Der König der Löwen von Izruo (Wir sind Eins) ================================================================================ Schatten der Vergangenheit -------------------------- Alte Feinde Die heißen Mittagsstunden waren gerade vorüber, als Simba mit Kopa und Nuka im Gefolge vom Königsfelsen herabstieg. »Wo geht's diesmal hin?«, fragte Nuka in seinem gewohnt desinteressierten Tonfall. Simba schaute nur kurz zurück, dann sprang er vom letzten Felsen hinunter ins Gras. »Folgt mir einfach.« Die beiden Jungs wechselten einen kurzen Blick. »Scheint etwas Wichtiges zu sein«, vermutete Kopa. Unter ständigem Aufblicken in den teils bewölkten Himmel führte Simba sie zunächst unter der Steinbrücke hindurch und anschließend zur Rückseite des Königsfelsens. Dort bog er ab und schritt geradewegs in die südliche Savanne hinaus. Kopa hatte dieses Gebiet schon oft von der Spitze des Königsfelsens aus überblickt. Vor ihnen bahnte sich der Große Fluss seinen Weg durch eine tiefe Schlucht, von wo aus er am Elefantenfriedhof vorbei und anschließend aus dem Geweihten Land heraus floss. Nicht weit rechts von ihnen müsste die Narbe, die das Feuer vor einigen Monden hinterlassen hatte, direkt auf den Fluss zuführen. Aber allzu weit kamen sie nicht. Die Schlucht war gerade erst als schmaler, dunkler Streifen zu erkennen, als von links ein blaugefiederter Vogel in elegant gleitendem Sinkflug direkt auf sie zuheilt. Simba hatte ihn schnell bemerkt und blieb stehen. Zazu kreiste einmal über ihren Köpfen und landete kurz danach auf einer kleinen Anhöhe, wo das Savannengras nicht allzu hoch wuchs. »Eure Majestät«, begrüßte er Simba mit einer tiefen Verbeugung. »Prinz Kopa.« Auch ihm gegenüber deutete der Nashornvogel eine Verbeugung an. »Guten Tag, Zazu«, erwiderte Simba. »Was gibt es zu berichten?« »Wie es aussieht, hat Nala das Geweihte Land verlassen, um ihre Jungen zur Welt zu bringen.« Simba tat dies mit einem gelassenen Nicken ab, besonders zu überraschen schien es ihn jedenfalls nicht. Zazu fuhr daraufhin fort: »Der neuerliche Regen lässt das Geweihte Land aufgehen, wie ich es schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen habe. Bald wird alles wieder so sein wie früher«, trotz seiner Worte wirkte der Nashornvogel alles andere als glücklich, »leider mehr als uns lieb ist.« »Was soll das heißen?« »Hyänen haben wieder im Geweihten Land gejagt.« »Dann muss ich sie vertreiben ... oder du fliegst weiter zum Königsfelsen und – Moment, sie haben gejagt?« »In der Tat, Sire. Eine Herde Antilopen hat das schon erledigt. Sie und einige andere Tiere haben sich direkt gegenüber dem Elefantenfriedhof versammelt.« »Sie haben was? Ich muss sofort dorthin.« Simba warf nur einen kurzen Blick auf die Jungs, bevor er losstürmte. Über die Schulter rief er noch zurück, dass Zazu die beiden nach Hause bringen solle. Mit lautem Zischen schossen in regelmäßigen Abständen grüne Rauchsäulen empor und der salzig-ätzende Geruch vermischte sich mit dem Gestank nach Aas, der sowieso schon in der Luft hing. »Bitte, versucht, Ruhe zu bewahren.« Dieser Ort lag so weit in den Tiefen des Elefantenfriedhofs, dass selbst Shenzi nicht ganz wohl dabei war. Aber es musste hier geschehen, denn diese unwirkliche Bedrohlichkeit gab den anwesenden Hyänen ein Gefühl von Zusammenhalt. Als sie den Blick über ihre Artgenossen schweifen ließ, erkannte Shenzi eine Hyäne, die am Rande der Versammlung lag. Seine linke Flanke durchzogen zwei lange senkrechte Wunden, aus denen noch immer ein wenig Blut tropfte. Höchstwahrscheinlich hatte irgendetwas Gehörntes sie ihm beigebracht. »Was ist mit dir passiert?« »Er war jagen, drüben im Geweihten Land«, entgegnete eine Hyäne, die daneben stand. »Tagsüber? Was hast du dir dabei gedacht?« »Es war nur ein Savannenhase«, verteidigte sich der Verwundete und wich offensichtlich Shenzis Blick aus. »Das Vieh saß einfach am anderen Flussufer und hat mich angestarrt. Aber nicht mit mir. Ich bin rüber zum Baumstamm und auf die andere Seite, aber als ich dann dort war, stand da eine ganze Herde Antilopen.« »Moment mal! Sie waren hier am Fluss?« Mit dem Beginn der Großen Regenzeit waren die Bewohner des Geweihten Landes nicht mehr auf Wasser aus dem Fluss angewiesen. Schon seit Tagen war die Gegend um den Elefantenfriedhof deshalb vollkommen leer. »Ich hatte das Gefühl, dass sie mich erwartet haben.« »Das macht das Ganze weitaus weniger kompliziert.« Shenzi wandte sich von der Verletzten Hyäne ab und wieder der vollen Versammlung zu. »Wie es aussieht, arbeiten die Tiere im Geweihten Land nun gemeinsam gegen uns. Wir können uns nicht einmal mehr einen Savannenhasen schnappen, ohne zu riskieren, die Aufmerksamkeit von sonst etwas auf uns zu lenken – vielleicht sogar Löwen.« Gerade auf die letzte Bemerkung ging ein besorgtes Raunen durch die Menge. Manche trugen es mit Fassung, während andere nervös um sich schauten, so als könnte hier und jetzt ein ganzes Löwenrudel auf sie einfallen. »Was sollen wir tun?«, fragte ein ungewöhnlich großes Männchen in ruhigem Ton. »Wir müssen uns verbünden«, antwortete Shenzi entschlossen. »So haben wir schon einmal das Geweihte Land eingenommen und wir können es wieder tun.« Die Versammlung reagierte mit einigen Aufschreien. »Und wer soll uns anführen?« »Niemals!« »Shenzi?« »Das Ende naht!« »Chungu!« Kinderspiel Die allmählich sinkende Sonne wärmte Zazus Rücken angenehm auf, während er über den heimkehrenden Jungs dahinglitt. Ab und an ließ er sich etwas herabsacken, um in die etwas frischere Luft über dem Boden einzutauchen. Als sie sich dem Durchgang unter der Steinbrücke näherten, beschleunigte Nuka seinen Schritt, hängte Kopa ab und begann mit dem Aufstieg. Unterdessen hatte Zazus geübtes Auge eine weitere Bewegung wahrgenommen. Gleichzeitig wusste er aber auch, dass sich kein Tier so nah an den Königsfelsen herantrauen würde, solange kein zeremonieller Friede herrschte. Ohne weitere Bedenken segelte er deshalb über die Felsterasse hinweg und glitt über den sanft abfallenden Liegeplätzen dahinter in einer eleganten Kurve herab. Obwohl das Manöver nur einige Augenblicke gedauert hatte, so hatte sich die Situation gründlich verändert. Kopa war nun nicht mehr auf den Beinen, sondern lag auf dem Rücken am Boden, während Vitani beide Vorderpfoten auf seine Brust stemmte. »Hab’ ich dich!« »Musst du dich denn immer anschleichen?« Auf einmal schnappte Kopa nach ihrem Bein. Vitani quiekte überrascht auf und ging gleich darauf ebenfalls zu Boden, wo die beiden allerdings nicht so schnell wieder voneinander abließen. »Ach wisst ihr, ihr erinnert mich an Simba und Nala – wie sie vor langer Zeit mal waren«, sagte Zazu, während er noch sein Gefieder ordnete. »Und sieh' sich einer an, was aus ihnen geworden ist!« »Moment mal ...«, rief Vitani und ließ Kopa einfach links liegen. Aber auch der hatte was zu melden: »Zazu, du meinst doch nicht etwa, dass wir – nein, das geht nicht!« »Aber natürlich, ihr seid –« »– nur Freunde«, fiel ihm Vitani ins Wort. »Genau«, bestätigte Kopa. »Ich meine, ich könnte niemals –« Er verstummte, als er merkte, dass Vitani seinem Gesicht auf einmal gefährlich nahe war. »Was könntest du nicht?« Schon wieder raschelte es im Gras, aber derjenige war weniger vorsichtig, sodass selbst Vitani ihr Wortgefecht mit Kopa vergaß und in die entsprechende Richtung sah. »Wie konntest du sie nur verlieren?« »Ich? das warst du!« »Timon, Pumbaa!« Zazu entging nicht, dass nur Kopa die beiden begrüßte. »Und, was habt ihr gerade gemacht?« Wenn sie ihre Pflicht als Aufpasser vernachlässigt hatten, würde er sie nicht so einfach davonkommen lassen. »Wir ... also ... ähm ...« »Tut mir Leid, dass ich weggelaufen bin«, meinte Vitani. »Aber ich brauche doch auch keine Babysitter! Was soll schon passieren?« »Das Geweihte Land ist nicht so sicher, wie du vielleicht denkst«, entgegnete Zazu. Kopa flüsterte Vitani etwas ins Ohr und dachte anscheinend nicht daran, dass Zazu ihn trotzdem problemlos verstehen konnte: ›Hyänen.‹ »Nein, es ist mehr als das, junger Prinz. Aber zum Glück ist es nicht meine Aufgabe, dir das zu erklären.« »Es hat auf jeden Fall nichts mit deinem Vater zu tun«, versuchte Timon sie zu beruhigen. Doch Vitani stutzte erst einmal. »Mein Vater? Was ist denn mit ihm?« »Du weißt also gar nicht, was er getan hat«, stellte Pumbaa fest. »Und das ist auch gut so«, fügte Zazu hinzu. »Um manche Dinge zu hören, muss man alt genug sein, aber das ... ich würde am liebsten nie mehr darüber reden.« »Was? Das kann nicht sein!« Wie es aussah, würde Vitani ihren Vater bis aufs Letzte verteidigen. »Er war doch immer so lieb zu Mutter.« »Warte mal, ich dachte du wurdest erst geboren, nachdem Zira gegangen ist.« »Das ist ja auch normal.« »Nein, du verstehst nicht ... wie denn auch, du kannst es ja gar nicht wissen.« »Was kann ich nicht wissen?« Diesmal wirkte Vitani viel weniger bedrohlich als eben noch Kopa gegenüber. »Vergiss es. Vergiss, was ich über Chumvi gesagt habe, er ist ein guter Löwe.« »Und wer soll uns anführen?« »Niemals!« »Shenzi?« »Das Ende naht!« »Chungu!« Die Hyäne, die schon zuvor das Wort ergriffen hatte, drehte kurz den Kopf in die Richtung, aus der der Vorschlag gekommen war, und sah dann wieder Shenzi an. »Ja, vielleicht ist es besser, wenn diesmal mehr als nur einer über unser Schicksal entscheidet. Du hast beschlossen, dass wir uns zusammentun und ich werde uns alle leiten.« So schnell und unbemerkt wie nur irgendwie möglich versuchte Shenzi, ihre Lage abzuschätzen. War es klug, einen Streit anzufangen? Diese Wendung könnte für sie von großem Vorteil aber genauso gut auch von Nachteil sein. Chungu überragte sie um einiges – im Stehen würde sie niemals seinen Nacken zu fassen bekommen und auch sein Hals lag fast außer Reichweite. Dafür hatte er aber nicht ihre kräftige Statue, wenn sie ihm also nahe genug kommen würde ... Doch wie sie es auch drehte, er war zumindest in der Lage, sie zu besiegen und vor der vollen Versammlung war das schon Grund genug, sich zurückzuhalten. »Asante!«, rief sie, ohne sich von Chungu abzuwenden. Erst als die Kleine neben ihr stand, sah Shenzi hinunter. »Erzähl' allen, was sie wissen wollen.« Anschließend beugte sie sich herab und flüsterte Asante etwas ins Ohr. Die nickte kurz und richtete ihren Blick auf die Hyänen um sie herum. Es dauerte kaum einen Augenblick, bis die erste Frage aufkam: »Bist du Shenzis Tochter?« »Ich weiß nicht, wer meine Eltern sind.« Die Kleine schien das nicht zu bedauern. »Shenzi ist die erste, an die ich mich erinnern kann.« Chungus Ohren zuckten ein wenig, als er das hörte. »Dann hat sie dich also großgezogen?« »Ich kann auf mich selbst aufpassen. Ich kenne mich schon überall hier aus.« »So ganz ohne Aufpasser? Wow!« Shenzi, deren Aufmerksamkeit die ganze Zeit Chungu gegolten hatte, blickte kurz zu Asante herab und neigte fast unmerklich den Kopf. »Aber jetzt würde ich gern mehr über das Geweihte Land herausfinden!« Auf den unvermittelten Themenwechsel hin zog sich ein überraschtes Raunen durch die Menge. Nun hatte Asante die Aufmerksamkeit jeder anwesenden Hyäne. »Der Elefantenfriedhof ist ja ganz interessant, aber da drüben ist es viel schöner. Irgendwann möchte ich einmal dort leben, zusammen mit all den anderen Tieren.« »Shenzi«, Chungu verengte die Augen, »hast du ihr das in den Kopf gesetzt?« »Nein, sie meinte, das wird nicht passieren«, entgegnete allerdings Asante selbst und die Menge reagierte mit allseitigem Gemurmel. »Danke dir, ich denke das reicht.« Shenzi drückte mit dem Kopf sanft gegen ihre Flanke, worauf Asante sich in Bewegung setzte und die ganze Versammlung beobachtete, wie sie auf den schmalen Pfad zuhielt, der aus der Senke hinauf zum lichteren Teil des Elefantenfriedhofs führte. Sobald sie oben nicht mehr zu sehen war, ergriff Chungu wieder das Wort: »Weiß sie, was das bedeutet?« »Nein«, antwortete Shenzi, »aber du ... und auch jeder andere hier. Trotzdem verspüren wir alle denselben Wunsch, zu dem auch Asante ohne irgendwelches Zutun gekommen ist.« »Du sagst es: Ein Wunsch – Wunschdenken! Wir können nicht einfach ins Geweihte Land einfallen, jedes einzelne Tier dort wäre gegen uns.« »Das Problem haben wir ja jetzt schon.« »Also sollten wir jeden offenen Konflikt meiden!« »Keine Sorge, ich habe einen Plan.« Überzeugungsarbeit »So und jetzt versuch mal, dich zu befreien.« Mit gerademal einer Pfote hatte Tojo eines von Mheetus Vorderbeinen so am Boden fixiert, dass der sich nicht wieder aufrichten konnte. Aber auf einmal erregte etwas anderes seine Aufmerksamkeit. Hatte er da etwas im Gras gesehen? »Ist ja gut, du kannst mich loslassen!« »Oh, entschuldige.« »So viel zu deinen eigenen Ratschlägen«, meckerte Mheetu und setzte sich auf, um sein Bein zu betrachten, »den Blick kann man abwenden, aber die Gedanken müssen immer beim Gegner sein.« »Wir kämpfen nicht«, entgegnete Tojo nur und sah gleich wieder auf, aber es war bereits zu spät. »Hey, was macht ihr beiden denn hier?« »Hallo Tama«, rief Mheetu. Die nickte kurz und sah Tojo fragend an. »Ich bringe ihm bei, während dem Kampf aufmerksam zu sein.« »Ah, na dann ... klasse Beispiel!« Damit konnte Tojo auf Anhieb nichts anfangen und sah zurück zu Mheetu, doch der hatte bereits einen verlegenen Gesichtsausdruck aufgesetzt. »Tut mir Leid.« »Was –?« Da konnte Tama nicht mehr an sich halten und brach in Gelächter aus: »Ich meine ja nur ... du hast mich nämlich nicht bemerkt.« »Das wäre auch zu viel verlangt«, erwiderte Tojo allerdings. »Du bist zu gut.« Sobald sie sich beruhigt hatte, trat Tama ganz zu den beiden heran. »Nun, dann musst du dir für mich wohl eine besondere Strategie einfallen lassen.« »Mheetu, wir sind dann fertig«, sagte Tojo. »Du kannst gehen, wohin du willst.« »Schon klar«, entgegnete der, konnte ein leichtes Zucken seines Mundwinkels aber nicht vermeiden. »Diese „besondere Strategie“ funktioniert nur, wenn ihr beiden allein seid.« »Was? ... Nein! Was auch immer du denken magst, es stimmt nicht.« Mheetu antwortete nicht, sondern grinste noch einmal Tama an, bevor er im hohen Savannengras verschwand. »Warum interessiert sich jeder so für uns?«, fragte Tojo frei heraus. »Warum lässt du sie nicht einfach reden«, antwortete Tama. »Es ändert doch sowieso nichts.« Sie beobachtete Tojo einen Moment lang, während er zum Königsfelsen sah. »Warum hast du ihn eigentlich weggeschickt?« »Ich wollte allein mit dir sein ... aus einem anderen Grund«, fügte er noch schnell hinzu. »Weißt du, manchmal habe ich die Hoffnung, dich allmählich zu verstehen, aber irgendwie überraschst du mich immer wieder aufs Neue.« »Es geht nicht um mich. Heute Morgen habe ich Nala getroffen. Sie hat das Geweihte Land schon verlassen und wird bald ihre Kinder kriegen.« Tamas Kopf zuckte ein gutes Stück zurück. »Schön für sie.« »Es ist doch nicht falsch, sich für sie zu freuen!« Tojo zögerte einen Moment, aber anscheinend wartete sie darauf, dass er fortfuhr. »Na ja ... wie war die Jagd?« »Miserabel. Von hungrigen Jägerinnen kann man nicht erwarten, jeden Abend etwas im Schlamm zu fangen.« »Das ist nun einmal deine Aufgabe ... wobei ihr nicht jeden Abend etwas fangen müsst, selbstverständlich«, fügte er noch schnell hinzu, als Tama schon das Maul aufriss. »Ich weiß ganz genau, was meine Aufgabe ist«, entgegnete sie jedoch. »Das glaube ich dir. Aber ich denke auch, dass du daran zweifelst, dass du es schaffen kannst.« Erst kam gar keine Reaktion, dann öffnete sie ein paar Mal das Maul und schließlich fand Tama die Worte, die sie anscheinend gesucht hatte: »Da bin ich wohl nicht die einzige. Wenn das so weitergeht, sind die anderen Löwinnen ohne mich besser dran.« »Nein, sag' sowas nicht.« »Wer glaubt denn noch an mich?« »Ich tue es!« »Aha.« Tama legte den Kopf schief. »Warum?« »Es ist wegen Sarabi, nicht wahr? Du fühlst dich ohne sie unsicher.« »Weil ich genau weiß, dass ich nie so gut sein werde wie sie.« Tama sah hinüber zum Königsfelsen, dessen Flanken im Sonnenlicht glänzten. »Ich meine, sie hat mir so viel beigebracht.« »Und du hast mir so viel beigebracht.« Tojo wandte den Blick nicht von ihr, auch wenn sie den Kopf von ihm weggedreht hatte. »Hast du das denn schon vergessen?« »Nein, aber –« »Kein Aber! Das war dein Verdienst, dass ich Siri in die Falle locken konnte.« Tama sah ihn wieder direkt an. »Trotzdem warst du derjenige, der es getan hat.« »Mit deiner Hilfe.« Jetzt legte Tojo den Kopf schief. »Unser Verdienst?« »Damit kann ich leben.« Einen Moment lang glaubte Tojo, sie lächeln zu sehen. »Aber was soll ich dann heute Abend tun? Nichts gegen dich, aber die ganze Jagdgruppe ist etwas komplizierter zu handhaben.« »Hol' dir Hilfe. Bei mir hat es funktioniert.« »Das würde ich ja, aber Sarabi ist tot.« Nun blickte Tojo hinüber zum Königsfelsen. »Sarafina weiß Bescheid.« »Sarafina? Sie war doch nie Leitlöwin.« »Aber sie hat schon im Regen gejagt. Sie kann dir helfen, glaub mir.« »Ich soll also einfach zu ihr gehen und sie um Hilfe bitten? Das passt nicht.« Das Argument hatte Tojo eigentlich schon die ganze Zeit erwartet. »Ich weiß, dass es schwer ist, aber du musst daran denken, für wen du es tust. Es geht hier um uns alle.« Tama nickte zwar, schien aber immer noch zu zögern. »Bitte.« Genau in dem Moment ging ihr merklich ein Licht auf. Sie blinzelte Tojo an und nickte noch etwas kräftiger. »In Ordnung. Ich tue es für dich.« »Hauptsache wir haben heute Abend etwas zu essen«, entgegnete der mit einem verstohlenen Grinsen. Es schien zu funktionieren, auch Tamas Miene hellte sich wesentlich auf. Sie sah zu Boden, während sie auf ihn zuging und drückte anschließend den Kopf unter sein Kinn. »Danke.« Aber bevor er irgendwie wieder zu Wort kommen konnte, war sie schon in Richtung Königsfelsen davongeeilt. Väter Etwas dumpf klang der Radau, den die beiden anderen weiter unten veranstalteten. Er erhaschte noch einen kurzen Blick auf Zazu, der ihm flach entgegenkam, sah ihm aber nicht nach. Zwar wusste Nuka nicht wirklich, was er hier oben tun sollte, als er an den Liegeplätzen vorbei weiter den Königsfelsen hinaufstieg, aber das war in letzter Zeit nicht ungewöhnlich. Auf der Felsterasse angekommen schritt er quer darüber, setzte sich an den Rand auf der anderen Seite und schaute in die südliche Savanne hinaus. Es dauerte eine Weile, bis er die Stelle wiedergefunden hatte, wo ihr morgendlicher Ausflug beendet worden war. Gleich daneben erkannte er die Anhöhe, auf der Zazu gelandet war, aber nichts deutete jetzt noch darauf hin. Nuka ließ den Blick langsam die Schlucht in der Ferne entlangwandern. Von hier aus war sie nur ein dunkler Streifen, der sich quer durch die Landschaft zog und sich dann in einem Abhang verlor. Direkt dahinter lag der Elefantenfriedhof - etwas tiefer als das Geweihte Land. Zwar war Nuka noch nie da gewesen, aber er hatte gehört, dass dort alles ausgetrocknet sei, obwohl der Große Fluss direkt daran vorbeiführte. »Irgendwann schaue ich mir das mal an.« »Was?« Chumvi saß gleich neben ihm. »Ich meine ja nur, vielleicht können wir es zusammen tun.« »Wie ...?« »Nicht schlimm. Ich kann verstehen, dass du deinen richtigen Vater noch vermisst.« »Mein richtiger Vater?« Klasse! Da hatte Chumvi ihm schon eine Ausrede geboten, aber er selbst war zu überrascht von dem Thema gewesen, als dass er sich hätte im Griff halten können. »Ja. Ich dachte, du denkst an ihn.« Chumvi schien ihm allerdings kein bisschen böse zu sein. »Weißt du, es heißt, er hat sich auch sehr für die Schlucht und den Fluss interessiert.« Nuka dachte schnell nach, irgendetwas musste er jetzt sagen. Trotzdem ging ihm sein Vater nicht mehr aus dem Kopf - die alte Zeit, bevor das Wasserloch ... »Gut, ich erzähle es dir.« Chumvi lächelte erleichtert, blieb ansonsten aber ruhig. »Wie konnte das Wasserloch eigentlich austrocknen?« Als Chumvi etwas verwirrt dreinblickte, fügte er noch hinzu: »Darüber habe ich nachgedacht.« »Ach so. Nun, es hat nicht geregnet ... mehrere Monde lang.« »Aber völlig. Ich meine, die letzten Reste hat ja keiner mehr getrunken, weil alle schon woanders gesucht haben. Also irgendwo muss dieses Wasser hin sein.« Er sah wieder hinunter in die Ebene. »Vielleicht gibt es eine Verbindung zum Großen Fluss.« »Das wäre denkbar ... Aber ich kann es mir nicht vorstellen, ansonsten hätte sie wohl schon irgendwer gefunden.« »Und wenn es unter dem Boden fließt? Der Große Fluss tut das ja auch.« »So eine Schlucht ist ja noch auffälliger.« Nuka wollte gerade Luft holen, da hatte Chumvi es schon verstanden. »Es sei denn, es ist eine Höhle!« »Ja, genau.« »Gut, wir suchen danach. Ich denke, das ist genau das Richtige.« »Das Richtige?« »Für uns beide. Ich habe nicht vor, deinen Vater zu ersetzen, aber bis deine Mutter wiederkommt, möchte ich, dass wir uns verstehen.« Chumvi stupste ihn mit der Pfote an, als Nuka nicht gleich reagierte. »Das klappt aber nur, wenn wir beide daran arbeiten.« Nuka nickte nur kurz, aber anscheinend hatte Chumvi das nicht bemerkt. »Denk’ doch mal so darüber: Wir tun es für sie. Was glaubst du, wie sich deine Mutter freuen wird, wenn sie wieder da ist?« »Gar nicht. Sie interessiert sich sowieso nicht für mich.« Er traute sich nicht, aufzusehen. »Ist es wirklich so schlimm« ... »Glaub mir, sie hat einen guten Grund dafür.« Das war jetzt doch zu interessant. Nuka hob den Kopf. »Lass uns darüber reden. Das soll mein erster Schritt sein.« Aber irgendwie hatte Nuka so seine Zweifel an dieser Sache. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)