Story between Worlds von FeelLikeParadise (Samael und Aurelia) ================================================================================ Kapitel 24: Kapitel 24 ---------------------- „Was?!“. Mirac war sprachlos. Noch nie hatte jemand den Rat um Erlaubnis gebeten, das Portal der Nornen zu durchqueren und damit ein Gesetz zu brechen! Das letzte Mal, das ein Geist die endlose Brücke überquert hat, lag Jahrhunderte zurück. Es war strengstens verboten und nur in Notfällen erlaubt, ihren Rat in Erwägung zu ziehen. „Bitte“, sprach Amaya. Es war ihre einzige Chance, Samael und den Engel überhaupt ausfindig zu machen. Sie könnte nicht mit der Schuld leben. Mit der Schuld, sie möglicherweise umgebracht zu haben. Sie durfte die Hoffnung nicht aufgeben. Sie mussten noch am Leben sein! Und sie musste wenigstens alle Möglichkeiten, ihnen zu helfen, in Erwägung ziehen! Auch wenn es verboten war... „Amaya, du weißt ganz genau, dass das nicht geht. Niemand wagt es, die Nornen aufzusuchen und sie um Hilfe zu bitten“. Während Mirac sprach war seine Stimme ruhig, sanft. Er versuchte sie von ihrer Idee abzubringen...'Aber er würde es nicht schaffen', sagte sich Amaya. Naja, eigentlich war es nicht 'ihre' Idee. Sie blickte zur Seite, wo Kilian stand. Auch wenn sie schon seit Kindertagen befreundet, und praktisch unzertrennlich waren, hätte sie es nicht von ihm erwartet, dass er ihr half. Nicht bei dieser Angelegenheit. Und sie tat es immer noch nicht. Sobald alles geregelt war, würde sie sich dafür revanchieren. Er kannte Samael gar nicht und war auch nicht dabei gewesen, als der Engel die schrecklichen Visionen gehabt hatte. Trotzdem setzte er sich jetzt für sie ein: „Es ist die einzige Chance, die uns bleibt“, sagte er: „Wir können nicht mehr lange warten. Es muss jetzt eine Entscheidung gefällt werden! Andernfalls könnte es sonst zu spät sein“. „Ihr denkt also,“begann Mirac: „dass sich ein Dämon und ein Engel in einem Dimensionslosen Raum befinden und sterben, wenn nicht bald etwas geschieht?“. „Vielleicht sind sie auch in einer anderen Dimension gelandet. Ich weiß es nicht...“, sprach Amaya verzweifelt. „Ich hätte eher gesagt, dass sie sich vor Hass gegenseitig umbringen, bevor sie von selbst umkommen...“, sagte Mirac, als hätte er nicht zugehört: „Wie dem auch sei...Amaya, ist dir klar, dass diese Reise nicht ganz ungefährlich sein kann?! Was ist, wenn sie dich nicht zu ihnen lassen?! Du könntest auch nie wieder zurück kommen!“, sagte Mirac. Er versuchte weiterhin, ihr ins Gewissen zu reden. Ohne Erfolg. „Onkel, ich werde verdammt nochmal durch dieses Portal schreiten, koste es was es wolle. Ich werde es tun, denn ich werde nicht mit dieser Schuld leben! Nicht in diesem Leben!“. „Na schön“, sagte Mirac. Er wirkte auf einmal kühl und wandte sich ab: „Kilian komm mit. Wir müssen eine Besprechung mit dem Rat miteinbeziehen“. Eines der obersten Gesetze: Wenn ein Geist eine Besprechung mit dem Rat verlangte, bekam er sie auch. „Ich komme“. Kilian wandte sich zum gehen ab und sah davor nochmal Amaya an: „Ich werde alles in meiner Macht stehende versuchen, um Mirac und den Rest des Rates davon zu überzeugen“, sagte er ernst und klopfte ihr auf die Schulter, bevor er aus dem Amtszimmer ihres Onkels schritt. „Denkst du er wird es schaffen?“, fragte Javier, der bis zu diesem Moment still geblieben war. Er drehte sich vom Fenster weg und sah sie an. „Ich weiß es nicht. Wir können nur hoffen“, antwortete sie leise. „Wenn er es nicht schafft...was hat Kilian dann vor?“. „Auch das weiß ich nicht“ und bei diesem Gedanken musste sie lächeln: „Bei so etwas kannst du dir nie sicher sein. Nicht bei ihm. Aber ich vertraue ihm“. Dann war es einige Zeit still. Amaya dachte über die letzten Tage nach. Es war alles so irrational. Und wieder einmal hatte sie das Gefühl, als ob ihr jegliche Kontrolle über ihr Leben, und auch Javiers, aus den Händen floss. Angefangen hatte es damit, dass sie sich Javier gezeigt hatte, ihm einfach alles über ihre Welt und den Kampf zwischen Engeln und Dämonen erzählt hatte. Nebenbei wurden sie auch noch selbst von einem Dämon verfolgt. Warum hatte sie all das getan?, fragte sich Amaya in dem Moment. Sie hatte keinerlei Grund gehabt, Javier in all das mit reinzuziehen! Warum?! Warum hatte sie das getan?! Außerdem war es verboten, den Menschen ihre Welt zu offenbaren! Das leichteste und oberste Gesetz ihrer Welt! Gleich danach kam der Schutz der Menschen. 'Ist mir ja wunderbar gelungen!', flog es ihr durch den Kopf. Allmälich wurde sie sauer. Sauer auf sich selbst. All die Hilfe und Unterstützung...das hatte sie nicht verdient! Da war es gerade recht, dass es höchst wahrscheinlich war, dass sie mit der Schuld leben musste! Aber anderseits konnte sie andere für ihre Fehler auch nicht büßen lassen! Sie musste wieder alles in Ordnung bringen! Und sobald wieder alles so war, wie es sein sollte, würde sie Javier wieder in die Welt der Menschen lassen. Als hätte sie es nie gegeben... Amaya fing an zu lachen. Ein Lachen der Verzweiflung, der Hilflosigkeit, des Versagens. „Was ist?“, wollte Javier wissen. „Es darf nicht war sein...“, sie fasste sich an den Kopf: „Alles gerät außer Kontrolle! Alles ist meine Schuld! Und eigentlich dürftest du gar nicht hier sein...Ich habe versagt. Versagt als Silithas, versagt...“. Sie ließ sich in einen der wenigen Sessel fallen. Decken aus Tierfell waren über sie gelegt. Sie stützte weiter den Kopf in die Hände und schloss die Augen. Eine warme Hand legte sich auf ihr Knie und drückte sie kurz. Amaya schaute auf und sah Javier vor sich knien. Sein Blick war ebenfalls warm, von seiner Stimme ganz zu schweigen: „Du hast nicht versagt. Sonst würde ich jetzt nicht mehr leben. Und das Samael und der Engel...sie sind nicht tot, das verspreche ich dir. Und es ist auch nicht deine Schuld. Du konntest nicht wissen, dass sie sich ebenfalls in der Wohnung befinden. Und du kannst nichts für das, was passiert ist. Es ist außer Kontrolle geraten, ja, aber nicht deinetwegen“. Seine Worte waren ehrlich gemeint und nur durch seinen Blick, brachte sie ein kleines Lächeln zustande. Das sogleich erlosch. Sie musste standhaft bleiben! Nicht die Haltung verlieren... „Komm her“, sagte er und sie fiel ihm in den Arm. „Es wird wieder alles Gut“, sprach er leise. Sie stützte den Kopf auf seine Schulter und atmete tief ein. Amaya wusste nicht wieso, aber in diesem Moment war sie so froh, wie noch nie darüber, dass er da war. Sie drückte ihn an sich und sprach ein leises: „Danke“ aus. Danach wandte sie sich schnell aus der Umarmung und stand auf. Einen Moment später trat Mirac ein, gefolgt von Kilian und zwei anderen Mitgliedern des Rates. Yuma und Demian. Diese zwei Zwillingsbrüder waren die ältesten, die es in ihrer Welt gab. Beide hatten langes, weißes Haar und eine graue Augenfarbe, genau wie Amaya. Der einzige Unterschied zwischen ihnen, war ihre Größe. Yuma war sehr hochgewachsen, hatte langgliedrige Finger und war mindestens anderthalb Köpfe größer als Amaya. Demian hingegen war anderthalb Köpfe kleiner als sie und hatte ein eher rundes Gesicht. Trotz ihres Größenunterschieds waren die Brüder immer derselben Meinung und standen Rücken an Rücken. Schon seit ihrer Geburt war festgestanden, dass sie eines Tages dem Rat beitreten würden und hatten deshalb kein Leben als Silithas begonnen. Jene, die zu den drei Oberhäuptern in Niflheim gehörten, wandten sich ganz und gar ihrer Pflicht, dem Volk, zu. Sie würden nie einen Schützling bekommen und verließen ihre Welt nur selten. Sie waren für die Sicherheit in Niflheim zuständig, sie waren das Herz. „Sie haben eine Wahl getroffen“, sprach Javier leise, sodass es nur Amaya hören konnte und stand auf. Amaya trat auf sie zu und blieb mitten im Raum stehen. Die nagende Ungeduld in ihr wuchs stetig. Was würden sie sagen? Was hatten sie für eine Entscheidung getroffen? Nervös schaute sie von Mirac zu Kilian und wieder zurück. Ihre Mienen sagten nichts aus. „Eine Wahl wurde getroffen“, fing Mirac an: „Der Rat hat beschlossen, dass wir dir nicht die Erlaubnis erteilen werden, die Nornen aufzusuchen“. „Aber...wieso?!“, wollte Amaya wissen. „Zu viele Gründe sprachen eindeutig dagegen“, sagte Yuma. „Die Notwendigkeit ist zu gering“, sprach Demian weiter. „Warum sollte sich eine von uns, für ein Engel und ein Dämon in Gefahr begeben, wenn sie tagtäglich versuchen unseren Schützlingen etwas anzutun?!“, meinte Mirac und mit diesen Worten wandten sich die drei Männer ab und verließen das Zimmer. Kilian blieb als einziger von ihnen stehen und sah Amaya an. „Es tut mir leid. Ich habe alles versucht, um sie umzustimmen“, sagte er. „Nein, es muss dir nicht leid tun. Du hast genug getan, danke“. „Und was tun wir jetzt? Es kann doch nicht sein, dass das alles war“, sagte Javier. „Doch“, antwortete Amaya und trat ein paar Schritte weiter weg von den beiden. Javier ging auf Kilian zu und sprach so leise, dass Amaya sie nicht hören konnte. „Sagtest du nicht, dass du noch einen anderen Plan hast?“. Kilian blickte auf den Boden, als würde er überlegen und sah dann Javier fest in die Augen: „Ja, du hast recht. Aber ich dachte, dass das hier funktionieren würde...Die zweite Möglichkeit...“, während er sprach, sahen sie beide kurz zu Amaya rüber: „Sie ist nicht ganz ungefährlich, aber auch nicht unüberwindbar“. Sie sahen sich wieder an und Javier bemerkte das intensive grün in seinen Augen. Von allen Geistern, die er bisher getroffen hatte, war Kilian derjenige gewesen, der Javier nie komisch oder vielleicht sogar abschätzend angeschaut hatte. Natürlich abgesehen von Amaya. Er hatte ihn gleich mit einem Lächeln begrüßt und ihn Willkommen gehießen. Javier konnte verstehen, warum Amaya so gut mit Kilian befreundet war. Kilian war eine Person, der man vertrauen und sich auf sie verlassen konnte. Und auch wenn die Idee mit dem Rat daneben gegangen war, war Kilian ein wahrer Freund. „Es gibt noch einen anderen, geheimen Weg zu den Nornen. Er ist verboten und heutzutage weiß noch kaum jemand über ihn Bescheid“. „Was ist das für ein Weg?“, wollte Javier wissen. „Der Weg durchs ewige Eis“. „Was?! Und du hast mir davon nichts erzählt?!“, fragte Amaya sprachlos. Kilian, Javier und Amaya standen in der großen Eingangshalle in dem Haus der Silithas. Das Bild von Yggdrasil, umschlungen von Jörmungandr leuchtete in einem fantastischen grün in die Halle und spiegelte sich in der silbernen Flüssigkeit im Becken, vor dem sie jetzt standen. Das Becken war in den Boden eingebaut, befand sich in der Mitte der Halle und war groß genug, dass man reingehen konnte. „Nicht so laut!“, warnte Kilian sie: „Heutzutage weiß kaum noch jemand, für was das Becken da ist“. „Und für was ist es da?“, fragte Javier. „Wenn man zum Grund dieses Beckens taucht, kommt man in eine andere Gegend in Niflheim. Diese Gegend kann normal nicht aufgefunden werden“. „Schön und gut, aber wie soll mir das helfen, um zu den Nornen zu gelangen?“, sagte Amaya. „Das würdest du wissen, wenn deine Ungeduld -“. „Ich bin nicht ungeduldig! Und jetzt sprich!“. Kilian und Javier sahen sich kurz an und versuchten sich ein Lachen zu unterdrücken, dann sprach er weiter: „Du gelangst auf einen Pfad, der sich auf einem zugefrorenen See befindet. Wenn man dem Pfad folgt, wird das Eis des Sees brechen und man gelangt in eine nasse, eisige Finsternis. Sobald man in den See eingetaucht ist, muss man eine Rune finden, die in einen Stein eingemeißelt sein soll -“. „Stopp!“, unterbrach Javier ihn: „Das heißt, es ist gar nicht klar, ob die Rune überhaupt existiert?!“. „Sie existiert!“. „Wieso bist du dir da so sicher?“. Bevor Kilian darauf antworten konnte, unterbrach Amaya die zwei Männer. „Man kann sich nicht sicher sein! Aber eine andere Wahl haben wir auch nicht“. Javier und Kilian sahen sie beide etwas erschrocken an, als hätten sie nicht erwartet, dass sie sich zu Wort melden würde. „Sie hat recht“, erklang eine Stimme aus dem Dunkeln. Die Drei wandten sich erschrocken in die Richtung, aus der die Stimme kam. Nach einem kurzen Augenblick der Ungewissheit, trat Demian aus dem Schatten der Säulen. „Sie hat recht“, wiederholte er. Als er bei ihnen ankam, blickte er zu ihnen auf: „Aber es wundert mich, dass so junge Leute wie ihr, über diesen Pfad Bescheid wisst“. „Ja, wir...“, begann Kilian. „Nein, sag nichts. Ich weiß, war ihr vorhabt, doch bevor ich sage, was ihr wissen müsst, darfst du deine kleine Erzählung beenden, Kilian“. Demian schenkte ihm ein kleines Lächeln. Amaya war sich nicht sicher, ob er sich wirklich lustig über sie machte oder ob er es nur so tat. „Wenn man die Rune gefunden hat, muss man sie berühren und darauf gelangt man auf einen Gletscher, den du hinuntersteigen musst. Wenn man das geschafft hat, steht man vor einem Tor, in das man dann hineingeht“. „Und dann ist man bei den Nornen?“, fragte Amaya. Demian und Kilian nickten gleichzeitig. „Und wo liegt die Gefahr?“. „Du musst allein gehen“, sagte Demian mit Bestimmtheit. „WAS?!“, kam es von Kilian und Javier gleichzeitig. „Okay, dann gehe ich alleine. Ist das denn so schlimm?“. „Es ist ein sehr langer Weg und es werden Gefahren auf dich zukommen, welchen denen du noch nicht begegnet bist“, erklärte Demian. Kurze Zeit blieb es still. Amaya überlegte. Auch wenn Gefahren auf sie zukommen werden, würden sie sie nicht davon abhalten können, trotzdem zu gehen. In den letzten Stunden ist sie ihrer Pflicht bewusst geworden und das Gefahren auf sie zukommen würden, war von Anfang an nicht auszuschließen gewesen. Nicht für sie. Sie hatte sich an den Gedanken gewöhnt und sie würde es schaffen! Nur der Gedanke, dass sie allein würde gehen müssen, war neu. Sie hatte keine Angst davor, aber trotzdem beunruhigte es sie, dass sie den Nornen allein gegenüber treten würde. Man sagte, dass sie Listenreich waren und nicht unbedingt erfreut über Besuch waren. 'Ich würde Javier und Kilian hier zurücklassen...und Urd, Verdandi und Skuld allein gegenübertreten', ging es Amaya durch den Kopf. 'Ich schaffe das!'. „Na schön, ich tu es. Ich gehe den Pfad entlang, allein, und werde die drei Schwestern aufsuchen“. „Bist du dir sicher?“, fragte Demian. Einen Moment fuhr ihr der Gedanke durch den Kopf, dass er es Mirac, und somit allen verraten könnte, was sie vorhatte. Aber dafür hatte sie jetzt keine Zeit. Darum würde sie sich später kümmern müssen. Für alle Fälle wäre ja auch noch Kilian da. Amaya trat auf das Becken zu: „Ja, ich bin sicher“. Dann setzte einen Fuß auf die erste Stufe der Treppe, die in die silberne Flüssigkeit führte. Noch einmal sah sie zu Kilian. „Ich wollte nicht, dass das passiert, es tut mir Leid. Du musst nicht gehen, das weißt du!“. „Und du weißt, dass mich davon nichts abhalten kann, auch nicht du. Ich werde zurückkommen, versprochen“. Sie sah ihm ein letztes Mal in die Augen und blickte dann zu Javier. „Viel Glück“, sagte er und sein Blick war voller Sorge: „Ich weiß, dass ich dich nicht aufhalten kann“. Amaya hörte eine leise Stimme in ihrem Inneren, die sie sogleich vertrieb. 'Nein, ich MUSS gehen!', sagte sie sich. Dann sah sie ihn noch einmal an und tauchte in die silberne Flüssigkeit. Amaya tauchte in die Tiefe und wunderte sich, dass das Becken doch tiefer war, als gedacht. Kaum hatte sie mit den Händen den Boden berührt, fand sie sich in einer riesigen Eislandschaft wieder. Sie blickte zu Boden. Das Eis knirschte unter ihren Schnürrstiefeletten. Dann rannte sie. Das Eis hinter ihr bekam Risse und ging entzwei. 'Ich muss den richtigen Moment abpassen!'. Amaya blickte nach vorne und erkannte, dass auch schon dort sich das Eis entzwei teilte. In dem Versuch, nicht auszurutschen, beschleunigte sie ihr Tempo und sprang hoch. Das Eis öffnete sich unter ihr und sie sprang in den kleinen Spalt hinein. Danach herrschte Dunkelheit und das Eis über ihr schloss sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)