Alles oder nichts von canina ================================================================================ Kapitel 1: Eigenartige Gefühle und Bemerkungen ---------------------------------------------- Leise Violinenklänge erfüllen die Luft. Es ist 'Eine kleine Nachtmusik' von Wolfgang Amadeus Mozart. Das Stück ist ein bisschen abgeändert, aber dennoch erkennt man es. Sanft bewegt sich der Consulting Detective im Takt der Musik. John lächelt, als er das sieht. Er hatte heute einen langen Tag. Viele Krankheitsfälle aufgrund einer Grippewelle, die in London ausgebrochen ist. Dieses Jahr ist es noch schlimmer als letztes Jahr. Immer um den Jahresanfang herum werden die Leute krank. Erschöpftes Immunsystem des Alkoholkonsums wegen und müde Körper, da man sich 'überfeiert' hat, sind nicht unschuldig am Ganzen. Deshalb muss John so viel einspringen in der letzten Zeit. Ärzte sind auch nur Menschen und es hat einige Krankheitsfälle gegeben in letzter Zeit, auch im Spital. «Haben Sie schon etwas gegessen?», fragt der Ältere. Sherlock, ganz in sein Geigenspiel vertieft, gibt keine Antwort. Erst als sich John übertrieben laut räuspert, fällt der Jüngere aus seiner Starre. «Nein.» «Soll ich Ihnen was mitbringen? Ich geh' schnell zum Chinesen.» Mit einem Nicken gibt der Detective sein Einverständnis und John macht sich auf den Weg. Satt gegessen und mit einem Glas Wein in der Hand sitzt der ehemalige Militärarzt auf dem Sessel und beobachtet das Feuer, wie es langsam die Holzscheite auffrisst. Wohlige Wärme hat sich im Zimmer ausgebreitet. Sherlock liegt in seiner Denkposition auf dem Sofa und gibt keinen Laut von sich. John verfällt indes ins Grübeln. Seit einiger Zeit schon reagiert sein Körper auf eigenartige Art und Weise, wenn er seinem besten Freund ein bisschen näher kommt. Letztens sassen sie im Taxi, eng aneinander gepfercht mit Greg Lestrade. Sie waren gerade essen gegangen und hatten auch einiges getrunken. So beschlossen sie ein Taxi zu nehmen. Als Sherlock so nah bei John sass, fühlte dieser plötzlich eine wohlige Wärme um sein Herz herum, obwohl sogar im Taxi, wie auch draussen, klirrende Kälte herrschte. Als er sich dessen bewusst wurde, erröteten seine Wangen und glühten feurig heiss. Sofort drehte er sein Gesicht zum Fenster, dass ihn ja niemand sah. Doch wie befürchtet hatte ihn Sherlock bemerkt. Dieser schaute ihn nämlich mit einem abfälligen Lächeln an. Was dieser wohl nun von ihm dachte? Plötzlich wird John in seinen Gedankengängen von einem Piepen gestört. Genauer gesagt, von seinem Handy, das mitteilen will, dass er eine SMS bekommen hat. John erhebt sich aus seinem Sessel und holt sein Handy aus seiner Jackentasche. Machen Sie mir einen Tee? - SH «Sherlock, Sie könnten doch auch Ihren Mund öffnen und reden, wie normale Menschen?», entgegnet John genervt. Sein Mitbewohner ist manchmal wirklich der faulste Mensch, den es überhaupt gibt. John macht, unverständliche und wohl nicht ganz so nette Worte grummelnd, den Tee. Als er ihn seinem Mitbewohner in die Finger drückt, berühren sich ihre Hände für einen Augenblick. Normalerweise wäre das nicht weiter nennenswert, doch das, was John da gerade fühlt ist nicht normal. Eindeutig nicht! Denn als sie sich berühren, fährt ein Stromschlag in Johns Hand. Von den Fingern aus, breitet er sich im ganzen Körper aus und John wird ganz heiss. Er zieht sofort seine Hand zurück und stolpert etwas unbeholfen rückwärts. Sherlock wirft ihm einen erstaunten und etwas verwunderten Blick zu, sagt aber nichts. John, ganz erschrocken über das eben Geschehene, sagt hastig: «Gute Nacht, Sherlock» und stürmt in sein Zimmer. Dort angekommen lehnt er sich an die Wand und atmet tief durch. Was passiert nur mit mir? Was stimmt nicht mit mir? Klar, diese Symptome sind ihm nicht unbekannt, aber noch nie hat er so was bei einem Mann gespürt. Noch nie! Nur bei Frauen ist ihm das schon passiert, aber doch noch nie bei einem Mann. Er ist schliesslich nicht schwul! John macht sich bettfertig und legt sich mit wirren Gedanken ins Bett. Schlafen kann er nicht, das weiss er. Nicht nachdem, was passiert ist. Aber nachdenken kann er und das tut er auch. Die vorige Szene blieb bei Sherlock nicht unbemerkt. Er hat genau bemerkt, wie die Berührung auf John gewirkt hat. Wie sehr es ihn in Verlegenheit gebracht hat. Sherlock setzt sich auf den Sessel, in dem vorhin John gesessen hat und denkt nach. Ihm ist die Spannung der letzten Zeit nicht entgangen. Zwischen ihnen hat sich etwas verändert. Etwas, das sich nicht erklären lässt, etwas, das nicht einmal dem Consulting Detective klar erscheint. Kann es sein, dass...? Nein, niemals. Sherlock hatte John ganz am Anfang ihrer 'Berufsbeziehung' erklärt, dass er so etwas wie eine Beziehung nie eingehen würde. John hatte es damals verstanden, hatte es sich gemerkt. John wird ja wohl so schlau sein und sehen, dass „keine Beziehung eingehen“ das- selbe bedeutet, wie „nicht lieben können“. Das kann Sherlock nämlich nicht. Erstens ist es ein chemischer Defekt und zweitens verletzt Liebe nur. Sie verletzt und ist unnötig. Warum sich unnötigerweise Schmerzen zufügen, wenn man ohne Liebe auch leben kann und das noch sehr gut, so wie Sherlock? Nach einigen Minuten (oder waren es Stunden?) in seinem Gedankenpalast begibt sich Sherlock auch ins Bett. Als er völlige Ruhe hört und sich auch in seinem Kopf einigermassen Ruhe eingefunden hat, schläft der Detective ein. Am nächsten Morgen ist noch alles still, als John sich aus den Federn erhebt. Er gähnt ausgiebig und reibt sich den Sand aus den Augen. Als er seine Augen richtig öffnet, fällt ihm vor Schreck die Kinnlade runter. «Sherlock! Was tun Sie hier?», fragt John aufgebracht. «Ich habe eine SMS von Lestrade bekommen, wir sollen schnellstmöglich ins Scotland Yard kommen, er habe einen neuen Fall», entgegnet der Consulting Detective. John schnaubt wütend und schiebt den Jüngeren aus seinem Zimmer heraus, damit er sich ungestört anziehen kann. Dieser Tag fängt ja schon mal gut an! Zuerst schläft man schlecht, da man immer das Bild seines besten Freundes in Gedanken betrachtet und dann wird man schon so früh am Morgen zu einem Tatort mitgeschleppt. Als John sich angezogen, etwas Kleines gegessen und getrunken hat, steht Sherlock auch schon ungeduldig wartend am Eingang. «Beeilen Sie sich, John! Ein neuer Fall wartet auf uns!», sagt Sherlock in einem etwas ungeduldigen und nicht ganz netten Ton. John nimmt die Jacke, die ihm der Detective hinstreckt und sie treten raus an die frische Luft. Eiseskälte und Schneeflocken fallen ihnen ins Gesicht, als sie draussen auf der Strasse stehen. Es hat in der Nacht geschneit und nicht damit aufgehört. Der Schnee ist so hoch wie noch fast nie. Es hat sicher mindestens 30cm Schnee! John stapft mit Sherlock durch den Schnee, als der Ältere bemerkt, dass sein Freund keine Handschuhe hat und es ihn offensichtlich friert. Wortlos gibt John Sherlock seine Handschuhe. Als dieser nicht reagiert, entgegnet er: «Nehmen Sie, Sie frieren ja!» Sherlock nimmt die Handschuhen und lächelt John als Dank an. Nur kurz, einige Sekunden, aber es hat gereicht, um John's Herz zu erwärmen, ihm ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Sherlock ist John wirklich dankbar, denn Kälte schwächt das Hirn und somit auch seine Deduktionsfähigkeit. Dies kann er überhaupt nicht brauchen! Da helfen warme Hände. Je weniger Körperteile der unbarmherzigen Kälte ausgesetzt sind, desto weniger schnell kann der Körper und somit auch das Hirn einfrieren. Da bringt auch schon ein Handschuh Hilfe und Abwehr gegen diese Kälte. Das Beste daran ist aber, dass John die Handschuhe schon vorgewärmt hat. Somit werden Sherlock's klamme Finger sofort wieder wärmer und beweglicher. Da bemerkt der Detective den glücklichen und fröhlichen Ausdruck auf dem Gesicht seines Freundes. Warum freut er sich wie ein Honigkuchenpferd? Hat er etwa eine Droge zu sich genommen? Bei solch einer Kälte freut sich niemand so sehr! Eigenartig... Manchmal wundert sich der Jüngere schon etwas über seinen Partner. Aber das wird wohl auf Gegenseitigkeit beruhen. Der Consulting Detective weiss nämlich, dass er sich manchmal nicht wie 'normale' Menschen verhält. 'Normale' Menschen sind so oder so langweilig, also wieso sollte er sich auch ihren Gewohnheiten und Macken anpassen? Das würde ihn nur langweilen. John ist da ganz anders. Er ist nicht so langweilig, wie die meisten seiner Artgenossen. Er ist mehr als sie. Er ist auf merkwürdige Weise interessant. Das verblüfft Sherlock, denn er hätte nie gedacht, dass er einen 'einfachen Menschen' interessant finden würde. «John, wissen Sie was? Ich finde Sie sehr interessant», sagt Sherlock plötzlich. John fällt aus allen Wolken, sein Kiefer fällt genauso gen Boden. «W...Was? Wie meinen Sie das?», fragt er verdattert. «Ganz so, wie ich es sage. Sie sind ein interessanter Mensch. Ich wollte es Ihnen nur mal sagen, John.» Dieser, ganz verwundert, bringt kein Wort heraus. Wie? Interessant? Das ist doch unmöglich! Sherlock Holmes findet niemanden interessant! Ausser vielleicht Irene Adler. Johns Gesicht verzieht sich zu einer Eifersuchtsmiene. Oh ja, er war eifersüchtig. Oh ja, er wollte nicht, dass Sherlock sich in „die Frau“ verliebte, er wollte Sherlock bei sich haben, alleine! Jedes mal, wenn er an Irene denkt, wird John wieder zutiefst eifersüchtig. «Ich bin also interessant...», murmelt John vor sich hin. Ein bisschen mehr für sich selber, als für Sherlock, doch dieser hat den Satz selbstverständlich gehört. Er erwidert: «Oh ja. Offensichtlich haben Sie eine eigenartige Wirkung auf mich. Ich habe noch nie einen 'normalen' Menschen interessant gefunden. Sie sind eine Ausnahme.» John erwidert nichts, bleibt aber stehen. Sherlock tut dasselbe und schaut seinem Freund verwundert in die Augen. Der Militärarzt hält seine Hand auf den Arm von Sherlock und schaut ihm tief in seine wunderschönen und faszinierenden Augen. John muss sich zusammenreissen, um dem Drang widerstehen zu können, hier und jetzt seinen Freund zu küssen. Er würde es eh nicht wollen. Als ob er vergessen hätte, was er tun wollte, lässt John den Arm Sherlocks los und läuft wieder weiter. Als wäre nie etwas geschehen. Als hätte es nie die Berührung gegeben. Doch dem ist selbstverständlich nicht so. Auch Sherlock hat es gespürt, die Wärme, den Stromschlag, den die Berührung ausgelöst hat. Sherlock läuft auch weiter, ganz in Gedanken versunken. In Gedanken um John und ihre Berührung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)