Alles oder nichts von canina ================================================================================ Kapitel 10: Dunkelheit und Angst -------------------------------- Undurchdringbare Dunkelheit und ein muffiger Geruch nach Keller umgibt den Doktor. Seine Augen gewöhnen sich langsam aber sicher an die alles umgebende Dunkelheit. Nach einigen Minuten kann John die Umrisse von einer grossen Tür erkennen. Es ist wohl eine Eisentür. John steht auf und dreht sich einmal langsam um die eigene Achse. Was er sieht, lässt ihn schaudern. Er befindet sich in einem kleinen Raum, etwa halb so gross, wie sein Zimmer in der Bakerstreet. Rechts von ihm steht eine kleine Pritsche mit einer Militärdecke, links von ihm ein Eimer, wohl als Klo gedacht. Hinter ihm, an der Wand, hängen zwei kleinere und ein grösserer, rostiger Eisenring. Sie sehen recht alt aus, kommen wohl noch aus dem Jahrhundert, in dem man sie hauptsächlich gebraucht hat. Der grosse Ring für den Hals, die kleineren für die Hände. Wie im Mittelalter. John läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Hoffentlich werden ihm nie diese Ringe angezogen! Die schwere Eisentür vor ihm hat etwa auf Augenhöhe ein kleines Loch, in der Grösse eines Kopfes. Es wurde aber mit einem Gitter versehen, das genauso rostig ist, wie die gesamte Tür. Es ist offensichtlich, er befindet sich in einem Kerker. «Verdammt!», ruft er aus und schlägt gegen die Tür. Er muss rational denken, einen Ausweg finden! Zum Glück haben seine Entführer ihm die Kleider angelassen. Es ist nämlich sehr kalt hier unten und obwohl er einen Winterpullover trägt, fröstelt er. Schritt für Schritt sucht John den Raum ab. Aber er findet nichts, keinen Ausweg, nichts. Das Einzige, was er findet sind Knochen, die hoffentlich von einer Ratte stammen. Er gibt das Suchen auf, es bringt ja eh nichts. Verzweifelt und erschöpft setzt er sich auf die Pritsche. Den Kopf in seine Hände gestützt, die Augen mit den Finger bedeckend sitzt er da und wartet. «Sherlock, bitte finde mich», flüstert er. Er weiss aus seiner Zeit in Afghanistan, dass die beste Lösung gegen das Verrückt-werden Unterhaltung ist, auch wenn man diese selber betreiben muss. Also spricht er mit sich selber. Er versucht zugleich krampfhaft sich das Bild von Sherlocks Gesicht vorzustellen, was er auch schafft. Dann denkt er an ihr gemeinsames letztes Erlebnis und dabei hebt sich sein Mundwinkel zu einem kleinen, schiefen Lächeln. Plötzlich hört er wieder das Knacksen, das ankündigt, dass wieder irgendjemand durch den Lautsprecher etwas sagt. «Hören Sie zu, lieber Herr Doktor. *knacks* Bald wird ein Helfer meinerseits kommen und Ihnen *knacks* etwas zu Trinken bringen. Schliesslich sitzen Sie nun schon einige Stunden hier, um *knacks* genau zu sein, drei Stunden. Das heisst ihr Freund hat noch 45 Stunden, um *knacks* seinen Schosshund zu finden, bevor er ins Land der ewigen Verdammnis schwebt!» Ein dreckiges Lachen erfüllt den Raum, ein letztes Knacken und es ist wieder still. John hört nach einigen Sekunden ein Schaben an der Tür. Er geht sofort dorthin und da wird auch schon etwas durch die Gitterstäbe hindurchgeschoben. Er nimmt es entgegen. Er kann den Mann nicht erkennen, der ihm eine kleine Flasche mit Wasser und eine Taschenlampe gegeben hat. John kann nur noch sehen, wie sich der andere umdreht und wegläuft. Der Doktor runzelt die Stirn und wendet sich den ihm gegebenen Sachen zu. Die Flasche mit Wasser ist nur halb gefüllt. Der Grösse nach zu urteilen, fasst sie wohl im Vollzustand bis zu 5dl. Jetzt ist aber nur die Hälfte drin. Mit dieser Menge an Wasser läuft keine Gefahr, dass er dehydriert, aber er hat auch nicht genug Wasser, um mehrere Tage auszuharren. Die Taschenlampe, die man ihm gegeben hat, ist klein und silbern. Es ist eine, die man zuerst aufdrehen muss, bevor sie läuft. Also dreht John an dem kleinen Hebelchen an der Hinterseite der Lampe und bringt somit den Mechanismus im Innern des Geräts in Gang. Stetig drehend lädt er die, natürlich leere, Taschenlampe auf. «Verdammt! Ich habe einfach nichts!», flucht Sherlock. Er sitzt auf seinem Sessel, Greg neben ihm, und denkt nach. Er hat nur noch 44 Stunden Zeit, um seinen Freund zu finden. «Regen Sie sich nicht auf, Sherlock. Denken Sie nur, denken Sie!», flüstert Greg. Er will den Consulting Detective nicht beim Denken stören. Doch da fällt ihm etwas ein: «Haben Sie den Zettel schon untersucht? Vielleicht hilft dieser weiter?» «Ja, natürlich habe ich das! Keine Fingerabdrücke, keine DNS, nichts! Nur... Warten Sie!» Sherlock springt auf und holt den Zettel. Er schneidet einen kleinen Teil davon ab und legt ihn in ein Schälchen und gibt eine undefinierbare Flüssigkeit dazu. Dasselbe tut er mit einem zweiten und dritten Fitzelchen des Zettels. «Das sollte reichen», grummelt der Detective. Er legt die Flüssigkeiten mit den Zettelteilen einzeln unter sein Mikroskop und untersucht jedes Schälchen ausgiebig. Nach einigen Minuten ruft er: «Leder, Holz, Tierhaare, wohl Pferd, und Heu. Wo befinden sich diese Dinge?» «Leder, Holz, Pferdehaare, und Heu ...», wiederholt Greg nachdenklich. Plötzlich springt der Inspektor auf und ruft: «Natürlich! Bauernhof! Solche Zusammenstellungen gibt es meistens nur in einem Pferdestall! Sherlock, John wird in einem Stall oder ähnlichem festgehalten!» Doch Sherlock ist weg. Er hatte wohl dieselbe Idee. «Ist Sherlock vorbeige...-ah da sind Sie ja!», ruft Greg, als er ins Revier kommt. Mit wehendem Mantel und einem verzweifelten Ausdruck auf dem Gesicht kommt ihm der Detective entgegen. «Kommen Sie, Lestrade. Wir müssen uns beeilen! Wer weiss, was dieser Entführer John schon angetan hat?» Greg zögert nicht lange und packt seinen Mantel. Es ist eine Grossaktion. Fast alle Polizisten sind an der Suche beteiligt. Donovan und Anderson bleiben im Revier, falls der Entführer sich meldet. Der Rest kommt aber mit, sogar Molly war sofort zur Stelle. Sie bleibt immer in der Nähe des Lockenkopfes, wohl um ihn zu trösten. «W...Wir werden ihn schon f..finden», stottert sie. Die ganze Aufregung macht sie ganz verrückt. Das Schlimmste aber ist, dass es sich hierbei um einen Kollegen, nein um einen Freund handelt! «Verdammt! Hier ist er auch nicht!», flucht Sherlock. Greg hat ihn noch nie fluchen hören, heute ist es das erste Mal. Es ist aber auch verständlich, schliesslich suchen sie nun schon den dritten Stall in der Umgebung ab und immer noch keine Spur von John. Sherlock wird von Minute zu Minute ungeduldiger. Es regt ihn tierisch auf, dass er, obwohl er sich anstrengt, keinen einzigen Hinweis auf den Verbleib von John findet. Er hat höllische Angst um seinen Freund, fürchtet, bangt. Jedoch nach aussen hin ist er lange nicht so verzweifelt, wie er in sich drin ist. Nach aussen zeigt er sich als den Mann, dessen Arbeitspartner gerade gekidnappt wurde, aber in sich drin hat er Angst um seinen Partner, um seinen Freund. Er braucht einen verdammten Hinweis! Irgendetwas, das auf den Verbleib Johns hindeutet! Vielleicht hat er ja... Sein Handy! Er hat es mitgenommen! Wieso ist Sherlock nur nicht eher drauf gekommen? «Mobiltelefonortung vorbereiten! Wir brauchen die Position von Johns Handy!» Greg schaut den Detective nur traurig an. «Das haben wir schon lange getan. Ich wollte Sie nicht noch mehr beunruhigen, darum habe ich es Ihnen nicht gesagt. Johns Handy ist ausgeschaltet, deswegen können wir nur den letzten Punkt orten, an dem es noch an war. Aber wer weiss, was in der Zwischenzeit passiert ist?» «WO WAR JOHN?», schreit Sherlock den Inspektor an, lauter als gedacht. «Sein Handy gab das letzte Signal an dem Ort, wo Sie den Zettel gefunden haben, von sich.» «Verdammt!», knirscht Sherlock mit zusammengebissenen Zähnen. Er muss sich beruhigen, muss seinen Kopf zum Denken bringen, obwohl ihm die Angstgedanken das Hirn vernebeln. Also läuft der Consulting Detective einige Schritte auf dem Stallgelände herum. Plötzlich raschelt etwas unter seinen Füssen. Er runzelt die Stirn und sieht zu Boden. Sein Herz bleibt für einen kurzen Augenblick stehen! Es ist wieder ein Couvert, in dem erneut ein Zettel liegt. Sherlock faltet den etwas altertümlich aussehenden Zettel auseinander. Es ist wohl Pergament, jedoch neu gekauft. Es ist zwar vergilbt, jedoch künstlich. Mit Tinte und einer wunderschönen Handschrift steht in verschnörkelten Buchstaben: «Leid und Pein, das sind meine Freunde, Schmerz und Tod bringe ich. Blut ist's, was meinem Grund besudelt, Krähen sind's, die am Morgen meine Besucher wecken. Wer aus mir versucht zu fliehen, den wird mein lieber Freund, der Sensenmann holen kommen. Die Zeit läuft gegen Sie, Sherlock. Sie wird Sie besiegen! Ihr Freund wird der Zeit unterliegen! Mit freundlichen Grüssen – Ihre grösste Angst PS: wenn Sie Ihren Freund lebend wieder sehen wollen, dann beeilen Sie sich!» Die Schrift ist zu schön für diese Worte. Plötzlich bemerkt Sherlock einen kleinen Fleck am Rande des Papiers. Er hat die Ähnlichkeit mit Blut, dunkel und eingetrocknet. „Gott, lass es nicht Blut sein, lass es nicht SEIN Blut sein!“, fleht der Lockenkopf. «Molly, ist das Menschenblut?», fragt er die Pathologin, die sich unbemerkt neben ihn gestellt hat. Er weiss, dass es Menschenblut ist, sieht es. Doch er hofft so sehr, dass er diesmal, nur dieses eine mal falsch liegt. Deswegen will er sich noch die Meinung der Pathologin einholen. Vielleicht entkräftet sie ja seine Bedenken? Er hofft es so sehr! Es könnte durchaus sein, dass seine Bedenken falsch sind, da seine Denkkraft zur Zeit von der Angst um John verlangsamt und geschwächt wird. «W...Warte... Ja, das könnte sein... Doch, mit höchster Wahrscheinlichkeit schon, aber ich müsste einen Test... Oh Gott! Denkst du, es kommt von... von J...John?», stottert sie. Sherlock sagt kein Wort, aber sein versteinerter Gesichtsausdruck spricht Bände. Eifrig führt Molly den Test durch, hofft dabei sehnlichst, dass sie unrecht hatte, dass ihre Augen ihr einen Streich gespielt haben. Es ist nun schon eine Stunde her, als Sherlock den Zettel am Boden gefunden hat. Nun sind sie im Revier, besser gesagt in der Pathologie. Sherlock steht in seiner Denkposition herum, sein Blick starr auf ein undefinierbares Ziel gerichtet. Plötzlich stösst Molly einen kleinen Schrei aus. Sherlock läuft sofort zu ihr. «Was ist?», fragt er sie hastig. «W...Weisst du noch, als wir J...John Blut abgenommen haben u...und es dann in unser S...System eingegeben haben? Falls man mal B...Blut finden würde und er verschwunden wäre, hast du damals g...gesagt. Zur Überprüfung. D...Das Blut am Zettel stimmt mit dem in unserem System überein! E...Es ist Johns Blut!», verkündet Molly mit zittriger Stimme. Sherlock zieht scharf die Luft ein. Das hätte nicht passieren dürfen! John ist womöglich verletzt und er steht hier herum und wartet auf bessere Zeiten, oder was?! Es muss etwas geschehen! Auch wenn er Rätsel hasst, er muss das Rätsel auf dem Zettel lösen. Es ist schliesslich ein Hinweis! Sie haben nur noch 41 Stunden Zeit! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)