boon & bane von Mamura (BL - Izaya x Kida) ================================================================================ Edelstahl --------- Ich lag unter der Decke und bewegte mich nicht. Der Schlaf der letzten Stunden war weitaus erholsamer gewesen als jener der letzten Monate. Die Erleichterung erkannte ich nur langsam, sie belegte meinen Körper mit einer gleichermaßen sanften als auch betäubenden Starre. Ich versuchte auszumachen, weshalb ich wach geworden war und erkannte in jenem Moment das Fehlen der Wärmequelle hinter mir. Noch immer regungslos öffnete ich die Augen und blickte in den Raum. Die Vorhänge waren zugezogen. Das diffus hindurch tauchende Licht erfüllte das Schlafzimmer. Es war schwerlich auszumachen, wie lange ich geschlafen hatte. Vor der Kommode neben dem Bett stand Er. Meine verlorene Wärmequelle. Nackt suchte Izaya seine Unterwäsche aus der Schublade. Ich wusste, ich war der Einzige, der diesen Anblick kannte. Eine für Andere unzugängliche Seite des stets überlegenen und kontrollierenden Mannes der tausend Gesichter. Trotz seines entblößten Körpers wirkte Izaya auf mich nicht ungeschützt oder gar verletzlich. Er konnte sich nicht entspannen. Er war mit den Gedanken bereits bei der Arbeit. Wachsam – Seine Präsenz gleich einem geschärften Messer, das sowohl Gegner als auch Verbündeten ohne Widerstand durchdrang. Ich allein kannte das Gefühl, seine Haut zu berühren; Übersät von dichten, haarfeinen Narben ähnelte sie einem Schlachtfeld. Geschunden vom endlosen Kampf eines gejagten Lebens. So sehr ich mich damals über seine Unverfrorenheit und die fast spielerischen Kämpfe mit Shizuo amüsiert hatte, um so mehr kränkte mich nun jede weitere Wunde, die Izayas Körper erdulden musste. Schramme um Schramme, Kratzer um Kratzer verfestigte sich eine psychische und physische Kälte in Izaya, die mich bei jedem Wiedersehen vor einen Eisklotz stellte. Izayas tatsächlich vorhandene umsichtige Wärme befreite sich erst wieder, wenn er sich fallen ließ. Und das bedurfte Zeit. Nur bedachtsam entfesselte ich seine Hingabe, da sie mich andernfalls zügellos überfallen würde. Ich konnte meine noch müden Augen nicht von dem Anblick lösen, wie er sich dort vor mir anzog. Es brachte die Erinnerungen an den Tag zuvor wieder, an dem er all die schwarzen Klamotten achtlos von sich gerissen hatte, um die angestaute Lust loszuwerden. Drängende Menschlichkeit gefangen in einem gottgleichen Körper. Auch ich hatte lange auf diesen Moment gewartet und gebangt, dass Izaya mich nicht vergessen hatte. Dass sein Verlangen derartige Ausmaße annehmen würde, war meinem Körper jedoch äußerst fremd geworden. Gegen zwei Uhr die Nacht war ich kraftlos eingeschlafen. In seinen Armen. In der Geborgenheit, die jegliche Gefahr die von ihm ausging, zunichte machte. Ich hatte längst verdrängt, dass Izayas Nähe mir schaden könnte. Die Tage, die ich in der Stadt war, verbrachte ich fast gänzlich in seinem Loft. Wie gerne wäre ich immer hier. Sähe ihm dabei zu, wie er sich im Halbdunkel in Finsternis kleidete. Doch mir blieb nichts, außer die Stunden mit ihm in vollen Zügen zu genießen, dann aufs Land zurückzukehren, dort meine Arbeit zu tun und zu hoffen, dass er mich erneut zu sich einlud. Izaya brauchte niemanden, der ihn permanent umsorgte, beschütze oder dirigierte. Er besaß genug Puppen, die an seinen Fäden tanzten. Ich konnte nicht behaupten, dass ich die Fäden, die er damals am mich knotete, gänzlich durchschnitten hatte. Doch ich war mir mittlerweile bewusst, dass ich meine eigenen Fäden um ihn schlang. Auch wenn ich Izaya niemals vollständig besitzen konnte, gehörte mir mehr von seinem Herzen als sonst jemandem auf diesem Planeten. Er tat selten, was ich von ihm verlangte, aber ich wusste, wie ich seine Aufmerksamkeit auf mich zog und für die paar gemeinsamen Stunden, die uns blieben, an mich band. Er konnte mittlerweile vergessen, sich mir öffnen und zur Ruhe kommen. Es gab in meinem Leben nichts und niemanden, der mir derartig viel bedeutete. Izaya hatte mich gerettet, mich benutzt, mich gezeichnet und ausgesetzt; ich kehre immer wieder zu ihm zurück – ich zeige keine Scheu vor seinen Worten. Ich wachse noch immer mit seinem Handeln, ob legal oder illegal. Ich würde es mir niemals herausnehmen zu behaupten, dass dieser großartige Mann eine nichtige Persönlichkeit wie mich brauchte und doch stellte meine Anwesenheit Izaya auf eine harte Probe. Seine innere Abwehr gegen das Menschliche bröckelte. Er zeigte Zuneigung auf eine vollkommen andere Art von Worten und Taten, als ein gewöhnlicher Liebhaber. Izaya forderte, drängte, herrschte. Erst wenn wir allein waren, in der Stille seines Schlafzimmers, befreite ich mich aus seinen Fesseln und nahm ihn mit in die Ekstase. Ich hörte die Schnalle seines Gürtels klimpern. Er hatte mein Blickfeld verlassen. Mühsam wühlte ich mich aus den unzähligen Kissen seines Bettes und richtete meinen Oberkörper auf. Die Kühle des Raumes überzog meine nackte Haut und ich bedeckte mich mit der Bettdecke, während ich zu Izaya hinüber sah. Er stand mit dem Rücken zu mir und zog ein schwarzes Hemd über seine Schultern. »Guten Morgen«, sagte er mit schmeichelnden Unterton und schloss die Knöpfe seiner Manschetten. Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht und rieb den Schlaf aus meinen Augen. »Guten Morgen. Warum stehst du schon auf?«, in meinem morgendlichen Unmut klang ich unzufriedener als ich war und zog die Zudecke noch dichter an mich. Damit umschlungen wollte ich aufstehen. Unter meinen Füßen spürte ich etwas Weiches. Ich sah hinab und erkannte meine Pants. Mit den Zehen schob ich sie beiseite. Unweit erkannte ich Izayas schwarzes Longsleeve. Meine Erinnerungen spielten Szenerien nach, die mich erröten ließen. »Eine gute Frage. Vermutlich, weil es bereits nach zehn ist und ich zu tun habe," sagte Izaya ruhig. Ich erhob mich von der Matratze. Nach ein paar Schritten war ich bei ihm angekommen und beobachtete, wie seine schmalen Finger die Knöpfe des Hemdes durch die Knopflöcher drückten. Ich benötigte einige Momente bis mir auffiel, was mich an dem Anblick so irritierte. Ich ging noch einmal zurück zum Bett und nahm die zwei Edelstahlringe von meinem Nachttisch. Ich drehte das ausgekühlte Metall zwischen den Handflächen und spürte ein Kribbeln. Das Gefühl, etwas in den Händen zu halten, das Izaya jeden Tag mit sich trug, verstörte mich. Fast als wäre ich eifersüchtig auf die beiden schlichten Objekte. Für den Betrachter verkörperten sie die Macht, die Welt zu manipulieren und zu kontrollieren. Mir machten sie deutlich, weshalb ich nicht hier bleiben durfte. An Izayas Vorstellung einer perfekten Welt war ich nicht beteiligt. Im Spiel ums Überleben hatte ich verloren. Ich war eine besiegte Figur, die gerettet und versteckt wurde. Ich nahm nicht länger aktiv an jenem Kampf teil, den die beringten Hände des Königs anfachten. Izaya wartete. Geduldig. Bis ich wieder bei ihm war und seine Hände in meine nahm, um die Ringe bedächtig über seine Zeigefinger zu schieben. »Die hätte ich fast vergessen«, belächelte er mein akkurates Tun. »Hättest du nicht«, flüsterte ich, selbst mit einem schmalen Lächeln, das schnell wieder erstarb, als ich zu ihm aufsah, »Es ist Sonntag. Ich fahre heute wieder zurück. Warum musst du arbeiten?« Izaya blinzelte zwei Mal. Er atmete gedehnt aus. Er legte seine Hände an die Enden der Zudecke und strich sie langsam von meinen Schultern. Ich ließ es zu. Mein nackter Körper war die einzige Waffe, die ich besaß, Izaya für mich zu gewinnen. Mir fröstelte. Die Gänsehaut zu ignorieren war einfach. Die Sehnsucht nach ihm zu unterdrücken war nahezu unmöglich. Izaya strich durch mein Haar. Er drehte die Spitzen in den Fingern. Seufzend trat er näher an mich heran und umfasste meine Hüfte. Er küsste meinen Nacken. Es fühlte sich ersehnt an. Selbstbeherrscht, aber innig. Verloren. Fast verliebt. Diesen Gedanken zwang ich mich zu vergessen. Ich ließ Izaya nah an mich, aber niemals durfte ich vergessen, wer er war und was er imstande war zu vollbringen. Er war Erbauer und Zerstörer. Freund und Feind. Segen und Fluch. »Masaomi?«, in Izayas Tonfall lag das Ungewisse. Er berührte mich wie selbstverständlich an allen Stellen und verlangte mir ein unterdrücktes Stöhnen ab, bevor ich stotternd antwortete: »Ich...ich möchte nicht wieder so...so lange auf dich w...warten müssen.« Ich biss die Zähne zusammen. Warum konnte er uns diesen Tag nicht schenken? All die Zeit, die er besaß, musste er mir doch nur diesen einen Tag widmen. »Du musst nicht weinen.« »Ich...Weine nicht«, blaffte ich und starrte ihn an. Unerwartet blickten seine rubinroten Augen zurück, erfüllt mit einem Hauch Besorgnis. Sofort bereute ich meinen Ausruf, bückte mich und hob die Decke zurück an meinen Körper. Ich vergrub mein Gesicht darin. Es roch, wie Izayas selbst, nach einem allgegenwärtigen Hauch von Patschuli. »Masaomi?« Ich murmelte nur eine Bestätigung. Ich konnte nicht antworten. Ich konnte nicht verstehen. Was ich noch tun sollte, um hier nicht fort zu müssen? Ich spürte Izayas Gegenwart schwinden. Er ging zur Zimmertür. »Geh duschen. Mach dich fertig. Im Schrank hängt ein neuer Anzug für dich.« Ich sah ihm verwirrt nach. Sah nur seinen Rücken. Das kurze schwarze Haar. Bevor Izaya allerdings den Raum verließ, räusperte er sich. Kühn sagte er: »Ich habe nie behauptet, dass du heute schon gehst.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)