Kyo Kara Maou Novel: Reise zum Beginn - Abenteuer in Dark Makoku von KamuiMegumi ================================================================================ Kapitel 12: Kapitel 12 ---------------------- KAPITEL 12 Ich weiß nicht, wie lange ich da stand. Der Raum schien sich um mich herum im rasenden Tempo zu drehen. Er war weg. Wolfram war weg. Und alles deutete auf einen Kampf hin! Was war hier geschehen? Was war das für Blut? Und vor allem... wessen Blut war das? In mir kroch die absolute Panik hoch. Ich war allein. In einer fremden Stadt. In einem fremden Land. Und Wolfram wurde eindeutig gewaltsam verschleppt! Was sollte ich tun? Zu wem konnte ich gehen? Meine Beine gaben nach. Wie paralysiert starrte ich die Wand an. Die blutbeschmierte Wand. Wolfram! Mein Herz raste. Ich hatte das Gefühl, als würden sich zwei durchsichtige Hände um meinen Hals legen und langsam zudrücken. Ich keuchte auf. Wolfram! Er war doch verletzt! Er war doch gar nicht fähig, sich zu verteidigen! Warum hatte ich ihn nur alleingelassen? Ich Idiot! Wenn das sein Blut war, dann war er schwer verwundet worden! Shibuya, beruhige dich! Wenn du noch mehr in Panik verfällst, bringt das niemandem etwas! Es war alles meine Schuld! Hätte ich doch bloß in Herkas die Klappe gehalten, dann wäre ich nicht verflucht worden und dann hätten wir nicht diese Reise machen müssen! Ich verdammter Idiot! Meine Faust schlug auf den Boden. Shibuya, beruhige dich! Nein, ich kann mich nicht beruhigen. Ich war wütend! Wütend auf meine Naivität. Wütend auf mein absolut falsches und unaufrichtiges Verhalten! Tränenbäche flossen über meine Wangen. Durch das geschlossene Fenster nahm ich aufgebrachte Geräusche war. Es war mir egal. Diese Wut in mir kroch hoch. Sie schrie. Wolfram! Diese Wut wollte raus. Sie suchte sich mit unbändiger Kraft einen Weg aus mir heraus. Die Fensterläden des Zimmers klapperten, die Stimmen von der Straße her wurden lauter, panischer. Shibuya, beruhige dich! Im Zimmer wurde es schlagartig stockfinster. Der zuvor wolkenfreie Himmel hatte sich verfinstert. Die Fensterläden klappten nun wild auf und zu. Starker Regen prasselte an die Scheiben. Wolfram! Und da schoss mir das Bild durch den Kopf. Auf der Treppe. Die Männer. Der große schwarze Sack! Wolfram! Ich sprang auf. Sie konnten noch nicht weit sein! Und wenn, dann würde ich jeden Stein in dieser Stadt umdrehen! Wenn es sein müsste, würde ich diese ganze Stadt dem Erdboden gleichmachen bis ich Wolfram wieder gefunden hatte! Mein Atem ging schwer! Shibuya, beruhige dich! NEIN! Ich fuhr herum und rannte los. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so schnell gerannt. Nicht einmal beim Baseball. Ich stürmte die Treppe so schnell hinunter, dass es schon erstaunlich war, dass ich nicht fiel. Ich raste durch das Foyer und schlug die Tür nach draußen so heftig auf, dass sie an die Wand schlug und das in ihr eingelassene Glas zersprang. Ich rannte weiter. Mit einem Satz die Treppenstufen nach unten. Draußen tobte ein heftiger Orkan mit Sturm und Regen. Die Dämonen versuchten sich alle in Sicherheit zu bringen. Ich rannte durch die Masse hindurch, nicht nach links und rechts sehend, einfach nur Richtung Marktplatz. Dort hatte ich so viele von diesen Männern in dieser grauen Uniform gesehen. Ich würde mir einfach einen schnappen, irgendeinen! Und dann würde er mir sagen müssen, wo sie mit Wolfram hin waren! Er würde es müssen! Shibuya, beruhige dich! Ich würde kein Schweigen dulden! Ich würde Antworten bekommen! Ich rannte über die gepflasterte Straße und hatte schon einen dieser Männer in Grau ins Auge gefasst, als... „Vorsicht!“ ...ein heftiger Aufprall erwischte mich seitlich. Dann klarte der Himmel schlagartig wieder auf. „Du hättest ihn liegenlassen sollen, Rebekah!“, diese Stimme klang älter und reifer. Ich konnte einen besorgten Unterton erkennen. Wie bei meiner Mutter, wenn sie mir von etwas abriet. „Er ist mir aber vor den Karren gelaufen! Ich habe doch Schuld daran!“, diese Stimme war eindeutig einem jüngeren Mädchen zu zu schreiben. „Dann hätte er besser auf den Weg achten sollen!“, war die kühle Antwort. „Aber Mutter!“, also doch! Ein Mutter-Tochter Gespräch, wo ich Ohrenzeuge wurde. Ich lag einigermaßen weich auf etwas, was knisterte. Den Geruch kannte ich, doch ich konnte es nicht zuordnen. Mein Schädel brummte höllisch. Was war geschehen? Ach ja, ich hatte beim Überqueren der Straße nicht auf den Verkehr geachtet! Seltsam. Mir war nie so bewusst gewesen, dass es in meiner mittelalterlichen Welt Verkehr hab! Ich wollte Wolfram finden! Verdammt! Ich hörte ein Klopfen und dann das öffnen einer Tür. Es war nicht die Tür zu dem dunklen Zimmer, in welchem ich untergebracht war. Es folgte unverständliches Gemurmel. Eindeutig die ältere Frauenstimme von vorhin und eine dunkle Männerstimme. Dann wurde diese Tür wieder geschlossen und die Frauenstimme näherte sich: „Ich werde heute länger auf der Arbeit gebraucht, Rebekah! Sorge noch vor deinem Dienstantritt, dass der Fremde da drin aufwacht und verschwindet! Wir können uns nicht noch mehr Probleme leisten!“ „Ja, Mutter!“ Wieder Schritte, die sich entfernten. Wieder eine Tür, die geöffnet und geschlossen wurde. Stille. Gerade, als ich überlegen wollte, ob ich in der Lage war aufzustehen, öffnete sich die Tür zu meinem Zimmer. Der helle Schein einer Kerze erleuchtete alles. Ich lag auf einem Strohlager! Das war also der Geruch gewesen! Altes, feuchtes Stroh! „Du bist wach?“, sie war tatsächlich noch ein recht junges Mädchen, wobei ich mit der Bezeichnung 'jung' in der Dämonenwelt immer etwas vorsichtig bin. In Menschenjahren war sie vielleicht so alt wie meine Greta. Ich nickte. Sie hatte schulterlanges braunes Haar und blaue Augen. An und für sich ein hübsches Mädchen, doch gefiel mir ihr Kleidungsstil nicht: eine gräuliche Uniform! Trotz des hämmernden Schmerzes in meinem Kopf versuchte ich mich aufrecht hinzusetzen. Ich schien kein Gefangener zu sein, wenn ihre Mutter verlangt hatte, dass ich verschwinden solle. Von daher konnten nicht alle, die hier Grau gekleidet waren, zu den Entführern meines Wolframs gehören. Ich versuchte ein freundliches Lächeln. Dies schien zu klappen, denn sie lächelte auch: „Was machst du hier? Weißt du nicht, dass es hier für dich zu gefährlich ist?“ „Hä?“ Fragte man eigentlich nicht zuerst nach einem Namen oder woher man kam? Sie setzte sich neben mich. Sie schien keine Angst vor mir zu haben. „Wenn sie dich finden, dann töten sie dich!“ So heftig konnte doch der Schlag an meinem Kopf gar nicht gewesen sein, dass ich kein Wort von dem verstand, was sie mir da sagte. „Wovon sprichst du denn da bitte überhaupt?“, ich sah sie fragend an. Ihr Lächeln blieb: „Na, du bist doch ein Mischblut, nicht wahr?“ Ein Misch-was? Sie schmunzelte wohl über meinen in dem Moment bestimmt sehr dämlich aussehenden Gesichtsausdruck. „Anscheinend hast du keine Ahnung, hm?“ Das konnte ich nur bestätigen und ich nickte heftig. „Gut. Dann fang ich mal von vorne an. Ich bin Rebekah und wer bist du?“ Na endlich! Worte, die ich verstand und Fragen, die ich auch beantworten konnte! „Ich bin Yuuri Shibuya!“ „Das ist ja ein seltsamer Name! Woher kommst du denn, Yuuri Shibuya?“ „Aus Shin Makoku!“ Sie sprang auf und blieb wie erstarrt stehen: „Das kann nicht sein!“, wisperte sie. „Ähm, doch, eigentlich schon. War eine lange Reise!“ Sie kniete sich nun vor mir nieder und nahm meine beiden Hände in ihre Kleineren. Mit großen Augen, die Ehrfurcht und Freude zugleich zeigten, schien sie jede einzelne meiner Gesichtsporen zu begutachten: „Das heißt, die Legende stimmt und er hat es tatsächlich geschafft? Ihr seit alle frei?“ Ich zögerte: „Wer hat was geschafft? Und frei waren wir schon immer... denke ich....also, so genau kenne ich die Landesgeschichte auch noch nicht!“ Gut, dass ich ihr nicht erzählt habe, dass ich der König bin. Das wäre ja ansonsten richtig peinlich! „Nanatsu!“ „Ach, der!“, ich nickte und war gespannt, was ich mir nun wieder über unseren Shinou anhören dürfte, „Was hat er denn gemacht?“ „Er hat seine Brüder und Schwestern gerettet!“ „Ach, du meinst diesen Mittsu und Itsutsu und die...“ „Nein!“, sie sprang entsetzt auf und starrte mich schockiert an, „Nicht die! Die Anderen!“ Ich grübelte. Anscheinend schien Shinou aus einer wahren Großfamilie zu kommen. Wie viele Geschwister hatte der denn noch? „Du bist doch auch einer!“, sie setzte sich wieder, diesmal neben mich. „Ein was?“ „Ein Mischblut!“ „Was soll denn ein Mischblut sein?“ Nun blickte sie irritiert. „Entschuldige, die dumme Fragerei, aber bei uns gibt es solche Bezeichnungen nicht!“ Da nickte sie verstehend: „Mischblut sagen wir zu den verbotenen Kindern der Götter aus ihren...“, sie zögerte, „nun ja, aus ihren Vergnügungen mit dem Adel oder dem Volke!“ „Und warum sollte man mich, wenn ich ein Mischblut wäre, umbringen wollen?“ „Du bist ganz sicher ein Mischblut!“, sie betrachtete mich wieder von oben bis unten, „entweder man hat schwarzes Haar oder schwarze Augen, beides zusammen bezeugt einen Gott als Elternteil! Und das ist verboten! Der große Schöpfer Gaaru hat dies damals verboten und den Befehl erteilt, alle Kinder dieser Verbindungen töten zu lassen!“ „Bitte was?“, diesmal sprang ich auf. Das war doch wohl ein Scherz! Ein Obergott ließ seine eigenen Kinder hinrichten? Doch Rebekah nickte nur bekümmert: „Doch Nanatsu stellte sich damals gegen dieses Urteil und weigerte sich, seine Brüder und Schwestern zu töten. Er floh mit Einigen von ihnen und seinen treuesten Gefolgsleuten! Er wollte ein freies Land gründen, wo alle in Frieden leben konnten!“ Ich setzte mich wieder. Diese Version der Geschichte warf plötzlich ein ganz anderes Licht auf Shinou. Vielleicht war dieser Kampf gegen die Schöpfergötter beziehungsweise den Begründer gar kein Familienzwist mehr. Er wollte nur seine Geschwister und Freunde schützen! Dann wäre es ja eigentlich Notwehr gewesen was wir getan hatten! „Doch seit seinem Verschwinden vor so vielen tausend Jahren sagt man, er habe sie alle in den Tod geführt!“, fuhr sie mit ihrer Erzählung fort. „Nein, dass hat er nicht. Er hat sein Land gegründet und dort sind sie wirklich alle frei! Und mittlerweile gibt es auch keine Kriege mehr. Es ist alles friedlich!“ Ich legte ihr meine Hand auf die Schulter, als sie sich über diese Nachricht zu freuen schien. Doch dann zögerte sie: „Aber warum seit ihr dann wieder zurück gekehrt?“ Ja, warum eigentlich? Weil ich ein Idiot bin. Darum! „Ähm, wir waren auf der Suche nach Shinous...ich meine Nanas Zepter und dann wurde ich von meinen Freunden getrennt!“ „Getrennt?“ „Ja, mein Freund Wolfram wurde entführt und als ich die Täter verfolgte...“ „Habe ich dich mit meinem Karren angefahren!“, unterbrach sie mich mit einem Seufzen, „Das tut mir so leid! Ich habe durch das plötzliche Unwetter nichts mehr gesehen und plötzlich standest du da!“ Sie legte beschämt ihr Gesicht in die Hände. Ich konnte ihr ja nun schlecht sagen, dass sie nun wirklich keine Schuld traf. Das Unwetter ging ja auch auf meine Kappe! Ich hatte einfach die Beherrschung verloren! Das dürfte mir nicht noch einmal passieren. Ich stöhnte auf. Ach, es gab in der letzten Zeit so viel, wofür ich mir selbst in den Hintern treten konnte! Wie konnte Susannah Julia nur glauben, ich sei schon so weit? Ich hatte eindeutig bewiesen, dass dem ja wohl nicht so war! „Wegen mir hast du nun die Spur zu deinem Freund verloren!“, schluchzte Rebekah nun neben mir. „Ehrlich gesagt, nicht ganz!“, antwortete ich, „Was bedeuten diese grauen Uniformen?“ „Die hier?“, sie wies überrascht an sich herunter und ich nickte. „Das heißt, dass ich eine Angestellte im Palast bin. Ich bin aber nur eine kleine Schneiderin, nicht mehr!“ „Palastangestellte, hm?“, ich dachte nach. Warum sollten Palastangestellte Wolfram entführen? Ich richtete mich wieder an Rebekah: „Wie komme ich in den Palast rein?“ Sie zuckte erschrocken zusammen: „Rein? Du?“ „Ja! Ich bin mir ganz sicher, dass ich dort den entführten Freund finden werde!“, ich kramte in meiner Brusttasche. Da war es. Ich hatte es extra aus meiner verschmutzten Schuluniform herausgenommen und in die Brusttasche dieses grauen Anzugs gesteckt: Wolframs Foto. „Das ist mein Freund!“, ich hielt ihr das Bild hin, „Wir sind verlobt!“ Hey! Warum sag ich ihr denn das? „Er sieht aus wie Nanatsu auf den Bildern im Schrein!“, flüsterte sie leise, doch dann weiteten sich ihre Augen und ihr Blick schoss zu mir auf, „Vielleicht haben die gedacht, dass Nanatsu zurückgekehrt ist und haben ihn deshalb gefangen genommen! Auf Nanatsu wartet die Todesstrafe!“ Ich schluckte: „Was? Aber der echte Nanatsu ist doch schon seit 4000 Jahren tot!“ Diese Aussage schien Rebekah nicht so zu gefallen, doch dann schmunzelte sie: „Du machst Scherze! Ein Gott kann nicht auf normalen Wege sterben!“ Nun ja, stimmte schon. Für einen Toten war Shinou in den letzten Jahren ziemlich viel durch die Gegend spaziert. „Na ja, sein Geist nervt manchmal noch rum!“ „Er soll ziemlich von sich überzeugt gewesen sein!“ „Oh ja!“ „Und auch nicht immer vernünftig gehandelt haben!“ „Da gebe ich dir auch vollkommen Recht!“ „Aber er soll ein toller Vater gewesen sein!“ „Bestimmt war er das....ähm...bitte was?“, mein Mund stand weit offen. Sie lachte hell auf. Wollte sie mich nun hereinlegen? Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel: „Nein, ernsthaft. Er hatte einen Sohn. Allerdings ein Mischblut weil seine Frau aus ganz niederem Adel stammte. Und sein bester Freund war nicht nur sein Halbbruder, sondern auch der vom Orakel beschworene Göttervernichter. Nanatsu war also mit Gaarus Urteil schon rein persönlich nicht einverstanden!“ Wow. Mir blieb fast die Luft weg. Shinou! Was ich hier so über dich erfahre haut mich glatt um! Du warst verheiratet? Mit einer Frau? Ich hatte ehrlich gesagt mittlerweile daran geglaubt, dass zwischen ihm und Murata... ach nein, Quatsch! Und einen Sohn hatte er auch? Aber wo war der Sohn dann hin? Und wer war dieser Göttervernichtende Halbbruder? Den Job hatte im Endeffekt doch ich gemacht! War ich mit Shinou verwandt? Wir sahen uns doch gar nicht ähnlich! Aber Wolfram! Wolfram hatte schon einige Züge von Shinou. Aber Wolfram und ein Halbgott? Hahahaha! Verdammt! Ich war es doch immer, der ihn für einen Engel auf Erden hielt. Wenn er wirklich göttliches Blut in sich hatte würde ich mir das den Rest meines Lebens anhören dürfen! Meine innere Liste an Fragen für Shinou wurde immer länger! „Du willst also in den Palast, ja?“, wurde ich in meinen Gedanken von Rebekah unterbrochen. „Ja! Und warum willst du mir helfen?“ „Ich habe die Geschichten um Nana früher sehr geliebt! Sie haben mir Hoffnung geschenkt! Du bist aus seinem Land! Deswegen helfe ich dir sehr gerne!“ „Aber nicht das du Probleme bekommst!“ „ Das geht schon gut! Mach dir um mich keine Gedanken! Hm...In der Uniform kommst du aber nicht weit!“, sie grübelte, „Du müsstest in alle Bereiche kommen können ohne groß durch die Sicherheitsmaßnahmen dort aufgehalten zu werden!“ „Das wäre am Besten!“ „Hm, warte einen Augenblick!“, sie lief aus dem Zimmer um nur wenige Augenblicke später mit einem riesigen Korb wiederzukommen. „Ich hatte in den letzten Wochen viele Aufträge für die neuen Dienstmädchengarderoben. Und diese hier ist noch übrig geblieben. Und das hier“, sie fischte in den Korb hinein und ich dachte sie zöge ein totes Tier hervor, „Ist die alte Perücke meiner Mutter!“ Sie setzte sie mir schnell auf den Kopf und zupfte hier und da daran herum, dann nahm sie ein paar Haarnadeln und befestigte sie so fest, dass ich glaubte, die Perücke sei nun mit mir verwachsen: „Meine große Schwester arbeitet beim Palasttheater und sie hat mir gezeigt, wie man diese Perücken wirklich absolut rutschfest befestigen kann!“ Danach griff sie erneut in den Korb und fing an, mein Gesicht zu schminken: „Ich werde dir diese Sachen mitgeben. Denk daran, stets rechtzeitig den Lippenstift nachzuziehen. Sonst könnte auffallen, dass du kein echtes Dienstmädchen bist!“ Schlussendlich hielt sie mir einen kleinen Handspiegel vor das Gesicht: „Wow!“, entfuhr es mir. Ich sah aus wie eine richtig vornehme Dame. Vollkommen unmöglich, mich noch zu erkennen. Nicht mal meine Mutter wäre dazu in der Lage! Rebekah hielt mir das Kleid vor um die Größe abzuschätzen. Dieses graue Kleid mit weißer Schürze und Puffärmeln sah wirklich aus wie aus einem Maid-Cafe! „Yuuri?“ „Ja?“, ich betrachtete noch immer fasziniert mein Spiegelbild und war erstaunt über die Veränderung. „Welche Körbchengröße möchtest du denn haben?“ „Sind wir endlich wach?“ Er spürte, wie er etwas Undefinierbares murmelte. Ihm tat alles weh. Das Bein pochte, die Schulter brannte und er war sich ziemlich sicher das an seinem Hinterkopf eine unschöne Beule nach diesem heftigen Niederschlag geblieben war. „Ich habe euch nicht zur Erholung herbringen lassen!“ Diese dunkle Stimme wurde ungehaltener. Er blinzelte, konnte aber noch nicht so richtig das Umfeld wahrnehmen. Er lag auf sehr weichem Untergrund, vermutlich ein Bett. Anscheinend behandelte man hier Gefangene oder Geiseln nicht allzu schlecht. Das ließ schon einmal hoffen. „Mir wäre es ganz Recht, wenn ihr mir euren Namen nennen würdet, damit ich weiß, wie ich euch ansprechen soll!“ Der Besitzer der Stimme schien in gleichbleibender Entfernung zu ihm zu verharren. Er hob die Hand, um zu zeigen, dass er zwar wach, aber noch nicht ganz aufnahmebereit für ein Gespräch war. „Und erspart mir dieses Nanatsu. Wir wissen Beide, dass ihr nicht Nanatsu seid. Nanatsu ist tot. Auch wenn das hier viele nicht wahrhaben wollen!“ Nun ja, tot war er einerseits schon. Andererseits konnte er auch ziemlich nervtötend sein. Er musste schmunzeln und versuchte erneut gegen die Schwere seiner Lider anzukämpfen. Diesmal spürte er das Näherkommen des Anderen: „Obwohl ich wirklich sagen muss, dass ihr ihm verblüffend ähnlich seid!“ Langsam schaffte Wolfram von Bielefeld es seine Augen zu öffnen. „Geht doch!“, diese dunkle Stimme schien amüsiert zu klingen, „Erwartet übrigens nicht von mir, dass ich mich für die Art der Behandlung, die euch durch meine Männer widerfahren ist, entschuldige!“ Natürlich nicht!, ging es dem jungen Feuerdämonen durch den Kopf. Es war ein schummriges Licht in diesem Zimmer, in dem er erwachte. Es wurde bewusst dunkel gehalten. Wolfram bezweifelte jedoch, dass man dies ihm zu Liebe und seiner Kopfschmerzen getan hatte. „Wisst ihr, Götter entschuldigen sich nicht!“ Götter? Wolfram hatte plötzlich eine ganz üble Vorahnung, wohin er gebracht worden war und ließ seinen Blick durch den Raum wandern. Dieser war nicht sonderlich groß. Vermutlich die Unterkunft eines Soldaten oder eines Bediensteten. Die Fenster waren mit schweren Vorhängen verhangen, so dass kein Licht hereinfallen konnte. Auf einem schlichten Stuhl direkt neben seinem Bett saß der Inhaber dieser Stimme. Er hatte eine ähnliche Statur wie Gwendal. Ebenso trug er wie sein ältester Bruder das lange Haar zusammengebunden, welches jedoch die Farbe von gefrorenem Wasser hatte. Die hohe Stirn des etwas zu kantig geratenen Gesichtes wurde von einigen langen Strähnen bedeckt, die er sich nun hinter sein rechtes Ohr strich, während er Wolfram musterte: „Ich erwarte immer noch einen Namen!“ Die Stimmlage kühlte erneut ziemlich ab. Auch die Mimik verfinsterte sich etwas. Wolfram hatte während seiner militärischen Ausbildung gelernt, unter schwerer Folter zu schweigen, doch was würde es ihm hier nutzen? Vielleicht war die Situation nicht so aussichtslos, wie er jetzt vermuten würde. Diesen naiven Optimismus hatte er sich wohl von Yuuri abgeschaut. Yuuri! Ob sie ihn auch erwischt hatten? Und wenn nicht... sein Waschlappen konnte doch keine fünf Minuten alleine, ohne Katastrophen zu verursachen, auskommen! Aber es wäre besser, jetzt nicht nach Yuuri zu fragen. Wenn er ihnen unbemerkt entkommen war und sie nichts von ihm wussten, standen die Chancen sehr gut, dass sie auch nicht nach ihm suchten! „Mein Name ist Wolfram Graf von Bielefeld!“, stöhnte er auf während er mühsam versuchte, sich in eine aufrecht sitzende Position zu bringen. „Von Bielefeld also! Ha! Hätte ich mir denken können bei dieser Ähnlichkeit!“ Wolfram sah sein Gegenüber irritiert an. Woher kannte der Fremde die Familie von Bielefeld? „Und ihr seid nicht aus Dark Makoku, habe ich erfahren!“ Woher wusste er das? Ha! Er wusste es! Dieser von Hundshaupten hatte er von Anfang an nicht so wirklich trauen wollen! „Wenn ihr das schon wisst muss ich ja nicht darauf antworten!“, grummelte er zurück. „Daraus schließe ich, ihr seit ein Nachfahre von... ach, wie hieß er noch gleich... ach ja, Leonard!“ „Nein. Rufus von Bielefeld! Leonard hat die Reichsgründung nicht mehr erlebt!“ Sein Gegenüber erhob sich überrascht vom Stuhl: „Rufus!“, er setzte sich neben Wolfram auf die Bettkante und kam Wolfram so nahe, dass es ihm schon unangenehm war, „daher diese Ähnlichkeit!“ Durch die plötzliche Nähe zu ihm war es Wolfram nun möglich, seinen Gesprächspartner selbst genauer zu studieren. Dieses Gesicht. Dieses lange, eisgraue Haar und die grellgrünen Augen hatte er schon einmal gesehen! Aber wo? Er ging alle Bücher, die er je gelesen hatte in den letzten 85 Jahren, durch. Nichts. Dann alle Personen, die er kannte. Keine kam ihm gleich. Dann alle Bilder und dann stockte er: „Mittsu!“ Sein Gegenüber grinste verschmitzt: „Wie ich sehe, seit auch ihr informiert!“ Er stand wieder auf und ging zum Fenster. Schwungvoll schob er die schweren Vorhänge beiseite und ließ den Raum in warmen Sonnenlicht erstrahlen. Das plötzliche Licht stach etwas in den Augen, doch Wolfram gewöhnte sich schnell daran. „Stimmt genau! Ich bin Mittsu. Dritter Sohn der Schöpfergötter Gaaru und Nanimo. Oberhaupt der göttlichen Familie und Alleinherrscher über Dark Makoku!“ Na, da hab ich aber ein Glück!, dachte Wolfram fast schon ironisch, Ich hab nur noch mit Königen zu tun! „Und ihr seit zum Tode verurteilt!“ Was? Das zum Thema Glück! „Ihr fragt euch sicherlich warum, nicht wahr?“ Wolfram gab darauf keine Antwort. Hier stimmte doch was nicht. Wenn man ihn wirklich hinrichten wollte, warum hatte man es dann nicht schon beim Angriff in der Pension getan? Warum diese Umstände? Warum ihn erst mal dem Herrscher vorstellen? „Die Tatsache, dass ihr euch fälschlicherweise für Nanatsu ausgebt, lasse ich nun mal außer acht!“ Hatte er doch gar nicht! Das war diese Hundshaupten gewesen! Er hatte von Anfang an gesagt, das er Wolfram von Bielefeld heiße! Und dies würde er auch niemals leugnen. Er war ein stolzer Dämon mit hervorragendem Stammbaum mit Wurzeln, die in die Zeit des großartigen Shinou zurück zu führen waren. Obwohl... ob Shinou wirklich so großartig gewesen war würde man erst noch herausfinden müssen. Bisher hatte er hier noch nichts Gutes über den ersten Maou von Shin Makoku vernommen! „Ich lasse euch hinrichten, weil ihr ein von Bielefeld seid!“ Bitte was? Was hatte denn meine Familie getan? Dann doch lieber wegen dieser Nanatsu-Sache! , Wolframs überraschter Blick blieb Mittsu nicht verborgen und er lachte kurz auf. „Wisst ihr, wir haben hier ein Gesetz!“, der eisgraue Schönling beugte sich nun sehr nah zu ihm herüber, „Dieses Gesetz hat noch mein Vater Gaaru verabschiedet und ist uns sehr wichtig!“ Wovon redet der da?, Wolfram verstand nicht, worauf der fremde Dämonenherrscher hinauswollte. „Es lautet, dass alle mit unreinem Blute, also Mischlinge, sofort hinzurichten seien!“ „Ich bin ein blaublütiger Dämon mit hervorragendem Stammbaum! Was erdreistet ihr euch...“, nun konnte Wolfram nicht mehr an sich halten und ballte die Faust, doch der Andere lachte erneut kühl auf. „Natürlich seid ihr das in eurer kleinen Welt da drüben auf der anderen Seite des Ozeans! Aber warum seit ihr erst auf die andere Seite gegangen? War es vielleicht Flucht vor den neuen Gesetzen meines Vaters?“ Wolfram stockte der Atem. Er wusste es nicht. In allen Geschichtsbüchern hatte es nie eine Erwähnung gefunden, warum Shin Makoku gegründet worden war. Und sein von ihm so verehrter Stammbaum fand auch keinen früheren Eintrag als Rufus und dessen Cousin Leonard von Bielefeld. „Ich kann euch sagen, dass es Flucht war! Angeführt von meinem werten kleinen Bruder, der ja meinte, man täte den Dämonen mit Mischblut Unrecht!“ Wolfram atmete schwer: „Wollt ihr damit sagen, ich trage Menschenblut in mir?“ Diesmal lachte Mittsu erneut sehr laut auf: „Ihr habt keine Ahnung, nicht wahr? Nein, kein Menschenblut! Ihr tragt das Blut eines Gottes in euch!“ Das saß. Wolframs Gesicht wandelte sich von Erstaunen über Unglaube bis hin zum Auflachen: „Das ist doch Unsinn! Wer sollte denn mein Urahn sein wenn nicht Rufus von Bielefeld!“ „Oh, es ist schon Rufus!“, er strich Wolfram über die Wange, was diesen spürbar erschaudern ließ, „Nur war es damals nur gestattet, männliche Familienoberhäupter zu haben und so hatte man Rufus, ein wunderschönes Mädchen in ihrer frühen Jugend, zu einem Mann erzogen weil den von Bielefelds schlichtweg kein Sohn geschenkt worden war. Und diese kleine, dumme Rufus verliebte sich unsterblich in einen Gott. Die Beiden heirateten heimlich und bald darauf kündigte sich Nachwuchs an!“ Wolfram wollte das Ganze nicht so recht glauben, aber es stimmte schon. An der Spitze des Stammbaums hatte immer nur Rufus gestanden. Wer war das zweite Elternteil dieses Kindes? „Vater konnte dies natürlich nicht dulden, zumal das Orakel die Vernichtung der Götter durch ein Mischblut verkündet hatte!“ „Ihr wollt mir jetzt aber nicht erzählen, das Rufus eure Frau war!“, unterbrach Wolfram ihn. „Du liebe Güte, nein!“, zischte Mittsu, „Ich wäre von Sinnen gewesen hätte ich mich mit einem solch niederen Landadel eingelassen! Ist es denn so schwer, die Wahrheit zu erkennen?“ Wolfram grübelte. Und da fielen ihm plötzlich die Worte von Erika von Hundshaupten am Strand wieder ein: ' Von Bielefeld? Aber warum nehmen eure Heiligkeit ausgerechnet den Namen einer herkömmlichen Mätresse als Pseudonym auf Reisen?' „Nanatsu!“ Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen! All die Jahre hatte man ihm gesagt, wie ähnlich er Shinou war. Vom Aussehen, vom Stolz, vom Gerechtigkeitssinn. Und jedes Mal, wenn Shinou einen Körper gebraucht hatte, war er in seinen gefahren mit der Begründung, da habe er am wenigsten Widerstand. Er stöhnte auf und begrub sein Gesicht in den Händen! Wie konnte er nur so blind sein? Shinou, der erste Maou und Gründer von Shin Makoku und einer der Götter von Dark Makoku, war sein Urgroßvater! „Ich bring ihn um!“, mit seiner Faust schlug er fest auf die Matratze. Hätte er in all den Jahren nicht einmal was sagen können? „Da sind sie etwas spät dran! Das wurde schon erledigt!“, lachte Mittsu auf. Wenn der wüsste!, schoss es dem impulsiven Dämon durch den Kopf. „Aber wisst ihr, ich habe auch einen Sinn für Familie und da wir ja nun verwandt sind“, fuhr der Eisgraue fort, „habe ich euch einen Handel vorzuschlagen!“ „Einen Handel?“, Wolfram blickte auf. Was konnte denn ein Gott von ihm wollen? „Ich schenke euch euer Leben sowie das Zepter, welches ihr sucht für euren Einsatz bei einem kleinen Spiel!“ Er wusste also auch über das Zepter Bescheid. „Ihr wundert euch bestimmt, warum ich das mit dem Zepter weiß, nicht wahr?“ Eigentlich nicht. Hundshaupten hat geplaudert! „Ihr habt schon Recht, dass ihr Lady von Hundshaupten verdächtigt!“ Verdammt! Kann der Gedanken lesen? „Und nein, ich kann keine Gedanken lesen!“ Sehr lustig! „Wirklich nicht. Eine Fähigkeit, die uns unser Vater Nanimo wieder nahm mit der Begründung, jeder solle seines eigenen Gedankenguts Herr bleiben. Ich bin nun weit über 6000 Jahre alt. Ich kann aus der Mimik lesen. Diese ist oft aufschlussreicher als jeder Gedankengang!“, er schien reichlich amüsiert über Wolframs Wechselbad der Gefühle in Mimik und Gestik in den letzten Minuten. Dadurch wurde Wolfram nun leicht zornig, versuchte aber, ruhig zu bleiben: „Was für Spiel wollt ihr denn spielen?“ Rebekah und ich schritten durch einen riesigen Torbogen im Foyer des Palastes. Alles erinnerte mich von der Größe und dem wilden Durcheinander hier an ein Flughafenterminal! Hier war gerade ein großes Kommen und Gehen. Vermutlich weil nun Wachablösung oder Schichtwechsel war. Wir hatten schon zwei Kontrollen passiert. Und wir waren nicht aufgehalten worden. Die Verkleidung war wirklich perfekt. Kurz bevor wir das kleine Häuschen von Rebekahs Familie verlassen hatten, war ihre Schwester von der Arbeit heimgekehrt. „Oh, Rebekah, du hast eine Freundin aus der Obrigkeit!“, hatte diese dann bei meinem Anblick gesagt und Rebekah hatte ihr bestätigt, dass ich eine der neuen Dienstmädchen für die oberen Stockwerke sei. Anscheinend erkannte man dies an den unterschiedlichen kleinen bunten Markierungen an Schulter und Brust. Sie waren so klein, dass sie für mich aussahen wie eines dieser Labels einer Bekleidungsfirma, welche man auf der Erde oft auf Pullovern oder Hemden sieht. Meine waren rot und gelb und stachen bei dieser gräulichen Farbe und der weißen Schürze direkt ins Auge. Wir passierten noch ein weiteres Tor. Wir nickten den Wachen freundlich zu. „Da vorne kommt nun ein Fahrstuhl. Ich darf nur bis zur zehnten Etage ohne Sondergenehmigung. Du fährst hoch in die 40. Etage. Dort gehst du direkt neben dem Fahrstuhl links in das offene Zimmer. Dort sitzt ein junges Mädchen namens Marielle“, Rebekah flüsterte so leise, dass es mir schwer fiel, sie genau zu verstehen, „und ihr sagst du, dass ich dich geschickt hätte weil du Arbeit brauchst! Sie ist meine Cousine. Wenn sie dein Kleid sieht wird sie dich schon in die richtige Etage schicken!“ Wir stellten uns in die Warteschlange vor diesem Fahrstuhl und schwiegen betreten. So wie es aussah mussten wir nun Abschied nehmen. Ich mochte Abschiede gar nicht und dies hielt mich auch zurück. „Yuuri Shibuya, ich wünsche dir ganz viel Erfolg bei deiner Suche nach deinem Verlobten! Und wenn ihr dann wieder in eurer Heimat seit, dann denk auch mal an mich und schicke mir eine Flaschenpost. Vielleicht kommt die ja an!“, sie lachte leise. Sie hatte so viel für mich getan, obwohl ich eigentlich ein vollkommen Fremder für sie war. Sie wusste nicht einmal, wer ich wirklich war und half mir trotzdem, mich in die obersten Etagen dieses Palastes zu schmuggeln. Ohne sie würde ich vermutlich immer noch wütend und zornig durch die Straßen laufen. Ich zog sie an mich und umarmte sie. Ich merkte, wie erschrocken sie darüber war, doch dann schloss auch sie ihre Arme um mich. „Rebekah, ich danke dir für alles! Du hast mir selbstlos geholfen! Daher werde ich dir keine Flaschenpost schreiben!“ Sie löste die Umarmung und sah mich enttäuscht an: „Nicht?“ „Nein! Denn ich werde dich mit meinem Verlobten besuchen! Das machen doch Freunde so, oder?“ Sie lächelte: „Ja, das stimmt!“ Der Fahrstuhl klingelte. Ein Herr trat heraus: „Die Etagen 40 und darüber bitte hier her!“ Rebekah gab mir einen kleinen Schubs: „Na los! Dann bis bald!“ „Ja, bis bald, Rebekah!“, und schon wurde ich von der Menge in den Fahrstuhl mitgerissen. „Lady von Hundshaupten ist eine sehr loyale Freundin meiner Schwester. Sie ließ ihr ein Schreiben zukommen mit den Informationen über euch, welches jedoch meine Schwester nie erreichte“, fuhr der Götterdämon fort, während er zum Fenster ging und sich dort an den Rahmen lehnte, „und daher bin ich neben Lady von Hundshaupten auch der Einzige im Reich, der über eure Ankunft Bescheid weiß. Und ich kann euch garantieren, dass ich in wenigen Augenblicken der absolut Einzige sein werde!“ Ein kühles Lächeln umspielte die Lippen von Wolframs Gegenüber und ließen beim jungen Grafen alle Alarmglocken klingeln. Dieser Gott ging über Leichen für sein geplantes Spielchen! Doch unbeeindruckt von Wolframs Gesichtsausdruck erläuterte er ihm sein weiteres Vorhaben: „Ihr werdet weiterhin Nanatsu spielen! Ihr müsst wissen, dass seit dem Verschwinden eures Ahnen viele Mythen und Sagen um ihn im Volke kursieren. Oftmals auch gefährliches Gedankengut, welches wir Götter nicht dulden können und werden!“ Oh! Plante das Volk etwa einen Aufstand? „Zudem glauben meine Schwestern weiterhin an seine Rückkehr. Ich breche ihnen ungern das Herz und enttäusche ihre Hoffnungen, daher beließ ich sie in diesem fälschlichen Glauben!“ „Ich soll also ihren kleinen Bruder spielen, ja? Aber ist es nicht allzu offensichtlich, dass ich nicht er bin?“ Mittsu löste sich vom Fensterrahmen und schritt wieder auf ihn zu: „Gewiss. Kleinere Unterschiede gibt es da schon. Ihr seit etwas kleiner, euer Haar ist etwas dunkler und die Augenfarbe weicht ab. Jedoch alles Makel, die sich schnell beheben lassen!“ „Beheben lassen?“, Wolfram schluckte. Wie meinte er das? „Eure Augen werden wir mit einer blauen Lösung beträufeln. Es bildet sich eine hauchdünne Farbschicht, die euer Sehvermögen nicht beeinträchtigen wird!“ Ah, also ähnlich wie Yuuris Kontaktlinsen! „Eure Haarfarbe ist nicht weiter zu beachten. Nanatsu ist seit über 4000 Jahren verschwunden. Im Volke lebt niemand mehr aus dieser Zeit, der sich an ihn erinnern könnte und meine Geschwister werden dem ebenso wenig Beachtung schenken! Und eure Größe...“, erneut fuhr ein musternder Blick über Wolfram, „Hm. Ihr seit noch jung und nicht ausgewachsen, nicht wahr?“ „Ich bin 85!“ Er lachte laut auf: „Wie ich mir dachte! Gerade aus den Säuglingsschuhen entwachsen!“ Natürlich! Mittsu war über 6000 Jahre alt! Für ihn waren 85 Jahre bestimmt ein Wimpernschlag! „Zudem habt ihr neben dem langsameren Alterungsprozess die offensichtlichen Gene meines Bruders geerbt und werdet dadurch eine weitaus größere Lebenserwartung haben als der Dämon an sich!“ Wolfram grübelte. Bis auf seinen Onkel Waltorana waren alle männlichen Verwandten in irgendwelchen Kriegen gefallen. Ein von Bielefeld starb grundsätzlich den ehrenvollen Tod auf einem Schlachtfeld und nicht an Altersschwäche! „Daher werde ich da etwas nachhelfen müssen!“ Wolfram dachte urplötzlich panisch an eine Streckbank. „Ich bitte euch! Ich bin ein Gott! Zu solch altertümlichen Mitteln greife ich nicht!“ Und das mit dem Gedankenlesen glaube ich ihm dennoch nicht! „Und wenn ich euer Spielchen mitspiele erhalte ich das Zepter?“ „Es war doch sowieso Nanatsus Zepter. Von uns kann dies hier niemand verwenden. Es ruht ganz allein seine Macht darin. Ihr spielt hier eine Zeitlang eure Rolle und dann könnt ihr mit dem Zepter das Land wieder verlassen!“ Wolfram grübelte. Er hatte im Laufe des Gespräches herausgehört, dass mit diesem Mittsu nicht zu spaßen war. Er würde ihn bestimmt nicht lebend entkommen lassen. Aber um erst einmal am Leben zu bleiben und um sich Gedanken machen zu können, wie er denn am Besten von hier entkam und das noch möglichst mit dem Zepter, sollte er dieses Angebot annehmen und mit spielen. „Gut, ich bin dabei! Ich spiele diese Rolle!“ Mittsus Augen funkelten: „Ach, spielen wir denn nicht alle stetig eine Rolle?“ Dieses Gedränge in diesem Fahrstuhl erinnerte mich an eine überfüllte Tokioter U-Bahn in der Rush Hour. Das war mir viel zu eng. Zudem hatte ich Angst, dass jemand an meinen Haaren hängen blieb oder meine eingenähten Brustpolster zerdrückte und somit mein Undercover Einsatz noch vor Beginn gescheitert wäre. „Etage 40!“, rief wieder der Mann, ich nannte ihn kurzerhand Fahrstuhlboy, und öffnete die Tür. „Hier, ich!“, krächzte ich und presste und quetschte mich halbwegs heil nach draußen. Einige andere 'Maids' stiegen mit mir aus und obwohl ich das Zimmer, welches Rebekah mir beschrieben hatte, schon sehen konnte, beschloss ich, mich ähnlich zu verhalten wie die anderen Maids und schloss mich ihnen an... nur um festzustellen, dass sie wohl auch alle zu dieser Marielle wollten. Sie stellten sich alle der Reihe nach auf. Ich stellte mich bewusst als Letzte an und ließ auch Nachkömmlinge vor. Ich wollte unnötige Ohrenzeugen vermeiden, falls es nicht klappte oder hier in diesem Büroraum irgendjemand den Mann in mir erkannte. Marielle saß an einem Schreibtisch und reichte den Mädchen einer nach der anderen Stempelkarten, welche diese dann in einen Apparat schoben und ein lautes 'Kling' ertönte. Ein Stempelkartenabrechnungssystem also! Wie fortschrittlich für eine Welt, die mir bisher mehr wie europäisches Mittelalter vorgekommen war. Hinter Marielle stand eine ältere Dame mit streng nach hinten gebundenen Dutt. Sie begutachtete alle Mädchen wie die Auslage in einer Metzgerei. Sie trug ein Krankenschwesternhäubchen. Vermutlich war sie hier so etwas wie die Leitung aller Maids der oberen Etagen. Ich kam an die Reihe. Lächeln, Shibuya, lächeln! „Ähm... Hallo... Rebekah sagte, ich solle mich bei dir melden!“ Doch anstatt das mir Marielle antwortete, beugte sich die streng dreinschauende Alte mit hervorquellenden Augen zu mir herüber und betrachtete mich von oben bis unten. Mist! Warum kann ich nicht Gedanken lesen!, schoss es mir durch den Kopf. War ich aufgeflogen? „Du bist ganz hübsch! Wie heißt du?“ Ähm... das hatte ich nun nicht erwartet! Obwohl... das hier waren ja auch alles Dämonen! Und anscheinend ging diese Geschmacksverirrung über zwei Kontinente! „Yuuri!“, flüsterte ich und hätte mir im gleichen Moment eine scheuern können, „Ich meine Yurika, Mylady!“ Sie drehte sich von mir weg und nahm etwas weißes vom Tischchen hinter sich. „Du bist zwar ungewöhnlich groß für ein Dienstmädchen, aber seine Heiligkeit wünscht ausschließlich ansehnliche Mädchen in den Privaträumen. Bei deinem Aussehen wird ihn wohl die Größe nicht stören!“ Sie kam wieder auf mich zu und band meine langen, falschen Haare zu einem lockeren Zopf und legte mir ein weißes Kopftuch um: „Du fährst nun hoch in den 140. Stock. Dort erwartet dich Hilde zum Einarbeiten! Das hier ist dein Ausweis!“, sie drückte mir eine rote Karte in die Hand, „Hast du das verstanden, Yurika?“ „Natürlich!“, ich machte einen eleganten Hofknicks. Den konnte ich gut, da ich ihn sehr lange mit Greta geübt hatte unter der Aufsicht von Günter. Ich schritt wieder zurück zum Fahrstuhl und betätigte die Klingel. Innerlich sprang ich auf! Was hatte ich für ein Glück! Die Karriereleiter rauf von 0 auf 100 in wenigen Minuten! Ja, okay, ich war nur ein Dienstmädchen. Aber ein Dienstmädchen in den Räumlichkeiten seiner Heiligkeit! Wenn ich da nicht direkt an der Quelle für Informationen saß, dann wüsste ich auch nicht weiter. Es dürfte zumindest kein Problem werden, den Verbleib vom Zepter zu ermitteln. Und Wolframs Entführer zu finden. Und wenn Conrad und Gwendal es nach Dark Makoku geschafft hatten, dann würden sie auch irgendwann hier vorstellig! Ich musste mich jetzt nur vorsichtig verhalten und dürfte meine Tarnung nicht verlieren! Die Fahrstuhltür öffnete sich erneut mit einem 'Kling'. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)