Story between Worlds von FeelLikeParadise (Samael und Aurelia) ================================================================================ Kapitel 23: Kapitel 23 ---------------------- Der Duft von frischem Gras, dessen kalter Tau sich an den Halmen hinunter angelte, der Duft von Tannen, die das Wasser der kleinen Quelle in sich aufnahmen, der süßliche Duft der Stunde, in der die Sonne aufgeht, ließen Aurelias Augen aufschlagen. Sogleich nahm sie wahr, dass sie sich nicht mehr am Strand befanden. Das beruhigende Rauschen der Wellen, der salzige Geruch des Meeres, die tropische Wärme...Es war, als wären sie nie dort gewesen. Wieder ein Dimensionswechsel. Ein kleiner Stich des Bedauerns durchzuckte Aurelia. Dann stand sie auf. Sie befanden sich am Fuß eines Berges. Die ersten Strahlen der Sonne beschienen den kalten Stein und somit auch den kleinen Platz, auf dem sie sich befanden. Zu ihrer linken befand sich eine kleine Quelle, außenrum standen Tannen, deren Zweige sich berührten, als würden sie ein unsichtbares Band knüpfen und zusammen stand halten. Als wären sie Eins. Aurelia blickte nach rechts und fand Samael vor, der noch auf dem Boden lag und sich nicht regte. Ohne nachzudenken, ging sie ein paar Schritte auf ihn zu und wollte sich zu ihm hinunter knien, um ihn zu wecken. Doch noch bevor sie ihn berühren konnte, wandte er seinen Kopf zu ihr herum. Und sah sie an. „Was?“, fragte er. Aurelia stand auf und antwortete erst dann: „Wir sind nicht mehr am Strand. Schon wieder ein Dimensionswechsel“. Er sah sich kurz um und seufzte dann. Danach stand er ebenfalls auf. „Wie ist das möglich?! Wir haben nichts getan, was -“. Aurelia brach ihm das Wort ab: „Samael, dreh dich um“, sagte sie erschrocken. Er tat wie geheißen und trat darauf selbst einen Schritt zurück. Vor ihnen befand sich eine unscheinbare Hütte. Auch wenn sie ziemlich klein und anspruchslos erschien, jagte ihr plötzliches Auftauchen den Beiden einen Schrecken ein. Gemeinsam traten sie auf die Hütte zu. Als sie an der verdorrten Tür ankamen und Samael sie berühren wollte, um sie zu öffnen, löste sie sich in Luft aus. Beide sahen sich verwirrt an. Sie traten ein und fanden eine, mit Krempel aufgestapelte Kammer vor, deren Wände nicht aus Holz, sondern aus Stein waren. Der Raum war sehr klein. Auf den Seiten befand sich unterschiedliches Werkzeug, das zum überleben in der Wildnis nötig war. Außerdem hingen an den Wänden ausgestopfte Körper von Eulen und Hasen und Köpfe von Rehen, diversen Fischen und einem Wolf zierten die Kammer. In den Regalen, die zum Teil schon am auseinanderfallen waren, befanden sich Büchsen, Krüge und zusammengebundene Kräuter, die an einem Seil nach unten hingen. Auf einem Hocker stapelten sich Gefäße aus Glas. Der Inhalt bestand aus einer trüben, grünlichen Flüssigkeit, in der kleine Körper schwammen. Aurelia ging etwas näher heran und erkannte, dass es größtenteils kleinere Fische waren, doch in zwei der Gefäßen befanden sich schwarz- schimmernde Aale. Ihre Körper rollten sich zusammen. Es war, als würden sie schweben. Der Lichteinfall der Hütte war gering. Nur ein kleines Fenster am Eingang ließ ein paar wenige Sonnenstrahlen eindringen. Der Staub reflektierte sich im Licht und legte sich auf ihren Schultern nieder. In der Mitte des Raumes stand ein runder Tisch mit einer Decke aus tief roten Samt. „Wer hat das gemacht?“, fragte sich Aurelia leise, doch anscheinend war es laut genug gewesen, damit es Samael gehört hatte. „Am Besten suchen wir ihr nach etwas essbarem und Ausrüstung und machen uns danach wieder aus dem Staub“. Aurelia erhob sich wieder und drehte sich zu ihm um: „Du hast recht. Beeilen wir uns lieber. Nachdem was hier schon alles passiert ist...“. Sie wandte sich zu ihrer Seite der Hütte, er zu seiner. Da der Raum so klein war, hatten sie sich im Stillen geeinigt den Raum in zwei aufzuteilen, um ihn zu durchsuchen. Aurelia trat auf ein Wandregal zu. Das Holz war feucht und gelblichgrau, doch seine Verarbeitung hatte wahrscheinlich mehr als nur ein paar Stunden gekostet. Es war mit kleinen Schnitzereien im Holz verziert, Ornamente unterstrichen die Einfassungen. Auf einer Ablage stand ein weiteres Glas, diesmal mit einer klaren Flüssigkeit, die aussah wie Wasser. Aurelia nahm es in die Hand und kaum hatte sie etwas näher an sich genommen, stieg ein salziger Geruch in die Nase. Salzwasser. Augenblicklich erinnerte sie sich an gestern Abend. Der Strand war ein Traum gewesen und der Duft des Meeres, und letztendlich auch Samael, hatten sie für eine kurze Weile vergessen lassen, wo sie sich in Wirklichkeit befanden. Sie hatten sich den ganzen Abend amüsiert und sich tatsächlich über die ein oder anderen Unterschiede zwischen Engeln und Dämonen lustig gemacht. Aurelia hatte sich gefühlt, wie schon lange nicht mehr. Doch eine Woge der Traurigkeit hatte sich doch in sie eingeschlichen gehabt. Die Art und Weise, wie Samael lachte,... war die gleiche, wie bei Elijah. Und dann, hatte sie sich zwangsläufig doch an die Probleme erinnern müssen... Aurelia verdrängte den Gedanken schnell und widmete sich ihrer Aufgabe zu. Sie stellte das Glas zurück und ging weiter. Auf einer weiteren Ablage stand eine Schüssel, in der getrocknetes Fleisch lag. Aurelia griff sofort danach. „Samael! Ich hab was zum essen gefunden!“. Er kam zu ihr rüber. Beide konnten nicht leugnen, dass ihre Bäuche schon weh taten, weil sie so Hunger hatten. Sie nahm ein Teil und wollte es Richtung Mund führen, als Samael es ihr aus den Händen schlug, die Schüssel gleich mit. Sie starrte ihn erst erschrocken, entsetzt, dann wütend an: „Was soll das?! Hast du sie noch alle?!“. „Sieh doch hin!“, sagte er und zeigte auf den Boden, wo eigentlich das Fleisch hätte liegen sollen. Doch stattdessen, war dort ein großer Haufen von Würmern, die um sich schlangen und sich gegenseitig auffraßen. Lang, grau und nicht von der Welt, die sie kannte. Dann sah Aurelia zurück zu Samael, der sie ebenfalls ansah. Schrecken und Sorge mischten sich in seine Augen. Er hatte sie gerettet. Ein Dämon. Sie. Gerettet. Sie blickte tief in seine Augen. Das Orangefarbene Feuer, das sie immer in ihnen sah, wirkte auf einmal so blass. Als würde es verschwinden und etwas anderes hervorkommen. Er trat noch etwas näher. „Das hätte ich lieber gelassen“, ertönte eine tiefe Stimme. Samael drehte sich sofort um und trat vor Aurelia. Auf dem Boden zeichnete sich ein Schatten ab, der aus dem Dunkeln des hinteren Teils der Hütte ragte. Der Schatten bewegte sich, die Holzdielen knarrten unangenehm, die Gestalt trat hervor. Ein Mann, gehüllt in einen schmutzigen, braunen Umhang mit Kapuze, dazu Handschuhe, die zu den Fingerknöchel reichten. Durch den langen, schwarzen Bart war sein Gesicht fast ganz bedeckt. Doch was Aurelia erkannte, war eine Pfeife zum Rauchen, die an seinem Kittel hing und nah an seinem Herzen trug. „Was?!“, wollte Samael wissen. Aurelia trat hinter Samael hervor und sah ihn an. Sein Gesicht, die Augen des erschienenen Mannes waren ins Leere fokussiert, als würden sie vergebens auf etwas warten. Seine Pupillen weiteten sich: „Der Angelpunkt kann nur von denen gefunden werden, die ihn nicht finden wollen. Wollen sie ihn finden, wird er sich nie finden lassen wollen“. Aurelia und Samael sahen sich verwirrt an. Was meinte der Mann? Was wollte er? „Was sagten sie?“, fragte Samael. „Ich sagte, ich hätte das an eurer Stelle nicht gemacht!“, schrie er und sah sie diesmal direkt an. Dann sprach er weiter: „Was wollt ihr? Ihr kommt sonst niemand hierher! Außer der Bruder des Todes verschlägt es immer wieder in diese Gegend!...ach, er ist überall“. „Der Bruder des Todes?“, wiederholte Aurelia. „Wir wollten nicht hierher kommen“, versuchte Samael zu erklären und trat vorsichtig auf den alten Mann zu: „Aber wir sind es. Und jetzt versuchen wir von hier wieder wegzukommen...doch wir wissen nicht wie...“. Samael klang auf eine Weise sanft, wie es Aurelia bei ihm noch nie miterlebt hatte. „Ihr wollt von hier wegkommen...Hier gibt es kein entrinnen, nur der ewig gefesselte Wächter des Todes,...der Bruder...“. Der alte Mann setzte sich auf den Stuhl, der an dem Tisch gelehnt hatte. Sobald er sich niedergelassen hatte, zündeten sich von selbst eine Unmenge von Kerzen an. Aurelia staunte. Die Kerzen waren vorher nicht da gewesen. Durch das Licht, wurden Teile des Raumes frei, die davor wie unsichtbar gewesen waren. Aus der Richtung, aus der der Mann gekommen war, zeigte sich auf einmal ein weiterer Raum, der durch einen Stofffetzen von dem anderen abgetrennt wurde. Doch der Raum dahinter war noch düsterer als der, in dem sie sich befanden. Aurelia wandte den Kopf ab. Zwei weitere Stühle erschienen, als würde der alte Mann sie einladen sich hinzusetzten. Und so taten sie es auch. Samael und Aurelia saßen sich jetzt gegenüber und wechselten kurz einen Blick. 'Wir schaffen das!', sagten sie sich im Stillen, harrten noch einen Augenblick aus und wandten sich dann zu dem Mann, der wieder in seiner Leere zu versinken schien, als wäre er Tod. „Wessen Bruder?“, fragte Aurelia. Er schien sie gar nicht zu beachten und sprach weiter: „...Es geht ein Flüstern durch das Land, dass er kommen wird, der Erste, der uns aus diesem Krieg führen wird und danach die Welt wiedergeboren wird...in Sonne und Wärme...Herrlichkeit und Liebe...in Frieden“. Samael beugte sich zu ihm vor: „Was hat das zu bedeuten?“. Plötzlich fing der Alte an zu zittern, so stark, dass seine Pfeife an seine Brust stieß. Seine Hände verkrampften sich, die Knöchel traten weiß hervor. „Ihr müsst verschwinden sofort!“, rief er und griff an seine Pfeife, als würde ihn etwas dazu zwingen. Dann fing die ganze Hütte an zu beben. Gläser und Gefäße fingen an in der Luft zu schweben und zersprangen. Eins nach dem anderen. Die ausgestopften Tiere wurden lebendig, doch kurz nachdem sie sich wieder zu ihrer natürlichen Gestalt verwandelt hatten, verzogen sich ihre Mäuler zu riesigen Fratzen und ihre Körper wuchsen immer weiter in die Höhe. Ihre Zähne wuchsen ebenfalls, wurden immer spitzer. „Was müssen wir tun, um hier wegzukommen?!“, schrie Aurelia. „VERSCHWINDET!“, brüllte der alte Mann. Der Kopf des Wolfes, trat aus der Wand hinaus und zog seinen ganzen Körper mit sich hinterher. Er sprang nach unten. „Aurelia! Los raus hier!“, schrie Samael und fasste sie am Arm. Sie schafften es gerade bis zur Tür, als die ganze Hütte explodierte. Aurelia wurde durch die Luft geschleudert. Sie verlor Samael und fiel durch die Staubwolke zu Boden. Sie traf auf dem harten Boden auf und für einen Moment konnte sie weder sehen, fühlen, noch sich regen. Ihr Herz pochte wie wild, doch Luft bekam sie trotzdem keine. Die Staubwolke verschwand zunehmend und erst dann wagte sie es, die Augen wieder zu öffnen. Nach und nach konnte sie ihre Arme und Beine wieder fühlen und raffte sich auf. Sie blieb auf den Knien sitzen und sah sich um. Die Gegend war noch immer mit dem Schleier des Staubs überzogen, doch immerhin nicht mehr so weit, sodass sie einige Meter nach vorne schauen konnte. Dann erkannte sie eine Gestalt. „Samael“, Aurelia stand auf und humpelte zu ihm rüber. Erst dann kam seine Antwort. „Alles in Ordnung?“. „Bist du okay?“. „Ja“, sagten sie gleichzeitig, als sie ihre Gesichter sehen konnten. Doch bevor sie bei ihm ankam, fiel sie auf den Boden. Blut tropfte in das verstaubte Gras. Sie fasste sich an die Nase. Ihre Finger waren voller Blut. Erst jetzt spürte sie den Schmerz, der sie bis ins Mark traf. Samael kam zu ihr und kniete sich neben sie. „Alles okay?“, fragte er. „Was ist das für ein verrückter Ort?!“, sagte sie, anstatt ihm zu antworten. Aurelia wollte ihm nicht zeigen, dass sie Schmerzen hatte, sie wollte vor ihm keine Schwäche zeigen. Sie stand auf und unterdrückte jegliches Gefühl, das weh tat. Samael richtete sich ebenfalls wieder auf, seine schwarzen Haar wehten im Wind. Er wandte sich ab, als wäre er tief in Gedanken versunken. „...nur von denen gefunden werden, die ihn nicht finden wollen...er wird sich nicht finden lassen, wenn er gesucht werden will...Der Angelpunkt, was könnte er damit gemeint haben?“. „Es könnte vieles sein...“, meinte Aurelia, dann: „Es muss etwas festes sein, etwas, dass da ist. Wir hätten es doch eigentlich schon gesehen haben müssen. Es war uns nur nicht bewusst, dass es das ist, was wir brauchen, um wieder nach Hause zu kommen“. „Und was soll das sein?“, fragte Samael. „Ich weiß -“. Aurelia wurde durch das Heulen eines Wolfes unterbrochen. Sie wandten sich in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Und sahen einen Wolf, größer als alles, was sie bisher gesehen hatten. Sein Fell war weiß- grau, seine Pfoten waren größer, als sie beide, geradezu bestialisch. Sein Körper reichte bis zu den Baumkronen, man hätte glatt drunter durchlaufen können. Sein Schädel war gigantisch, sein Maul besetzt von einer Unzahl an spitzen Zähnen. Trotz seiner erschreckenden Erscheinung, war er eine Schönheit. Seine Bernsteinfarbenen Augen liefen vorne spitz zu, die Schnauze ebenmäßig, nur in der Mitte eine kleine Vertiefung. Er fletschte die Zähne und ging in Kampfposition. Er baute sich vor ihnen auf und als er ein zweites Mal die Zähne fletschte, zog sich sein Fell nach hinten...und verschwand. Dunkel- grüne Schuppen kleideten seinen muskulösen Körper und spiegelten sich in der Sonne. Aus seiner Kehle kam ein tiefes, kratziges Geräusch, er setzte zum Sprung an. Aurelia stand wie versteinert da und regte sich erst, als Samael sie beiseite schubste, raus aus der Ziellinie des Wolfes. „LOS!“, schrie er und zog sie mit sich. Aurelia wusste, sie beide wussten, dass sie den Wolf unmöglich besiegen konnten. Sie hatten Waffen ja, aber sie würden keinerlei Schaden anrichten können. Dafür war der Wolf zu groß. Sie rannten durch den Wald, der Wolf war ihnen dicht auf den Fersen. Aurelias linkes Bein schmerzte höllisch, doch sie musste es unterdrücken, sie musste einfach. In der Ferne hörte sie noch weitere Wölfe heulen, und sie beschleunigte ihr Tempo noch mehr. Dann sprang sie auf einen Baumstamm hoch und kletterte. Aurelia sprang von Ast zu Ast, berührte das Holz kaum dabei. Der Wolf kam näher, preschte durch das Unterholz, stieß mit seiner Kraft ganze Bäume um. Aurelia erhöhte ihr Tempo noch mehr, bis sie nicht mehr schneller konnte und die Welt an ihr vorüberzog. Der Wolf warf sich auf den Baum, auf dem sie gerade ankam und stürzte mit ihr in die Tiefe. Aurelia landete auf einem Stein, rollte und fiel den Abgrund eines Wasserfalls hinunter. Sie kam auf dem feuchten Boden, neben dem See auf, rappelte sich auf und rannte weiter. Dabei hielt sie sich an die Seite. Ein fürchterlicher Schmerz durchzog ihren Körper. Als sie, während dem Rennen, an sich hinunter blickte, sah sie einen dicken Zweig, der sich seitlich in ihr Fleisch gebohrt hatte. Sie schrie. Schrie. Und schrie. Der Wolf sprang den Wasserfall mit Leichtigkeit hinunter. Sie rannte, schrie und rannte weiter, immer weiter. Ohne es zu merken eilte sie einen bewaldeten Hügel hinauf. Kurz stützte sie sich an einen Baum, rannte aber sogleich weiter, als auf einmal zwei solcher riesigen Wölfe hinter ihr her waren. Wenn sie jetzt nur ihre Flügel hätte! Ihr Weg führte geradewegs zu einem Felsvorsprung. Sie schaute nach hinten. Es gab kein zurück mehr. „Samael!“, schrie sie, doch sie wusste das es zwecklos war. Sie hatte ihn nicht mehr gesehen, seit sie auf einen der Bäume geklettert war. Ein ungutes Gefühl mischte sich in ihren Schmerz. Nein, es gab kein zurück mehr. Noch einmal, ein letztes Mal gab sie alles und beschleunigte ihr Tempo, zog den dicken Zweig aus ihrem Fleisch, schrie, rannte und merkte, dass der Zweig zur Hälfte abgebrochen war. Ein Teil steckte noch in ihrem Körper. Sie kam bei dem Felsvorsprung an, sah den Wolf auf sich springen und beide stürzten in die Tiefe des Sees. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)