Schwachstelle von Ur (Tango Pair | Atobe x Sanada) ================================================================================ Kapitel 1: Schlechte Laune -------------------------- Es war absolut unbefriedigend. Unerhört. Und vor allem war es definitiv nicht akzeptabel! Atobe Keigos Insight hatte noch nie versagt und er würde einen Teufel tun und anfangen daran zu glauben, dass es tatsächlich Menschen ohne Schwachstellen gab. Abgesehen von ihm selbst natürlich, denn Atobe hatte keinerlei Schwachstellen. Weder beim Tennis, noch, was sein Äußeres anging. Er hatte keine Schwachstelle in keinem noch so winzig kleinen Bereich seines rundum perfekten Lebens. Aber er hatte nie vorgehabt, diesen Glanz mit jemandem anders zu teilen. Und schon gar nicht mit einem verkappten Samurai ohne jeglichen Modegeschmack und dann auch noch ohne annähernd tragbare Frisur – was der elende Kerl wenigstens unter einem hässlichen Cappi versteckte. Obwohl er sich nicht sicher war, ob die Kopfbedeckung nicht noch schlimmer war, als die Haare darunter… Selbst nach ihrem Doppel gegen diese arroganten, amerikanischen Stümper, die seine Schönheit nicht richtig zu würdigen gewusst hatten, hatte Atobe immer noch keine Ahnung, was Sanadas Schwachstelle anging. Sie hatten gut zusammen gespielt und es war für den Moment durchaus eine interessante und angenehme Erfahrung gewesen. Aber da spukte immer noch das unfertige Spiel in seinem Hinterkopf herum, das unentschieden geendet hatte. Atobe wollte Sanada Genichirous Schwachstelle herausfinden. Er saß auf einer Liege unter einem Sonnenschirm, hatte eine Sonnenbrille aufgesetzt und schlürfte missmutig an einem eisgekühlten Cocktail. Das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach, war das Schlürfen seines Strohhalms und das leise Plätschern seines Pools, neben dem er seine Liege hatte aufklappen lassen. Normalerweise wäre er in dieser Situation bester Laune. Denn abgesehen vom guten Wetter, dem Cocktail und seinem Pool hatte er erst heute Morgen einen ausgesprochen schmeichelhaften Artikel über sich selbst in einem wichtigen Sportmagazin gelesen. Besonders begeistert war er von seinem großen Foto gewesen, das über dem Artikel prangte. Er sah umwerfend aus wie immer, jede gewellte Haarsträhne lag perfekt und sein Lächeln ließ keine Wünsche offen. So hatte er es gern. Trotzdem war Atobe Keigo schlechter Laune. Und der Grund dafür waren einzig und allein die Grübeleien über Sanada Genichirou. Es war zum Verrücktwerden. In nächster Zeit standen keine Turniere an, nicht einmal ein paar Übungsspiele. Vielleicht sollte er eines mit Rikkaidai ansetzen lassen? Mit möglichst viel Presse. Dann könnte er Sanada vor einer großen Menge niedermachen und aller Welt zeigen, dass es außer ihm selbst keinen Menschen auf der Welt gab, der keinen Schwachpunkt hatte. Atobe bemerkte kaum, dass über all seine Grübeleien über dieses unangenehme Thema seine Gedanken um Tezuka in weite Ferne rückten. Tezuka hatte Fehler, so viel stand fest. Daher musste er sich über Tezuka nicht so viele Gedanken machen! Tezuka hatte er ja auch schon besiegt. Er war besser als Tezuka. Und Atobe musste wissen, dass er auch besser als Sanada war! Darauf bestand sein Ego. * »Master Keigo?« Atobe hob den Kopf und zog sich seine Sonnenbrille von der Nase. Wieder einmal lag er am Pool, leise Musik von Beethoven schallte aus einer Musikanlage in der Nähe und auf seinem nackten Bauch lag Shakespeares ›Hamlet‹. »Was gibt es?«, fragte er gebieterisch und wedelte anmutig mit der Hand. Eines seiner Dienstmädchen verbeugte sich tief. »Der Privatdetektiv, den Sie angeheuert haben, ist eingetroffen. Wollen Sie ihn im Salon treffen, oder soll ich ihn zu Ihnen hinausgeleiten?« Atobes Laune hob sich schlagartig. Das war wirklich schnell gegangen. Erst vor einer Woche hatte er den besten Privatdetektiv der Stadt mit dem Grund seiner schlechten Laune betraut. Atobe war weit darüber erhaben, sich selbst auf die Spuren von Sanada Genichirou zu begeben, also bezahlte er jemanden, der es für ihn tat. »Ich komme in den Salon«, sagte Atobe, schnipste galant mit den Fingern und sofort stand ein weiteres Dienstmädchen hinter ihm, um ihm in seinen Morgenmantel zu helfen. Er fuhr sich durch die Haare und lächelte zufrieden. Gleich würde er seinem Ziel, Sanada Genichirous Schwachstelle herauszufinden, ein Stück näher sein! Er betrat den großen, edel eingerichteten Salon mit den breiten Fenstern. Helles Licht flutete in den Raum und an dem großen Tisch in der Mitte saß ein kleiner, hässlicher Mann mit graumeliertem Haar, ein paar Bartstoppeln und einem ausgesprochen altmodischen Mantel. »Ah, Atobe-sama«, sagte er und erhob sich. Atobe gestattete es ihm, seine Hand zu schütteln, dann setzte er sich dem Mann gegenüber an den Tisch. Vermutlich – so überlegte Atobe – mussten Detektive hässlich sein, damit sie nicht allzu sehr auffielen. Er selbst wäre in dieser Rolle vollkommen verloren, weil er einfach zu gut aussah, als dass man ihn hätte übersehen können. Atobe beugte sich leicht vor und sah zu, wie sein Gast in der Innentasche seines Mantels herumwühlte und schließlich einen dicken Stapel Fotos hervorkramte. »Da Sie keine spezifischen Angaben zur genauen… Natur ihres Interesses gemacht haben, habe ich einfach alles Mögliche abgedeckt«, erklärte er und schob Atobe die Fotos hin. Atobe atmete einmal tief durch. Er fühlte sich beinahe ein wenig aufgeregt, ganz so, als säße er in einer Filmpremiere, auf deren Leinwand er die Hauptrolle spielte. Er sah hinab auf das erste Foto. Sanada ohne Cap mit einem komischen, japanischen Outfit und einem langen Schwert in der Hand. Was für ein Angeber. Atobe schnaubte abfällig. Die Vorstellung, dass Sanada den halben Tag zu Hause stand und auf so eine hässliche Strohpuppe eindrosch, war doch absolut lächerlich. Hatte der Kerl keine Würde? Sanada mit einem alten Mann beim Schachspiel. Sanada mit einem kleinen Jungen auf einem Spielplatz. Atobe hob die Brauen. Sanada mit einem Balg? Und dann auch noch beim Schaukeln. Atobe gruselte sich ein wenig. Sanada und Kinder, das wollte in seiner Vorstellung nicht zusammen passen. Atobe mochte Kinder nicht, weil sie seine Grazie und sein gottgleiches Äußeres nicht zu schätzen wussten. Sie brüllten und sangen und lachten immer viel zu laut. Sanada mit zwei Plastiktüten in der Hand – wahrscheinlich vom Einkaufen. Sanada und Yukimura. Natürlich. Atobe kannte die beiden zusammen. Sie sahen immer aus wie der Samurai und seine Ehefrau. Auch auf diesem Foto war es nicht anders. Sanada schien gerade dabei zu sein, Yukimura seine Jacke anzubieten. Lächerlich. Atobe schüttelte missbilligend den Kopf über dieses gewollte und nicht gekonnte Gentleman- Gehabe. Sanada besaß einfach nicht seine Würde und seine Eleganz. Sanada beim Training. Und noch einmal. Und noch einmal. Und noch fünf weitere Fotos von Sanada beim Training. Er sah immer so verbissen aus. Und dieses Cappi. Atobe beschloss, dass er Sanada zum Geburtstag einen Friseurgutschein schenken musste. Dann fiel ihm ein, dass er keine Ahnung hatte, wann Sanada überhaupt Geburtstag hatte. »Sie wissen nicht zufällig, wann der Kerl Geburtstag hat, oder?«, erkundigte sich Atobe geistesabwesend, während er ein Bild betrachtete, auf dem Sanada mit freiem Oberkörper ein paar Hanteln stemmte. Es raschelte und Atobe sah auf, als sein Gast ein Stück Papier aus einer Manteltasche fischte und einen Blick darauf warf. »Sanada Genichirou, geboren am 21. Mai, Sternzeichen Stier. 1,80 m groß, ungefähr 68 kg schwer, Rechtshänder…« Atobe streckte die Hand nach dem Zettel aus und überflog ihn. Es war eine ganze Liste von winzigen Informationen über Sanada. Das kleine Balg war offenbar sein Neffe, Genichirou Sasuke, sechs Jahre alt. Der Alte war sein Großvater. Sanada hatte einen älteren Bruder, sein Lieblingsfach war Geschichte, seine Lieblingsfarben waren grau und schwarz, – Atobe schnaubte schon wieder, grau! – er aß gern Suppe mit Pilzen… Es folgten mehrere Stichpunkte über Sanadas Tennis- Stil, die Atobe alle nicht zu lesen brauchte, da er schon alles über Sanadas Tennis wusste. Atobe widmete sich wieder den Fotos. Sanada mit seinem Team beim Training. Er sah sehr streng aus und beobachtete Yanagi und Co. dabei wie sie um den Platz rannten. Sanada, der mit Yanagi sprach. Sanada, der Yukimura beobachtete. Drei Bilder folgten, auf denen Sanada und Yukimura sehr eng beieinander saßen und sich offenbar leise unterhielten. Atobe war sauer. Yukimuras Haare waren nicht einmal ansatzweise so gut gestylt wie seine eigenen, er sah weibisch und kränklich aus. Wieso also zollte Sanada Genichirou diesem Kerl mehr Aufmerksamkeit, als ihm? Bei ihrem Doppel hatte Sanada ihn nicht einmal so aufmerksam angesehen, wie er Yukimura auf diesem Foto ansah. Das war wahrlich eine Beleidigung! Er legte den Stapel vorerst beiseite und sah den Privatdetektiv über seine schlanken, ineinander verhakten Finger an. »Nun… das ist vorerst nicht übel«, sagte er gnädig, »aber Sie müssen weiter dran bleiben. Ich erwarte nächste Woche ein wenig mehr als das.« Sein Gast hob eine buschige Augenbraue. »Haben Sie sich mittlerweile etwas genauer überlegt, wonach ich eigentlich suchen soll, Atobe-sama?« Atobe schüttelte den Kopf. »Graben Sie einfach alles um, was auch nur ansatzweise mit Sanada Genichirou zu tun hat.« Kapitel 2: Handschlag --------------------- Atobe hatte seine Bediensteten ein Fotoalbum kaufen lassen. Er mochte Ordnung und Perfektion. Also sortierte er alle Fotos, die der Privatdetektiv ihm hatte zukommen lassen, in ein Album. Er sortierte sie nach Wichtigkeit – die Bilder mit Yukimura landeten auf der letzten Seite, die von Sanada mit freiem Oberkörper beim Trainieren ganz vorn – und machte feinsäuberliche Notizen darunter. So zum Beispiel stand unter dem Bild mit Sanada und seinem Schwert in der Hand, auf dem er sein schrecklich hässliches Cap nicht trug: ›Sanada ore-samas Friseur empfehlen. Artikel über Parasiten besorgen, die sich in Mützen sammeln können.‹ Wenn er es recht bedachte, könnte er solche Artikel an mehrere Mitglieder der Tenniswelt schicken. Wenn man nur an Echizen dachte… Oder dieser Psychopath aus Fudomine, der immer mit sich selbst sprach… Aber was nützte es, wenn er seine wertvollen Gedanken an solche Leute verschwendete. Sein Interesse galt Sanada Genichirou. Atobe hatte die Bilder in den letzten vier Tagen so oft angesehen, dass er mittlerweile beinahe jedes Detail kannte. Vielleicht entging ihm etwas, sagte er sich manchmal, und das war ungewöhnlich, denn normalerweise glaubte er niemals daran, dass er etwas übersehen könnte. Dunkel hatte sich in seinem Hinterkopf die Idee breit gemacht, dass Sanadas Schwachstelle vielleicht Yukimura war. Aber dieser Gedanke gefiel ihm nicht und was Atobe nicht gefiel, das wurde ignoriert. Wie sich in den nächsten zwei Wochen herausstellte, war der angeblich beste Privatdetektiv der Stadt ein absoluter Stümper, der nicht in der Lage war, das zu tun, was Atobe ihm aufgetragen hatte. Zwar brachte er immer neue Fotos und neue kleine Informationen, – Sanada konnte Bohnen offensichtlich nicht ausstehen, aber was brachte Atobe diese Information, wenn er ihn auf dem Tennisplatz geschlagen sehen wollte? – doch nichts davon fand Atobe wirklich zufrieden stellend. Also feuerte Atobe den Privatdetektiv, ehe er sich daran machte, die restlichen Fotos in das Album zu sortieren und anschließend eine feinsäuberliche Liste mit all den Informationen über Sanada anzulegen. Damit konnte er niemanden von seinen Angestellten betrauen. Das war sein Kleinkrieg gegen Sanadas vermeintliche Perfektion. Zwei Tage später beim Training saß Atobe mit elegant übereinander geschlagenen Beinen auf einem Klappstuhl, Kabaji stand neben ihm unter dem Sonnenschirm und er beobachtete ein Trainingsmatch zwischen Oshitari und Choutaro. In Gedanken war er allerdings auf einem anderen Trainingsplatz. Das dumpfe Phlok des Tennisballs, der auf die Schläger der Spieler traf, erinnerte ihn an das Match gegen Sanada. 3:3 hatte es gestanden. Wieso hatten diese Armleuchter das Match auch abbrechen müssen? Das war ungeheuerlich! Er bemerkte kaum, wie er aufstand. »Kabaji«, sagte er. »Usu.« »Hab ein Auge auf die Jungs. Ore-sama muss noch etwas erledigen.« »Usu.« Es kostete ihn einen Anruf und fünf Minuten Wartezeit, bevor er von seiner Privatlimousine abgeholt wurde und dem Fahrer die Adresse vom Trainingsplatz der Rikkaidai- Schule nannte. Seine Jungs waren schon ganz eingerostet. Ein Trainingsspiel würde sicherlich helfen. Und bei dieser Gelegenheit hatte er Zeit, Sanada genaustens zu beobachten. Während er sich in allen Farben ausmalte, wie Sanada vor ihm zu Kreuze kriechen würde, um ihm dann zu sagen, wie sehr er von seinen unglaublichen Fähigkeiten beeindruckt war, glitt draußen die Stadt mit all den unwichtigen Bewohnern an ihm vorbei. »Da sind wir, Master Keigo. Soll ich hier warten, während Sie ihre Geschäfte erledigen?« »Ja, es wird nicht allzu lang dauern«, sagte er und strich sich mit einer eleganten Geste die perfekt sitzenden Haare aus dem Gesicht, während er darauf wartete, dass sein Fahrer ausstieg und ihm die Tür aufhielt. Schließlich stand er vor dem hohen Gitterzaun, der den Tennisplatz von Rikkaidai umgab. Es war einiges los und hier und da standen Mädchen herum, die jubelten und die Spieler anfeuerten, indem sie immer wieder ›Always win, Rikkaidai!‹ riefen. Atobe war beinahe ein wenig beleidigt, dass sich nicht sofort alle Blicke auf seine makellose Gestalt richteten, doch so hatte er immerhin genug Gelegenheit, die Situation im Stillen auszukundschaften. »Atobe.« Beinahe wäre er zusammengezuckt, als die tiefe, autoritäre Stimme neben ihm erklang. Doch dank seiner unnachahmlichen Reflexe riss er sich gerade noch zusammen und wandte den Kopf mit einer fließenden Bewegung, die seine perfekt sitzenden Haare wunderbar zur Geltung bringen musste, zur Seite. Sanada stand neben ihm und sah zu ihm hinunter. Atobe ärgerte sich im Stillen darüber, dass der elende Möchtegern- Samurai fünf Zentimeter größer war als er. »Sanada«, gab er mit möglichst viel Gleichmut und einer Prise Verachtung zurück, um dem anderen deutlich zu zeigen, dass allein seine Aufmerksamkeit schon ein Grund war, dankbar vor ihm im Staub zu kriechen. Sanada schien nicht gebührend beeindruckt, er hob lediglich eine Augenbraue und starrte Atobe fragend an. »Was suchst du hier?« Er war immer so direkt. Direkt auf eine ungehobelte Art und Weise, die Atobe keinesfalls gut heißen konnte. »Ore-sama hat sehr wohl das Recht, sich Trainingsspiele von anderen Mannschaften anzusehen«, gab er mit einer wegwerfenden Handbewegung zurück, die deutlich machen sollte, dass Rikkaidai nur eine Schule unter vielen war. Kein bisschen wichtig. »Du kommst allein hierher, um dir ein ganz normales Trainingsspiel anzusehen?«, fragte Sanada. Seine steinerne Miene ging Atobe auf den Senkel. Da sollte dieser Mützenträger ihm noch mal sagen, er wäre immer so kalt und gleichgültig. »Ore-sama hat darüber nachgedacht ein Übungsmatch anzusetzen. Aber ich habe mich noch nicht ganz entschieden, welche Schule gut genug ist, um gegen Ore-samas Team zu spielen.« Sanada ließ sich durch seine wohl gewählte Gleichgültigkeit nicht aus der Ruhe bringen. Er zuckte nur mit dem Schultern, als wäre es ihm vollkommen egal, was Atobe von ihm hielt, und wandte sich ab. »Na dann viel Spaß beim Zusehen«, sagte er nur und stakste zurück in Richtung Spielfeld. Atobe starrte ihm empört nach. Der Kerl sollte sich die Finger danach ablecken, gegen sein Team spielen zu dürfen! Er ballte kurz die Hände zu Fäusten und rang mit sich. Atobe Keigo rannte niemandem nach. Und schon gar niemandem, der so einen miesen Geschmack und keinerlei Stil hatte! Trotzdem fand er sich zwei Minuten später neben der Bank wieder, auf der Sanada neben Yukimura hockte und zwei seiner Leute beobachtete. »Ah, Atobe«, sagte Sanada unbeeindruckt, als er ihn entdeckte. Yukimura wandte den Kopf mit der miesen Frisur und lächelte ihn auf ekelhaft freundliche Art und Weise an, als wären sie schon ein Leben lang beste Freunde. Atobe hatte nicht übel Lust, diesem weibischen Vollidioten den Hals umzudrehen. »Hast dich ja schnell entschieden, doch gegen uns zu spielen.« Yukimura erhob sich – immer noch lächelnd – und reichte ihm mit funkelnden Augen die Hand. »Es wird Rikkaidai eine Ehre sein, Hyoutei in einem Übungsmatch zu besiegen«, sagte er zuckersüß. Atobe überlegte, ob er den Captain von Rikkaidai auf der Stelle zurück ins Krankenhaus befördern sollte. Dann erinnerte er sich daran, dass Sanada zusah. »Ore-sama kann es kaum erwarten, das Team von Rikkaidai geschlagen zu sehen«, sagte er so würdevoll wie möglich und packte die Hand des Captains. Überraschenderweise konnte Yukimura ziemlich fest zupacken. Beinahe so fest, als wollte er ihm am liebsten die Hand brechen. Kapitel 3: Gegner ----------------- Atobes natürliches und vollkommen gesundes Selbstbewusstsein verbot ihm zu denken, dass irgendwelche Leute auf diesem – und vielleicht auch dem nächsten – Planeten ihn nicht absolut umwerfend finden könnten. Allerdings konnte er mit all seinem ausgeprägten Verstand nicht umhin zu bemerken, dass Yukimura ihn dauernd so ansah, als wünschte er ihm mindestens die Pest und allerhöchstens einen Meteoriteneinschlag an den Hals. Vielleicht war es auch eher andersherum – denn wenn man die Pest hatte, dann litt man sehr viel mehr… aber der Kernpunkt war, dass Atobe sich sicher war, dass Yukimura ihn hasste. Vielleicht war der weibische Schönling sich auch zu schade für so ein krasses Gefühl. Dann verabscheute er ihn. Irgendeine negative Emotion löste Atobe in ihm aus, soviel stand fest. Eigentlich war er das gewöhnt, denn er erzeugte Neid wo immer er hinging. Aber das war neu. Diese Abneigung. Versteckt hinter einem zuckersüßen Lächeln, das beinahe dem von Seigakus Fuji Konkurrenz machte. Obwohl Fuji – was sein verschlagenes Lächeln und seinen miesen Modegeschmack anging – eigentlich außer Konkurrenz stand. Eventuell machte Sanada Fuji den ersten Platz der Ich-habe-keinen-blassen-Schimmer-wie-man-sich-richtig-anzieht-Sparte streitig. Aber ausnahmsweise hatte Atobe Besseres zu tun, als sich über das nicht vorhandene Modebewusstsein seiner Umgebung aufzuregen. Es stand ein Trainingsmatch mit Rikkaidai an und er konnte und wollte es nicht zulassen, dass diese Halbaffen mit ihrem Kapitän – dessen Frisur nebenbei bemerkt einem durchweichten Wischmopp glich – gegen sein Team gewannen. Also setzte er noch mehr Trainingsstunden an. Niemand beklagte sich darüber – natürlich nicht. Wenn Atobe etwas anordnete, dann geschah das ohne Gemurre. Sie hatten noch zwei Wochen Zeit, um besser zu werden und Rikkaidai in Grund und Boden zu stampfen. Atobe fand diesen Gedanken ausgesprochen befriedigend. Er trainierte jeden Abend auf den Tennisplätzen seines Anwesens. Er würde Sanada schlagen. Es stand außer Frage, dass er selbst sich in Singles 1 eintrug, um dann gegen den Vizekapitän anzutreten. Dann konnte er sich endlich diese Stimme aus dem Kopf schlagen, die ihn fragte ›Atobe, ist alles ok?‹ und die sagte ›Du bist wie immer eiskalt.‹. Das musste er sich von einem schlecht frisierten Möchtegern- Samurai, der sein Gesicht nie zu einem Lächeln verzog, wirklich nicht sagen lassen. Abends fiel er nach seinem persönlichen Training todmüde ins Bett. Er träumte sogar von Yukimura, der in einem weißen Ballkleid mit Sanada über den Tennisplatz tanzte. Und zwar einen Tango. Das fand er ziemlich unerhört, aber leider hatte Atobe in all seiner Perfektion noch nicht herausgefunden, wie er seine Träume nach seinem Gutdünken ändern könnte, so wie er es sonst mit allen Gegebenheiten seines Lebens tat. Und zwar mit einem galanten Fingerschnippen. Atobe hatte die dunkle Vorahnung, dass seine Träume noch missmutiger werden würden, wenn sie dieses Spiel gegen Rikkaidai verlieren sollten – was natürlich eigentlich ausgeschlossen war. Als der Tag des Spiels endlich gekommen war, hatte Atobe das Gefühl, er würde eher auf den nationalen Meisterschaften Spielen. Für ihn zumindest war das hier mindestens genauso wichtig, also hatte es für die anderen genauso wichtig zu sein. Die Aufstellung stand, Yukimuras Haare sahen genauso bescheuert aus wie eh und je. Es konnte also losgehen. Atobe behielt während der Doppelspiele Sanada und Yukimura im Auge, die dicht an dicht nebeneinander saßen und leise miteinander sprachen. Wenn sie noch ein wenig näher zusammenrückten, dann konnte sich Yukimura genauso gut auf Sanadas Schoß setzen! Das war doch lächerlich. Die beiden waren schlimmer als ein frisch verliebtes Ehepaar. Man mochte vielleicht meinen, dass er als Captain auf das Spiel achten würde, aber Atobe war zu sehr damit beschäftigt, sich innerlich über Yukimura aufzuregen, als dass er Zeit dafür gefunden hätte. Ihm reichte das Ergebnis und das zeigte, dass seine beiden Doppelteams gewonnen hatten. Er grinste selbstgefällig und schickte Kabaji auf das Feld, damit er das erste der drei Einzelspiele antrat. Das Schlitzauge von Rikkaidai trat ihm gegenüber und Atobe verfolgte das Spiel zwei Minuten lang, dann wurde ihm langweilig und sein Blick schweifte wieder hinüber zu Sanada. Der musterte das Spiel mit höchster Konzentration. Wenn sie dieses Spiel gewannen, dann hatten sie den Sieg schon in der Tasche. Was das für ein Triumph sein würde… aber natürlich war es lediglich ein Trainingsspiel. Daher würden sie alle Spiele ausspielen. Er erhob sich und ging an Shishido und Choutaro vorbei, die sich über ihr gewonnenes Doppel freuten und sich dabei ziemlich auf die Pelle rückten. Atobe fragte sich dunkel, ob er irgendetwas verpasst hatte. »Sieht so aus, als würden wir gewinnen«, sagte er beiläufig und strich sich elegant die Haare aus dem Gesicht, als er neben der Bank von Sanada und Yukimura angekommen war. Sanada wandte den Kopf und sah zu ihm auf. Yukimura beachtete ihn gar nicht, sondern lächelte ekelhaft süßlich in Richtung Spielfeld. »Atobe«, entgegnete Sanada mit seiner tiefen, emotionslosen Stimme, »es steht noch nicht fest, ob ihr gewinnt. Es steht vielleicht noch zwei zu null, aber Yanagi-san verliert sicherlich nicht.« Sanada hätte genauso gut ein Rezept für die beste Zubereitung von Sushireis vortragen können. Atobe fand diese immerzu gleichgültige Stimmlage ziemlich entnervend. Eine emotionale Reaktion aus dem Vize-Kapitän heraus zu kitzeln, das wäre wahrlich ein Triumph. »Nimmst du das alles nicht etwas zu ernst?«, ließ da Yukimuras sanfte Stimme verlauten. Er sah Atobe immer noch nicht an, sondern beobachtete weiterhin das Spiel. »Das ist doch nur ein Trainingsspiel.« Atobe verkniff sich ein verächtliches Schnauben. Das zeigte doch nur, dass dieser Wischmopp nicht das Geringste begriffen hatte. »Wir spielen doch alle kaum ernsthaft.« Atobe erstarrte und ballte seine Hände zu Fäusten. Wenn dieser kränkliche Schwachkopf meinte, er könnte sich über sein Team lustig machen– »6:4, Yanagi gewinnt.« Er wirbelte herum und sah den verschwitzten und humpelnden Kabaji auf der Bank neben dem Feld zusammen sinken. Gerade wollte er eine bissige Bemerkung auf Yukimuras versteckte Beleidigung abgeben, als Sanada sich erhob und nach seinem Schläger griff. »Entschuldige mich. Ich spiele Singles 2«, erklärte er Atobe knapp und schritt davon. Jirou wurde gerade von Gakuto geweckt und schlurfte müde auf das Feld. Atobe konnte es nicht fassen. Wie konnte das sein, dass Sanada nicht Singles 1 spielte? Er hatte sich extra dafür eingetragen! »Enttäuscht?«, summte Yukimuras Stimme neben ihm und die Augen des Captains von Rikkaidai blitzten amüsiert, während er Sanada nachschaute. »Ich bin wieder fit genug, um zu spielen. Ich spiele Singles 1.« Kapitel 4: Niederlage --------------------- Wie zur Hölle sollte er Sanadas Schwächen herausfinden, wenn er nicht gegen ihn spielen konnte? Er wollte schon empört protestieren, aber Yukimuras Lächeln machte es irgendwie sinnvoller, gleich zuzuschlagen. Atobe neigte für gewöhnlich nicht zu gewalttätigen Ausbrüchen, aber dieser Kerl machte ihn aggressiv. Er drehte sich elegant auf dem Absatz um und schritt hinüber zu seinem Platz, wo er sich setzte und die Beine übereinander schlug. Jirou lag bereits drei zu null hinten. Er schien immer noch nicht wach zu sein, aber Atobe hatte momentan keine Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen. Er würde gegen Yukimura spielen. Yukimura hatte noch nie ein Spiel verloren, das wusste er. Nun, dann würde heute der Tag sein, an dem er seinen Meister fand. Vielleicht wäre es befriedigend, Yukimura verschwitzt und keuchend auf dem Tennisplatz knien zu sehen, wenn er ihn erst besiegt hatte. Das würde Atobe ein wenig trösten, wenn er schon nicht Sanandas Schwachstelle herausbekam – zumindest nicht heute. Jirou verlor mit zwei zu sechs Spielen, aber Atobes Gedanken kreisten lediglich darum, dass er gleich gegen den Wischmopp von Rikkaidai antreten würde. Bei Yukimura würde es ihm nichts ausmachen, wenn er wie Tezuka damals zusammenbrach. Wenn Yukimura im Krankenhaus versauerte, dann könnte Atobe sich in aller Ruhe mit Sanadas Schwachstelle beschäftigen… »Es steht also zwei zu zwei«, sagte Yukimura lächelnd. Er war wie Atobe von seinem Sitzplatz aufgestanden und nun standen sie sich am Netz gegenüber. »Gleich wird es drei zu zwei stehen…«, sagte Atobe möglichst würdevoll. Yukimura lächelte etwas breiter. »Natürlich«, meinte er, strich sich die Haare aus der Stirn und wandte sich um. »Für Rikkaidai, versteht sich.« Atobe kochte vor Wut, als er ans Ende des Platzes ging. Wenigstens hatte er den Aufschlag. Dann konnte er diesem Wischmopp gleich am Anfang seinen Tannhäuser servieren. Mal sehen, wie ihm das schmeckte. Vielleicht verging ihm dann das elende Lächeln. Doch was immer Atobe auch tat, egal welchen noch so gut trainierten Ball er auf den Captain von Rikkaidai schoss, jeder kam zu ihm zurück. Yukimura hatte keine besonderen Spezialtechniken. Und er sah bei weitem nicht so elegant aus, wie Atobe – soviel stand fest. Denn niemand sah so gut aus, wie er… »4:0 für Yukimura!« Yukimura sah kein bisschen angestrengt aus. Er selbst atmete schwer und ihm war verflucht heiß. Mit zusammen gebissenen Zähnen musterte er den Captain auf der anderen Seite des Netzes. »Atobe, was ich dich schon die ganze Zeit fragen will«, sagte Yukimura im Plauderton, warf den Ball in die Höhe und machte seinen absolut unspektakulären Aufschlag, »wie kommt es, dass euer riesiger Fanclub heute nicht dabei ist?« Atobe schmetterte den Aufschlag mit so viel Kraft zurück, wie er aufbringen konnte. »Ist doch nur ein läppisches Trainingsspiel«, keuchte er. Yukimuras Lächeln schien fest getackert zu sein. Es wurde langsam Zeit, seine Insight anzuwenden und herauszufinden, wie er diesen Idioten schlagen konnte… Aber es war wie verhext. Wie auch bei Sanada konnte er nichts entdecken. Nichts – abgesehen von der Stelle, an der Yukimura operiert worden war. Und es schien ihm nicht angebracht, diese Schwäche auszunutzen. Sein Handgelenk schmerzte und seine Laune verschlechterte sich sogar noch mehr, obwohl er das schon nicht mehr für möglich gehalten hatte. Vier zu eins. Vier zu zwei. Fünf zu zwei. Der Schmerz in seinem Handgelenk war beinahe unerträglich. Dunkel kam ihm der Gedanke, dass Yukimura absichtlich auf seine Vorhand zielte. Als wüsste er, dass Atobe kaum noch Kraft im Arm hatte. Atobe war zu eitel, um es zuzugeben, aber er war erschöpft. So sehr, wie noch nie nach einem Spiel zuvor. Seine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding und nur sein Stolz und sein Ärger über dieses ätzende Lächeln hielten ihn noch auf den Beinen. Doch der nächste Ball schleuderte ihm den Schläger aus der Hand, sein Handgelenk bog sich nach hinten und der Schmerz explodierte. Atobe verkniff sich ein schmerzerfülltes Stöhnen und griff reflexartig nach seinem Handgelenk. Es fühlte sich alles andere als gesund an. »Atobe, ist alles ok?« Diese Stimme, die diese Frage stellte, brauchte er jetzt am allerwenigsten. »Ja, alles bestens«, gab er zwischen zusammengepressten Zähnen hindurch. Sanada hatte sich neben ihn auf den Tennisplatz gekniet und betrachtete nun sein Handgelenk. »Das ist mindestens verstaucht, so kannst du nicht weiter spielen.« Seine Stimme klang immer noch, als würde er etwas aus einer Gebrauchsanweisung vorlesen. »Danke, aber das entscheide ich selber«, herrschte er Sanada an und erhob sich, um seinen Schläger aufzuheben. Doch er konnte ihn nicht halten. Seine Hand zitterte so heftig, dass er sich nicht einmal zu einer Faust ballen wollte. »Atobe ist unfähig zu spielen, Yukimura gewinnt 5:2!«, rief der Referee. Atobe funkelte Sanada wütend an. Sein Team versammelte sich um ihn. »Ich bringe dich ins Krankenhaus«, sagte Sanada ruhig. Atobe schnaubte. »Wenn du dich nicht um Singles 1 gedrückt hättest, dann wäre das auch nicht passiert! Ich kann sehr gut auf deine Hilfe verzichten!« Er wandte sich von Sanada ab und stolzierte hinüber zu seinem Stuhl, wo er sich niederließ. Diese Halbaffen von Rikkaidai sollten einfach aus seinem Sichtfeld verschwinden, dann würde es ihm schon viel besser gehen! »Atobe, du solltest wirklich ins Krankenhaus«, sagte Oshitari und schob seine Brille ein Stück nach oben. »Usu«, ließ Kabaji verlauten. Atobe sah zu ihm auf, dann huschte sein Blick hinüber zu Sanada, der ziemlich ungnädig aussah und sich gedämpft mit Yukimura unterhielt. Es sah ein wenig nach Streit im Eheglück aus. »Ja, schön. Kabaji, lass meine Limousine vorfahren!« Er wedelte mit der unverletzten Hand. Hauptsache weg hier. »Usu.« Den Blick, den Sanada ihm zuwarf, ignorierte Atobe gekonnt. Auf eine besorgte Miene von diesem feigen Möchtegern-Samurai konnte er verzichten. Kapitel 5: Krankenbesuch ------------------------ Atobe rauchte vor Wut. Und das seit vier Tagen. Sein Handgelenk war tatsächlich verstaucht und er trug einen schrecklich hässlichen Verband darum, der ihn erstens aussehen ließ wie ein modisch ungebildeter Lackaffe und ihn zweitens daran hinderte, seinen Frust beim Tennisspielen abzubauen. Er hatte sein Problem mit Sanada immer und immer wieder gewälzt und war noch siebeneinhalb Mal das Fotoalbum und die Faktenliste durchgegangen. Aber eine Erleuchtung war ihm nicht gekommen. Seine Träume von Sanada Genichirou waren auch nicht besser geworden. Immerhin hatte ihm sein Unterbewusstsein weitere Episoden von Yukimura im Ballkleid erspart. Der Wischmopp von Rikkaidai hatte es absichtlich auf sein Handgelenk abgesehen, soviel stand inzwischen fest. Alle in seinem Team stimmten zu – wie immer. Wie er von Oshitari gehört hatte, hatte sich Sanada bei seinem Team offiziell für den Vorfall entschuldigt und sich erkundigt, wie es Atobes Handgelenk ging. Atobe befand, dass der Möchtegern-Samurai ihn das ruhig höchstpersönlich hätte fragen können, dann hätte er ihm seine Meinung über diesen elenden, immerzu lächelnden Widerling schon gegeigt… Ungehalten schlürfte er an einem fruchtigen Cocktail und starrte finster auf den Pool, den er wegen seines hässlichen Verbandes nicht betreten durfte. Wenn er nicht so unmotiviert wäre, andere Leute um sich zu haben, dann hätte er eine seiner berühmt-berüchtigten Partys organisiert, doch selbst dazu hatte er keine Lust. Sein Gehirn war besessen von Sanada und seinem ungelösten Problem und Yukimura feierte vermutlich gerade zuckersüß lächelnd zum wiederholten Male seinen Sieg über Atobe. Es war zum Kotzen. Wie konnte dieser schwächliche Mistkerl es wagen, seinen perfekten Körper zu ruinieren und dabei so zuckerig zu lächeln, dass er allein vom Hinsehen Karies bekam? Yukimura war die Pest. Ein Alptraum. So schrecklich, wie rot und pink miteinander zu tragen, so schlimm wie Sanadas Cappi und Fujis Modegeschmack und nicht genügend Grenadine im Cocktail zusammen! »Master Keigo?«, ertönte eine leise, höfliche Stimme hinter ihm. »Was?«, fuhr er seinen Bediensteten an, der sich vor ihm verbeugt hatte. Wie konnte er es wagen, Atobe Keigo in seinen tiefschürfenden Gedanken zu stören? »Verzeihung! Aber Sie haben Besuch. Ein junger Mann namens Sanada Gen–« »WAS? Wieso hast du das nicht eher gesagt? Wo ist er? Jetzt kriegt er was zu hören! Wie kann er es wagen, ore-sama…« Atobe stapfte quer durchs Haus, entschlossen Sanada mit seinem bescheuerten Cappi die Meinung zu sagen, über seine psychopathisch lächelnde Ehefrau, über das vergeigte Trainingsmatch, über seinen miesen Haarschnitt und ihr ausstehendes Match, das er so ungeschoren unentschieden einfach nicht hinnehmen konnte! Doch sein Sermon verstummte, als er Sanada wie eine Statue in der Eingangshalle stehen sah. Der Vize-Kapitän von Rikkaidai trug diesmal nicht seine hässliche Kopfbedeckung, sah ansonsten aber selbstredend unheimlich abscheulich aus. Tatsächlich wirkte er etwas verloren in dieser großen Halle. Kein Wunder. Seine Präsenz konnten einen solch großen Raum natürlich bei weitem nicht so gut füllen, wie es bei Atobe der Fall war. Atobe blieb abrupt stehen und starrte auf den ziemlich scheußlichen Strauß selbstgerupfter Blumen an, den Sanada in der Hand hielt. Als er Atobe entdeckte, zog sich einer seiner Mundwinkel ein klein wenig nach oben und er nickte steif. »Atobe.« Er starrte seinen Gast weiterhin an. Sanada hatte ihm Blumen gebracht. Geschmackloses, gelbes Kraut ohne jeglichen künstlerischen Wert. Sein Herz fing an überraschend schnell zu schlagen. »Du hast nur eine Badehose an«, informierte Sanada ihn, als Atobe nichts sagte, weil er in Gedanken damit beschäftigt war sich zu fragen, wieso sein Herz vollkommen durchdrehte. Vielleicht hatte Sanada es jetzt endlich geschafft: Atobe würde jung einen Herzinfarkt bekommen und sterben. Immerhin blieb ihm der Trost, dass er auch dabei noch umwerfend aussehen würde. »Ich weiß. Ore-sama lag am Pool«, gab er zurück und stellte verärgert fest, dass es ihm nicht gelang, seiner Stimme den üblichen, überheblichen Ton zu verleihen. Sanada machte ein paar Schritte auf ihn zu und hielt ihm ungelenk die Blumen hin. Atobe griff danach. »Blumen«, sagte er langsam. Sanada nickte. Atobe war sich ziemlich sicher, dass ein leichter Rotton den Hals des Vize-Kapitäns hinauf kroch. Das tätschelte gleichzeitig sein Ego und ließ sein Herz noch etwas mehr schlagen. »Ja. Weil du verletzt bist«, erklärte Sanada unnötigerweise und sie standen einige Augenblicke schweigend und peinlich berührt in der Eingangshalle herum, bevor Atobe einfiel, dass er niemals peinlich berührt war und die Stille sich am besten mit seiner wunderbaren Stimme füllen ließ. »Willst du einen Cocktail?«, fragte er mit einer galanten Bewegung seiner unverletzten Hand, die immer noch die scheußlichen Blumen hielt. »Mit Alkohol?«, fragte Sanada verwirrt und Atobe verdrehte die Augen. »Natürlich nicht.« »Ok. Dann… ja.« Sanada sah aus, als hätte er noch nie seinem Leben einen Cocktail getrunken, so verwirrt und misstrauisch blickte er drein. Atobe schüttelte seinen Kopf, sodass sein perfekt gestyltes Haar ihm ins Gesicht fiel und er schnipste mit den Fingern. Sofort stand einer seiner Bediensteten neben ihm. »Einen Cocktail für ore-samas Gast. Und einen zweiten Liegestuhl«, sagte er und schritt dann Sanada voran durch das riesige Anwesen, hinaus in den Garten und auf seinen Liegestuhl zu. Der Liegestuhl wurde in diesem Moment neben Atobes Stuhl gebracht. »Stell die in eine Vase«, wies er den Bediensteten an und reichte ihm die Blumen. Sanada hatte ihm Blumen geschenkt. Atobes Herz hatte sich immer noch nicht beruhigt und langsam wurde er wieder wütend deswegen. »Also, was führt dich her?«, fragte er so herablassend wie möglich, nachdem er sich niedergelassen hatte und Sanada dabei beobachtete, wie er sich ebenfalls setzte. So vorsichtig, als könnte der Stuhl unter ihm wegbrechen. Seine scharfen Augen ruhten auf Atobes Verband. »Deine Verletzung«, erklärte Sanada kurz angebunden und löste seinen Blick von dem Verband, um ihn stattdessen auf Atobes Gesicht zu richten. Normalerweise mochte Atobe es, wenn alle Blicke auf ihn gerichtet waren. Aber im Moment machten ihn diese durchdringenden Augen unruhig. »Achso. Es ist nichts weiter«, sagte er mit einer wegwerfenden Handbewegung. Eigentlich hatte er sich laut und lange über Yukimura ereifern wollen. Aber aus irgendeinem Grund klappte es gerade nicht. »Ich habe schon mit Seiichi darüber gesprochen, dass sein Verhalten ausgesprochen unsportlich war. Aber er war nicht besonders einsichtig.« Sanada sah darüber zerknirscht aus. Atobe jedoch konnte sich nicht so recht darüber freuen, denn er war sauer darüber, dass Sanada Rikkaidais Wischmopp beim Vornamen nannte. Vermutlich waren die beiden bereits heimlich verheiratet. »Ore-samas Handgelenk ist nicht dein Problem«, sagte Atobe und sah zu, wie Sanada seinen Cocktail entgegennahm und prüfend daran roch. Als würde Atobe ihn vergiften. Unsinn. Yukimura, den würde er vergiften, wenn er die Gelegenheit dazu hätte. Atobe schnappte mit seinen Lippen nach dem Strohhalm seines eigenen Cocktails und schlürfte so genüsslich wie möglich daran. Er würde sich von nichts und niemandem seinen Cocktail vermiesen lassen. Als er aufsah, bemerkte er, dass Sanada ihn musterte. Seine Augen hingen ganz eindeutig an dem Strohhalm zwischen Atobes Lippen und mit einem plötzlich Schwung hervorragender Laune kam Atobe der geniale Gedanke, dass Sanadas Schwachstelle vielleicht all die Zeit direkt vor seiner Nase gewesen war und er es bislang einfach nicht bemerkt hatte. Mit großem Genuss und diebischem Vergnügen widmete er seine Aufmerksamkeit dem Strohhalm in seinem Glas und fuhr währenddessen mit dem Zeigefinger um den Zuckerrand des Glases. Der Strohhalm wurde entlassen und durch seinen Finger ersetzt. Und ja, ganz klar: Sanadas Wangen färbten sich rot. Das war ja noch viel besser als ein Sieg gegen Rikkaidai! Atobe triumphierte. Er hatte gewonnen. Er hatte es geschafft und die Schwachstelle des vermeintlich perfekten Samurai von Rikkaidai herausgefunden. Es wunderte ihn, dass er noch nicht früher darauf gekommen war, immerhin war es naheliegend, dass die Menschen in seiner Umgebung von Atobes Perfektion vollkommen eingenommen waren… Aber er war in den letzten Tagen einfach zu gestresst gewesen. Das erklärte auch, wieso Yukimura ihn mit seinen Blicken hatte erdolchen wollen. Er war eifersüchtig. Eifersüchtig, weil er wusste, dass Sanada Atobe unwiderstehlich fand. Ha! Der Wischmopp mochte das Spiel gewonnen haben. Aber Sanada bekam er nicht! »Also, du bringst ore-sama Blumen, weil du dir Sorgen um ore-sama machst«, schnurrte Atobe zufrieden mit sich und der Welt. Selbst der hässliche Verband und Sanadas abscheuliche Frisur konnten seine Stimmung nun nicht mehr trüben. »So in etwa«, sagte Sanada und er klang eindeutig heiser. Atobe feierte den Umstand, dass er nur eine Badeshorts trug und streckte sich genüsslich auf seinem Liegestuhl aus. Sanada sah wirklich sehr steif aus, wie er da saß und ihn anstarrte. Atobe konnte es ihm nicht verübeln. Er sah nun einmal umwerfend aus. Es war eben nicht jedem gegeben, mit so einem makellosen Körper auf die Welt zu kommen. Unweigerlich musste er an die Bilder des Privatdetektivs denken, auf denen Sanada mit freiem Oberkörper zu sehen gewesen war. Zugegeben, Sanada sah nicht schlecht aus. Eigentlich fand Atobe ihn recht ansehnlich, wenn er sich die dämliche Frisur des anderen wegdachte. Sanada räusperte sich. »Und wie lang wird es dauern, bis du wieder spielen kannst?«, wollte er wissen und wandte den Blick von Atobe ab. Atobe grinste breit. Sein Charme ließ ihn eben nie im Stich. Er stellte sein Cocktailglas beiseite und erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung. Sanada Genichirou zum Schwitzen und in Verlegen zu bringen, das würde er sich eindeutig zum neuen Ziel erklären. So viel stand fest. »Dank ore-samas hervorragenden körperlichen Konstitution sollte es nicht allzu lang dauern«, gab er bereitwillig zur Auskunft und setzte sich kurzerhand neben Sanada auf den Liegestuhl. Sanada blickte irritiert drein und er hielt den Cocktail so fest in der Hand, dass es aussah, als würde er jeden Augenblick das Glas zerbrechen. »Du wirkst ein wenig nervös, Sanada. Alles in Ordnung?«, fragte Atobe bestens gelaunt und spürte, wie seine Schulter die seines Gasts berührte. Sanadas Adamsapfel bewegte sich unübersehbar, als er schluckte. Dann stellte er seinen Cocktail ins Gras, wandte Atobe das Gesicht zu, gab ein kurzer, merkwürdig knurrendes Geräusch von sich beugte sich vor, um seine Lippen auf die von Atobe zu drücken. Das überraschte Geräusch, das Atobe von sich gab, konnte selbstredend nur als elegant und sexy beschrieben werden, doch die Tatsache, dass Sanada küsste wie ein junger Gott, der in seiner Freizeit nichts anderes tat, – etwas, das Atobe Dank des Privatdetektivs besser wusste – das überraschte ihn tatsächlich. Er wollte die Oberhand zurückgewinnen und seinen ursprünglichen Plan weiterführen, doch die rauen Hände auf seinen makellosen Wangen und die Zunge, die recht fordernd mit seiner eigenen Zunge kämpfte, brachten seine eiserne Gelassenheit ins Wanken. Als Sanada sich von ihm löste, die Wangen rot und die Augen glasig, schluckte Atobe und räusperte sich. Es kostete ihn nur eine Sekunde, um sein übliches, umwerfendes Lächeln zurück zu bringen. »So. Ich nehme an, dass du tatsächlich doch eine Schwachstelle hast«, schnurrte er und beobachtete mit diebischem Vergnügen den immer dunkler werdenden Rotton auf Sanadas Gesicht. »Ich denke, das kann ich zurückgeben«, kam es heiser und durch zusammengepresste Zähne. Atobe blinzelte und winkte ab. »Ore-sama hat keine Schwäche«, erklärte er herablassend. Was für eine absurde Behauptung. Sanada schaute ihn einen Moment lang steinern an, dann stand er auf. »Gut, dann kann ich ja gehen«, verkündete er. Atobes Lächeln flackerte. So hatte er sich das nicht vorgestellt! Er wollte sehr dringend dort weitermachen, wo sie gerade aufgehört hatten! »Was? Nein!« Sanada hob eine seiner empörend ungezupften Augenbrauen und blickte zu ihm herab. »Wenn du keine Schwäche für irgendjemanden hast, dann brauche ich meine Zeit ja nicht mehr zu vergeuden«, erklärte Sanada scheinbar ungerührt und machte sich tatsächlich auf den Weg durch den Garten und aufs Haus zu. Atobe war entsetzt. Wie konnte dieser Armleuchter es wagen, ihn dermaßen in Frage zu stellen? Atobe folgte seinem Gast, packte Sanada an den Schultern und drehte ihn zu sich herum. »Du gehst nirgendwohin!«, zischte er mit dem autoritärsten Ton, den er aufbringen konnte. Er küsste Sanada erneut und stellte zufrieden fest, dass sein Gegenüber es nur für etwa eine halbe Sekunde schaffte, stocksteif stehen zu bleiben. Dann schlangen sich überraschend kräftige Arme um ich und hoben ihn beinahe vom Rasen. Atobe verfluchte einen winzigen Augenblick lang die Tatsache, dass er kleiner war als Sanada, doch dann fand er sich gegen die Hauswand gedrückt wieder, eine Hand auf seinem nackten Oberkörper, die andere an seiner Wange. Nun, eventuell hatte er eine winzig kleine Schwäche für Sanada. Kaum nennenswert. Aber das musste er ja nicht laut sagen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)