Story between Worlds von FeelLikeParadise (Samael und Aurelia) ================================================================================ Kapitel 15: Kapitel 15 ---------------------- „Wohin gehst du?!“, fragte Javier, während sie sich durch die Menschenmenge am Bahnhof kämpften. „Weg.“, war alles was Amayas Antwort beinhaltete. Seit dem Angriff von Ed war etwa eine halbe Stunde vergangen, in der Amaya Javier dazu gedrängt hatte, mit ihr zu kommen. Sie hatte ihm versprochen all seine Fragen zu beantworten...Sie hatte eben eine Art Druckmittel gebraucht, das anscheinend funktioniert hatte. Amaya hoffte inständig, dass er nur „harmlose“ Fragen hatte und sie nicht über ihr plötzliches Auftauchen oder ähnlichem aushorchen wollte. Aber die Chance, dass es so war, war nicht gerade hoch, dass wusste sie. 'Aber du hast es ihm versprochen!', ging es ihr durch den Kopf, 'und Geister brechen ihre Versprechen niemals!...Aber was soll ich ihm sagen?! Ich kann ihm unmöglich alles erzählen! Eigentlich dürfte er mich gar nicht kennen... Theoretisch sollte ich mich jetzt aus dem Staub machen und dafür sorgen, dass er mich nie wieder sieht und alles vergisst...Aber ich kann ihn jetzt auch nicht alleine lassen...er würde sich nur zu viele Gedanken machen und das wäre nicht gut.' Amaya kam zu keinem richtigen Schluss, aber jetzt Zeit zu verlieren und hier in der Nähe zu bleiben, wäre für Javier sein Todesurteil gewesen und früher oder später auch ihres. Ed würde wegen was auch immer wieder kommen und sie konnte nicht riskieren hier zu bleiben. Natürlich könnte sie gegen Ed antreten, ihn möglicherweise sogar umbringen, aber das Kämpfen in menschlicher Form erwies sich schon öfters als eher schwierig und unpraktisch. In der Gestalt eines Geistes hätte Amaya weit aus bessere Chancen zu überleben, vor allem weil sie dann auch unverletzbar wäre. Aber was würde Javier denken, wenn vor ihm auf einmal ein toter Mann liegen würde und daneben eine übernatürliche Erscheinung des Mädchens, das er geküsst hatte?! Amaya verdrängte den Gedanken an gestern Abend und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Gegenwart. „Ich fragte WOHIN?!“, sagte Javier in einem lauten Ton. Inzwischen hatten sie den Eingang des Bahnhofs passiert und liefen in Richtung des Gleises, an dem ihr Zug nach Edinburgh abfahren würde. Es war früh am Morgen und von Menschen, die versuchten sich an den Alltag anzupassen, ziemlich überlaufen. Obwohl Javier hinter ihr lief, konnte sie seinen bohrenden Blick auf ihr deutlich spüren. Er würde nicht locker lassen. „Hör zu, ich habe keine Lust mich von deiner Ignoranz nerven zu lassen und wenn du mir nicht sagst, was hier los ist, kehre ich um und du kannst alleine weiter gehen!“. Amaya blieb zu seinen Gunsten stehen und drehte sich zu ihm um: „Na schön...“, sie seufzte: „ Ich verspreche dir, dass ich dir deine Fragen beantworten werde, wenn wir im Zug sitzen“. Amaya sah ihm fest in die Augen, was sie einige Überzeugungskraft kostete: „Bitte. Es ist zu deinem eigenen Wohl. Ich weiß, du kennst mich nicht und hast auch allen Grund skeptisch zu sein, aber wenn du hier bleibst wird er dich finden. Mehr kann ich dir im Moment nicht sagen“. Einen kurzen Augenblick blieb es still und sie sahen sich gegenseitig an. Wieder einmal kam er ihr wie eine Mauer vor: undurchdringbar, standhaft und nichts sagend, was dahinter lag. Er holte Luft, um etwas zu erwidern, wurde aber von einem plötzlichen lauten Kreischen am Himmel abgelenkt. Amaya sah ebenfalls nach oben und bemerkte ein verräterisches Ziepen in ihrem Hinterkopf. Ein Schwarm schwarzer Vögel kreiste in der Luft, schwenkten und kamen in Höchstgeschwindigkeit auf Amaya und Javier zu. Sie schienen von einer einzigen Macht geleitet zu werden, reihten sich nacheinander auf, ihre Körper wurden immer breiter und größer, die Flügel streckten sich in die Länge, liefen am Ende zu spitzen Krallen zu. „Lauf!“, schrie Amaya und beide rannten den Gleis hinauf. Sie rempelten verwunderte Passanten um, die ihnen unhöfliche Bemerkungen hinterher riefen. Oben angekommen erreichten sie gerade noch die Türen des Wagons, die sich gerade zu schließen begannen hatten. Kaum hatte sich die Tür hinter ihnen geschlossen, prallten die Vögel gegen die Scheibe, blieben kurz auf dem Boden liegen, richteten sich wieder auf und flogen mit einem lauten Gekreische davon. So schnell wie sie gekommen waren, waren sie auch wieder verschwunden. Javier brauchte einen Moment um wieder zur Fassung zu kommen und richtete sich dann auf. Mit einem kurzen Blick stellte Amaya fest, dass ihm nichts passiert war und ließ dann ihren Blick durch die Sitzreihen schweifen. Keiner der Passagiere schien die tödliche Gefahr bemerkt zu haben. Einige jedoch sahen die zwei neu eingestiegenen verdutzt an. Sie hatten keine Ahnung, was gerade geschehen war. Um den unangenehmen Blicken der anderen auszuweichen, suchte Amaya einen der hinteren Sitzplätze. Sie setzten sich hin und schwiegen eine Weile, während sich der Zug in Bewegung setzte und die Gegend vorbeiziehen ließ. Langsam begannen sich einzelne Regentropfen auf den Fenstern hinabzulassen, sammelten sich mit anderen und gingen schließlich wieder ihre eigenen Wege. Erschöpft lehnte Amaya ihren Kopf gegen die Scheibe und fing an sich einen Weg zurecht zulegen, wie sie ihm erklären sollte, dass es außer der menschlichen Welt noch eine andere gab und diese als einzelne Dimensionen gesehen wurde. Egal wie schwer es ihr fallen würde, sie musste es tun. Sie hatte es ihm versprochen, sagte sie sich. Sie blickte auf und bemerkte sofort, dass er sie erwartungsvoll ansah. Jetzt würde er nicht mehr locker lassen. Jetzt gab es kein zurück mehr. Mit einem leisen Seufzer richtete sie sich auf und zwang sich die Hände ruhig in den Schoß zu legen. Dann straffte Amaya die Schultern und fragte: „Na gut. Was willst du wissen?“ „Alles“, erwiderte er, machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: „Einfach alles. Wer war dieser Typ, der dir gestern aufgelauert war? Wieso hatte er mich heute morgen angegriffen? Du bist aus dem Nichts aufgetaucht. Wie ist das möglich?“. 'Wie ist es möglich, dass du genau die Fragen stellst, von denen ich gehofft hatte, dass du sie nicht stellen würdest?!', fuhr es Amaya durch den Kopf. Dennoch hielt sie seinem Blick stand. „Woher kommst du? Du scheinst nicht von hier zu sein.“, stellte er fest. Amaya wollte gar nicht wissen, woran er das erkannte. „Ja, du hast recht. Ich komme von woanders her. Und dieser Mann, den du gestern aus der Bar geworfen hast, ist auch nicht von hier...Javier...ich weiß nicht wie ich es dir sagen soll, also sage ich es einfach gerade aus: Er ist ein Dämon“. Sie blickte jetzt zu ihm rüber und sah sein Zweifeln an ihren Worten. „Willst du mich verarschen?“, fragte er und zog ungläubig eine Augenbraue hoch. Diese Reaktion hatte sie schon erwartet und wusste daher, was sie zu tun hatte. „Ha, glaube mir, wenn ich das tun wollte, würde mir etwas besseres einfallen. Aber wenn dir die großen Vögel von gerade eben nicht Beweis genug sind, werde ich dir noch etwas anderes zeigen“. Amaya hob ihre Hand, sodass er ihre Handfläche sehen konnte. Danach griff sie in ihr Innerstes, bündelte ihre Energie und schickte sie nach außen. Die Konturen ihrer Hand wurden blasser, bis schließlich die ganze Fläche fast nur aus einem Art Nebel bestand, der aber noch die Umrisse erkennen ließ. Javier beugte sich leicht vor und versuchte ihre Finger zu berühren, hielt aber knapp davor inne. Er wartete noch einen winzigen Moment, bevor er sich in den gegenüberliegenden Sitz zurück sinken ließ. Staunen spiegelte sich in seinen Zügen. „Wie von Geisterhand...“, sprach er in Gedanken versunken. Amaya lächelte: „Ja, du hast es erfasst“. Sie wusste, dass es an ihr lag weiter zu sprechen: „ Ich gehöre zu dem hohen Geistervolk dieser Welt. Wir unterscheiden uns von den den anderen existierenden Wesen, wie Engel oder Dämonen. Mein Volk und ich haben uns seit Anbeginn der Menschheit dem ewigen Schutz der Irdischen verschrieben und wachen ihr ganzes Leben über sie“. Amaya setzte eine Pause ein, damit er das Gesagte realisieren konnte. Dann fuhr sie fort: „Jeder Geist erhält ab seinem neunzehnten Lebensjahr einen Schützling. Dessen Leben ist auch das Leben des Geistes. Er verlässt seinen Schützling niemals, ganz gleich was geschieht. Deswegen stirbt auch der Geist, wenn sein Schützling stirbt“. Javier war immer noch angespannt, aber Amaya war sich sicher, dass sich sein skeptischer Blick etwas gelöst hatte. „Das verstehe ich nicht ganz. Du sagtest ihr wacht euer ganzes Leben über uns...warum sterben Menschen dann immer noch bei Unfällen? Oder warum passieren überhaupt noch so was wie Unfälle?“, fragte er und beugte sich nach vorne, um sich mit den Unterarmen auf den Beinen abzustüzen. „Das ist etwas komplizierter. Nehmen wir an, ein Mensch läge im Krankenhaus mit schweren Verletzungen, die er sich durch ein Autounfall zugezogen hat. Der Geist gibt ihm Kraft und versucht seinem Schützling bei der Heilung zu helfen. Wenn jedoch die Kraft des Geistes nicht stark genug ist, stirbt der Mensch. Die Seele des Irdischen steigt auf, um den Weltenbaum Yggdrasil zu nähren. Der Geist stirbt ebenfalls, schlägt allerdings seinen Weg nach Helheim ein. Dort >lebt er sein Leben nach dem Tod<, was mit der letzten Ruhe gleichkommt.“ „Helheim?...“. Er war sichtlich verwirrt, was nur berechtigt war. „Hast du schon mal etwas von der nordischen Mythologie gehört? Das Geistervolk glaubt an die nordischen Götter, wie Odin, Thor, Baldur, Hel, Loki und viele andere. Jedoch haben wir aber nur mit einer Göttin einen Pakt geschlossen. Mit der Göttin des Todes: Hel. Daher auch der Name ihres Reiches, zu dem alle toten Geister wandern, Helheim. Der Pakt besteht darin die Midgardschlange, welche übrigens ihr Bruder beziehungsweise Schwester ist, vor der Welt zu bewahren. Im Gegenzug ziehen wir nach unserem Tod in ihrem Reich ein. Sie erhält die Säulen zwischen Helheim und Yggdrasil, der Weltesche, die sie tragen“. Amaya fasste sich extra kurz und ließ die Details weg. Sie beschloss im Stillen ihm erst mal nicht mehr darüber zu erzählen. Sie ließ Javier Zeit all diese Informationen zu begreifen und sah wieder aus dem Fenster. Nach einigen Minuten ergriff er das Wort: „ Um nochmals auf diesen Dämon von vorhin zurückzukommen. Was hat er mit dem ganzen zu tun?“. Javiers Stimme klang zurecht etwas verwirrt, aber dennoch gefasst und wissbegierig. „Sein Name ist Ed. Ich weiß nicht genau, was er von uns will. Vielleicht lässt er auch seine Natur an uns aus. Immerhin überfallen Dämonen Menschen fast tagtäglich. Sie kommen nur nie dazu, weil wir Geister sie daran hindern und unsere Schützlinge schützen. Deswegen sind wir auch zu sehr damit beschäftigt, dass kein Dämon in eure Nähe kommt, als das wir eure unnötigen Autounfälle verhindern könnten“. Bei ihren letzten Worten setzte sie kurz ein Lächeln auf, Javier jedoch war in Gedanken versunken und versuchte das, was sie ihm gesagt hatte zu verstehen. Die Schrammen an seinen Schläfen bluteten zwar nicht mehr, aber Amaya konnte sich trotzdem vorstellen, dass sie weh taten. Sie nahm sich vor sie zu versorgen, sobald sie in der Wohnung in Edinburgh waren, die Mirac ihr genannt hatte. Sie fragte sich nicht zum ersten Mal, warum auch Javier die schwarzen Vögel von vorhin gesehen hatte. Eigentlich hätte er sie gar nicht erkennen sollen, eigentlich dürfte er von all dem gar nichts wissen. War es falsch gewesen ihm davon zu erzählen? Natürlich war es das, sagte sie sich. Auf einmal stand Javier auf, ging den Gang entlang und blieb an dem Fenster stehen, welches am weitesten von ihrem Sitzplatz entfernt war. Was mochte er nun denken? Würde er jetzt noch mit ihr sprechen? Vertraute er ihr? Amaya versuchte aus seinen Gesichtszügen irgendeine Antwort auf ihre Fragen zu erkennen, doch alles was sie herausfand war, dass er mit seinen Gedanken weit weg war, tief in sich selbst drin. Es war falsch gewesen, ihm davon zu erzählen, aber bereute sie es auch? Was hätte sie tun sollen? In seinen klaren blauen Augen spiegelten sich die immer mehr werdenden Regentropfen, die, die Farbe perfekt wiedergaben. Durch das hineinscheinende Licht fiel ihr auf, dass seine braunen Haare durch noch dunklere Stellen durchzogen waren, vielleicht kam es ihr aber auch nur so vor. Ein unerwartetes aber wiederholtes Ziepen an ihren Gedanken brachte sie aus ihren Abschweifungen zurück. »Amaya?« »Mirac!« »Bist du schon auf dem Weg nach Edinburgh?«, fragte ihr Onkel. Seit ihrem fünften Lebensjahr lebte sie bei ihm, da ihre Eltern schon früh gestorben waren... »Ja, wir sitzen schon im Zug.« »Ist dein Schützling etwa immer noch bei dir? Ich hoffe dir ist bewusst, dass er dich gar nicht sehen, geschweige denn mit dir reden dürfte!«. Miracs Stimme klang nun sehr wütend. »Ich habe doch vorhin schon gesagt, dass es nicht anders ging!«, konterte sie in der Versuchung ruhig zu bleiben. »Dieser Dämon, Ed, hätte ihn sonst wieder gefunden und umgebracht! Und da du mich zu dir gerufen hast, wusste ich nicht, wohin ich ihn bringen könnte...ich weiß,dass ich schon im ersten Moment versagt habe, als ich zwischen ihn und Ed gegangen war. Aber hätte ich ihn einfach stehen lassen sollen, nachdem er etwas gesehen hatte, was nicht aus seiner Welt stammt?!« Es blieb kurz still. »Wir reden darüber, wenn wir uns heute Abend treffen. Außerdem wirst du mir dann von diesem Ed erzählen! Ich muss jetzt Schluss machen.« Seine Worte verhallten noch einen Moment in ihrem Kopf, dann war er auch schon verschwunden. Eine Seite, die Amaya bei der Gedankenrede hasste. Sobald sich ihr Gesprächspartner zurückzog und sie aus dessen Kopf ausgeschlossen wurde, konnte sie mit ihm keinen Kontakt aufnehmen, es sei denn jener öffnete seinen Zugang zu seinem Inneren. Leicht genervt ließ sie sich nach hinten sinken, als ihr ein Gedanke kam. Blitzartig drehte Amaya sich zu der Stelle um, an der Javier noch kurz zuvor gestanden hatte. Er war weg! „Javier?!“, reif sie etwas lauter. Dadurch das sie keine Antwort bekam, wollte sie gerade aufstehen um nach ihm zu suchen, wurde aber von einer Hand auf ihrer Schulter gestoppt. Vor lauter Aufregung blickte sie hektisch nach oben und sah Javier neben sich stehen. Eine Woge der Erleichterung überkam sie. „Es ist alles in Ordnung, okay? Und jetzt setze dich gefälligst wieder hin. Die Leute schauen schon“. Er drückte sie in den Sitz und ließ sich neben ihr nieder. „Wohin fahren wir eigentlich?“, fragte er freundlich. „Nach Edinburgh. Wir treffen dort meinen Onkel. Alles weitere werde wir dann mit ihm besprechen“. „Alles weitere...okay. Was hat es mit dieser Weltesche auf sich? Ygg...?“. „Yggdrasil. Es ist ein riesiger Baum. Du kannst ihn die wie eine Art Träger der Welt vorstellen. Die Welt richtet sich nach seinem Befinden. Geht es ihm gut, so geht es der Welt auch gut...naja soweit man Kriege und Hungersnöte auslässt. Andersrum ist es natürlich auch so. da es ihm aber bisher an nichts mangelte ist er stark genug um die Welt zu halten. Man sagt, dass mit jedem neuen Baby, das geboren wird, er neue Knospen bildet und daher immer größer wird. Aber das ist wirklich nur was für welche die Geschichten mögen. Es stimmt natürlich nicht“. „Was passiert, wenn es ihm nicht gut geht?“, fragte Javier. „Wenn er fallen würde, würde die Welt untergehen und alles würde in Rauch und Feuer versinken. Zwischen gut und dem Ende gibt es keinen Empfindungszustand. Genauso wäre es auch, wenn der Midgardschlange etwas zustoßen würde. Sie ist mit Yggdrasil auf ewig verbunden. Umgekehrt wäre es selbst verständlicherweise auch so. Deswegen haben die Geister sich auch ihrem Schutz verschrieben, damit ihr nichts passiert“. „Aber warum sollte jemand die Schlange töten oder Yggdrasil zu Fall bringen wollen, wenn dadurch die Welt untergehen würde?“. „Genau an dieser Stelle kommen die Engel und Dämonen ins Spiel...aber das wäre jetzt zu viel“, erklärte sie und ließ ihn gleichzeitig wissen, dass er seine Fragen fürs erste ruhen lassen sollte. Dann war es still und beide sahen sich an. Nur die leisen Stimmen der anderen Passagiere drang zu ihnen hindurch. Plötzlich quietschten die Räder auf den Schienen, als der Zug an einer Haltestelle anhielt. Amaya und Javier lösten sich aus ihren gegenseitigen Blicken. Er sah weg und auch Amaya richtete ihre Augen auf ihre überkreuzten Beine. Die Tür ging auf und brachte so den kühlen Herbstwind in den Wagon. Ihre langen schwarzen Haaren kräuselten sich um ihr Gesicht. Als Der Zug sich wieder in Bewegung setzte atmete sie erleichtert aus. Trotzdem breiteten sich die Stille und Anspannung zwischen ihnen immer mehr aus. Beide wussten, dass der andere an den Kuss von gestern Abend dachte. 'Was habe ich nur getan?! Wie konnte das passieren?!', fragte sie sich. Peinlich berührt wandte sich Amaya ihm wieder zu, wollte es endlich hinter sich bringen! Hoffentlich hatte sie ihm keine falschen Hoffnungen gemacht, aber warum auch? Immerhin kannten sie sich erst seit gestern. Als sie seinen gefassten Gesichtsausdruck sah und er anfing zu sprechen, lösten sich ihre Gedanken in Luft auf: „Wegen gestern Abend...kann es sein, dass du ziemlich neben der Kappe warst?“, fragte er, direkt und scheinbar ohne jede Spur von irgendwelchen Gefühlen oder Scham. Ja, es war unangenehm, aber da musste sie jetzt durch, sagte Amaya sich. Sie hatte sich es selbst eingebrockt, wenn auch nicht unter vollem Bewusstsein. „Ja...“, 'lass nicht die Haltung fallen!'. Beim zweiten Anlauf klang ihre Stimme kräftiger: „Ja, tut mir leid. Ich weiß nicht, was in mich gefahren war. Mir ging es anscheinend tatsächlich nicht gut“. „Okay, ist in Ordnung, wirklich. Also nicht das es von Vorteil wäre, wenn nochmal..., aber nicht das du denkst...ach du weißt schon, was ich sagen will. Es wäre nur angenehmer, wenn wir nicht mehr darüber sprechen würden, wenn wir die nächste Zeit zusammen sind“. Javier versuchte sich möglichst neutral auszudrücken. „Klar. Natürlich, dass ist auch richtig so, denn du darfst eigentlich gar nicht wissen, dass es so was wie mich, Engel und Dämonen gibt.“, meinte Amaya. Einen kurzen Augenblick war es wieder still und beide schauten verlegen auf den Boden. „Gut. Ich bin froh, dass wir das geklärt haben“, sagte Javier, lächelte kurz und setzte sich dann wieder auf den gegenüberliegenden Sitz von ihr. Amaya dachte darüber nach, ob es schon einen Geist vor ihr gegeben hatte, der seinen Schützling geküsst hatte. Sie verwarf jedoch den Gedanken rasch wieder, da sowieso klar war, dass, das völlig unmöglich und zuvor noch nie passiert war. 'Super! Was mochte er nun von ihr denken?Bestimmt nicht das, was man denkt, wenn man gesagt bekommt, dass der gegenüberstehende ein Geist ist.' Den Rest der Fahrt blieb es still zwischen ihnen. Amaya hoffte, dass sie Javier wenigstens genügend Stoff zum Nachdenken gegeben hatte, wenn es die Situation schon nicht anders zuließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)