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Troughout Time

von

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Der Wind, das Moor, die Seelsammlerin...

Das ganze Dorf ist mit Blumen, Fahnen und langen Girlanden geschmückt. Kinder springen kreischend und lachend zwischen den kleinen, geduckten Fachwerkhäusern herum. Sie spielen mit Bällen, Reifen und Seilen; spielen Fangen und verstecken. Einige Mädchen spielen mit Puppen und tragen sie stolz durch die geschmückten Straßen. Die älteren Mädchen tanzen singend in hellen, fröhlichen Kleidern über den kleinen Marktplatz, der vor der hübschen, alten Barockkirche liegt. In den kunstvoll hergerichteten Haaren der Mädchen stecken frisch, bunte Blumen von den weiten Feldern die das kleine Bergdorf umgeben. Katzen schleichen miauend um die hohen Tische, auf denen sich Süßkram und Braten stapeln und die Hunde der Jäger kläffen fröhlich. Junge Männer spielen Karten, trinken Bier oder pfeifen den Mädchen hinterher, während die alten Leute auf den Bänken daneben sitzen, rauchen Pfeife, erzählen sich von den alten Zeiten, als sie noch tanzten und tranken und beobachten die Jungen wehmutig bei ihrem fröhlichen Tanz. Eine kleine Gruppe von Männern spielt auf Instrumenten. Das ganze Dorf leuchtet in bunten Farbe in der hochstehenden Sonne und ein leichter, warmer Frühlingswind trägt den Geruch und die Musik der Feier aus dem Dorf hinaus und über die steilen grünen Wiesen bis in den dunkeln Wald und das Moor, das tief in ihm liegt. Als es am Abend langsam dunkel wird, strahlen die Sterne hell am schwarzen Himmel und der gelbe Vollmond malt die Umrisse des kleinen Dorfes und der Berge silbern an den Horizont. Die Bewohner des Dorfes entfachen ein riesiges, hohes Feuer und tanzen und feiern weiter in seinem flackerndem Schein, bis tief in die Nach hinein. Der Wind fährt spielerisch durch ein großes Windspiel, das an dem Giebel des Rathauses hängt. Seine sanften Töne legen sie süß über die Straßen des Dorfes als die Menschen, tief in der Nacht, ihre große Dorffeier langsam auflösen und sich in ihre Betten kuscheln. Die Glut leuchtet noch immer sanft und rot im Dunkeln. Der Wind weht weiter, durch das Moor und über die Berggipfel hinweg. Fort von dem lebendigem Dorf, in die Welt hinaus.
 

Der Wind spielt versonnen in dem alten, rostigen Windspiel am Rathaus. Leise rieseln die Töne auf das zersprungen und verwitterte Kopfsteinpflaster und versinken im Boden. Leise seufzend fährt er über die eingeknickten Giebel und die abgerutschten Ziegelsteine der halb eingestürzten Häuser. Er küsst die Kuppel der alten, noch immer wunderschönen und erhabenen, Kirche und streicht liebevoll über die kunstvollen Malereien an den Wänden des alten Rathauses, von denen kaum noch mehr als wage Umrisse zu erkennbar sind. Mit seinen langen Fingern spielt er mit den Vorhängen, die nur noch in Fetzen in dem ehrwürdigen Gebäude hängen. Kleine Tränen fallen von seiner Wange und benetzen als Kalter Regen die leeren und kalten Kopfsteinwege.

Das ganze Dorf ist tot. Leer. Ausgestorben.

Schon lange war kein Mensch mehr dort um sich um die ehemals schönen Häuser zu kümmern. Nicht einmal der Wind weiß, wann sie gegangen sind und wohin. Und warum… Auch wenn er sie damals alle kannte.

Die junge Magd des Bauern, die dem Knecht nachspionierte aber nie ein Wort mit ihm sprach. Die alte, vergessliche aber immer nette Bäuerin, die den Kindern im Herbst immer so viel Äpfel schenkte wie sie tragen konnten; der böse und äußerst strenge Pfarrer, der wie ein Adler über die Kirche und all seine Schäffchen wachte, auf das sie Gottes Gebote einhalten; es selbst mit der Keuschheit und den Zehngeboten nie so sonderlich genau nahm. Der Bürgermeister, der mit scharfem und gerechtem Auge über die Gesetzeslage in dem kleinen Dorf wachte und seine Frau und seine Kinder abgöttisch liebte. Die Klasse der Dorfkinder, die die einzige Lehrerin des Dorfes immer wieder auf die Palme brachten. Die Lehrerin, die die Kinder trotzdem liebte und für die es keinen passenderen Beruf gegeben hätte. Ihre große Schwester, die Kramerin, die in ihrem kleinen Eckladen alles hatte, was man braucht, oder auch nicht. Und so manches unerwartetes… Der Wind hat alles gesehen. Kannte all ihre großen und kleinen Geheimnisse und Gewohnheiten.

War in ihren Häusern, hat alles gesehen und doch nichts vergessen. Nicht die kleinste Kleinigkeit.

Doch hat er sucht sie nicht und vermisst sie nicht, aber er wundert sich. Als er von seiner langen Reise wieder kommt und das Dorf leer auffindet.

Neugierig schleicht er durch die Ritzen in die Häuser hinein und sieht sich um. Alles ist noch fast so wie damals, als er das letzte mal dort war. Nur ist das schöne Sonntagsgeschirr nun zerbrochen, die Stühle vermodert und das Klavier im Rathaus ist verstimmt und die Tasten zerbrochen. Hier und da sind Kratzer an den Möbeln und Wänden und einzelne Spuren von Wildtieren sind nicht zu übersehen. Kleine Vögel nisten in den Regalen und Ratten und Mäuse verstecken sich unter den lockeren Dielen des schönen Bodens. Nur ist da nun auch viel Staub. Grausamer, grauer Staub, denn der Wind so sehr hasst. Kichernd kitzelt er den Wind in der Nase und wirbelt arrogant durch die kühle Luft, als würde das alles nun ihm gehören. Der Wind wirbelt ihn genervt durch die Luft und kann ihn doch nicht vertreiben.
 

Ein ungewohnter und doch bekannter Geruch kriecht durch die Ritzen der zerstörten Häuser; von der Straße her. Der grausame Geruch nach Verfall und gleichzeitig ewigem sein. Der Wind flatterte nervös in den Ästen der großen Kastanie, die nahe der verwaisten Schule noch immer ihre starken Zweige in den gleichgültig grauen Himmel reckt. Leise rascheln die jungen Blätter im Wind. Der Wind erinnert sich wage und doch so sehr genau an den seltsamen Geruch. Er ist schlammig und modrig… alt. Leicht folgt er dem Geruch, der immer schwerer in der kühlen Luft hängt. Er sieht sich weiter um. Wie lange war er wohl weg gewesen? Er weiß es nicht.

Für ihn spielt Zeit keine Rolle...

Die Häuser liegen schon lange in bröckelnden Ruinen da und die Felder sind von hohen Wildblumen und Schlingpflanzen überwachsen. Von den Weidezäunen ist kaum mehr als der kleine Reste verfaulter Stämme übrig und einige, angenagte, Bretter liegen in hohen Graß der Streuobstwiese, die schon damals wie der Wildnis überlassen wirkte. Ein Igel streift schnüffelnd durch das hohe Graß und knabbert versonnen an einem angefaulten Apfel. Der Wind bringt bereits den kalten Geruch von Winter und Dunkelheit. Er streichelt dem Igel vorsichtig und sanft über die harten Stacheln. Der Igel zittert kurz auf, dann tapst er müde durch das feuchte, lange Graß zurück in Richtung des dunklen Waldes. Er dreht sich noch einmal um und seine Knopfaugen wandern noch einmal über die Wiese. Dann gähnt er leise und mit einem seltsamen Geräusch und verschwindet im hohen Unterholz. Der Wind folgt ihm rauschend. Und das erste Mal, seit er wieder zurückgekehrt ist, scheint alles wieder so zu sein, wie es das letzte Mal war. Die großen Eichen, die ihr Äste knorrig in den Himmel recken und deren Stämme mit Efeu und Moos überwachsen sind, die krummen Kiefern und die großen fast unnatürlich wirkenden Moosteppiche. Er seufzt glücklich als die klare Quelle in der Mitte des Waldes ihn sanft kühlt. Plötzlich fährt wieder dieser Geruch in den Wind. Nur noch um einiges stärker als zuvor. Verwundert weht er durch die Äste.
 

Und plötzlich weiß er, woher er denn Geruch schon kennt. Seine Erinnerungen schweifen zu dem Moor, das damals noch sehr weit und tief im Herzen des Waldes war. Doch nun muss das Moor fast um den nächsten Baumstamm liegen… Der Wind schlängelt sich zwischen den hohen Bäumen hindurch und über einge ihrer umgestürzten Brüder. Und schon sieht er wie das schlammige Wasser des Moores am Land leckt. Mit scharfer Priese schreckt er zurück. Hier war früher eine Große, weite Lichtung auf der im Winter eine Krippe stand, aus der die Jäger die Wildtiere fütterten. Nun ist das alles weg. Versunken in Schlamm und modernden Pflanzen. Frösche quaken zum Abschluss des Herbstes und die letzten Libellen fliegen träge und müde durch die erkaltende Luft. Ansonsten ist es still. Stiller als es vor all der Zeit jemals war, in diesem Wald. Der Wind fliegt über das Moor. Grausam weit hat es sich ausgebreitet und das Land geschluckt; gnadenlos gefressen. Der Wind seufzt leise. Die Natur ist wütend und agressiev… manchmal. Still setzt er sich an den Rand des Moores. Seine Gedanken wehen davon. Zu den Körnern, die er auf seinen Luftströmen getragen hatte. Zu den Gerüchen, die er über das Land brachte und zu den Farben, die er berührte. Leise seufzt er in den hohen Schilfhainen. Er erinnert sich noch an die Menschen, die er dort getroffen hatte. In den heißen Wüsten, in den entlegenen Hochebenen der Berge und in den kalten Eisebenen der Arktis. Erinnert sich an deren Leben und an deren Stimmen. An die Gesänge in fremden, wilden Sprachen, ihre langen und kurzen Kriege und ihre schmalen Hoffnungsschimmer. Und bei so manchen an den herzlosen, grausamen Untergang ihrer Kultur und deren Götter. Er erinnert sich an die vielen Tiere, die er dort gesehen hatte. Seltene Tiere, die es jetzt vielleicht schon nicht mehr gibt. Große und kleine, auf der Erde, im Wasser und in der Luft. Plötzlich bewegt sich etwas im immer dichter werdenden Nebel, der langsam aber sicher zwischen den hohen Schilfpflanzen aufzieht, als die Sonne hinter den Gipfeln verschwindet und sich kalte, unheimlich Dunkelheit über das Moor legt. Doch es ist kein Tier, das den feuchten Atem des Windes auf sich lenkt.

Es ist die Gestallt eines Mädchens.

Ein junges Mädchen steht in den Schilfmeer. Ihr langes weißes Rüschen Kleid bedeckt ihren Körper bis auf die bleichen nackten Füße. Ihr Rock ist zerrissen und zerfetzt, so dass man ihre dünnen, abgemagerten Beine durch dem Rock hindurchscheinen sieht. Das Mädchen ist schmucklos und wirkt so zart wie ein Engel, der direkt aus dem Himmel kommt. Ihre Haare sind weiß und fallen lang und in leichten Wellen über ihren schmalen Rücken bis hinunter zu ihren Knien. Schilfblüten stecken darin. Ihre großen glasigen, durchscheinenden Augen sind geschlossen und in ihren langen, tief-schwarzen, Wimpern hängt schon der eisige Tau, der am Morgen den Wald und die Wiesen überziehen wird. Ihre Wangen sind leicht rosa, die einzige Farbe auf ihrer bleichen, gespenstischen Haut. Ihre einst kirsch-roten Lippen sind leicht geöffnet und wie bleich gefroren. Der Wind erhebt sich sanft und streicht auf das Mädchen zu. „Dich gibt es also noch…“ Wispert er leise. Das Mädchen lächelt sanft. „Oh ja… was hattest du erwartet? Ich gehöre hier her, das weißt du doch…“ Noch immer hat sie dem Wind den Rücken zugewandt. Die geheimnisvollen Augen fest geschlossen. Der Wind nickt leicht. Das Mädchen dreht sich langsam zu ihr herum und öffnet die Augen. Es mustert durchdringlich seine durchscheinende Gestallt. Ihre Augen sind tief und kalt. Und gleichzeitig voller sanfter Wärme. Scheinen steinalt und gebrochen wie alte Felsen am Meer, immer von den Wellen geschlagen; und gleichzeitig jung und verspielt wie die eines Welpen. In ihnen spiegeln sich tausende von Seelen. „Was verschlägt dich wieder in diese Gegend?“ fragt sie mit leiser, weicher und durchdringender Stimme. Der Wind zuckt kurz mit den Schultern. „Ich war überall… aber zuletzt komme ich dann doch von hier… und irgendwann geht man doch immer dahin zurück, wo man hergekommen, oder etwa nicht?“ Er lächelt leicht und etwas sehnsuchtsvoll. Er streicht dem Mädchen vorsichtig über die kalte Wange. „Aber sag -wenn du nie hier weggegangen bist- sag, Seelensammlerin…dann weißt du doch wo die Menschen hin gegangen sind, nicht wahr?“ fragt er neugierig. Die Seelensammlerin zuckt mit den schmalen, bleichen Schultern. Sie dreht sich vom Wind weg und schwebt leicht wie eine Daunenfeder und vollkommen lautlos über das braune Schilf auf einen alten, abgestorbenen Baum zu, der in der Mitte des Moores auf einer letzten, kleinen Insel steht. Der Wind folgt ihr behutsam. Unter seinen Schritten raschelt das Schilf leise. Das Mädchen setzt sich auf einen dicken Ast und lässt die dünnen Beinchen gedankenverloren baumeln. „Ich kann dir nicht helfen…“ Wispert sie leise und erschöpft. „Ich habe sehr, sehr lange geschlafen… und dann bin ich aufgewacht… und sie waren fort… alle, bis auf einen…“ Der Wind lässt sich sanft neben sie sinken. Die Dunkelheit kriecht langsam und scheu zwischen den Schilfstängeln hindurch und die Kälte des nahenden Winters kommt mit ihr. Irrlichter beginnen in der Dunkelheit zu brennen und mit hellen, klaren Stimmen verführerisch und sehnsuchtsvoll zu singen. Dem Wind läuft ein eiskalter Schauer über den Rücken. Die Seelensammlerin lächelt sanft und deutet mit einem bleichen, langen Finger auf den schmalen Weg unter dem Baum. Ein kleiner Junge bahnt sich seinen Weg durch das zwei Meter hohe Schilf. In der linken Hand hält er eine kleine, schwach flackende Laterne, die mit ihrem fahlem Licht kaum den Boden berührt. Seine Haare sind struppig und fallen in roten, verfilzten Locken über den schmalen Rücken. Er geht gebeugt, obwohl er kaum zehn Jahre alt sein kann. 1Auf seiner kleinen Stubsnase sind winzige, braune Sommersprossen. Am Leib trägt er zerrissene Hemden und eine viel zu kurze Hose, die den Blick auf seine hageren, mit blauen Flecken übersäten Beine zieht. Unter seinen Augen liegen tiefe, schwarze, erschöpfte Schatten. Der Wind kennt ihn nicht.

„Siehst du das?“ Die Seelensammlerin deutet auf die Seele des Jungen. Sie schwebt wie eine große Glaskugel im Herzen des kleinen Jungen. Die Kugel, oder eher seine Seele, scheint dünne, Feine Risse zu haben, wie eine heruntergefallene Glaskugel. Angebrochen, aber doch nicht zersprungen. Der Wind zieht scharf Luft ein. „Das ist, wieso ich noch hier bin. Ich bin nur noch Seelensammlerin für einen einzigen Menschen. Ich hab ihm schon so oft geholfen… aber… noch einmal kann ich ihn nicht auffangen… „ Sie streicht sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. Sie wirkt verloren und einsam. „Und dann?“ fragt der Wind leise und sehr vorsichtig. „Was ist dann?“ Die Seelensammlerin lächelt. Ängstlich. Das erste Mal in ihrem langen leben.

„Dann… dann ist er weg. Puff. So, als wäre er niemals da gewesen… und ich auch. Weg… einfach weg…“ „Gibt es etwas, woran du glaubst?“ fragt der Wind die Seelensammlerin plötzlich, während er mit den Augen den zielgerichteten, aber erschöpften Schritten des Jungen folgt „Gibt es für dich etwas, das nach deinem Leben kommt?“ Die Seelensammlerin lacht auf. Leise, traurig und träge hüpfen die Töne über das kalte, vernebelte Moor und versinken schließlich im Schlick. „Sei ehrlich, Wind… du glaubst doch nicht etwa, das es für mich etwas gibt, an das ich glauben kann…“ Ihre durchsichtigen Augen fixieren die des Windes. „Ich bin doch auch nicht mehr, als ein Lufthauch… eine Erinnerung vielleicht… ein längst vergessenes Bild… vielleicht nicht einmal mehr Wirklichkeit sondern nur ein einzelner, einsamer Gedanke…“ Der Wind sieht die Seelensammlerin verwundert an. Er legt ihr einen Arm um die Schulter. Sein kalter Atem streift die Wange der Seelensammlerin.

„Du hast dich verändert…“ flüstert er.

„Du warst eine andere, Soul…“ Sie erzittert leicht, als sie ihren echten Namen hört. „Ich bin älter als du… hast du das vergessen?“ Sie schüttelt den Kopf. Unfähig etwas zu sagen. Ihre Stimme ist erstickt und ihr Mund wie ausgetrocknet. Der Wind streicht ihr sanft über die zierliche Schulter.

„Ein junges Mädchen läuft über eine große, weite blühende Wiese. Ihre Haare sind blond gelockt und wunderschön. Ihre Augen grün, wie die einer jungen und neugierigen Katze. Warm und weich und liebevoll .Sie läuft auf eine große, alte, knorrige Eiche zu, die ihre mächtige grüne Krone in den Himmel reckt. Schneller als ein Eichhörnchen ist sie auf dem untersten Ast und das, obwohl sie ein weites, hübsches Rüschen Kleid trägt. Sie klettert immer höher in die starken Äste. Ihre Augen sind in weite Ferne gerichtet. Auf einen kleinen schlammigen Ort fern am Horizont. Der Ausläufer des Moores. In ihrer Phantasie leben dort Elfen, Feen und andere geheimnisvolle Wesen und Tiere. Monster, Kobolde und Hexen. Sie ist wie magisch angezogen von diesem Ort. Der Wind streift sanft um sie herum und spielt mit ihren langen Locken. Er flüstert ihr leise ins Ohr und tupft ihr auf die Nase. Das Mädchen kichert. Ihre Lippen schließen sich Kirschrot um einen Apfel, den sie in einer Rocktasche mit sich brachte. Mit flinken Augen beobachtet sie einen kleinen Vogel der neugierig näher hüpft…“

Die Seelensammlerin schluchzt leise auf.

„Die Jahre vergehen und das kleine Mädchen wird älter, größer und hübscher. Immer wieder zieht es sie wie magisch an den Rand des gefässigen Moores, dessen Stimme sie stundenlang lauschen könnte.

Und eines Tages kommt etwas über das Land daher geschlichen. Schwarz und dunkel. Böse wie ein Dämon. Und plötzlich ist das Mädchen ganz alleine. Keiner von ihren zahlreichen Verehrern ist treu. Alle haben sie alleine gelassen. Ihre schönen Haare verfilzt, das Gewand zerrissen die Augen voller verzweifelter Tränen. Und schließlich rettet sie sich in einen tiefen Schlaf. Einen schwarzen, kalten Schlaf. Und als sie erwacht liegt sie auf einem Bett aus Schilf. Ihr Haar ist silbern wie der Mond und wie ein Fächer hinter ihr ausgebreitet. Alles wirkt leicht und sicher und unendlich sanft…“ Die Seelensammlerin kneift den Mund zusammen und blickt zu dem Wind, der ihr vorsichtig und sanft durch die Haare streicht. „Neben ihr kniet der Wind und streicht ihr durch die langen Haare. Und mit der Zeit erkennt sie ihre Aufgabe…“ Der Wind lächelt leicht und eine sanfte Briese fährt durch die hohen Wipfel der Bäume. Auch Souls Mundwinkel heben sich zu einem leichten Lächeln. Noch einige Zeit sitzen der Wind und die Seelensammlerin neben einander und beobachten den Tanze der wilden Irrlichter. „Ist es so, wie du es dir damals vorgestellt hast…?“ fragt der Wind schließlich leise. Die Seelensammlerin schüttelt langsam den Kopf. „Nein… es ist anders… alles ist anders… aber nicht schlecht. Es ist gut wie es ist.“ Sie blinzelt den Wind freundlich an. „Siehst du?“ meint der Wind und lächelt. Die Seelensammlerin steht langsam auf. „Danke…“ flüstert und ihre blassen Lippen streifen kurz die Wange des Windes. Dann verschwindet sie den Weg entlang zwischen dem hohen Schilf, auf den Spuren des kleinen, einsamen Jungen. Der Wind wartet noch einen kleine Weile. Geniest die klaren Erinnerung an seine alte Freundin.
 

Plötzlich nähert sich ein hüpfendes Licht. Der kleine Junge kehrt zurück. In seiner Hand noch immer die schwache, flackende Laterne. Seine Seele hat sich ein klize kleines bisschen verändert. Sie ist stärker als zuvor und scheint ein wenig zu leuchten. Der Wind lächelt, fährt ihm mit langen Fingern einmal durch die dichten Haare und erhebt sich langsam. Und als die Sonne die Dunkelheit weg zu treiben beginnt, lässt er eine leichte Abschiedsbriese durch das, sich immer weiter ausdehnende, Moor fliegen.

„Leb wohl, Seelensammlerin…“ schickt er mit der Briese.

Dann weht er weiter. Über die Gipfel der hohen Berge und lässt sich sanft auf den Schwingen eines riesigen, majestätischen Adlers nieder, der ihn immer weiter von dem Moor weg trägt. Wo die Menschen des kleinen Dorfes hingekommen sind, interessiert ihn nicht mehr. Denn es sind nur Erinnerungen, die er durch die Zeit mit sich trägt…



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