Story between Worlds von FeelLikeParadise (Samael und Aurelia) ================================================================================ Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- Die Zeit schien still zu stehen. Der ganze Wald senkte sich in eine Stille, als wäre nichts passiert. Verdorrte Blätter fielen auf die Erde hinab und jedes Auftreffen klang in Aurelia´s Ohren wie aufloderndes Feuer, das für Ewigkeiten in der Hölle brannte. Sanfter Wind rauschte durch die Bäume, zupfte an den kleinen Grashalmen, zog sie mit in seine Richtung. Der See lag unangerührt da und spiegelte den hell scheinenden Mond in seiner ganzen Pracht. Eine Sternenklare Nacht, wie aus einer anderen Zeit, nichts schien diese Schönheit jemals auslöschen zu können. Bis jetzt. Alles was einst schön war versank in den lodernden Augen des Abgrunds. Unfähig sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen, lag sie da, fassungslos, geschockt und voller Selbstzweifel, sich das alles vielleicht doch einzubilden? Aber das kann keine Illusion sein! Sie erkannte jedes einzelne Detail: Die makellose Haut, geschwungene Lippen, hohe, eckige Wangenknochen, die ausdrucksstarke Augenbrauen, von den Augen allein ganz zu schweigen. Aurelia blieb der Atem in der Kehle stecken, versuchte etwas zu sagen, brachte aber kein einzigen Ton heraus. Sein Blick fesselte den ihren und presste schließlich auch das letzte bisschen Luft aus ihrer Lunge heraus. Was dachte er? Was hatte er jetzt vor? Sie versuchte eine Antwort in seinen Augen finden zu können, was aber leider erfolglos blieb. So etwas gab es nur einmal. Aurelia kam es vor, als ob eine Ewigkeit vergangen wäre und gleichzeitig keine Uhr dieser Welt weiter getickt hätte. Dann blitzte in ihrer Nähe etwas silbernes auf, das man auch leicht für eine Lichtreflexion des Wassers hätte halten können. Doch als sie den Punkt genauer fixierte, sah sie ihre einmalige Möglichkeit zu entkommen, dem ganzen ein Ende zu bereiten: Nahe Aurelia´s Oberschenkel lag ihr Dolch, dessen giftige Flüssigkeit an der Spitze herausquoll und geduldig auf sie warten zu schien. Allmählich erkannte sie ihre Chance. Vermutlich ihre einzige Chance. Wenn nicht jetzt, dann nie!, schrie es ihr durch die Gedanken. Ruhig hielt sie seinem Blick stand, tastete an sich herunter, dicht an seinem Unterarm vorbei. Aurelia spürte keine Körperwärme, die von ihm abging, aber als Kälte konnte man es auch nicht beschreiben. Das Gras strich unter ihrer Handfläche vorüber, an den ein oder anderen Regenwürmern vorbei, dann das erwartete vertraute Gefühl der scharfen Klinge, die sie jedes Mal mit sich trug. Aurelia´s Finger schlossen sich eisern um das Heft, zogen es auf einen Schlag, aber nicht zu schnell und mit vollster Vorsicht zu sich heran. Sie wartete noch einen kurzen Moment, um ihrem Herzen einen Augenblick der Ruhe zu gönnen, sah das letzte Mal in seine unwiderstehlichen Augen, holte aus und stach ihm mit ganzer Kraft in sein Bein. Er gab einen schmerzerfüllten Laut von sich, spannte die Muskeln an und gab nur einen Augenblick, aber dennoch lange genug nach, damit Aurelia ihn von sich schieben konnte. Er landete auf dem Rücken, als sie sich über ihn beugte, die Klinge aus seinem Schenkel zog und an seine Kehle hielt. Jetzt trennten ihn nur noch wenige Millimeter von seinem Tod. Sie hätte ihre Waffe nur zur Seite ziehen brauchen, um ihm den Rest zu geben, doch irgendetwas hinderte sie daran. Er schaute ihr direkt in die Augen. Rief in ihr wieder jene Gefühle hervor, die sie mit Mühe versucht hatte zu verdrängen: Wilde, verstreute Gefühle, die keinen Platz zu finden schienen, andererseits aber auch welche, die sich warm anfühlten und so etwas wie Wohlsein ausdrückten. Aurelia wusste nicht mehr was sie machen sollte. Du musst ihn töten!, schrien ihre Gedanken und ihr Herz pochte viel zu laut, als das sie hätte darauf hören können. Was sollte sie jetzt tun? Alles schien sich in die Länge zu ziehen. „Sag mir wer du bist, Dämon!“, rutschte es aus ihr heraus, bevor sie überhaupt nachdenken konnte. Trotz der Verwirrung versuchte Aurelia stand zu halten, als sie auf einmal sanfte Flügelschläge wahrnehmen konnte und einen Augenblick später Elijah neben ihr kniete. „Alles in Ordnung bei dir? Warum tötest du ihn nicht?“ „Weiß nicht. Ich... kann es nicht.“, brachte sie murmelnd hervor. Obwohl Aurelia´s Blick auf den Mann unter ihr gerichtet war, wusste sie, das ihr Bruder sie mit einem - Was -zum -Teufel?!- Blick anstarrte, dann seinen Dolch aus seinem Gürtel herauszog und Anstalten machte, das zu tun, wozu sie nicht in der Lage war. Den Dämon töten. Als hätte sie es vorausgesehen, griff Aurelia nach Elijah´s Handgelenk: „Nein! Wir werden ihn nicht töten. Noch nicht“, sagte sie ihm. Sein Blick glitt von ihr zu dem Mann hinab. „Ich glaube das, dass auch nicht mehr nötig sein wird“. „Was?!“. Blitzschnell sah sie auf das Gesicht unter ihr. Er war leichenblass, seine Augen geschlossen. Eine Welle des Schocks durchflutete sie, während ihr die Farbe aus dem Gesicht wich. War das Gift so schnell gewesen? „Er ist nur bewusstlos...noch...Trotzdem sollten wir ihn hier nicht liegen lassen. Ich schlage vor, wir bringen ihn zu Dad, denn es ist mir ein Rätsel, dass er dich nicht umgebracht hat, als er dazu die Möglichkeit gehabt hatte“. Raphael stand in der Dunkelheit der Nacht, sah auf die zwei vom Himmel delegierten Gestalten herab, die sich über seinen Bruder beugten. Die eine, war erst später dazu gekommen und allem Anschein an war diese ein Mann, vielleicht ein bis zwei Jahre älter als er, blondes Haar, große, kräftige Statur, Engelsgleich, im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Woge des Abscheus überkam Raphael, atmete ein und genoss es in vollen Zügen. Allerdings interessierte ihn nicht der junge Mann, sondern eher die zweite Gestalt, die sich über Samael beugte. Zierlich aber stark, die Haare zu einem noch kaum bestehenden Knoten zusammengebunden. Etliche Strähnen umfingen ihr Gesicht, verdeckten es. Er ließ seinen Blick über die Szenerie schweifen, blieb jedoch an einem unübersehbaren Gegenstand hängen: Ein gezackter Dolch, vorne von Jade grüner Flüssigkeit überzogen, das Ebenbild des Todes. Raphael konnte es nicht leugnen, das es ihm einen Moment so etwas wie vorübergehende Glückseligkeit bereitete seinen Bruder so zu sehen, wurde jedoch in seiner Schadenfreude unterbrochen, als er hinter sich kräftige Flügelschläge vernahm. „Was ist passiert?“. Jewel, natürlich, wer denn sonst? Sie trat neben ihn, schaute Raphael mit einem fragenden Blick an und richtete dann ihre Bernsteinfarbene Augen auf das Geschehen, das sich vor ihnen ergab. Ihr langes, rotes Haar fiel leicht auf die Schultern herab, umgaben ihr strahlendes Antlitz im Mondschein. Ein etwas spitzes Kinn zeichnete ihr Gesicht, hohe Wangenknochen hoben sich ebenfalls unter ihren Augen ab, jedoch längst nicht so ausgeprägt wie die von Samael oder ihm. Jewel´s Statur war eher klein und schmal, äußerlich keine besonderen Auffälligkeiten. Ob man sie als hübsch oder äußerst attraktiv bezeichnen konnte, musste jeder mit sich selbst ausmachen. Aber was Raphael sofort sah, wenn er an sie dachte, waren ihre stechenden Augen, die in jeder Finsternis aufleuchteten. Was einen aber aber noch mehr an ein Raubtier erinnerte wenn man ihr gegenüber stand, war ihre animalische Kraft, die Schnelligkeit und ihre Reaktionsfähigkeit, die sie zu etwas besonderem machten. Es gab allerdings eine Sache, eine empfindliche Seite, die sie, nach Raphael´s Wahrnehmungen, verletzlich machte: Ihre rechte, Narben übersäte Hand. Viele weiße Konturen, die sich mal mehr, mal weniger abhoben und sich um Finger und Handfläche schlängelten. Entstanden waren diese vor sechs Jahren bei einem Zwischenkampf in den schottischen Highlands, als Jewel gerade ihr zehntes Lebensjahr erreicht hatte. Samael, Jewel und er waren mit ihrem Vater Lucius auf der Durchreise nach Peterhead gewesen, als sie nachts von einer Gruppe Engeln angegriffen worden waren. Solange die anderen gekämpft hatten und sie verzweifelt versucht hatte sich in Sicherheit zu bringen, wurde sie von einem der Angreifern gepackt und attackiert. Mit ihren damals dünnen und kurzen Ärmchen konnte sie sich nicht wehren, doch Lucius kam im richtigen Moment und hatte sie gerettet. Aber die Narben, die der Engel mithilfe seines himmlischen Feuers, in sie hinein gebrannt hatte, waren geblieben. Nicht viele, der Gottgesandten Wesen hatten die Gabe, Dämonen zu verbrennen, indem sie, sie berührten, wobei die Kinder Satans daran nicht ganz unschuldig waren, das diese Begabung allmählich ihre Wirkung verlor. Ein kleiner Stich des Bedauerns durchfuhr Raphael, als er daran dachte, dass er damals nicht für sie dagewesen war, nicht versucht hatte ihr zu helfen. Das gehört der Vergangenheit an und was geschehen ist, ist nicht unbedingt...wichtig, dachte er. Jewel´s bohrender Blick war letztendlich das, das ihn aus seinen Gedanken riss. Ihre Augen glänzten jetzt noch mehr, wie immer, wenn sie unbedingt etwas wissen wollte. „Wenn du es so willst: Man kann nicht gerade sagen, dass unser geliebter Bruder seine Konzentration auf die überschreitende Grenze zum Territorium der Engel gerichtet hat“, antwortete er ihr mit knappen, kalten Worten. Er hatte keine besonders große Lust die Situation ausführlich zu schildern. „Und was machen wir nun? Du weißt so gut wie ich, das wir die Grenze nicht überschreiten können. Nicht so“, meinte Jewel warnend. „Wir werden nach Hause fliegen und Dad erzählen, was passiert ist. Komm schon!“. Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sich Raphael um und machte Anstalten seine Flügel auszubreiten. „Wir werden Samael nicht helfen?!“. Entsetzt starrte sie ihn an, doch Raphael schien es völlig kalt zu lassen. „Erinnerst du dich nicht an deine eigenen Worte?!“, sagte er. Mit dem Rücken noch immer zu ihr gewandt. Geräuschlos erhob er sich in die Lüfte und flog davon. „Und wieder vergeht eine schlaflose Nacht, auf dem Weg nach Hause...Jan Mayen, du kannst dich auf etwas gefasst machen“. Damit breitete auch sie ihre graufarbenen Schwingen aus, ließ einen Seufzer los und folgte ihrem Bruder ins schwarze Nichts. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)