Story between Worlds von FeelLikeParadise (Samael und Aurelia) ================================================================================ Kapitel 11: Kapitel 11 ---------------------- Er sah sie aus seinen undurchdringbaren Augen an, unfähig auch nur ein Wort herauszubringen. Sie erwiderte seinen Blick, konnte aber darin keinerlei Reaktionen erkennen. Javiers Hand lag noch immer ungeachtet auf der ihren. Ihr schwirrte der Kopf, die Augen wurden immer schwerer. Eine unerträgliche Hitze machte sich in ihr breit, die sie zu versengen drohte. Was hatte sie nur gerade gesagt?! So war sie doch nicht! Das wollte sie gar nicht! Amaya blickte auf den Boden und rückte ein Stück ab. Ihre Hand entglitt seiner. Ihr Atem ging schwer, das Herz klopfte wild. Sie öffnete den Mund, um ihm zu erklären, dass ihr eben nicht bewusst gewesen war, was sie gesagt hatte. Aber diese Worte kamen nie heraus. In diesem Moment schnellte sein Arm hervor, griff nach ihren Fingern und zog sie dicht zu sich heran. Ihre Körper prallten heftig aneinander, sodass sie für einen Moment die Luft anhalten musste. Mit einer Hand umfing er ihre Wange, mit der anderen hielt er sie fest. Dann beugte er sich zu ihr herab und presste seine Lippen auf ihre. Sie erstarrte vor Überraschung und spürte, wie er ihr einen Arm um die Hüften legte. Seine Lippen waren warm und unnachgiebig, raubten ihr das letzte Fünkchen Kontrolle über sie selbst. Dann wurde der Kuss langsamer, vorsichtiger und wandelte ihre Anspannung in...in Gelassenheit um. Sie legte ihre Hand in seinen Nacken und schmiegte sich an ihn. Erstaunt zog sich Javier etwas zurück und sah ihr tief in die Augen. Seine waren voller vorübergehendem Verlangen gezeichnet, zugleich trat aber auch ein gewisses Zögern hinein. Trotzdem dauerte es nur einen kurzen Augenblick, ehe sie ihren Kopf leicht nach oben neigte und sie sich erneut küssten. Dieses Mal bewusst und wohl wissend, das er sie eigentlich überhaupt nicht kannte, nicht mal eine Ahnung hatte, wer sie wirklich war. Amaya wusste, dass sie aufhören musste und das wollte sie auch. Doch als er den Kuss in die Länge zog, verlor sie erneut die Beherrschung und lehnte sie noch näher an ihn heran. Er strich ihr durch die Haare, wodurch auch das letzte bisschen Luft aus ihrer Lunge entwichen war. Demnach schlang sie die Arme um seine Taille und zog ihn mit sich nach hinten. Gemeinsam prallten sie gegen eine Wand, verschlangen sich, hielten einander fest. Javier ließ seine Hände über ihren Rücken gleiten und ließ sie knapp über ihren Hüften inne halten. Amaya erwachte aus der scheinbar schwerelosen Trance: Das war nicht gut. Das war überhaupt nicht gut! Doch so sehr sie auch mit sich selbst kämpfte...sie konnte ihn nicht loslassen. Aber ehe sie sich selbst überwinden konnte, ihn von sich zu stoßen, hörte sie in der Nähe ein lautes Rumpeln. Gleichzeitig ließen sie voneinander los und schauten überrascht in Richtung Wohnungstür. Beide blieben wie angewurzelt stehen. Im Eingang stand eine kleinere Frau in mittleren Jahren. Die dunklen, gelockten Haare hatte sie sich hochgesteckt, einzelne Strähnen zierten ihr rundes Gesicht. Zwei vollgepackte Einkaufstaschen in jeder Hand. Eine hatte einen großen Riss, da ein Teil der Lebensmittel auf den Boden gefallen war, vermutete Amaya. „Hi,...Mum, ich dachte du wärst heute Abend noch bei Alisé...“. Es stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, das er angenommen hatte, dass seine Mutter erst später nach Hause kommen würde. Sie stand wie geschockt da und ihre Wangen zeigten eine verräterische Röte. Unwillkürlich kam Amaya die Frage, ob die Mutter ihren Sohn schon einmal mit einem Mädchen zusammen gesehen hatte...Wundern dürfte sie sich nicht. Immerhin war sie selbst neunzehn und schätzte, dass Javier gleichaltrig war, vielleicht ein Jahr jünger. Die Stille im Raum bereitete ihr Unbehagen und sprach innerlich ein Dankesgebet aus, als die ohnehin schon kaputte Tragetasche endgültig aufriss und schließlich der ganze Einkauf auf den Holzboden fiel. Die Frau, Amaya schätzte sie auf vierzig, löste sich augenblicklich aus ihrer Starre und bückte sich nach unten, um die Lebensmittel wieder einzusammeln. Javiers Anspannung ließ etwas nach. Er atmete kurz auf, blickte kurz über die Schulter zu Amaya und ging dann auf seine Mutter zu, um ihr zu helfen. Und noch während er zu ihr hinüber lief, traten schwarze Punkte vor ihre Augen, schwächten ihre Sicht und hüllten alles in Dunkelheit. Die unerträgliche Hitze wallte abermals in ihr auf, verlangsamte ihre Atmung, trocknete ihr die Kehle aus. Schweißperlen kullerten an ihr hinab. Was war gerade nur passiert?! Was geschah jetzt, in diesem Moment?! Doch noch bevor sie ihre Gedanken zu Ende führen konnte, schweifte ihr Bewusst sein vollends ab. Wie gelähmt rutschte sie die Wand hinunter. Das letzte was sie noch mitbekam, war wie sie zu Boden fiel, liegen blieb, und Javiers Mutter einen geschockten Laut von sich gab. Raphael und Jewel flogen über die kahlen Berge Jan- Mayens. Durch die dicken Nebelschichten konnten sie nur die groben Umrisse der Gipfel und Täler sehen. Die Luft hier oben war sehr dünn und eisig noch dazu. Doch das bereitete den Geschwistern keine Schwierigkeiten. Raphael genoss die friedliche Stille, die sich über die Insel legte und in einen tiefen Schlaf hüllte. Der Alltagslärm der Menschen war ihm letztendlich ziemlich auf die Nerven gegangen. Sie waren bereits die ganze Nacht über die Grönlandsee geflogen und hatten vor etwa einer Stunde das Festland erreicht. Die längliche Landmasse, die an der Küste hauptsächlich aus Felsen und Stein bestand, war kaum bewohnt. Die letzte verbliebene Wohnsiedlung, namens Olonkinbyen, bestand früher aus sechzig Männern und Frauen. Heutzutage waren es nur noch um die zwanzig Einwohner. Dazu kamen noch Meteorologen, die, die Wetterstation besetzten. Weiter Landeinwärts hatten die Nightfire´s ihren Wohnsitz, der vor etwa zweihundert Jahren erbaut und von Generation zu Generation weitervererbt wurde. Schweigend flogen sie über den inzwischen beschneiten Beerenberg. Die letzte Aktivität des Vulkans lag mehrere Jahrzehnte zurück, galt aber dennoch als aktiv. Als sie ihn hinter sich gelassen hatten, verschwand der Nebel und gab die Sicht auf weitere Berge frei, die mit Gestrüpp und Sträuchern bewachsen waren. Gleich dahinter ragte der Aussichtsturm des Anwesens empor und lockte Raphael ein Gefühl der Vorfreude hervor. Auf den letzten hundert Metern beschleunigte er sein Tempo, glitt durch die offenen Rundbogen und landete mit Leichtigkeit im Turm. Endlich. Jewel kam wenige Augenblicke später an und blickte zornig zu ihrem fünf Jahre älteren Bruder auf: „Ich hasse es! Du weißt ganz genau, dass ich es nicht leiden kann die ganze Nacht, ohne Pause wohlgemerkt, durchzufliegen! Besonders wenn der Regen einem um den Kopf peitscht!“. Ja, sie war ein bisschen hysterisch. Raphael musste sich ein Lachen verkneifen und zog stattdessen seine Flügel ein. Ein fernes Donner grollen kündigte das heutige Unwetter an. „Aber du musst zugeben, dass es nur von Vorteil war keine Pause einzulegen. Außerdem fordert es deine Kondition, die nach den neuesten Ständen...noch ausbaufähig ist.“. Der Blitz, der hinter ihr aufleuchtete, gab den perfekten Kontrast zu ihrem wütendem Gesicht, das sie zog. Er lächelte sie an, was sie nur noch mehr provozierte. Jewel schnaubte und ging in Richtung Treppe, die nach unten in den Wohnteil des Hauses führte. „Sagtest du nicht gerade, du müsstest mit Vater sprechen?! Ich denke nämlich, dass es höchste Zeit wird". Sie sah über ihre Schulter und grinste ihn diabolisch an. Das Verhältnis zwischen ihnen war auf einer sehr sarkastischen Ebene aufgebaut, was für Geschwister vielleicht eher ungewöhnlich war, aber ihnen das Zeichen gab, dass zwischen ihnen alles okay war. Raphael hatte den ganzen weg nach Hause darüber nachgedacht, wie Lucius wohl auf die Neuigkeiten und Samaels Entführung reagieren würde. Sie hatten zwar schon viele waghalsige Dinge erlebt, was für sie praktisch zum Alltag zählte, doch von Engeln wurde bisher kleiner von ihnen mitgenommen. Was die vergangene Nacht betraf, so war es das erste Mal, dass ihnen so etwas passiert war. Sie waren jagen gewesen, bis diese Kraken ähnliche Kreatur aufgetaucht war und alles durcheinander gebracht hatte. Es stammte nicht aus ihrer Welt, nicht aus der Welt der Menschen, nicht aus Midgard. Die Bezeichnung der Welt der Menschen stammte von den Geistern, die dazu verdammt waren, die nordischen Götter anzubeten, mit denen sie seit Anbeginn der Zeit einen uralten Pakt geschlossen hatten. Engel wie auch Dämonen kümmerten sich nicht um solche Dinge und glaubten an sich selbst, wussten zwar, dass es jene Götter gab, hatten jedoch keinen Bezug zu ihnen. Alle drei waren hinter jeder Seite des Biestes her gewesen. Dann hatten sie die warnende warme Luft um sich herum gespürt, was ihnen das Signal gab, dass Engel sich in der Nähe befanden. Raphael und Jewel mussten einen kleinen Umweg nehmen, damit sie keine allzu große Aufmerksamkeit aus sich zogen und wurden so von Samael getrennt. Danach war ihnen der große, blonde Engel, wie ein Verrückter hinterher gefolgt. Sie wollten ihn in einen Hinterhalt locken, doch er war noch rechtzeitig abgebogen und zurück gegangen, als er die Fährte verloren hatte. Anschließend waren sie ihm auf einiger Entfernung gefolgt und waren an einem kleineren See angekommen. Dort war Samael bewusstlos auf dem Waldboden gelegen und hatte sich nicht mehr gerührt. Diese Frau, die sich über ihn gebeugt hatte, war ihm gleich aufgefallen. Wie hatte sie es geschafft seinen Bruder zu Fall zu bringen? Diese Frage war Raphael während der letzten Stunden mehrmals durch den Kopf gegangen. Jewel war das Ausschlaggebende, das ihn aus seinen Grübeleien zurückholte, indem sie direkt vor die Augen trat und ihn anstarrte. „Kommst du nun?“, fragte sie noch immer leicht gereizt. „Natürlich“, antwortete er ihr und schritt die Treppe hinunter. Es dauerte eine Weile bis sie den Turm hinter sich gelassen hatten und gingen durch die darauffolgende Korridore. Es gab einen Grund, warum sich die Familie auf einer so Gottverlassenen Insel niedergelassen hatten: Sie waren allein. Allein und abgeschieden von dem Rest der Welt. Es war auch bei ihren Vorfahren so gewesen, dass sie sich zurück gezogen hatten. Aber keinesfalls weil sie mit niemandem etwas zu tun haben wollten. Im Gegenteil: Sie hatten einen großen Bekanntenkreis und der Name „Nightfire“, war so gut wie in jedem dämonischen Clan bekannt. Außerdem lebten viele namhaften Dämonen in einer Menschenleeren Gegend und lebten stets ihr eigenes Leben, mit eigenen Regeln, hielten aber trotzdem regelmäßigen Kontakt zu ihren Partnern. 'Und all das nur für einen Zweck...', dachte Raphael und marschierte weiter. Sie erreichten die Eingangshalle, die von zwei Rundbogenreihen gesäumt war und an jedem von ihnen der Kopf einer gewaltigen Schlange hing. Jörmungandr. Die Midgardschlange. In der Mythologie ein riesiges Tier, das die Welt umspannt, in echt eine Kreatur, die seit Jahrtausenden schlief. Das Gegenstück der Dämonen. Ein Träger der jetzigen Welt. Stirbt sie, sterben die Nachkommen der Unterwelt. Das Ziel der Engel. Bevor seine Gedanken zu weit abschweiften, schob Raphael sie beiseite und nickte stattdessen einigen bekannten Gesichtern zu, die gerade aus dem Konferenzraum seines Vaters traten. Darunter befanden sich gute Freunde und die engsten Vertrauten der Familie, wie die Flynt´s und Arthan´s. Taro und Felia Flynt waren um ein paar Ecken mit den Nightfire´s verwandt und standen Lucius immer zur Seite. Ihre Gesichter hatten dieses Mal einen ernsten Ausdruck und verschafften Raphael eine gewisse Vorahnung... Ein knappes Lächeln ihrerseits, bevor sie auch schon um die nächste Ecke verschwunden waren. Die Geschwister warteten noch einen Moment, bis auch die letzten aus dem Raum gekommen waren und traten dann schließlich selber in den Raum ein. Der Saal bestand vollkommen aus Stein und hatte statt normale Wände, Bogenpfeiler, die eine freie Sicht auf die Berge gaben. In der Mitte stand ein runder Tisch, in dem ebenfalls ein Abbild der Midgardschlange eingelassen war. Insgesamt war das Haus in einem etwas älteren Stil gehalten und eingerichtet. Die Holzverkleidungen an den Wänden im Flur waren mit detaillierten Handschnitzereien angefertigt worden und ließen einen wissen, dass sie aus einer anderen Zeit stammten. Dennoch gab es auch ein neueres Gebäude, das an das alte Gebäude angrenzte und durch eine Brücke verbunden war. Dort befand sich das Lager für alle Waffen, Trainingsräume und einen unterirdischer Tunnel der auf die Nachbarinsel führte. Lucius stand an einem der Bogen und starrte in den strömenden Regen. „Ihr seid wieder da.“, sagte er, mit dem Rücken zu ihnen gewandt. „Ja, aber...“, begann Jewel, wurde jedoch von ihrem Vater unterbrochen: „Ohne Samael. Was ist passiert?“, fragte er und drehte sich erst jetzt zu ihnen um. „Es ist etwas unerwartetes geschehen.“, ergriff Raphael das Wort und schilderte seinem Vater die Ereignisse der letzten Nacht. Als er mit erzählen fertig war, starrte Lucius in einen Augenblick erschrocken an und drehte sich dann zu einem Mann um, der den beiden Geschwistern völlig fremd war und erst jetzt aus der hintersten Ecke trat. Er war recht groß gewachsen und hatte Schulterlanges, schwarzes Haar. Zwischen ihnen begann ein stummes Wortspiel. Dann sahen beide zu Raphael hinüber. „Jewel, würdest du mir den gefallen machen und uns einen Moment alleine lassen?“, bat Lucius sie. Jewel hob an, um zu rebellieren, wieder einmal. Besann sich jedoch eines Besseren, als sie den Blick ihres Vaters sah. Empört stapfte sie davon und knallte die Tür hinter sich zu. Das Verhältnis zwischen Lucius und seinen Kindern war vertraut und zugleich auch sehr diszipliniert. Er weihte sie in alle Angelegenheiten ein und gab ihnen Aufgaben zur Beschattung der Engel in ganz Großbritannien. Als sie noch Kinder gewesen waren, hatte er sie das Fliegen und Kämpfen gelehrt. Ihre Mutter, Penelope, war bei Jewel´s Geburt gestorben und Lucius redete nie über sie, aber Raphael glaubte nicht, dass es daran lag, das er trotz allem Distanz zu seinen Kindern hielt. Und als er jetzt seinen Vater ansah, wusste er auch, dass er recht damit hatte. „Du wirst deinen Bruder zurückholen. Aber bevor du das tust, gibt es noch eine Sache, von der du noch nichts weißt, mein lieber Sohn.“. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)