mal, dass er so vorsichtig vorging. Herr von Jürgens Senior hatte nichts gesagt, aber Robert holte tief Luft. Vielleicht hatte der alte Herr einfach nur genickt. „Also...du kennst ihn.“ Ihn? IHN?! Hatte er gerade richtig gehört?! Robert war in einen Kerl...? Das war mal was Neues, was er sicherlich nicht erwartet hatte. „Oh...“, hörte er Roberts Vater sagen. Offensichtlich hatte auch er den Wink verstanden. Eine Weile sah Robert schweigend auf den Bildschirm. Er biss sich auf die Lippe und sah weg. „Ist das schlimm?“ Wirklich, er klang wie ein kleines Kind, das eine Vase zerdeppert hatte... Sein Vater räusperte sich laut. “Nun, das...ist eine Überraschung. Wenn ich es denn mal so ausdrücken darf. Du bist dir wohl sehr sicher, dass es keine vorübergehende Phase ist? Du bist dir über die Konsequenzen im Klaren, die dich erwarten könnten, wenn das Öffentlich wird?“ „Ja, ich weiß.“ Robert murrte, als habe er diese Fragen erwartet. Und vermutlich hatte er das auch. So, wie Johnny ihn kannte, hatte Robert das Gespräch wahrscheinlich schon an die zehn mal durchgespielt gedanklich, bevor er wirklich zu seinem Laptop gegriffen hatte. In einem Seufzer stieß der Deutsche die Luft aus. „Das kümmert mich aber nicht viel. Und Johnny hoffentlich auch nicht.“ Der Schotte schlug sich die Hand derart kräftig vor den Mund, dass es schmerzte. Er wirbelte herum, stützte sich an der Wand neben der Tür ab und wurde flammend rot. Seine Knie verwandelten sich in zitternde Irgendwas, auf denen er kaum stehen konnte. War das Absicht gewesen? Hatte er das richtig gedeutet? Robert hatte sich in ihn verliebt? Wirklich und wahrhaftig? Unbewusst sackte er auf den Boden und holte in einem Keuchen Luft. “Du meinst wirklich Johnathan? Nun, das freut mich für dich.“ „Im Ernst?“, hörte er Robert zweifelnd sagen, „Ihr seid nicht enttäuscht?“ Sein Tonfall klang, als hinge sein Leben von dieser Antwort ab. Bisher hatte Johnny gar nicht realisiert, wie sehr Robert versuchte, seine Eltern stolz zu machen. “Nun“, mischte sich Frau von Jürgens ein, die mittlerweile wohl auch anwesend war, “Natürlich wären wir sehr froh über Enkelkinder gewesen. Man wünscht sich so etwas ja immer. Aber das ist doch nicht wichtig. Sondern vielmehr, dass du für dich selbst den Weg findest, den du gehen willst.“ “Wir könnten gar nicht enttäuscht sein, weil du voll und ganz zu dem stehst, was du empfindest. Ich denke, ich spreche auch für deine Mutter, wenn ich dir sage, dass du eher stolz sein kannst, so offen zu sein. Hast du es ihm denn schon gesagt?“ Nein, dachte Johnny säuerlich, das würde Robert wohl in tausend Jahren nicht über die Lippen bringen. Er stand auf und schob die Tür auf. „Gerade eben“, sagte er mit viel ruhigerer Stimme, als ihm zumute war. „Nicht, dass er mich sonderlich darauf vorbereitet hätte.“ Er grinste schief, als er Roberts absolut fassungslosen Blick sah. Das intensive Rot seiner Wangen biss sich irgendwie mit seinem Haarton. Aber das war auch gut so. „Was machst du hier?“, fragte der Deutsche und sah überall hin, nur nicht in Johnnys Gesicht. Erst das Lachen des Schotten brachte ihn dazu, den Blick wieder zu heben. „Willst du nicht viel lieber die Antwort haben?“, fragte er seinen Teamkapitän und setzte im selben Atemzug hinzu: „Ich denke, wir können es abkürzen: Ich empfinde genauso. Zufrieden?“ Noch nie hatte er gesehen, wie Robert die Fassung verlor, aber dieses eine Mal war es ein mehr als lohnender Anblick, ganz egal, was Robert nachher zu ihm sagen würde, weil er gelauscht hatte. „Beendest du jetzt mal dein Gespräch? Oliver und Enrico sitzen unten und sollten vielleicht über diese Änderung im Team in Kenntnis gesetzt werden.“ Endlich fing sich der Deutsche wieder und begann leicht zu grinsen. „Nun, dann lassen wir sie nicht länger warten“, erwiderte er und schaltete den Laptop ab. Seine Eltern hatten ohnehin nur die restliche Zeit damit verbracht, ihren Sohn auszulachen. Nach einem kurzen Winken der beiden wurde der Bildschirm schwarz und zwei etwas verlegene Teenager sahen sich an. „Nun denn, auf in den Kampf“, seufzte Robert leise. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)