The Place, where you belong... von caty (Wichtelgeschenk für Kiki) ================================================================================ Kapitel 2: Das Fest der Liebenden --------------------------------- „Ich hoffe du hast gute Gründe mich per Glühwürmchenpost hierher zu zitieren! Ich war nämlich sehr beschäftigt!“, meinte Rayne missmutig kaum dass er das abgedunkelte und nur von Seelenlichtern erhellte Büro des Todesengels betrat, der von seinem Buh zu ihm aufsah und sich dabei wie üblich keine Gefühlsregungen ansehen ließ. „Tut mir leid, es lag nicht in meiner Absicht, dich bei etwas Wichtigem zu unterbrechen.“, erwiderte Azrael mit der stoischen Ruhe, die nicht verriet, ob er Raynes Lüge bezüglich des „Beschäftigtseins“ durchschaut hatte. Wenn Rayne nämlich ehrlich war, hatte er nichts Wichtigeres getan als auf einer Berglichtung im Schnee zu sitzen und die bunten Lichter der fernen, weihnachtlich geschmückten Stadt zu betrachten. Ja, das war die bittere Wahrheit! Denn seit das Problem „Satariel“ vom Tisch war, war Rayne gewisserweise arbeitslos und langweilte sich halb zu Tode! Natürlich, er hätte zu seinem ursprünglichen Plan a zurückkehren und beginnen können, sein gesammeltes Wissen gegen Azrael und seinen Kindergarten einzusetzen, um sie einen nach dem anderen auszumerzen und dann ungestört damit fortzufahren, diese Welt von der Tyrannei der Menschen zu befreien, doch… ohne Dagon? Was sollte er alleine mit dieser Welt? Er liebte zwar die Natur und die Tiere, aber es war in erster Linie Dagon gewesen, der ihn diese Dinge lieben gelernt hatte. Auch schien Rayne jegliches Interesse daran verloren zu haben, die Wächter oder die Menschen abzuschlachten. Mit ihnen zu spielen, sie zu manipulieren, sie leiden zu lassen… es war alles einfach irgendwie sinnlos geworden und verlor damit seinen Reiz. Also was hatte er stattdessen getan? Nichts! Größtenteils im wahrsten Sinne des Wortes! Er hatte Wolken beobachtet, dem Rascheln der Bäume gelauscht, Sonnenauf- und untergänge angeschaut und verwaisten oder verletzten Tieren das Leben gerettet oder ihnen die Gnade eines schnellen Todes zu Teil werden lassen. Auch seinen Bastardsohn hatte er ab und zu aus der Ferne beobachtet, ihm manchmal sogar Besuche abgestattet und hauptsächlich hatte er viel nachgedacht. Darüber wo sein Platz war, was jetzt überhaupt noch Sinn machte, was er mit sich anfangen sollte, ob er überhaupt noch etwas mit sich anfangen konnte… Aber mit diesen Fragen drehte er sich seit Wochen nur im Kreis und kam einfach nicht zu einem Ergebnis, was für ihn nicht frustrierender sein könnte! Er war ein verdammtes Genie! Er hatte immer einen Plan! Aber seit Satariel weg war und Rayne keinen Vorwand mehr hatte, sich von seiner Orientierungslosigkeit abzulenken, fühlte er sich unangenehm verloren. Auch wenn er es niemals zugeben würde, die ehrliche Wahrheit war wohl, dass es lediglich Azraels Nachrichten und gelegentlichen Aufträge waren, die ihn wenigstens zeitweise über seine empfundene Leere und Überdrüssigkeit hinwegtäuschten. „Ich habe mir überlegt, dass du heute hier sein solltest und hielt dies für einen guten Grund, dich zu rufen.“, fügte Azrael noch an und schien dies tatsächlich ernst zu meinen. „Dass ich heute hier sein sollte?“, wiederholte Rayne ungläubig und zog verblüfft die Brauen in die Höhe, „Wofür? Etwa um mit dir und deinen flügellosen Engelchen die Geburt vom >Sohn Gottes< zu feiern?“, Rayne lachte spöttisch auf, „Ich bitte dich! Hast du vergessen, dass ich ein Dämon bin? Abgesehen davon wissen wir ja wohl beide, dass dieser Jesus-Knilch nicht Gottes sondern Gabriels Sohn war und unter der Führung seines größenwahnsinnigen Daddys ebenfalls größenwahnsinnig wurde! Wenn man jeden durchgedrehten Menschen feiern würde, der sich für was Besseres hält als der Rest, käme man aus dem Feiern nicht mehr raus!“ „Es geht nicht um die Herkunft des Festes, sondern um seine Bedeutung.“, entgegnete Azrael ruhig und als Rayne ihn auffordernd ansah, erklärte er sich näher, „Nun, die Menschen zum Beispiel sprechen diesem Fest die Bedeutung zu, mit denen zusammen zu sein, die man liebt.“ Diese Worte wirkten kurz wie ein Schlag vor den Kopf, während Rayne Azrael einfach nur ansah, nur um sich kurz darauf wieder daran zu erinnern, mit wem er hier sprach. Azrael war vermutlich nicht einmal bewusst, wie die vorgebrachte Definition an dieser Stelle klang, denn er sprach es mit der gewohnten naiven Ungerührtheit, was Rayne schließlich ein verheißungsvolles Lächeln auf die Lippen trieb. „Na wenn das so ist…“, schnurrte er und ging mit geschmeidigen Schritten um das Podest des Totenbuches herum, um sich gelassen dagegen zu lehnen und nun in unmittelbarer Nähe zu dem Erzengel mit einem anzüglichen Lächeln zu ihm aufzublicken, „Wieso bin ICH dann hier, Azrael?“ Er erwartete bereits den verwirrten, unbeholfenen Blick, den Azrael meistens aufsetzte, wenn Rayne sich so verhielt und er die Verbindungen durch all die Dinge, die unausgesprochen blieben in Kombination zu seiner Weltfremdheit nicht so recht knüpfen konnte. Diesmal jedoch sah Azrael ihn nur ruhig aus goldenen Augen an und die Antwort folgte prompt. „Weil ich dich gerufen habe und du gekommen bist.“, meinte er nüchtern und Rayne versteifte sich leicht. Touché! Das war wohl ein Eigentor! Es war unklar, ob Azrael die Worte so meinte, wie Rayne sie auffasste, aber etwas in seinem Blick… „Bild dir nichts drauf ein!“, entgegnete Rayne grimmig, dessen Miene sich schlagartig wieder verfinstert hatte, „Wenn das also alles war, kann ich ja jetzt wieder verschwinden und Schneeflocken zählen!“, er war sich ziemlich sicher, dass Azrael es durch sein Glühwürmchen ohnehin wusste, „Immer noch besser als mit deinen Bälgern dieses alberne, überbewertete Konsumfest zu feiern und >Happy Family< zu spielen!“ Er wandte sich zum Gehen, denn das hier, diese Villa, Azraels Wächter, dieser ganze göttliche, himmlische Quatsch… hier gehörte er nicht dazu! Er war ein Dämon! Ein Oberst! Er hatte schlimme Dinge getan! Menschen und auch Wächter auf die grausamsten Arten getötet! Selbst wenn er es wollen würde, man würde ihn hier nie akzeptieren! Und warum sollte er dies wollen? Er wollte es nicht! Also brauchte er auch Azraels Mitleid nicht und musste sich nicht von ihm sagen lassen, dass er so verzweifelt war, dass er immer gleich angerannt kam, wenn dieser geflügelte Eunuch pfiff! Er hatte Besseres mit seiner Zeit anzufangen und brauchte weder Azrael noch sonst irgendjemanden! Alleine war er immer besser dran gewesen! „Rayne.“, Azraels Stimme ließ ihn unwillkürlich inne halten als er bereits den Türgriff umschlossen hatte, „Ob du mit uns feierst oder nicht, bleibt natürlich allein deine Entscheidung. Aber ich habe es dir schon einmal gesagt und werde es nun wieder tun – du hast hier einen Platz bei uns!“ Rayne drehte sich nicht zu dem Erzengel um, doch seine angespannten Schultern verrieten das Gefühlschaos in seinem Inneren. Er hasste es, wenn sich Azrael durch die Nachrichten seiner Seelenlichter Zugang zu ihm erschlich, sich für Raynes Gedanken und Gefühle zeitweise empfänglicher machte und diese dann so direkt zur Sprache brachte. Doch er konnte ihn nicht unterbrechen, denn diese Worte taten auf diffuse Weise ebenso gut wie sie schmerzten und ihm Angst machten. „Einen Platz, den du dir selbst verdient hast!“, fuhr Azrael fort, „Meine Wächter müssen sich vielleicht noch daran gewöhnen… sich an dich gewöhnen, aber auch sie wissen, dass sie ohne deine Mithilfe womöglich nicht mehr am Leben wären. Du könntest zu uns gehören, Rayne. Der einzige, der dir dabei im Wege steht, bist du selbst. Aber ich “, Azrael zögerte kurz, etwas das bei ihm selten vorkam und Rayne dazu verleitete, sich wieder etwas unsicher zu ihm umzudrehen. „Ich zähle dich schon lange als einen Teil dieser Familie dazu. Es würde mich freuen, dich heute hier zu haben.“, gestand der Todesengel dann und das Lächeln, das dabei seine Züge zierte, wirkte ehrlich und aufrichtig. Azrael bestand immer darauf, dass er nie lügen würde, wie Rayne nun durch den Kopf schoss und ein seltsames Gefühl breitete sich in seinem Inneren aus. Er hatte Azrael noch nicht oft lächeln sehen, wie ihm gerade auffiel. Zumindest nicht auf diese Weise, denn normalerweise war es ein trauriges Lächeln, das man bei ihm sah. Dies jedoch… Rayne schüttelte sacht den Kopf. Er sollte gehen! Dieser melancholische Depp wollte ihn nur mit seinem Gesülze verwirren und tat dies zu seinem Leidwesen auch noch mit Erfolg! Denn nach diesen Worten war es auf einmal nicht mehr so leicht, Azrael einfach stehen zu lassen. Es… würde sich falsch anfühlen. Aber bleiben? Azrael meinte es wahrscheinlich wirklich gut, was schon ironisch an sich war, bedachte man dass sie eigentlich Todfeinde sein müssten, aber er wusste vermutlich nicht, was er damit auslösen würde wenn Rayne blieb. Dass „der Rest“ von Azraels Familie nämlich ebenfalls über seine Anwesenheit erfreut wäre war stark zu bezweifeln! //Ein Grund mehr zu bleiben oder nicht?//, meinte eine hämische Stimme in seinem Kopf, der er nur mit einem leisen Schmunzeln stillschweigend Recht geben konnte. Seit wann interessierte es ihn schließlich was diese Bälger wollten? Wenn ER hier bleiben und dieses bescheuerte Fest mit ihnen feiern wollte, würde er sich von ihnen sicherlich nicht davon abhalten lassen! Aber wie sollte er nun diese Entscheidung kundtun, ohne dass es so klang, als habe Azraels Geschwafel von Plätzen und Familien ihn dazu bewegt? Rayne öffnete den Mund, doch als ihm nichts Passendes zu sagen einfiel und er nur dastand wie ein Wasserspeier, ergriff erneut Azrael das Wort. „Du kannst es dir in Ruhe überlegen.“, gestand dieser ihm zu, bevor er zu seinem Schreibtisch ging und zu Raynes Überraschung ein weihnachtlich verpacktes Paket darunter hervorholte und mit diesem zu ihm herüberkam. „Was wird das denn jetzt?“, fragte Rayne verblüfft, obgleich das wohl offensichtlich war, ihn aber im ersten Moment völlig überforderte. „Ich habe ein Geschenk für dich.“, sprach Azrael dann das Offensichtliche auch noch aus, was Raynes Verständnislosigkeit allerdings nicht im Geringsten milderte. „Warum?“, wollte er wissen und sah den Erzengel forschend an, bevor er fast schon misstrauisch hinzufügte, „Ich habe nichts für dich.“ Geschenke waren meistens kein Akt der bloßen Nächstenliebe! Sie waren an unausgesprochene Bedingungen gebunden und erwarteten eine Begleichung entweder ebenfalls in Form eines Geschenks oder eine andere Gefälligkeit. Er hatte kein Geschenk für Azrael, wie dieser sich sicherlich denken konnte, was also wollte er von ihm? „Ich habe es gekauft, weil ich hoffte, du würdest bleiben.“, antwortete Azrael mit einem nachsichtigen Lächeln und hielt ihm das Päckchen entgegen, das Rayne nun mit einer erhobenen Braue entgegennahm. „Also willst du mich damit bestechen?“, stellte er fest und als Azrael nur milde belustigt meinte, dass er es nennen konnte, wie es ihm beliebte, stahl sich wieder ein Grinsen auf Raynes Lippen, „Gut, dann schauen wir mal mit was der große Todesengel meint, mich bestechen zu können…“ Azrael kannte ihn inzwischen wohl zumindest gut genug um zu wissen, dass Rayne viel zu neugierig wäre, um dieses Päckchen nun ungeöffnet zu lassen. Darüber, dass es eine Falle sein könnte und ihm irgendetwas Explosives oder Giftiges entgegenkäme, wenn er es öffnete, waren sie inzwischen hinaus. So misstrauisch er dem Paket jedes anderen Erzengels, Dämons oder Wächters auch gegenüberstehen würde – Azrael hätte genug Gelegenheiten gehabt, ihn umzubringen, wenn er gewollt hätte. Der professionellen Verpackungsart nach zu urteilen hatte Azrael das Geschenk vermutlich nicht selbst verpackt, sondern dies in einem Laden übernehmen lassen. Vielleicht auch so bestellt. Durch seine Duraskrallen brauchte Rayne weder Messer noch Schere um die Bänder ohne Schwierigkeiten zu lösen und anschließend das Papier herunterzureißen. Hervor kam dann erstmal nur eine schuhkartonähnliche Schachtel, die groß genug wäre, einen Drucker zu beinhalten, aber abgesehen davon dass Rayne bezweifelte, dass Azrael ihn mit einem Drucker zu bestechen versuchte, war es dafür nicht schwer genug. Bevor er sich wie ein kleines Kind am Weihnachtsabend zum Geschenköffnen auf den Boden setzen musste, ging er zu Azraels Schreibtisch herüber, stellte die Schachtel dort ab und als er dann den Deckel abnahm und der Inhalt zum Vorschein kam, runzelte er fast etwas enttäuscht die Stirn. „Klamotten?“, fragte er irritiert als er erstmal nur schwarzen Stoff erkannte, bevor er nach dem obersten Teil der zusammengelegten Kleider griff, es auseinanderfaltete und empor hob, wobei er nicht umhin kam, amüsiert aufzulachen, „Fetisch-Klamotten?“ Er betrachtete das schwarze Oberteil in seinen Händen, das in der Tat die Kürze seiner sonst üblichen Oberteile hatte, voraussichtlich somit seine Bauchmuskeln nicht verdecken würde. Zudem war es ärmellos, hatte dafür aber eine Kapuze mit weißem Pelzkragen. Das Material war reinstes Leder, doch innen mit dem weißen Pelz gefüttert, das sich auch am Saum, sowie an den Armlöchern wieder fand. Abgesehen von der generellen Kürze des Oberteils, wies es zudem einen recht tiefen V-Ausschnitt auf, welcher dann in eine Schnürung überging, die es einem vermutlich ermöglichte, das Teil perfekt an die eigenen Körperformen anzupassen. Als Rayne auch noch die anderen Kleidungsstücke des Pakets in Augenschein nahm, fand er eine zum Oberteil passende, schwarze Hose mit einem dunkelroten Gürtel, der farblich auf die mit Schnallen besetzten Stiefel und Handstulpen abgestimmt war, welche ebenfalls je weißen Plüsch am Saum hatten. Der eindeutigste Beweis, dass es sich hierbei allerdings um ein Fetisch-Weihnachtsmann-Kostüm und nicht etwa nur um die Mode eines exzentrischen Designers handelte war die beiliegende, schwarze Weihnachtsmütze, ebenfalls mit weißem Fell und einem dazu passenden Bommel. „Eine sehr subtile Art, mich in deine geheimen Fantasien einzuweisen.“, merkte Rayne lachend an, der kaum, dass er begriffen hatte, was Azrael ihm geschenkt hatte, gar nicht mehr damit aufhören konnte, „Bist du… bist du etwa in einem Sexshop gewesen?“ Wollte er belustigt wissen und bekam vor Lachen kaum noch Luft. Azrael allerdings ließ sich nicht beirren, beobachtete ihn sogar recht vergnügt. „Aus dem Internet.“, erklärte er ohne das geringste Anzeichen von Scham, „Amy war der Meinung, dass wir aus dem heutigen Weihnachtsfest eine Art Kostümfeier machen sollten und da ich gehofft hatte, dass du meine Einladung annehmen würdest, habe ich vorsorglich für dich nach einem Kostüm gesucht. Ich hielt dieses für passend. Das Rot hat dieselbe Farbe wie dein Haar.“ Rayne nahm die Handstulpe, die er sich gerade probehalber angelegt hatte, genauer in Augenschein und stellte fest, dass er Recht hatte. Es passte perfekt und sogar die Größe der Klamotten war seine. Azrael schien einen erstaunlich guten Blick für so etwas zu haben und dass er etwas fand, das tatsächlich auf absurde Weise zu Raynes sonstigem Kleidungsstil passte und ihm entsprechend gut gefiel war… ja, was? Er spürte etwas, das er nicht so genau benennen konnte, weil er so etwas normalerweise unterdrückte. Aber es war wohl Dankbarkeit, vielleicht sogar Rührung?! Irgendwelche Weichei-Gefühle jedenfalls und allein schon dafür, dass Azrael diese in ihm auslöste, müsste er ihm eigentlich dieses Zeug nun an den Kopf pfeffern und verschwinden. Stattdessen wusste er, dass dies spätestens jetzt keine Option mehr war… „Ach was soll’s!“, war schließlich seine Antwort, ehe er begann, seine Klamotten abzulegen, um sich für die Feier „angemessen“ einzukleiden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)